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Sam
Ich fuhr wirklich wie die letzte Sau, überfuhr rote Ampeln, hielt mich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung.
Ich war meinem Ziel, welches ich mir gesetzt hatte, verdammt nahe.
Wenn es sich wirklich um Rodiger handelte, und Holly sich nicht irrte.
Sie war noch am Handy, obwohl sie ausgestiegen war, um einer weiteren Entdeckung nachzugehen. Neben dieser Auffahrt zu diesem geschlossenen Campingplatz, gab es eine kleine Karte, vermutlich ebenfalls ziemlich alt, die den Campingplatz aus der Vogelperspektive zeigte.
„Es gibt nur eine Ein-und-Ausfahrt und das ist die an der ich stehe. Komplette Sackgasse. Im Norden des Platzes ist nämlich ein See, der teilweise links und rechts vom Platz selbst verläuft. Und laut Google, gibt es da mehrere dicke Bäume. Der Platz steht seit acht Jahren leer und gehört der Gemeinde."
Ich hörte Holly zu und schnaubte belustigt. „Okay, Miss Marple. Was hast du noch herausfinden können?"
„Nichts, dass ist alles was Google hergibt. Soll ich noch warten, oder darf ich schon gucken?"
„Bitte setz dich zurück ins Auto, stell dich abseits, behalte aber den einzigen Zugang zum Campingplatz im Auge. Ich brauch nicht mehr lange, versprochen. Wir vergewissern uns, ob es sich dabei wirklich um Lonnie handelt und dann sehen wir weiter."
Holly seufzte. „Dann machen wir das so. Gegenüber der Einfahrt ist ein Parkplatz. Leute parken da, um mit ihren Hunden im gegenüberliegenden Wald spazieren zu gehen."
„Dann stell dich da hin. Bitte. Danke."
Ausgerechnet jetzt, fuhr ich durch ein Funkloch hindurch. Genervt fluchte ich auf und schmiss das Handy auf dem Beifahrersitz.
Ich drückte noch weiter das Gaspedal nach unten, auf der Hoffnung, noch schneller da zu sein.
Nicht mal zwanzig Minuten später, hielt ich in einer freien Parklücke auf dem Parkplatz am Waldrand und hielt nach meiner Schwester Ausschau. Ich sah das Auto meiner Mutter in der Reihe gegenüber von mir stehen. Holly saß auf dem Fahrersitz und blickte in den Rückspiegel. Als sie mich sah, stieg ich aus und eilte zu ihr. Sofort setzte ich mich auf dem Beifahrersitz. Holly deutete auf die einzige Zufahrt zu diesem Campingplatz.
„Hat sich nichts getan", ließ sie mich wissen.
„Und du bist dir da zu hundert Prozent sicher?"
Holly blickte mich entsetzt an und ich wich ihren Blick aus. „Natürlich bin ich das. Wie gesagt, sein Gesicht hat sich in mein Hirn gebrannt. Außerdem, hatte ich dieses komische Unwohlsein im Magen."
Ich schaute eine kurze Sekunde zu ihr und dann wieder weg, ehe ich mir wieder die Zufahrt anblickte. Sofort zog ich mein Handy hervor und googelte nach diesem geschlossenen Campingplatz.
Ich fand eine Umrisskarte des Platzes und plante schon, wie ich am besten vorgehen konnte.
„Du, ich schau mich mal dort um. Gehe auf Nummer sicher."
„Ich bin mir aber sicher, dass es Rodiger war!"
„Klar, ich muss dies nur bestätigen, reg dich ab." Ich stieg wieder aus und ließ mein Handy im Auto.
„Lass mich mitkommen!"
Ich wandte mich abrupt zu meiner kleinen Schwester. Holly war ebenfalls ausgestiegen und schaute über die Motorhaube eindringlich zu mir.
„Vergiss es. Du bist schwanger und das ist Polizeiarbeit. Das ist mein Job. Setz dich zurück ins Auto und warte hier. Dauert nicht lange."
„Du bist bescheuert. Ruf doch Verstärkung."
„Kann ich immer noch, sobald ich bestätigen kann, dass es sich um Lonnie Rodiger handelt.", bemerkte ich und setzte mich in Bewegung.
Als ich einen Blick über meine Schulter warf, sah ich, dass sich Holly bereits zurück in das Auto unserer Mutter gesetzt hatte.
Wenn es Lonnie Rodiger sein sollte, musste ich lang und schmerzhaft vorgehen. Der Typ sollte genauso leiden müssen, wie mein kleiner Sohn.
Darauf war ich all die Wochen und Monate erpicht. Ich wollte endlich die Gerechtigkeit und abschließen. Meine kleine Schwester sollte das nicht mitbekommen.
Da hockte ich also, in mitten von irgendwelchen Sträuchern, umringt von meterhohen Tannen-und-Laubbäumen. Hinter mir sickerte ein kleiner Bach entlang, der in diesem See nicht unweit von mir mündete.
Ich hatte mich an einem Abhang hochgekämpft, drückte die Äste des Busches vor mir auseinander und sah wenig später, schräg hinter einer alten Toilettenhütte, den Wohnwagen von dem Foto.
Das Kennzeichen konnte ich aus dem Winkel nicht erkennen, da er seitlich zu mir stand.
Ich fuhr vor Schreck zusammen. Eine ziemlich dürre Brünette mit dünnen und langen Haar, kam hinter der Toilettenhütte hervor und schien in meine Richtung zu kommen.
Auch, wenn es unwahrscheinlich war, dass sie mich sehen konnte, versteckte ich mich vorsichtig und hielt die Luft an.
Als ich wieder durch die Äste spähte, sah ich, dass sie umgedreht war und mit einer Axt, die sie zwischen einen Holzstapel, aus alten Holz hervorgezogen hatte, zurück zum Wohnwagen ging.
Wenig später, verschwand sie wieder hinter dem Toilettenhäuschen. Vermutlich, war sie in den Wohnwagen gegangen. Vermutlich nicht. Das konnte ich nur vermuten. Die Türen des Gefährts konnte ich nicht sehen. Das Toilettenhäuschen versperrte mir die Sicht.
Vielleicht sollte ich einen anderen Winkel zum ausspähen probieren? Ich rutschte rückwärts, nachdem ich noch mal einen prüfenden Blick zum Wohnwagen machte, den Abhang auf allen Vieren runter. Schnell, aber darauf bedacht, jeder Zeit erwischt zu werden, schlich ich neben dem kleinen Rinnsal und dem hohen Abhang, auf dem sich der Campingplatz befand, entlang.
Als der Waldboden zu Sand wechselte, fehlte nicht mehr viel und ich war am kurzen Uferabschnitt fast in den See geflogen.
„Rutschig", flüsterte ich mir eher selbst zu und atmete tief durch. Und dann noch Mals. Mein Herz pochte mir vor Aufregung fast in die Unterhose, ein beklemmendes Gefühl, breitete sich in mir aus.
Plötzlich, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Meine Hand legte sich an den vorderen Bund meiner Jeanshose.
Zwischen Gürtel, Hosenbund und unter meiner weiten Sweatjacke, drückte plötzlich die Pistole schmerzlich gegen meinen Bauch.
Angespannt und mit wachsamen Auge, schaute ich mich um. Ich sah auf den ersten Blick nichts verdächtiges. Nichts, was mich zu beunruhigen hätte. Der See lag ruhig im Schutz der hohen Baumkronen, hier und da, brach die knallende Sonne mit ihren Lichtstrahlen durch eben diese hindurch. Die Lichtstrahlen setzten sich auf der ruhigen Wasseroberfläche ab und blendeten mich kurz. Ich verengte die Augen zu Schlitzen und wandte mich von dem wunderschönen See ab, ehe ich wieder in Richtung Wald schaute. Zwischen den Baumstämmen und den Büschen, sah aber nichts auffälliges, wie eine merkwürdige Bewegung, oder eine Person.
Ich atmete tief durch, und nahm die Hand von der Waffe weg, richtete das T-Shirt und wandte mich wieder ab.
Vorsichtig setzte ich den Weg durch das Gemisch von nasser Erde und nassen Sand fort. Immer wieder trat ich versehentlich in das schwappende Wasser, sodass es nicht lange dauerte, bis meine Socken nass wurden. Das Gefühl war genauso ekelhaft, wie Scheiße unter dem Schuh.
Ich fand schnell eine weitere Position, kletterte den rutschigen Abhang hinauf, hielt mich an Wurzeln und dicken und dünnen Baumstämmen fest, um mich hochzuziehen. Hinter einem blühenden Gebüsch mit Vogelbeeren, hockte ich mich abermals hin, blickte durch die begrünten Äste hindurch und stellte fest, dass das Kennzeichen zu dem Wohnwagen passte. Die Brünette musste wohl im Wohnwagen sein, denn dieser bewegte sich, als seien dort Menschen drinnen.
Gerade, als die hintere Tür zum Wohnbereich des Wagens aufsprang, hörte ich das Knacksen von dünnen Ästen hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum, legte mich in den kalten Boden und hielt meine Arme ausgestreckt.
Den Lauf meiner Dienstwaffe, direkt auf das Gesicht der Person gerichtet, die sich an mich angeschlichen hat und grimmig auf mich hinabschaute.
Scheiße.
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