[ XXVII - Der erste Abschied ]
[ XXVII - Der erste Abschied ]
Ich stand vor dem Spiegel und knöpfte meine weiße Bluse zu. Die Nacht über hatte ich kein bisschen geschlafen. Wie sollte ich auch schlafen, wenn heute die Beerdigung meiner Mutter stattfand. Zwei Wochen nach dem Vorfall in Orson. Für mich gab es einen riesigen Ärger und ich durfte die Einsatzkosten der Feuerwehr im Heim von 5000 Dollar bezahlen, dafür das sämtliche Wagen zum Heim fahren mussten.
Mr. Lahey drückte mir zwar Hausarrest auf und durfte das Heim nur zur Schule verlassen, wo ich von Shorty hingebracht und wieder abgeholt wurde. Wenn ich etwas für die Beerdigung meiner Mutter zu tun hatte, hing mir Shorty auch wieder an der Backe. Ich war für zwei Monaten in der Küche verdonnert, dass ich da putzen sollte. Ausnahmsweise für heute war ich freigestellt. Trotzdem würde mich Mr. Lahey zur Beerdigung begleiten.
Meine Laune war eh im Keller. Lydia, die sich wieso auch immer weiter Sorgen um mich machte, wurde immer wieder hier weggeschickt, auch wenn wir etwas für die Schule machen mussten. Es war klar, dass Melissa hier auf der Matte stand und Terror schob.
Ich sei in Trauer und alles und bräuchte da meine Freunde um mich herum. Melissa wusste mittlerweile von allem bescheid, was in Orson passiert ist. Sie und Stiles sprachen mir immer zu, dass Derek vermutlich nicht leben würde, oder Scott getötet würde, hätte ich nicht so gehandelt, wie ich gehandelt habe.
Gestern hatte ich mit Scott gesprochen, ob er irgendwas von Derek gehört hatte, der sich seit Orson von uns zurückgezogen hatte. Scott hatte auch keine Ahnung, was mit ihm war und wollte nach der Schule zu ihm. Ich wusste immer noch nicht bescheid. Wie denn auch, wenn ich ihr im Heim fest sitze.
Die 5000 Dollar für die Feuerwehr und das Geld für die Beerdigung konnte ich von der Lebensversicherung meiner Mutter bezahlen, die mir ihr ein Notar ausgehändigt hatte.
Ich hatte sogar das Haus geerbt, was ich gleich zum Verkauf ausgesetzt hatte.
Die Möbel ließ ich mit zum Verkauf, nur das andere Zeug wie persönliche Sachen und Erinnerungsstücke ließ ich solange in mehreren Lagern stehen.
Ich kämmte gerade meine Haare durch, als es an meiner Zimmertür klopfte. Es war Mr. Lahey gewesen, der mich schon die ganze Zeit drängte, damit wir los können.
Ich schnappte mir mein Handy und meine Zimmerschlüssel und folgte Mr. Lahey zum Auto.
Schweigend saß ich neben ihn, während er am Reden war, wie die Beerdigung wohl verlaufen würde und lobte mich jetzt schon, was ich mich für Mühe gegeben hatte und das ich meiner Trauer ruhig freien Lauf lassen sollte, bevor ich das alles wieder in mich hineinfraß. Aber so war ich nun mal. Bevor ich irgendwie Emotionen zeigte, oder mit jemanden großartig über meine Gefühle redete, stopfte ich alles in mich hinein und litt vor mich hin.
Als wir am Beacon Hills Memorial Park ankamen, standen schon einige Leute vor der Kapelle. Mr. Lahey hielt auf dem Parkplatz und ich war als erste ausgestiegen. Um meine Unsicherheit irgendwie zu verbergen, schaute ich den warteten Personen gar nicht erst großartig an. Melissa war die erst die mich umarmte und mir einen Umschlag in die Hand drückte. Klar, dass es eine Karte mit Mitleidsbekundungen war und Geld. Das war typisch auf Beerdigungen. Sie machte sich mal wieder viel zu große Sorgen um mich.
„Wie geht es ihr?", hörte ich Melissa fragen, als ich zu Scott und Stiles ging, die Anzüge trugen. Stiles schubste Scott weg, damit er mich als Erstes umarmen konnte. Chief Stilinski der ebenfalls da war, verdrehte nur die Augen wegen seinem Sohn. Stiles erdrückte mich fast und seufzte nur.
„Komm her, Kleines", sagte Scott und zog mich zu sich, damit er mich umarmen konnte.
„June, du hast mein aufrichtiges Beileid", sagte Chief Stilinski und umarmte mich ebenfalls.
„Danke, Chief."
„Ich bin nicht im Dienst. Also bin ich Noah."
„Okay." Er drückte mir ebenfalls einen Umschlag in die Hand. Ich bedankte mich und wurde von sämtlichen Arbeitskollegen meiner Mutter zu sich gerufen. Nachdem die mir auch ihre Beileidsbekundungen ausgesprochen und mich umarmt hatten, hatte ich mehr als fünfzehn Umschläge in der Hand.
Auch Lydia tauchte mit ihren Eltern auf. Und dort wieder das gleiche Spiel. Umschlag Nummer sechszehn bekam ich in die Hand gedrückt, nachdem ich von den dreien Umarmt wurde.
„Ich weiß in welcher Haut du steckst, Liebes", sagte Mrs. Martin. „Ich bin Einzelkind und musste von meiner Mutter in demselben Alter wie du Abschiednehmen. Ich habe das auch geplant und durchgeführt. Ich hatte aber schon meinen zukünftigen Ehemann an meiner Seite."
„Mom, sie hat keinen Freund", sagte Lydia. „Und wenn, dann wüsste ich das."
„Entschuldige, in dem Alter hat man meistens doch einen."
„Schon okay", sagte ich.
„June", sagte Stiles und stellte sich neben mich. Er zeigte zur Einfahrt des Friedhofes und ich folgte seinem Blick. Dort fuhr ein schwarzer Geländewagen rauf und hielt vor dem geparkten Autos an. Agent McCall stieg aus dem Wagen und ich blickte zu Melissa, die sich ihren rechten High-Heel auszog, um den ihren Ex-Mann an den Kopf zu werfen. „Er ruiniert das hier nicht", knurrte sie sauer.
„Wow, Mom", sagte Scott und riss seiner Mutter den Schuh aus der Hand. „Du triffst den eh nicht. Lass mich das machen."
Gespannt blickte ich zu Agent McCall der die hintere Tür öffnete. Scott machte den Arm mit dem Schuh wieder runter und drückte den seiner Mutter in der Hand, als er sah, wie mein Vater in Handschellen aus dem Auto stieg. Dieser trug eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd und schien um Jahre gealtert zu sein. Ich konnte es gar nicht fassen, als McCall ihm die Handschellen abmachte. Ich drückte Stiles die Umschläge in die Hand und lief einfach auf meinem Vater zu. Erleichtert und froh ihn wieder zu sehen, sprang ich meinen Vater in die Arme. Dieser schlang sofort seine Arme um meinen Rücken und drückte mich an sich.
Papa weinte, das merkte ich ihm an. Er drückte mich näher an sich heran. „Ich bin da, June."
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und drückte mich dann von sich weg. „Der Papst, oder so wartet schon."
Typisch, Dad. Wenn es um Religion und Kirche geht, hat er genauso wenig Ahnung wie Paris Hilton vom Grillen.
„Das ist der Pfarrer, Dad", verbesserte ich ihn. „Lass uns reingehen."
„Okay." Ich blickte zum Pfarrer und Stacy, die ebenfalls gekommen war.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied eines geliebten Menschen zu nehmen, der auf grauenvollste Art und Weise aus dem Leben gerissen wurde. Wendy Lowman, eine liebende Mutter und Frau, die sich jeder gewünscht hatte. Eine Teamfähige Arbeitskollegin und Freundin, die immer für einen da war, wenn man Rat brauchte, oder eine starke Schulter zum anlehnen. Eine Powerfrau, die für ihre Familie und ihre Arbeit gelebt hat. Sie liebte ihre Kinder. Sie liebte es Menschen zu helfen und aufzumuntern...", redete der Pfarrer vor sich hin. Ich saß zwischen meinen Vater und Melissa, die beide am weinen waren, während ich einfach keine Träne verdrücken konnte. Ich starte einfach auf die dunkelviolette Urne, die zwischen Mamas Lieblingsfotos, Blumen und Kerzen auf einem Tisch stand. Der Pfarrer stand daneben und hielt Leidenschaftlich die Rede, die wir zusammen verfasst hatten.
Ich merkte die ganze Zeit den Blick von Agent McCall in meinem Nacken, der hinter uns saß, damit er meinen Vater im Auge behalten konnte. Ein weiterer Agent, saß neben meinen Vater.
Ich schnappte mir während der Beerdigung die Hand meines Vaters und wollte sie eigentlich gar nicht mehr los lassen, aber ich musste es, als der Pfarrer mich aufrief und ich mich nach vorne begeben sollte, um meine kleine Rede zu halten. Mehr oder weniger. Ich hatte irgendwie nicht die Kraft eine eigene zu schreiben. Dafür war mein Kopf einfach viel zu voll.
Ich stand da vorne und blickte auf das Geschriebene auf den Zetteln.
„Der amerikanische Schriftsteller Thornton Wilder hat einmal gesagt...", ich räusperte mich, als ich in das Mikrofon sprach. „Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten; als Brücke dazwischen ist unsere Liebe. Und das hier ist ein Land der Lebenden. Wir haben dieses Land mit meiner Mutter erlebt. Manche von uns sind mit ihr einige Schritte gegangen, andere fast den gesamten Lebensweg. Über die Zeit im „Land der Lebenden", gemeinsam mit ihr, haben wir viele Erinnerungen und können sehr viel erzählen. Und gerade in den letzten Tagen und Wochen sind sehr viele dieser Erinnerungen wieder wach geworden." Ich hielt inne. „Es gibt viel zu viele Erinnerungen mit meiner Mutter, dass es viel zu lange dauern würde alles aufzuzählen. Und eine Erinnerung ist, wie stolz sie immer auf mich war, auch wenn es Kleinigkeiten waren. Wie zum Beispiel, dass ich das erste Mal gekocht habe, ohne das die Küche in Brand geriet." Ein Lachen ging durch die Reihen der Sitzplätze. Dad lachte am lautesten und nickte zustimmend. „Wir erinnern uns an glückliche Stunden mit ihr in unserer Mitte, an lustige Erlebnisse, an Feste und Feierlichkeiten mit ihr, an Freude und Ausgelassenheit; doch da sind auch Erinnerungen an Krankheit, an traurige Erlebnisse und schwere Stunden. Diese waren vor allen Dingen da, als meine Großeltern verstarben. Ich werde aus auch nie vergessen, dass Mama sämtliche Familientage eingeführt hat. Dienstag wird gemeinsam Spaghetti gegessen, sonntags Lachen wir die Nachbarn aus die um 8 Uhr zur Kirche gehen." Ich blickte zum Pfarrer. „Nichts für ungut." Dann wandte ich mir den Zettel wieder zu, um zu schauen, wo ich war. „Die Erinnerungen an ihr in diesem Land der Lebenden sind unterschiedlich. Jeder hat seine Erinnerungen mit meiner Mutter, ob gut oder nicht so gut. Wer weiß. Erinnerungen an glückliche Stunden sind dabei, an lustige Erlebnisse. Geht für einen Augenblick inne und erinnert euch selbst an die Schritte und Wege mit ihr, die man besonders in Erinnerung hält." Ich blickte in die Gesichter der Trauernden und sie schienen alle nachzudenken. Nach fast zwei Minuten redete ich weiter. „Da ist ein Land der Lebenden- und da ist ein Land der Toten, sagt der Dichter. Über das Land der Lebenden gemeinsam mit ihr haben wir viele Erinnerungen und könnten noch viel mehr erzählen, mehr noch, als die Zeit hier und heute reicht. Über das Land der Toten, können wir nichts sagen. Dahin ist sie nun unterwegs, oder vielleicht schon da und schaut gerade auf uns runter. Dankbar, dass ihr alle gekommen seid, um Lebewohl zu sagen." Wieder räusperte ich mich. „Wir wissen nicht, wie es dort sein wird, wo sie jetzt ist. Wir können ihr nur hilflos nachblicken, fragen uns trotzdem noch „Warum?", obwohl es geklärt scheint. Wieso, weshalb und warum sie gehen musste. Wir geben ihr aber unsere guten Wünsche mit für diesen Weg, den sie nun geht, für das Land der Toten, was sie erwartet. Und wir wissen alle, dass wir uns sicher sein können, dass wir sie früher oder später wiedersehen werden, aber solange schaut sie auf uns herab und behält uns im Auge. Sie behält mich im Auge, meinen Vater, selbst ihre Arbeitskollegen auf der Arbeit." Ich faltete den Zettel zusammen und blickte mich in der Runde um. „Einige von euch haben einen Zettel unter ihren Sitzplätzen. Und ich bitte euch, meine Mom bittet euch, dass ihr was da drauf steht laut verließt. Die sind Nummeriert."
Die Leute schauten alle unter ihren Plätzen und einige von ihnen mussten gerade einen Zettel hervor gezogen haben, der Nummeriert war.
Mein Vater stand zuerst auf und räusperte sich. „Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten; und als Brücke zwischen beiden steht unsre Liebe." Dann setzte er sich wieder hin und Melissa stand auf.
„Diese Brücke ist stark; sie wird lange halten; bei einigen von uns für alle Ewigkeit."
Sie setzte sich wieder hin und eine weitere Arbeitskollegin meiner Mutter stand auf.
„Es ist eine Brücke, gebraut aus Steinen der Liebe, befestigt mit unseren Tränen", las diese vor und setzte sich ebenfalls hin.
Lydia stand auf. „Verfugt mit unseren Erinnerungen und unseren guten Gedanken."
„Lasst diese Brücke stark sein, als Verbindung zu ihr, als Verbindung über die Grenze hinweg, über die Grenze zwischen dem Land und der Lebenden und dem Land der Toten", las Scott vor. Er setzte sich wieder hin und ich blickte über die Menschen hinweg, bis sich jemand aus einer der Reihen erhebte. Derek. „Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten; und da ist als Brücke zwischen beiden unsere Liebe."
Ich schluckte und starrte Derek einfach nur an. Was machte er. Derek blickte mich an, ohne eine Miene zu verziehen und setzte sich wieder hin.
„Tschüss, adieu, bis dann, bis irgendwann, bis auch wir über die Brücke gehen werden", las der Pfarrer vor und blickte zur Urne. „Hast du super gemacht, June."
Er klopfte mir auf die Schulter und ich wandte endlich meinen Blick von Derek ab. Ich ging die Marmorstufen runter und setzte mich wieder zwischen Dad und Melissa.
„Das hast du super gemacht", lobte mein Vater mich und schnappte sich meine Hand. Melissa strich mir aufmunternd über die Wange. Während der Pfarrer irgendein Lied anstimmte und sämtliche Leute mit sangen, ich bewegte nur die Lippen, legte Jemand seine Hand auf meine Schulter. Ich warf einen Blick über meine Schulter und hätte mit Stiles, oder Derek gerechnet, aber ich blickte direkt in das Gesicht von Tante Lucy. Erleichtert blickte ich meine Tante an. Sie lehnte sich nach vorne und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.
„Hi, Mäuschen", sagte sie.
„Hi", gab ich zurück. Auch mein Vater bemerkte meine Tante, seine Schwägerin und blickte sie dankend an.
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