[ VIII - Gelähmt ]

[ VIII - Gelähmt ]

          

Ich riss meine Augen auf und fuhr erschrocken hoch. Ich fror am ganzen Körper, weil ich immer noch in diesem kleinen Bachlauf lag. Ich drückte meine Hände in den feinen Kieselsand im Bach und drückte mich auf.

Wenigstens kam ich wieder zu mir und konnte mich wieder bewegen. Ich spürte einen leichten Schmerz an meiner Stirn und einen viel größeren Schmerz an meinem Unterschenkel. Ich kniete mich im Bachlauf hin und blickte mich um. Es war dunkler und kühler geworden. Vor Schmerzen stöhnend und vor Kälte zitternd, erhob ich mich aus dem Bach und kam mir einfach nur verloren vor.

ich folgte dem kleinen Bachlauf. Irgendwann musste ich ja am Beacon Creek rauskommen.

Ich ging in die Hocke und fluchte auf. Die Schmerzen in meinem Unterschenkel waren einfach nur die Hölle. „Ah!", stöhnte ich und hielt meine Hand in dem Bach. Die Strömung des Baches verlief in den tiefer gelegenen Wald. Also folgte ich dem Bach, humpelnd und fluchend.

Als es gar nicht mehr ging, blieb ich stehen und warf einen Blick auf meinem Unterschenkel. Meine schwarze Jeans war aufgerissen. Ich zog den Fetzen der Jeans weg und würgte, als ich den tiefen und blutigen Kratzer in meinem Unterschenkel sah.

Ein Kratzer von den Krallen des Pumas oder selbst verletzt?

Ich beschloss einfach weiter zu gehen, so weit wie es eben ging. Dem Bach folgte ich weiter.

            Irgendwann ging es gar nicht mehr und ich musste eine Pause einlegen. Der Schmerz in meinem Bein war einfach viel zu schlimm. Er zwang mich immer wieder in die Knie.

„Scheiße", murmelte ich und wimmerte vor mich hin.

Ich fuhr zusammen, als ich in einigen Metern Entfernung ein Knacken von Ästen und Laub hörte. Bitte nicht schon wieder der Puma.

Ich schaute mich um, aber außer die schwarzen Umrisse der Bäume die aus dem Boden ragten, konnte ich nichts weiter erkennen.

Die Nacht brach an. Ich wusste, dass ich hier nicht alleine war. Und ich wusste nicht, ob ich das hier schaffen würde. Ich wollte nicht wie meine Mutter enden. Ich wollte hier nicht tot gefunden werden. Keine Leiche in Beacon Hills sein. Beim besten Willen konnte ich aber nicht ausmachen, woher das Knacken der Äste kam.

Ich suchte auf den dunklen Boden nach dem kleinen Bach und folgte ihm weiter. Es war die Kälte und der Schmerz in meinem Unterschenkel, die mich wieder in die Knie zwangen. Der Kratzer löste ein widerliches schmerzliches Brennen aus. Als ob wir Salz und Chilli in die Wunde mit einem scharfen und starkerhitzten Messer gerieben wurden.

            Ich weiß es auch nicht, wieso ich irgendwann rechts vom Fluss abkam und in den Wald lief. Und dann fand ich mich auf dem Privatgrundstück wieder, wo ich vorhin schon gelandet war.

Dieses Mal stand ein schwarzes Musclecar vor dem heruntergekommenen Haus. Ich blieb neben den Mircopenis-Kompensierer stehen.

Das rutschte mir auch heraus, als ich mich am Auto festhielt.

„Du schon wieder", hörte ich jemanden sagen. Ich fuhr erschrocken zusammen und erkannte den Typen, der dieses Grundstück gehörte. Er blickte mich an und blieb neben seinem Auto stehen.

„Verlaufen?", fragte er, als wäre das das normalste der Welt und das ich anscheinend nicht die einzige hier war, die sich hier verlaufen würde.

„Ein bisschen", gab ich zu. Er starrte mich an. „Okay, ein bisschen zu dolle."

„Bis du hingefallen?", hakte er weiter nach und kam ein paar Schritte auf mich zu. Ich humpelte nach hinten.

„Komm mir nicht zu nahe", mahnte ich streng und klammerte mich weiter am Auto fest. Jedoch hatte die Motorhaube auch mal ein Ende und ich rutschte weg, flog direkt auf den Boden. Er blieb stehen und hob unschuldig die Hände. „Du hast dich verletzt!", bemerkte er.

„Ist nichts Schlimmes", winkte ich trocken ab und versuchte mich am Auto wieder hoch zuziehen. Ich weiß, dass war lächerlich und der könnte mir helfen, aber ich traute dem nicht richtig.

Ich könnte mich nur noch weiter verirren und dann erst aus dem Wald transportiert werden, wenn ich nur noch aus Knochen bestehe und mein Fleisch von allen Wildtieren des Waldes, irgendwo verdaut ausgeschissen wurde.

„Ich bring dich nach Hause", sagte der Typ und kam wieder auf mich zu. Ich rutschte wieder über den Boden von ihm weg.

„Nee, geht schon. Trotzdem danke."

„Ich bring dich nach Hause. Sonst bist du die nächste Leiche die hier gefunden wird."

„Ich glaube, ich muss da lang", sagte ich und zeigte in irgendeine Richtung.

Der Typ zog die dichten Augenbrauen zusammen. „Nein, dann verirrst du dich immer weiter."

„Dann geh ich in eine andere Richtung und bestelle mir ein Taxi."

„Mit Telepathie?", fragte der Kerl mich.

„Nein", grummelte ich. „Ich besitze ein Mobiltelefon."

„Hm, ich hab kein Bock, dass du wieder irgendeine Leiche hier bist und ich wieder von den netten FBI-Agenten besucht werde. Setz dich in meinen Micropenis-Kompensierer und ich fahre dich nach Hause."

Stirnrunzelnd blickte ich ihn an.

„Ich weiß ja nicht, was du unter Flüstern verstehst, aber das war vorhin kein Flüstern gewesen", machte er mich darauf aufmerksam.

„Tschuldigung", murmelte ich.

„Was ist nun?", fragte er mich und hielt mir die Hand hin.

„Wieso sollte ich dir trauen?"

„Kein Bock, das hier noch jemand drauf geht."

„Du bist merkwürdig. Du hast deinen Wohnsitz mitten in der Pampa, das Haus sieht aus, als würde es jeden Moment zusammenkrachen, wenn auch nur der böse und große Wolf dagegen furzt."

Beim Wort Wolf, legte der Kerl leicht seinen Kopf zur Seite.

„Glaubst du ich habe mit den Tod der Frau hier zu tun?", fragte er mich.

„Nein", sagte ich sofort.

Eigentlich machte der Kerl keinen so bösen Eindruck. Er wirkte nur ein wenig einschüchternd auf mich. Er machte den Eindruck, dass er keinen Spaß verstand und eher der ernsten Sorte dazugehörte.

„Wenn du nicht in mein Auto steigen willst, ist das okay. Aber du bist verletzt und ich würde dich ungerne wieder alleine in den Wald zurückschicken."

Wieder hielt er mir die Hand hin. Misstrauisch legte ich meine Hand in seine und ließ mich mit einem Ruck von ihm hochziehen.

„Autsch", fluchte ich auf, als ich auf meinen schmerzenden Bein auftrat.

„Komm her, ich helfe dir", sagte er und legte zögernd einen Arm um mich herum, um mich ein wenig zu stützen.

            Auf den Weg dorthin, fing ich immer schlimmer am ganzen Körper zu zittern, da ich an die Frau von gerade eben dachte. Ich schluckte und ließ mir nichts weiter anmerken.

Der Schmerz in meinem Unterschenkel wurde für einen Moment so schlimm, dass ich wieder beiseite knickte.

Der Typ hielt mich fest und zog mich wieder auf die Beine.

Und da kamen wir auch schon auf dem Parkplatz an. Er setzte mich auf einer Bank ab und blickte mich wieder an. „Sicher, dass du alleine klar kommst?"

„Ja", sagte ich. Ich machte meinen Rucksack vom Rücken und öffnete diesen. „Danke."

Er zögerte einen Augenblick, aber dann ging er doch. Als ich mein Handy gefunden hatte und immer wieder auf den Hometaste oder Aus und An-Knopf drückte und sich nichts rührte, wäre ich am liebsten ausgeflippt. Es ging gar nichts. Selbst als ich die Reset-Option durchführte, passierte nichts. Ah, doch. Mir wurde angezeigt, dass ich das Gerät mit der App auf meinem Laptop verbinden sollte.

Natürlich, das geht hier auch vollkommen gut.

„Man", fluchte ich auf und schmiss sauer mein Handy in den Rucksack zurück. Ich machte den wieder zu und machte mir diesen wieder um. Bevor ich aufstand, blickte ich auf meinem Unterschenkel. Das sah gar nicht gut aus. Ich musste schon wieder würgen, aber riss mich zusammen nicht auf den Boden zu kotzen. Ich drückte mich von der Bank hoch und schwankte ziemlich. Trotzdem konnte ich mich immer noch auf den Beinen halten und setzte meinen Weg nach Hause fort.

            Ich drehte mich noch nicht mal um, als ich von hinten von einem Auto geblendet wurde. Wieso fuhr das Auto nicht einfach an mir vorbei? Nein. Da fuhr es langsam neben mir her. Ich blieb stehen und blickte auf die Straße.

Das war der Typ von gerade, der mich anschaute, als wäre ich nicht mehr ganz dicht im Kopf.

„Ich dachte, du fährst mit einem Taxi?", fragte er mich.

„Anscheinend bin ich in einem Möchtegern Horrorfilm gelandet und mein Handy funktioniert nicht."

„Akku leer?"

„Nein, und das Problem, dass ich kein Netz habe, ist es auch nicht. Das Problem taucht öfters bei der Marke auf", sagte ich und humpelte weiter.

„Steig einfach ein und ich fahr dich nach Hause", sagte er und hielt an.

Skeptisch blickte ich ihn an und er mich. „Was?"

„Nichts."

„Würde ich dich umbringen wollen, hätte ich schon sämtliche Möglichkeiten dazu gehabt. Steigst du bitte ein?"

Ich gab nach und ging um das Auto herum. Fluchend und mit Schmerzverzerrtem Gesicht, setzte ich mich auf den Beifahrersitz.

„Wohin?", fragte er mich, als ich die Tür zugezogen hatte.

„Ich beschreib dir den Weg", meinte ich.

„Willst du dich nicht anschnallen?"

„Bist du doch auch nicht", gab ich zurück und zog meinen Rucksack ab, den ich auf meinem Schoß legte.

Schweigend fuhr er mich nach Hause. Mit einem „Danke", stieg ich aus dem Auto aus, ließ die Tür zuknallen und humpelte zum Haus.

            Wie ich mir bereits denken konnte, war das Haus wieder leer. Keine FBI-Agenten, kein Dad und kein Logan. Mama brauchte ich ja nicht mehr erwarten. Ich knallte die Haustür zu, nachdem sich der brummende Camaro von der Auffahrt verabschiedet hatte und schmiss die Schlüssel in die Schale auf der Kommode, ehe ich nach oben ging.

Ungeduldig schälte ich mich aus meinen Klamotten und schmiss gleich die Waschmaschine an. Dann blickte ich in den Spiegel. Ein kleiner Kratzer zierte meine Stirn. Direkt über der Augenbraue. Ich desinfizierte den Kratzer. Ein Pflaster war unnötig, dazu war der Kratzer jetzt nicht so schlimm.

Dann begutachtete ich meinen schmerzenden Unterschenkel. Sofort stand fest, dass es der Puma war, der mich verletzt hatte. Es war ein langer und dicker Kratzer. Fast schon ein Riss. Die Wunde war tief und fleischig und blutig.

„Oh", murmelte ich und krallte mich am Waschbeckenrand fest, weil mir ziemlich schlecht und schwindelig wurde. Was heißt hier ein wenig. Mir wurde schwarz vor den Augen, aber ich kämpfte dagegen an und atmete ruhig und langsam und tief durch und auch wieder aus.

Nachdem ich den Verbandskasten aus einen der kleinen Schränkchen im Badezimmer geholt hatte, verband ich mir erstmal sporadisch die Wunde. Mehrere Druckverbände und Verbände wickelte ich herum. Ich schmiss die Waschmaschine an und wischte das Blut vom Boden weg. Dann haute ich mir die stärksten Schmerztabletten rein, die ich fand. Es waren die Tabletten von Logans letzter Sportverletzung, die er nach der OP hätte nehmen sollen.

Gerade als ich mich in meine Schlafklamotten  gequetscht hatte, hörte ich unten die Haustür zu fallen. Schnell machte ich in meinem Zimmer das Licht aus und legte mich ins Bett- tat so als würde ich schlafen.

„June!", hörte ich meinen Vater sauer rufen. Ich reagierte nicht, auch nicht, als er in meinem Zimmer stand und wieder nach mir fragte.

„Wir reden Morgen", sagte er und machte die Tür zu. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es kurz nach Mitternacht war.

Von den starken Tabletten wurde ich schnell müde, der Schmerz war nur noch ein komischer Druck, sodass ich nicht mehr vor Schmerzen Wimmern musste.

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