[ XXIV - June wird angebaggert ]
[ XXIV - June wird angebaggert ]
Ich bekam einfach kein Auge zu und mich großartig hin und her drehen, wenn ich nicht schlafen konnte, konnte ich gerade auch nicht. Ich konnte es einfach nicht. Ich hatte Angst, wenn auch noch ich schlafe, dass wir angegriffen werden und zweitens machte mir einfach mein Ellenbogen zu schaffen. Die Heilung war bei Brüchen sowieso nie Schmerzfrei und hielt einen wach.
June, die sich im Schlaf wieder drehte, erhaschte wieder meine Aufmerksamkeit. Ich fragte mich, wie sie so seelenruhig schlafen konnte. Vertraute sie mir etwa so sehr? Sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief. Na gut, sah sie auch so. Sie machte mir nicht den Anschein, dass sie auch nur eine Fliege ein Bein rausreißen könnte. Und irgendwie tat sie mir einfach nur leid. Das alles was sie durchmachen musste, ist normalerweise nicht für jeden einfach zu verstehen. Aber sie war mit ihren sechszehn Jahren so stark und ließ die Trauer ihrer Mutter nicht weiter an sich heran. Auf jeden Fall zeigte sie was das angeht nicht ihre Gefühle.
Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man die Mutter verliert. Ich war fast in denselben Alter, als meine Mutter in dem Feuer unseres Anwesens starb. Meine Schwestern und ich waren zum Zeitpunkt nicht zu Hause. Mein Onkel wurde damals schwer verletzt und ich hatte keine Ahnung, ob er immer noch in dem Spezialkrankenhaus in Stockton im Wachkoma lag. Er hatte versucht seine große Schwester zu retten, aber da war es schon zu spät gewesen. Meine Schwestern und ich hatten Beacon Hills nach dem Brand verlassen, da wir das dort nicht mehr ertragen haben. Vor allen Dingen ich nicht.
Und June machte etwas viel Schlimmeres durch. Es muss doch wie ein Schlag ins Gesicht sein, wenn man erfährt, dass der eigene Bruder seine Mutter getötet hat. Ob er ein übernatürliches Wesen ist, oder nicht. Mit einem Schlag ist die heile Familienwelt kaputt und man weiß nicht mehr, wie es weiter geht. Mit sich und seinem Leben. Vor allen Dingen mit sich. Sie tat mir einfach nur leid. Ich drehte mich auf die Seite, um June besser beobachten zu können. Ich weiß, dass das gruselig ist Menschen einfach beim Schlafen zu beobachten. Aber noch weiter die Schimmelflecken und Spinnen, die vor Angst vor uns Menschen starr in der Ecke hangen, weiter zu zählen, war auf der Dauer auch langweilig.
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass June Sommersprossen auf der Nase und auf der Wange hatte. Ich strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die im Pflaster auf ihre Wange hing. Ich puhlte vorsichtig das Pflaster von der Haut, damit ich das Haar da weg bekam. Sie schlug mir zwar im Schlaf die Hand weg, aber ich bekam es trotzdem noch hin, dass Haar aus der Wunde zu holen. Ich blinzelte irritiert und versuchte irgendwas zu erkennen. Die Wunde sah anders aus. Ich stand auf und schnappte mir die brennende Öllampe vom Gesicht, weil der Schein des Halbmondes, durch die halb kaputten Gardinen nicht wirklich was brachte. Meine Augen waren eigentlich besser als sonst, aber ich wusste nicht ob die mir einen Streich spielten. Ich stellte die Lampe auf das Bett und schob das Pflaster wieder bei Seite. Nicht einmal fünf Stunden nach dem Unfall hatte sich schon Schorf auf der Wunde gebildet. Ich drückte das Pflaster wieder an die Wange und wollte mir auch die Wunde auf der Stirn anschauen. Gerade als ich anfing das Pflaster abzupuhlen, brummte June und gab irgendwelche Laute von sich. „W-was?", fragte sie verschlafen und blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an.
„Sah so aus, als ob dein Pflaster abgeht", meinte ich und fügte noch schnell hinzu, dass sie wieder weiterschlafen sollte.
„Super", murmelte June und drehte sich mit dem Rücken zu mir. Ich stellte die Öllampe auf das Nachtschränkchen neben mir und legte mich wieder hin. Mein Ellenbogen tat mir immer noch weh.
***
Ich hatte kein bisschen geschlafen und am nächsten Tag machten June und ich uns weiter auf den Weg. Die Platzwunde an meiner Stirn war über Nacht geheilt und meinen Ellenbogen konnte ich teilweise schon bewegen und die Schmerzen waren nicht mehr wie vorher. Im Hotel hätte ich June am liebsten die Pflaster von der Stirn gerissen, um nachzuschauen, was mit ihren Verletzungen ist, aber hatte auch keine Lust sie noch weiter zu beunruhigen, wie sie es jetzt schon war. Sie schaute sich immer wieder um, als wir unseren Weg in die angrenzende Kleinstadt waren.
June fand im Zimmer nämlich eine Landkarte und daraufhin die Stadt. Wir mussten Scott und Stiles erreichen, dass es hier nicht weiter ging und wir dringend Hilfe gebrauchen könnten.
„Wir können uns daraufhin auch ein Auto mieten", schlug ich vor. June reagierte nicht, sondern schaute sich immer noch um. „June?"
„Ja, was?", fragte sie mich verdattert und schaute mich auch so an.
„Wenn einer von denen in der Nähe wäre, hätte ich die schon längst bemerkt."
„Oh, okay."
„Ja, mach dir da erstmal keinen Kopf. Wenn wir in der Stadt sind, suchen wir uns erstmal ein Diner, rufen dann die Idioten an und suchen uns dann ein Motel, okay?"
„Klar, können wir machen. Ich hab Kohldampf."
Nach einer halben Stunde liefen wir beide auch schon an dem Ortschild von Orson vorbei. Das gute war, dass wir gleich am Anfang auf eine Telefonzelle trafen. Ich zog aus meiner Hosentasche ein paar Pennys und steckte sie in den Geldschlitz. June schnappte sich den Hörer und wählte irgendeine Nummer.
„Wen ruft du an?"
„Beacon Hills Krankenhaus." Sie blickte mich an, als sie meinen komischen Gesichtsausdruck sah. Wieso ruft die im Krankenhaus in Beacon Hills an? „Erkläre ich dir gleich", fügte sie noch hinzu. „Hallo, ich hätte gerne Melissa McCall gesprochen. Ich bin ihre Nichte..." Dann wartete June einen Augenblick. „Super, danke." Dann wartete June wieder. Sie lehnte sich an die zerkratzte Glasscheibe und spielte mit dem silbernen Telefonkabel herum. „Das dauert immer", bemerkte sie und schnitt eine Grimasse. „Oh, hi Melissa...", sagte June. Ich hörte eine wildaufgebrachte Stimme am anderen Ende, aber hatte keine Lust genauer zuzuhören. „Ja, da gibt es Problem und ich will jetzt auch nicht, dass du dir sorgen machst. Du kannst mal deinen Sohn und Stiles bescheid geben, dass ich in Orson festsetze." Dann lauschte ich doch.
„June, du weißt gar nicht, was hier los ist. Die Suchen nach dir. Die Polizei und das verdammte FBI", hörte ich die Frau am anderen Ende sagen. „Also soll ich die beiden Trottel nach Orson schicken? Wo liegt das überhaupt?"
„Im nördlichen Kalifornien", sagte ich. „Fast an der Grenze zu Oregon. Aber kein Wort zu irgendwen anderen, dass ich dich kontaktiert habe, okay?"
„Versprochen, Kleines", sagte die Frau am andren Ende. „Ich weiß, dass du mit diesem Derek unterwegs bist..." ich verdrehte ein bisschen die Augen. „Passt er gut auf dich auf?"
„Bisher macht er seinen Job ganz gut. Ich kann mich nicht beschweren."
„Orson in Kalifornien?"
„Ja."
„Dann gebe ich das durch", meinte die Frau am anderen Ende. „Ich gebe dir mal meine Nummer, okay. Wenn ihr in einem Motel seid, dann rufst du mich noch mal an."
„Mach ich."
„Hast du was zu schreiben?"
Ich machte den Rucksack auf und riss aus einer Broschüre ein Stück Papier raus, ehe ich irgendwo zwischen den Klamotten einen Stift fand. June nahm die entgegen und hielt das Stück Blatt gegen die Scheibe, ehe Melissa ihr ihre Nummer diktierte.
„Okay, danke, Melissa. Bis später."
„Bis später, Kleines. Ich werde sofort Scott..."
Das Gespräch war beendet und die Stimme aus dem Telefon forderte auf, dass man noch mehr Kleingeld reinschmeißen sollte. June beleidigte das Ding, als „Arschloch" und haute sauer den Hörer in die Halterung. „Dann gehen wir mal weiter", sagte June. Ich machte den Rucksack zu, nachdem ich den Fineliner wieder reingeworfen hatte und machte mich mit June weiter auf dem Weg.
Ein Diner. Ich sah das Diner zuerst und war mehr als Erleichtert, weil mein Magen viel zu leer war und ich vor Hunger auch schon Bauchschmerzen hatte. Als June ebenfalls das Diner entdeckte, blickte sie mich erleichtert an.
„Jetzt könnte ich auf schöne Pancakes ertränkt im Ahornsirup, Rührei und saftiges Speck und eine Diät-Cola", scherzte ich und rieb mir den Magen.
June lachte leise. „Cola zum Frühstück?", fragte sie mich.
„Nein, ich bin doch nicht bekloppt."
Wenig später saßen wir an einem Tisch und waren am frühstücken.
June war genau wie ich im Fresskickhimmel und sagte gar nichts großartiges, jedoch verschluckte sie sich, als sich ein Kerl neben sie setzte und sie ansprach.
Ich runzelte die Stirn und blickte den Typen an. Hatte er mich nicht gesehen? Oder will der mich nicht sehen.
„Hallo, Süße. Du musst neu hier sein, hab dich noch nie in Orson gesehen?"
Ist der blind, er sieht er nicht, dass sie etliche Jahre jünger war?
June blickte zu mir und dann wieder zu den Typen. „Siehst du den da?", fragte sie den Kerl und zeigte auf mich. „Das ist mein Freund und wenn du dich nicht von mir wegscherst, prügelt er dich durch die Fensterscheibe deiner Wahl."
Der Typ schaute zu mir und musterte mich. „Ich habe noch nicht mal Schiss vor dem Kerl. Der hat eh was an seiner Schulter, oder so." Dann wandte er sich wieder zu June. „Also, Süße, wie heißt du."
„Bist du taub?", fragte ich gereizt und stand von meinem Platz auf. Ich stellte mich direkt neben den Typen und spannte meine Brust an, blickte sauer auf den Typen runter. „Zieh leine, oder du hast einen sitzen."
„Meine Fresse. Deine Freundin kann doch für sich selber sprechen."
„Eben kann ich"; sagte June. „Verpiss dich."
„Ist ja gut", sagte er und verschwand endlich von June..
Grimmig blickte ich den Typen hinterher und setzte mich dann wieder gegenüber von June, um ruhig weiter zu essen. „Ich glaube ich gehe öfters mit dir weg", bemerkte June. „Dann lassen die mich alle wenigstens in Ruhe."
„Wenn ich bezahlt werde?"
„Och, dass kann ich mir nicht leisten."
„Einmal im Monat für mich kochen..."
„Einmal im Monat Lebensmittelvergiftung."
„Das war eigentlich nur ein Scherz"; meinte ich.
„Das sagst du nur, weil du gehört hast, dass ich nicht kochen kann."
„Hm, ein anderes Thema. Warst du eigentlich schon mal großartig krank? Magen und Darm-Grippe, oder so?", wechselte ich das Thema. June blickte mich entsetzt an.
„Wieso fragst du mich das?", wollte sie wissen.
„Ich hab in der Nacht deine Wunden angeguckt, weil mir das mit dem Kratzer eh schon spanisch vorkam", gab ich zu.
„O-okay?"
„Tut mir leid."
„Ist doch schon okay", beruhigte June mich, da ich Angst hatte, das sie mir jetzt eine Szene machte. „Glaubst du, dass ich die Kanuma Gene in mir habe, weshalb die Wunden schneller heilen?"
„Ich weiß es nicht", sagte ich. „Könnte aber sein. Vielleicht blieb es einfach nur unentdeckt, dass sich ein Mensch mit den Kanuma-Genen selber heilen kann. Sicher ist, dass die Menschen die bereits Kanumas sind selber heilen können. Fast wie bei Werwölfen."
„Okay, ich denke, wir werden es noch weiter herausfinden", sagte June und aß weiter. „Da drüben ist ein Elektroladen. Vielleicht haben die da ein billiges Prepaid Handy. Dann brauchen wir nicht immer zur Telefonzelle rennen."
Nachdem ich im Diner bezahlt hatte, gingen wir in den Elektroladen, wo June sich ein altes Klapphandy und eine Prepaid-Karte schnappte, welche ich ebenfalls bezahlte. June, wollte selber ihr weniges Geld rauswerfen, aber ich hielt sie immer wieder davon ab, auch nur etwas zu bezahlen. Sie hatte schon so wenig, da brauchte sie nicht noch mehr ausgeben.
Nur eine Stunde später saßen wir in einem Motelzimmer. Während June im Badezimmer war, telefonierte mich mit Scott, der bereits auf dem Weg mit Stiles nach Orson war.
„Ich hoffe ihr fahrt zum richtigen Orson", bemerkte ich nur.
„Orson in Kalifornien. Sind schon richtig", sagte Scott. „Wir sind in zwei Stunden da."
„Geht's dem Auto gut?", hörte ich Stiles im Hintergrund fragen. Genervt verdrehte ich die Augen und machte das Dreieckstuch von meiner Schulter ab. Super. Mein Ellenbogen tat nicht mehr weh und ich konnte ihn wieder bewegen.
„Das fragst du, obwohl Derek noch lebt?", hörte ich Scott sagen.
Ich klappte das Handy einfach zu und schnitt nur eine Grimasse. „June?"
„Das gibt es nicht!", hörte ich sie sagen. Sie kam aus dem Badezimmer und blickt mich an. Ich blickte sie ebenfalls an. Die Schürfwunde auf ihrer Wange war nur noch ein roter Strich und die Platzwunde auf dem Kopf, war mittlerweile auch fast geheilt. "Das ist so unglaublich."
"Die beiden Idioten werden in zwei Stunden da sein."
"Was haben wir über Mobbing gesagt, Derek?", fragte sie mich streng und schmiss die Pflaster in den Mülleimer. Dann zog sie aus ihrem Rucksack irgendwelche Unterlagen raus und setzte sich an den Tisch. Ich schaute ihr über die Schulter und sah das es Sachen für eine Beerdigung war.
"Brauchst du irgendwie Hilfe?", fragte ich sie.
"Ich hab eigentlich alles soweit."
"Beerdigungen zu organisieren ist scheiße", sagte ich und setzte mich neben ihr. "Ich musste die mit meiner Mutter organisieren. Aber das Beste ist, das du da Unterstützung bekommst. Und ich unterstütze dich jetzt."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top