Kapitel 10

KAPITEL 10

~ Marco's Sicht ~

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wunderte ich mich erst mal, wieso ich denn auf der Treppe und kurz vor meinem Zimmer aufgewacht bin.
Batman-Decke, schmerzende Pobacken, mein Kopfkissen.
Als sich alles wieder zusammen in meinem Kopf gefügt hat, wischte ich mir den Schlaf aus den Augen und schmiss Kissen und Decke auf mein Bett, ehe ich mir frische Klamotten schnappte und im Badezimmer verschwand, um zu duschen. Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, schaute ich im Gästezimmer nach und sah die beiden noch ruhig schlafen. Kane im Reisebett und May lag auf halb acht im Einpersonenbett und würde bei dem leichtesten Windstoß vom Bett knallen.
Ich ging ins Zimmer und hob die Decke vom Boden auf, ehe ich May anhob und richtig ins Bett legte. Sie machte aber eine Drehung und ditschte mit der Stirn an die Wand an.
May grummelte irgendwas unverständliches vor sich hin. Aber hey! Wenigstens war sie wach.
"Morgen", flüsterte ich munter und stützte mich auf dem Bett ab.
Als May sich umdrehte, erschrak sie sich, weil ich so nah an ihr dran war. Vor allem mit dem Gesicht.
"Morgen", murrte sie und zog die Decke über ihren Kopf.
"Ich geh zum Bäcker. Willst du was besonderes haben?"
"Nur normale Brötchen."
"Wie viele?"
"Zwei. Und für Kane ein normales und ein süßes Hörnchen."
"Okay, es gibt aber kein Frühstück ans Bett."
"Diesen Standpunkt hast du schon von Anfang an vertreten", murmelte May, unter der Decke.
"Ich weiß. Kannst du dich mal aus dem Bett bequemen, nach unten in die Küche. Du darfst gerne den Tisch decken."
"Ich darf?"
"Du musst", lachte ich leise und zog May die Decke weg.
"Marco!", knurrte sie als ich die Decke mit nahm und an der Tür fallen ließ.
"Aufstehen, aber Zack", sagte ich und blickte zu May, die genervt eine Grimasse schnitt, ehe sie sich aus dem Bett erhob. Kane schlief trotz allem noch weiter. Während ich mir die Schuhe anzog, kam May mit lockerem Dutt die Treppen runter gestampft und setzte leicht genervt den Weg in die Küche fort.
Sie war so ein Morgenmuffel, wenn sie noch nicht geduscht hatte.
"May?", fragte ich sie.
Sie kam aus der Küche zurück und blickte mich an. "Was?"
"Geh erstmal duschen, bevor du uns allen noch die Halsschlagader rausreißt und das mit deinen Zähnen."
"Hast du 'nen Todeswunsch oder so was?", fragte sie mich und kniff die Augen zusammen.
Herrjemine, mit ihr war nie zu spaßen.
Ich unterdrückte mir ein Lachen. "Geh duschen."
"Gibt's zu. Du stehst irgendwie darauf, wenn du mich herumkommendieren kannst?"
"Ich dreh halt den Spieß auch mal um", grinste ich. May gab mir einen Klapps auf den Hinterkopf und verschwand nach oben.
Ich machte mich auf den Weg zum Bäcker in der Nähe.
Als ich den Bäcker namens Reuss, Familientradition, betrat, blickte mich die ältere Verkäuferin an.
"Ah, Herr Reus", meinte die Dame erfreut.
"Morgen Frau Heidl", gab ich nett lächelnd zurück.
"Wie immer?"
"Nee, heute mal was anderes. Fünf normale Brötchen und ein süßes Hörnchen", gab ich die Bestellung auf.
"Sie haben aber ganz schön Hunger."
"Wie kommen Sie darauf, dass das alles für mich ist?", fragte ich neugierig nach, während die Frau die Sachen in eine Tüte packte.
"Naja, ihre Freundin meinte, dass sie bis Sonntag weg wäre."
Das die Frau auch über alles Bescheid wusste.
"Achso. Ich habe heute jemanden da", meinte ich und legte fünf Euro hin, als die Frau mir die Tüte reichte.
"Ihre Schwester?"
"Ja", nickte ich und nahm die Tüte entgegen. "Stimmt so. Schönen Tag noch."
"Ihnen auch, Herr Reus", meinte die Frau und ich verließ den Bäcker. Auf den Weg zurück nach Hause, summte ich ein Lied vor mich hin.
"I can't feel my face when I'm with you. But I love it. But I love it. Ohoooh."
"Alter, du konntest noch nie singen. Lass es bleiben", hörte ich Nuri lachen und ich fuhr erschrocken zusammen.
Ich drehte mich um und sah Nuri hinter mir. Sportklamotten. Anscheinend war er Joggen.
"Lass mich doch", meinte ich schmollend.
"Warst du beim Bäcker?", fragte Nuri mich und ging neben mir her.
"Nein, im Reisebüro", murmelte ich ironisch "Reisebüro? Wo geht's hin? Wieder Spanien?"
"Alter, dass war sarkastisch gemeint. Natürlich war ich beim Bäcker", meinte ich und schnitt eine Grimasse.
Nuri nickte nur. "Türlich. Hab gestern May getroffen, als sie von deiner Schwester gekommen ist."
"Okay", meinte ich.
"Hat sie dir das gar nicht gesagt?"
"Hab gestern schon gepennt, als sie wieder kam. Du kennst mich, wenn ich wach werde, nachdem ich voll fest gepennt habe."
"Achso, ja das ist bei dir voll komatös. Verpeilt, weißt nicht mehr wo vorne und unten ist und willst am liebsten da schlafen, wo du bist."
"Ge-nau", nickte ich.
"Naja, ich lauf dann mal weiter. Wir sehen uns später beim Training?"
"Nicht, wenn ich es verhindern kann", murmelte ich ironisch.
"Hab ich dir irgendwas getan?", fragte Nuri gekränkt.
"Mensch, Alter. SAR-KAS-MUS!"
"Oh man. Du solltest mal 'nen Sarkasmusschild oder so bauen", meinte Nuri, klopfte mir auf die Schulter und ließ mich stehen.
Als Nuri um die Ecke gejoggt war, wechselte ich die Straßenseite und machte mich weiter auf den Weg nach hause.
Als ich zu Hause ankam, flitzte Kane nur im Windeln durch den Flur. Die kleinen Füße klatschten auf den Laminatboden auf.
"Brötchen", meinte ich und knallte die Tür zu.
Kane kam aus der Küche gelaufen und blickte zu mir.
"Hörnchen?", fragte er mich.
"Hab ich. Ich dachte du trägst keine Windeln mehr?"
Er zuckte nur mit den Schultern und lief zurück in die Küche. Ich zog meine Schuhe aus und folgte meinen Sohn.
May hatte schon den Küchentisch gedeckt, aber von ihr war nichts zu sehen.
Schnell legte ich die Brötchentüte beiseite, als ich sah, dass Kane vergeblich auf einen der Stühle klettern wollte. Ich hob den Kleinen hoch und setzte ihn hin.
"Wo ist Mama?", fragte ich.
"Da", antwortete Kane und zeigte zur Tür.
Ich drehte mich um, und sah, dass May die Küche betrat.
"Geht's nach der Dusche?", fragte ich sie, als ich die nassen Haare bemerkte, desweiteren bemerkte ich auch einen kleinen blauen Fleck auf ihrer Stirn.
"Kommt das von der Wand?", fragte ich grinsend und fuhr über May's Stirn. Sie fuhr zurück. "Ich tu dir nichts. Was ist denn los?"
"Das tut weh", bemerkte sie und rieb sich die Stirn. "Nein, von den Türrahmen gestern Abend."
"Kühl das, bevor du noch so'n Horn da kriegst", bemerkte ich.
"Ach nö, geht schon. Ich hab Kohldampf."
"Okay, wenn du meinst", entgegnete ich und setzte mich wie May an den Tisch.
Wir frühstücken gemeinsam und May wollte alleine die Küche aufräumen, damit ich mich mit Kane beschäftigten konnte.
Ich hatte mich mit ihm an den Couchtisch gesetzt und versuchte mit ihm ein Cars-Puzzle zu machen, während May drüben nicht gerade leise den Geschirrspüler einräumte.
"Kannst du kurz alleine puzzlen. Papa guckt mal kurz was?", fragte ich Kane und dieser nickte.
Ich ging in die Küche und sah wie May, den ganzen Geschirrspüler umräumte. Also das ganze Geschirr.
"So kann es auch nicht sauber werden", grummelte sie und drehte den Family-Guy-Müsli-Becher mit der offenen Seite nach unten. "Wie räumt er denn-"
"Caro, Caro räumt es so ein. Ich nicht", warf ich ein.
May erschrak sich, als sie gerade die Teller neben den Besteckkorb richtig einordnen wollte.
"Nah, geschnitten", fluchte sie auf und schüttelte ihre Hand.
"Hör auf die zu schütteln, bevor du das ganze Blut auf den Fliesen verteilst", meinte ich und hielt ihre Hand fest. Sie hatte sich am Mittelfinger leicht die Fingerkuppe eingeschnitten. Wenn man an zwei Seiten des Fingers fasste, konnte man die Schnittwunde besser erkennen.
"Hast du Spaß?", fragte May mich.
"Nee. Ich hol dir 'nen Pflaster. Warte."
Ich drückte ihr einen Zewatuch auf den Mittelfinger und verschwand ins Gastebadezimmer im unteren Teil. Da war nur ein Klo und ein Waschbecken. Mehr brauchte man da nicht.
Mit einer Pflasterpackung kam ich wieder. Und noch bevor ich die lebenswichtige Erste Hilfe bei ihr durchführen konnte, hatte sie mir die Packung aus der Hand gerissen und versorgte sich selber.
"Okay, dann so", meinte ich und klatschte in die Hände. "Bin dann wieder bei Kane."
"Hm-hmm", machte May und ich verließ die Küche.
"Das Puzzle ist blöd", meinte Kane und schmiss die sechs Teile vom Tisch. Es war doch nur ein sechs Teile Puzzle ab zwei Jahren.
"Fußball spielen?"
Er blickte mich fragend an. "Nur, wenn du dich anziehst."
Kane verdrehte die Augen und kam zu mir. Er schnappte sich meine Hand und zog mich mit zur Treppe.
Während ich Kane umzog, kam May ins Zimmer und schnappte sich ihr Handy, vom Nachttisch um wieder rauszugehen.
"May?", fragte ich sie und sie kam im Rückwärtsschritt zurück. "Ja?"
"Ich hab nachher Training. Kannst eines der Autos aus der Garage nehmen. Bleibt dir überlassen, wenn du irgendwo hin willst."
"Ich denke, Emma hält es aus."
"Dortmund ist groß. Automatik ist auch besser", sagte ich.
"Ich komme mit Automatik gar nicht klar. Das weißt du. Wie oft bin ich über rote Ampeln gefahren, weil ich die Fußbremse los gelassen habe. Oder abgerutscht bin. Und wie oft habe ich schon vollbremsungen mit den Aston durch, wo wir mindestens jedes Mal einer hinten drauf gefahren wäre?"
"Bei jeden hab ich nach dem 20 mal aufhört zu zählen", meinte ich trocken.
"Siehste. Da fahre ich lieber mit Emma. Apropo fahren. Wann darfst du eigentlich deinen Führerschein machen?"
"Wenn die Dortmunder Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat. Aber in letzter zeit, melden sich immer mehr 'Zeugen' die mich angeblich fahren gesehen haben. Die müssen jetzt noch die Richtigkeit der Aussagen überprüfen."
"Zeugen, klar. Das sind bestimmt wieder irgendwelche Flachwichser, die in ihrem Leben nichts besseres zu tun haben, als Scheiße zu labern", motzte May herum und ich konnte Kane gerade noch die Ohren zu halten. Ich blickte von Kane zu May.
"Hoppla", meinte sie und verschwand aus dem Zimmer.
Während ich Kane, sie Treppen runter trug, hatte er einen meiner Fußbälle in der Hand. "Bin ein bisschen mit Kane im Garten."
"Uh-uh-ehm", meinte May und kam mit einem Grinsen aus der Küche geflitzt. "Hab noch etwas wegen deines Dramas mit dem Lappen los zu werden."
"Noch eine Beleidigung damit ich Kane die Ohren zu halten kann?"
"Nee", grinste sie, zeigte ihre Grübchen und musste sich jetzt schon zusammen reißen nicht zu lachen.
"Fakt ist: ohne Führerschein, darf mein meinen Rolls Reus fahren", lachte sie und klatschte in die Hände. "Verstanden?"
Ich blickte May mit hochgezogener Augenbraue an und ihr grinsen verschwand langsam vom Gesicht. "Okay, kann ich abhaken. Schlägt nicht so ein wie eine Bombe."
"Das kannst du gewaltig abhaken. Mit 'nem roten Edding. Am besten noch durchgestrichen. Mehr mals. Zerrissen, angezündet und verbrannt", grummelte ich und verschwand mit Kane im Wohnzimmer. Okay. Gehört hatte ich den noch nicht. Und irgendwie war er ja witzig. Okay nicht. Es war eher nur May's lache und das sie sich selber dafür gefeiert hatte.
Ja, der Witz war Scheiße. Aber May war zum schießen. Irgendwie.
Während ich also mit meinem Sohn im Garten am Fußballspielen war, war May die ganze Zeit drinnen und beschäftigte sich sonst wie. Atmen. Atmen das tat sie auf jeden Fall. Da bestand keine frage. Als May mit den Handy an Ohr, aus dem Haus kam und sich auf die Veranda setzte, blickte ich zu ihr auf und schon klingelte es.
Voller Schmerz fuhr ich zusammen und hielt mir die Kronjuwelen fest.
"Guter Schuss, Kane", stöhnte ich und sank auf die Knie, um mich keine Sekunden später wie ein Embryohaltung auf den Boden zu legen. Wimmernd, mit Tränen in den Augen, vor Schmerzen, vor Demütigung, dass mein noch nicht mal drei jahre alter Sohn schon so einen Schuss drauf hatte. Die Demütigung wurde perfekt, als Kane sich wortwörtlich wegschmiss. Er lachte so sehr, dass er nach hinten kippte und im Gras landete.
Auch May lachte, da sie dachte das wäre ein Scherz gewesen. Aber als sie zu uns kam und sah, dass mir Tränen über die Wange liefen, hatte sie ihr Mitleidsgesicht drauf.
"Zielsicher ist Kane schon mal", sagte sie und kniete sich neben mich, während Kane immer noch am Lachen war.
"Ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich ist. Aber ich glaube, meine Eier haben mein Gehirn touchiert."
"Kannst du aufstehen?"
"Nein, lass mich hier liegen und qualvoll an diesen Schmerzen sterben."
"Okay, dann bleib liegen und ich hol dir was zum kühlen", sagte May und stand wieder auf. "Versuche bis dahin nicht zu sterben."
"Leck mich", grummelte dich.
"Du mich auch", knurrte May und ging in Richtung aus.
"Hab ich schon oft genug!", rief ich ihr hinterher und wälzte mich auf die andere Seite. "Gott! Meine Eier!"
"Papi, hast du aua?", hörte ich Kane hinter mir fragen.
"Ja", sagte ich und drückte mein Gesicht ins feuchte Gras.
"War ich das etwa?"
"Ja."
"Tschuldige", meinte Kane und strich mir durchs Haar.
"Schon okay."
"Wieso auch immer hast du keine Coolpacks im Gefrierschrank. Hab aber dafür gefrorene Erdbeeren gefunden. Hoffe die gehen auch", meinte May, kletterte über mir rüber und kniete sich neben mich.
"Weiter spielen?", fragte Kane mich.
"Wenn das Aua vorbei ist. Spiel solange mit den Ball, ja?", fragte May Kane.
"Ok."
"Ich empfehle dir in Zukunft einen Eierschutz zu tragen, sonst klingeln deine Eier wirklich bald aus deinen Nasenlöcher."
Knurrend schnappte ich mir die Tüte mit den gefrorenen Erdbeeren und legte diese auf meinen Schritt.
"So kannst du die nicht kühlen. Da muss die Hose schon runter", meinte May.
"Ehrlich jetzt."
May nickte. Ich schaffte es wirklich mich aufzuräppeln und die Steinstufen zur Veranda hoch zugehen. Selbst durch die Tür, bis auf die Couch schaffte ich es.
Ich knöpfte meine Hose auf, zog sie ein wenig runter, legte mich auf die Couch und die Tüte mit den gefrorenen Erdbeeren auf meinen Schritt.
"Kaaaaaalt", fluchte ich auf und ließ mich dann nach hinten sinken als ich mich an die kälte gewöhnt hatte.



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