[ XIX - Die neue Betreuerin ]

[ XIX - Die neue Betreuerin ]

Ich saß in meinem Zimmer und schaute die Unterlagen von Dad durch. Was er schon alles für die Beerdigung meiner Mutter aufgeschrieben hatte. Rote und weiße Rosen, ihre Lieblingsmusik. Ein paar Fotos die dort gezeigt werden sollten. Mom sollte das Kleid anziehen, welches sie damals zum ersten Date getragen hatte. Ein Familienfoto sollte mit ins Grab, eine der ersten Strampler von Logan und mir.

Fiona hatte mir sogar geholfen, dass ich ein paar Beerdigungsinstitute kontaktiere. Als wir den billigsten gefunden hatten, machte ich mit diesen einen Termin aus.

„Wir sehen uns gleich beim Abendessen", sagte Fiona und verließ mein Zimmer. Ich war immer noch alleine im Zimmer. Das fand ich gut. Ich legte die Sachen ordentlich auf meinem Schreibtisch und ging nach unten – mein Zimmer schloss ich wie immer ab.

Mr. Lahey unterhielt sich gerade mit Shorty und Fiona, dass Miguel wieder da war, aber es gab bereits eine neue Betreuerin, die ab Morgen hier anfangen wird. Verflixt aber auch.

Während des Abendessens schrieb ich Scott, dass es eine neue Betreuerin geben wird. Er schrieb mir, dass er es bereits von Derek gehört hat, der gerade dabei war ein wenig mein Bruder zu quälen, da er Derek angreifen wollte.

Nur eine halbe Stunde später, saß ich in meinem Zimmer. Ich konnte mich gar nicht auf die Planung der Beerdigung meiner Mutter konzentrieren, weil mir die Sache mit den beiden Unbekannten einfach nur Angst machte. Irgendwann konnte ich mich gar nicht mehr konzentrieren und legte die Sachen einfach nur beiseite, um duschen zu gehen.

Frisch geduscht schlüpfte ich in meine Schlafklamotten und legte mich ins Bett. Vorher schaute ich noch mal nach, ob ich mein Zimmer auch abgeschlossen hatte. Es war abgeschlossen. Ich lag wach im Bett, weil ich einfach kein Auge zu bekam. Immer wieder drehte ich mich hin und her, schaute zwischendurch auf mein Handy, wie spät es war. Aber die Zeit verging überhaupt nicht. Ich konnte erst recht kein Auge zubekommen, als im Zimmer neben mir laut Blink-182 gespielt wurde.

„Das ist doch ein Scherz", bemerkte ich und legte das Kissen auf meinen Kopf.

***

Beim Frühstück war es dann soweit. Uns wurde die neue Betreuerin vorgestellt. Ich musterte die Neue skeptisch. So wie die aussah, kam die sicherlich aus Mexiko. Sie schaute sich zwischen ihren Schützlingen um und blickte mich länger als gewohnt an, dann blickte sie wieder weg.

„Das ist Rose. Sie wird unsere neue Betreuerin sein und sich mit euch Mädchen beschäftigen", sagte Mr. Lahey. „Möchtest du was sagen, Rose?"

Sie nickte. „Ich freue mich hier zu sein und ich hoffe, dass ich mit der Zeit eine gute Bezugsperson zu euch Mädels und auch zu den wenigen Jungs sein kann."

Ich spannte mich an und verkrampfte mich total. Ihre Stimme verriet sie. Das war sie aus meinem Haus. Ich ließ mir nichts weiter anmerken und frühstückte weiter, tippte aber gleichzeitig unter dem Tisch, auf meinem Handy herum.

Ich: Scott, die neue...

„June, packst du bitte das Handy weg", bat Rose mich. Ich blickte auf und direkt zu ihr.

„Woher weißt du meinen Namen?", fragte ich.

„Ich hab mir ein paar Akten durchgelesen", sagte sie. „Können wir gleich mal reden?"

„Ich muss zur Schule", winkte ich ab und stand auf. Ich steckte mein Handy in die Hosentasche und verließ den Aufenthaltsraum. In meinem Zimmer, räumte ich schnell meine Schulsachen zusammen. Ich hatte es so eilig aus dem Heim zu kommen, dass ich vergas die Nachricht an Scott zu Ende zuschreiben.

„Guten Morgen, June", begrüßte Stiles mich.

Ich packte ihn sofort am Kragen und zog ihn in einen der leeren Klassenräume.

„Was hast du vor?", fragte er mich und schmunzelte.

„Die neue Betreuerin im Heim ist die Frau aus meinem Haus. Ich hab sie an ihrer Stimme erkannt."

„Scheiß auf Schule, wir haben eh Sport", meinte Stiles. „Fahren wir zu Derek."

„Lowman und Stiles, störe ich irgendwie ihre Zweisamkeit?", fragte Miss Blake, die in die Klasse kam. Wir beide blickten zu Miss Blake.

„Nein", meinte ich.

„Geht ihr bitte, ich hab hier gleich Unterricht."

„Klar", sagte Stiles und zog mich an der Hand aus dem Klassenzimmer.

Wir schlichen uns aus der Schule raus und machten uns in seinem Jeep auf dem Weg zu Derek.

„Habt ihr keine Schule?", fragte Derek, der uns beiden sofort entgegen kam.

„Drei Mal darfst du raten, wieso wir hier sind", sagte ich.

„Ich hasse raten, June. Sag es mir einfach."

Auch Scott kam aus der Hütte. „Dein Bruder hat wieder Silberkugeln in den Ohren. Da ist alles zugeschwollen und er hört uns nicht. Was ist?"

„Ich hab's mir nicht eingebildet, aber", fing ich an. „die neue Betreuerin bei uns im Heim, ist die Frau die gestern in meinem Haus war. Ich hab die an ihrer Stimme erkannt."

„Da bist du dir sicher?", fragte Derek skeptisch.

„Hundertprozentig sicher, dass die das ist", nickte ich.

„Was machen wir jetzt?", fragte Scott. „Du passt auf June auf und ich bleibe hier und halte hier die Stellung."

„Wie soll ich auf sie aufpassen, wenn sie im Heim ist?"

Ich dachte nach. „Ich wohne im obersten Stockwerk. Meinetwegen kannst du dich darauf verkrümmeln, bis das alles geklärt ist."

„Was ist das für ein Vorschlag?", fragte Scott mich.

„In meinem Kleiderschrank ist leider kein Platz und unter das Bett, kannst du auch nicht, klettern. Das ist ein Bettkasten und..."

„Was ist, wenn man die Matratze hoch macht?", fragte Scott.

„Da sind meine Koffer drinnen. Willst du dich da echt reinquetschen?"

„Wenn es nicht anders geht", sagte Scott.

„Na gut", meinte ich. „Und wie soll es weiter gehen."

„Ich beschütze dich, wenn sie dir was will. Ganz einfach."

Ich wollte nichts sagen, aber das Scott auf mich aufpasst, der gerade mal drei Monate ein Werwolf war, war schon ziemlich komisch. Ich hatte aber keine Lust, irgendwelche Gefühle zu verletzen.

Stiles und ich waren bereits wieder in der Schule und wurden noch nicht mal drauf angesprochen, dass wir in Sport gefehlt haben. Miss Russ machte einen Bogen um mich herum. Großdarüber nachdenken wieso, musste ich jetzt auch nicht. Das lag ja wohl auf der Hand. Mr. Finstock hatte sich bereits Stiles vorgeknöpft und ihn zum Direktor geschickt. Und ich kam frei raus. Ich saß in Amerikanische Geschichte und kritzelte nur wieder irgendwas in meinen Block. Als ich plötzlich einen Zettel an meine Stirn beworfen bekam, schaute ich auf und blickte auf den Zettel auf dem Tisch. Ich schnappte mir diesen und knüddelte ihn auf. Dann blickte ich zu Stiles, der sich wieder nach vorne drehte und dem Lehrer zuhörte.

Ich darf heute Nachsitzen. Habe schon Scott bescheid gegeben, dass er dich abholen soll.

Ich schnappte mir meinen Bleistift und schrieb Stiles zurück.

Mein aufrichtiges Beileid, dass du Nachsitzen musst.

Ich faltete unauffällig den Zettel und hustete Stiles Namen. Er drehte sich um und fing den Zettel auf. Unser Lehrer bekam das gerade nicht mit, da er beim Reden aus dem Fenster schaute.

Nach der Schule, ging ich mit Scott mit.

„Stiles darf jetzt Nachsitzen und ich bin fein raus. Miss Russ und Mr. Finstock haben mich völlig ignoriert", erzählte ich Scott.

„Vielleicht wollten die dich nicht weiter runtermachen, wegen der Sache die du gerade durchmachst", sagte Scott und zuckte mit den Schultern.

„Sorry, dass du deine Zeit jetzt damit opfern musst, auf mich aufzupassen."

„Mach ich doch gerne", entgegnete Scott. „Und nicht nur, weil mir meine Mutter und Derek in den Nacken sitzen." Er lachte leise und ich stimmte mit ein. „Und sobald wir die beiden ominösen Werwölfe haben, hast du deine Ruhe."

„Trotzdem hocke ich immer noch in diesem Heim herum. Lange halte ich das da nicht aus."

„Ich sag's nicht gerne, aber daran können wir erstmal nichts ändern, June." Dann blickte er zu mir. „Hast du schon mal was von deinem Vater gehört?"

„Die Anwältin war mal da, aber ich wollte nicht mit ihr reden. Sie wollte eh nur wissen, ob ich weiß, wo mein Bruder ist. Was ich offiziell ja nicht weiß."

„Stimmt", nickte Scott.

Als ich in meinem Zimmer war, öffnete ich sofort das Fenster, um Scott reinzulassen. Er sprang zum Fenster hoch und kletterte in mein Zimmer hinein. Ich schloss das Fenster und hob die Matratze mit dem Lattenrost hoch.

„Ich muss eh zum Mittagessen. Du kannst einfach hier warten. Ich schließe das Zimmer eh immer ab."

„Lass die Schlüssel bei mir. Ich schließe dann ab. Klopf drei Mal, wenn du hier wieder reinwillst."

Ich gab Scott die Schlüssel. „Dann so", sagte ich und verließ das Zimmer. Die Tür ging hinter mir zu und ich hörte wie Scott den Schlüssel in den Schloss steckte und abschloss.

Als ich unten am Essen war, setzte sich Rose direkt neben mich.

„Hallo, June", sagte sie.

„Hi, Rose", entgegnete ich und drückte mit der Seite der Gabel in meine Lasagne. Ich benutzte da nie ein Messer, wenn ich mir die Lasagne klein machte. Keine Ahnung wieso.

„Wie geht es dir?", fragte sie mich freundlich und aß ebenfalls von ihrer Lasagne.

„Wenn du meine Geschichte gehört hast, weißt du wie es mir geht", antwortete ich und trank vom Wasser.

„Du hast mein aufrichtiges Beileid. Die Mutter zu verlieren ist nie leicht. Und wenn der Vater im Gefängnis sitzt, ist das auch nicht einfach. Und wo auch immer dein Bruder ist. Das weiß ja niemand."

„Das letzte was ich gehört habe ist, dass er in Oregon sein soll. Das weiß aber auch schon das FBI. Könnte ich bitte in Ruhe weiter essen?" Genervt blickte ich Rose an und sie nickte nur.

„Ich hatte fast dieselbe Geschichte wie du durch. Nur, dass mein Vater meine Mutter getötet hatte. Er hat sie totgeschlagen, vor meinen Augen. Sowas ist nie leicht."

„Rose, du hast mein Beileid und nimm mir das jetzt nicht Böse, aber was verstehst du daran nicht, dass ich gerne in Ruhe Essen will?"

„Tut mir leid, wenn ich dich nerve, June", meinte Rose.
„Danke für die Einsicht", nickte ich zufrieden und wandte mich wieder meiner Lasagne zu.

Schleimte die sich etwa bei mir ein und versuchte so etwas rauszubekommen? Ich ignorierte sie weiter und hatte nur Augen für meine Lasagne.

Erschrocken fuhr ich zusammen, als mir kaltes Wasser über den Nacken gekippt wurde und in meinem Ausschnitt lief. Ich schmiss die Gabel weg und sprang auf.

„Kannst du nicht aufpassen?", fragte ich Victoria, die mit ihrem leeren Becher neben mir stand.

„Oops, tut mir leid. Das war ein Unfall", bemerkte sie gespielt schockiert.

„Dann war das hier auch ein Unfall", grinste ich, packte mir meine Lasagne und klatschte ihr den Teller mit meiner Lasagne einfach in ihr scheinheiliges Gesicht. Der Teller mit ihrer Lasagne rutschte gerade von ihrem Gesicht und zersprang auf den Boden.

„Mädels, dass geht aber nicht", sagte Rose.

„Klar geht das", meinte ich. „Siehst du doch." Dann verließ ich den Aufenthaltsraum.

Ich klopfte drei Mal gegen meine Zimmertür und Scott öffnete diese. „Schwitzt du?"

„Nein, Victoria konnte bloß nicht trinken", antwortete ich und ging in mein Zimmer. Ich machte die Tür zu und brummte nur.

„Lebt die noch?", fragte Scott belustigt.

„Die hat meine Lasagne in ihrem Gesicht, also ja. Noch", meinte ich und schnappte mir mein Handtuch. Gerade als ich Scott darum bitten wollte, dass er sich umdreht, klopfte es an meiner Zimmertür. Scott sagte gar nichts. Wir hatten abgemacht, dass wenn es an der Tür klopfte, dass wir nichts großartig sagten und er auf den Dach verschwindet.

Er öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Gleichzeitig klopfte es schon wieder an der Zimmertür.

„June, ich bin es. Rose."

„Herein", sagte ich. Die Tür ging auf und Rose kam rein.

„Können wir mal reden?"

„Könnte ich mich erstmal umziehen?", stellte ich die Gegenfrage.

„Okay, June. Kommst du bitte in das Büro?", bat sie mich.

„Wenn's sein muss", sagte ich genervt.

„Dann bis gleich." Rose verließ mein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Ich drehte mich zum Fenster, wo Scott kopfrüber reinschaute. Ich winkte ihn weg, damit ich mich endlich umziehen konnte. Er nickte nur, zog sich wieder hoch und war vom Fenster verschwunden.

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