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Jay
Wie von der Tarantel gestochen und nachdem Rupert Weasley zum Sportplatz der Schule kam, auf dem ich mit Lucas Fußball spielte, mir sagte, dass Sams Schwester von einem Auto angefahren wurde, lief ich erstmal nach Hause.
Ich bekam die Worte kaum raus, verhaspelte mich vor Aufregung mehrmals und mein ausgenüchterter Vater, musste mich bremsen.
„Junge, was ist passiert?"
Ich erklärte ihm, was mir Rupert Weasley erzählt hatte. Auch Dad hatte die Sirenen gehört, aber sich nichts dabei gedacht. Das hätte hier in Canaryville alles sein können.
„Ruf bei denen an und frag in welches Krankenhaus Holly gekommen ist, bitte!"
Ich hatte solche Angst und Panik, dass ich anfing zu weinen. „Dann fahr mich da hin."
Ich war Dad dankbar, dass er mich nach langer Zeit in den Arm nahm und gleichzeitig versuchte die McGowans zu erreichen.
Dort nahm aber niemand ab, was mich nur noch fertiger machte. Der Vorschlag, jedes Krankenhaus abzuklappern, fand mein Vater bescheuert, außerdem haben Mom und Will das Auto, um zum Bauernmarkt im Süden der Stadt zu fahren. Dad hatte mich immer noch im Arm und tröstete mich schweigend. Er sagte nichts, und das wusste er, weil er selbst nicht wusste, wie es Holly ging und etwas Falsches sagen, wollte er auch nicht.
Ich saß auf der Couch, Dad versuchte weiterhin bei den McGowans jemanden zu erreichen, aber immer wieder murmelte er etwas von Mailbox, wieder nichts, dauert wohl.
Die Zeit rannte, und irgendwann kamen auch schon Will und Mom mit Jutebeuteln voller Lebensmitteln nach Hause.
Dad ließ mich allein im Wohnzimmer. Ich lauschte. „Hast du heute irgendwie mit Sally McGowan reden können? Ich versuch da schon die ganze Zeit anzurufen."
„Warum. Ist Jay abgehauen?", hörte ich Mom fragen. Ich war aufgesprungen und vom Wohnzimmer in die Küche gegangen. Will räumte die Tüten leer und blickte mich an.
„Holly hat ihn abserviert", bemerkte er und schaute mich mitleidig an.
Dad sagte nichts, sondern klärte Mom auf, die mich in den Arm nahm. „Und da geht niemand ans Telefon?"
„Keiner, noch nicht mal Samuel", antwortete Dad. „Ich versuche es die ganze Zeit. Zur Not, nehme ich das Auto, und den Kleinen und fahr in die nächstgelegenen Krankenhäuser."
Mom streichelte meinen Rücken, während ich wieder bitterlich am weinen war, aber Will mischte sich ein.
„Du stinkst nach einer ganzen Spilunke, Dad. Wenn die Bullen dich anhalten, hilfst du Jay auch nicht weiter."
„Ich mach das mit ihm", sagte Mom.
„Genau, und wir versuchen noch weiter bei Holly Zuhause anzurufen. Es wird sich alles klären lassen, Jay. Geh mit Mom."
Ich schniefte, wischte mir die verrotzte Nase und das Gesicht abermals in meinem T-Shirt ab. „Sieh dir ein anderes T-Shirt an", bemerkte Mom. „So kannst du Holly nicht unter die Augen treten."
Ich stürmte in mein Zimmer, zog mir ein weißes T-Shirt an, zog darüber ein Pullover und eilte wieder nach unten, um in meine weißen Nikes, die Mom billig ergattern konnte, zu schlüpfen, während Mom an der halboffenen Tür wartete.
Das nächstgelegene Krankenhaus war das University of Illinois Medical Center, westlich von Canaryville und nicht mal fünf Minuten mit dem Auto entfernt. Fehlanzeige. Eine Holly McGowan wurde dort nicht eingeliefert.
Im St. Bernhard Hospital, südlich, war sie ebenfalls nicht.
In der Nähe vom Washington Park und im Westen von Canaryville, lag das Provident Hospital of Cook County. Als wir im Eingangsbereich zur Rezeption gingen, erkannte meine Mutter sofort die aufgelöste Sally McGowan, die gerade an der Telefonzelle am telefonieren war. Endlich. Sofort steuerten wie sie an, als sie auflegte, bombardierte ich sie mit Fragen, auf die mir Sally auch nicht sonderlich antworten geben kann.
Sie wusste auch nur, dass Holly, vor ein Auto gelaufen war, als sie mit Parker die Straße überquerte. Dabei wurde sie wohl vom Auto getroffen und gegen ein am Straßenrand parkendes Auto geschleudert, während Parker überfahren wurde und den Unfall nicht überlebt hatte. Die Unfallfahrerin, war auch für nichts zu gebrauchen. Sie stand noch sichtlich unter Schock. Holly hatte wohl Verletzungen am Kopf und den Beinen davon getragen und würde immer noch untersucht.
„Mein Mann musste zur Arbeit und ich krieg ihn nicht erreicht. Keine Ahnung wo Sam ist", meinte Sally aufgelöst.
Ich wusste gerade gar nichts. Mein Hirn war wie leergefegt, klar denken, konnte ich nicht. Ich wollte nur zu Holly, mich vergewissern, ob es ihr gut ging.
Selbst Hollys eigene Mutter wusste nicht, wie es ihrer Tochter genau ging- ob die Verletzungen nur harmlos waren, oder es etwas Schlimmeres war. Vielleicht hatte sie innere Verletzungen, die man auf dem ersten Blick und erst nach einer genausten Untersuchung fand, vielleicht war auch mehr am und im Kopf kaputt- was man auf dem ersten Blick nicht sah. Ich hätte schon wieder los heulen können, als wir in den Wartebereich der Notaufnahme zurückgingen. Laut einer Krankenschwester, würde Holly noch in einem der Schockräume untersucht werden, wir müssten uns gedulden.
Gedulden. Wie sollte ich mich gedulden? Wie? Was dauerte da so lange?
Meine Mom und Sally gingen zur Cafeteria, fragten mich, ob ich mit wollte, aber ich winkte ab. Ich wollte mich keinen Zentimeter für eine heiße Schokolade bewegen, die ich eh nicht runterbekam, also ließen die beiden mich allein. Ungeduldig stand ich auf und stellte mich an die Glastür, die in die Notaufnahme führte. Es kamen andere Angehörige von irgendwelchen Patienten, denen ich Platz machte. Sie grüßten mich, grüßten sich gegenseitig, aber ich antwortete nie. Ich wartete nur auf einen Arzt, oder auf Holly, die mir mit einem Grinsen und einem „Ist nur halb so schlimm", entgegenkam. Aber nichts Geschah. Keine Holly. Kein Arzt. Nur Mom und Sally mit je einem Kaffee und einen Kakao für mich, traten hinein.
Erst nach einer widerlich quälenden Ewigkeit, bekamen wir endlich Neuigkeiten.
Holly wäre bei Bewusstsein, sei aber noch durch die Medikation benebelt und würde nur die Hälfte um sich herum mitbekommen.
Sie hatten sie komplett untersucht, fanden aber nichts Lebensbedrohliches. Lediglich eine Platzwunde an der Stirn, eine mittlere Gehirnerschütterung, ein geprelltes rechtes Bein, ein gebrochenes linkes Schienbein, der laut Röntgen, nicht mal operiert werden müsse, eine ausgekugelte rechte Schulter, die sie durch den Aufprall auf den Boden passiert abbekommen hatte. Holly konnte froh sein, dass ihr nichts weiter passiert ist, keine weiteren Brüche, keine innere Blutungen, nichts. Sie hatte wirklich Glück in Unglück. Das erleichterte mich sehr.
Als ich fragte, ob ich zur ihr dürfe, wurde mir von dem behandelnden Arzt, abermals ein Stein in den Weg gelegt. Ich durfte nicht zu ihr. Sie würde wegen den Schmerzmitteln kaum etwas von den Besuchern mitbekommen. Ich fing schon wieder an zu heulen, und meine Mom nahm mich in den Arm.
Am nächsten Tag, schwänzte ich den Unterricht, um Holly Gesellschaft zu leisten und ihr netterweise auf die Nerven zu gehen. Wir waren allein im Einbettzimmer, ihr Bruder war in der Schule, ihre Eltern arbeiteten. Das ich vermutlich einen Anschiss der Extralative meiner Eltern bekommen werde, weil ich schwänzte, machte mir nichts aus. Dann war's eben so.
Holly klagte immer noch über Schmerzen in den Beinen und in der Schulter, die im Kopf, seien erträglich- außerdem fing sie immer wieder wegen Parker an zu weinen.
Wer kann es ihr verübeln?
Schließlich fand sie Parker, damals als einzig überlebenden Hundewelpen, lieblos entsorgt, in einem Karton neben einem Mülleimer, in der Nähe unserer damaligen Grundschule. Er lag dort, wimmernd und schreiend, zwischen seinen erfrorenen Geschwistern.
Selbst ich, der mit dabei war, und neben den Mülleimer kotzen musste, gab damals meine Jacke zum Wärmen ab. Die McGowans waren so gerührt, dass Parker, benannt nach Peter Parker, war meine Idee, Holly fand es gut, ein Teil der Familie werden durfte, wenn er überleben würde.
Aber Parker war ein Kämpfer und wuchs zu einem dankbaren, selbstbewussten Hund heran. Hollys Begleiter und bester Freund, wurde nur acht Jahre alt.
Ich hatte die ganze Nacht über geheult, weil ich gestern nicht zu ihr durfte, und jetzt, nachdem ich sie in einer Umarmung regelrecht erdrückt hatte, ging's mir, neben den Kopfschmerzen und einer verstopften Nase, schon etwas besser.
„Was ist denn genau passiert?", wollte ich wissen.
Sie erzählte mir, nachdem sie lang genug nachgedacht hatte, dass sie mit Parker in den Park auf der anderen Straßenseite wollte. Dabei war sie zu blöd, und lief vor die Straße. „Ist alles meine Schuld. Wegen mir, ist mein Hund tot."
Holly war, eine halbe Stunde später, wegen den unerträglichen Schmerzen und einer weiterer Vergabe Medikamente eingeschlafen, lehnte mit ihrem Kopf an meinem Oberkörper an. Ich hatte mir die Schuhe ausgezogen und mich mit ins Bett gelegt. Holly brauchte meine Nähe und ich ihre. Vorsichtig legte ich meinen Kopf an ihren Kopf und blickte aus den Augenwinkeln auf die bandagierte Stirn. Ich griff nach Hollys Hand, verschränkte meine Finger in ihre und schloss meine Augen.
Hoffentlich wurde Holly schnell gesund. Hoffentlich kam sie schnell hier raus.
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