32

Jay
Die tiefen Bässe knallten aus den sämtlichen Musikboxen, in den Räumlichkeiten lag eine stickige Luft, gemischt mit Schweiß, Alkohol und sämtlichen Parfümen, zwischendurch wurde ich von den bunten Lichtern geblendet, während ich mir es auf einem der gepolsterten roten Sesseln gemütlich gemacht hatte.
Alvin saß neben mir auf einem weiteren Sessel, schaute sich aufmerksam um, beobachtete kurz die dunkelhaarige Tänzerin, die an der Stange tanzte. Ich starrte vor mir auf die Flasche Whiskey und mein gefülltes Glas, seufzte, weil ich absolut keine Lust mehr auf das alles hier hatte.
Ich vermisste Holly, ich vermisste mein Bett, wollte unbedingt wieder zurück auf Streife. Ich vermisste den bescheuerten Streifenwagen und Gordon- am meisten aber, sehnte ich mich nach Holly. Fünf Monate war ich mit Alvin undercover, fünf Monate musste ich auf meine Freundin verzichten, wir hatten selbst keinen Kontakt- nur über Abel, der zwischendurch Briefe austauschte, die ich in meinem Spind ansammelte. Das wars. Der Kontakt zu meinem normalen Leben sei zu gefährlich.
Wir konnten nicht mal gemeinsam Weihnachten feiern, oder ins neue Jahr, nicht mal an Valentinstag, konnte ich ihr einen Strauß Blumen hinstellen.
Ich feierte mit Alvin ins neue Jahr, der ebenfalls auf seine Frau und Tochter verzichten musste.
Fünf Monate, in denen ich einigen Scheiß miterleben musste, von Mord, Vergewaltigung und andere Gewalt an unschuldige Mädchen. Sie kamen aus dem Osten Europas, mit der Zuversicht, hier ein neues Leben anzufangen, wurden dann in irgendwelche Stripclubs gesteckt und an widerlichen Freier verscherbelt.
Alvin und ich, hatten einiges gegen den Besitzer dieser zwielichtigen Bar, die nach außen hin, wie ein typischer Stripclub wirkte, in der Hand. Hinter den Pforten dieses Clubs, wurden die Mädchen wie Dreck behandelt und an andere Männer verkauft. Von Kleinkriminellen bis hin zu etwas größeren Fischen in der Stadt.
Alvin blickte zu mir. Im Gegensatz zu mir, wirkte er nicht müde, sondern eher gelassen.
Er hielt sich die Hand vor dem Mund und sagte mit völliger Überzeugung: „Ist bald vorbei."
Ich ließ meinen Blick über die Gäste und den herumlaufendem leicht gekleideten Mädchen wandern. „Fünf Monate, wie hältst du das nur aus?"
„Ich weiß, dass ich zurück zu meiner Familie kann, so wie du. Halt dich an dieser Klammer fest... Jake..."
Sein Tonfall änderte sich und aus dem Augenwinkel, sah ich eine der leicht gekleideten Blondinen auf uns zu kommen.
„Dein Freund sieht ja gar nicht glücklich aus, Elias", bemerkte die Frau mit dicken russischen Akzent an Alvin gewandt. 
Alvin hielt sich an meine gefälschte Biografie. „Er muss eine Menge Alimente für seine Zwillinge nachzahlen."
„Ja", nickte ich. „Sei froh, dass du nicht so früh Vater wurdest, Koteas", murrte ich und setzte mich aufrecht. „Wird immer schlimmer mit dem Geld." Dann wandte ich mich zu Evelyna. „Erst recht, wenn dein Boss mit der Bezahlung an uns hinterherhängt."
Die zierliche Blondine seufzte nur. „Da kann ich nichts machen. Ich bin nur eines seiner Mädchen. Habt ihr denn einen Termin?"
„Wir sind mit Andrej verabredet", nickte Al. „Er kommt heute doch, oder ist er verhindert, wie sonst auch immer?"
„Er ist jeden Mittwoch hier und müsste bald kommen. Braucht ihr etwas? Whiskey? Snacks? Eine kleine private Vorführung?"
„Wir haben alles, danke, Evelyna", winkte ich ab, nachdem Alvin seinen Kopf schüttelte.
„Ihr wisst, wo ihr mich findet, falls ihr es euch anders überlegt."
Dann ließ sie uns in Ruhe. Als sie wegging, legte sie eine Hand auf meine Schulter und lehnte sich zu mir nach vorne. „Du kannst mich ja zur Bar begleiten."
„Ein anderen Mal. Ich bleibe bei meinem Boss."
Sie nahm endlich ihre Hand von meiner Schulter und ging allein zur Bar. Alvin musste nur lachen. „Hab doch gesagt, dass sie auf dich steht."
„Mir ist das egal, soll sie doch. Ich hab mich all die Monate mit keiner hier eingelassen und das halte ich auch ein." Ich griff nach dem Glas mit dem Whiskey und trank einen Schluck.
„Manchmal kommt man an den Punkt, da geht es nicht anders und man muss Dinge tun, die man nicht machen will", sagte Alvin etwas leiser und lehnte sich zu mir rüber.
„Sagtest du bereits. Aber bisher war's nicht nötig." Ich trank noch einen Schluck und stellte das Glas wieder zurück.
„Du hast deine Grenze und das ist gut."
„Hast du deine Grenze schon mal durchbrochen?", hakte ich dann nach.
„Vor ein paar Jahren. Aber das ist eine andere Geschichte", winkte Alvin ab.
Seine Augen starrten an mir vorbei und er erhob das Kinn. „Andrej ist da."
Ich folgte seinem Blick und sah einen gut gekleideten Typen, mit seinem drei Bodyguards, in den Club kommen.
Andrej sah Al und mich und deutete zur Tür, die in sein Büro führte.
Anscheinend schien er uns schon zu erwarten, so wie wir ihn, damit wir ihn endlich Hinter Gittern bringen konnten.
Alvin und ich standen auf und folgten Andrej und seine Rechte Hand Falco durch die hinteren Räume. Wir gingen einen schmalen Raum entlang, dann durch getrennten Privaträumchen, in dem es private Tänze gab, dann folgte wieder ein kleiner Flur, eine Tür, gingen durch den Raum durch, in dem sich die verschiedenen Mädchen fertig machten, dann folgte ein Vorhang, noch ein Flur und wieder eine Tür, die in ein Büro führte.
Das Büro sah aus wie ein typisches Büro in einem Stripclub, an den Wänden hingen Poster von nackten oder halbnackten Frauen, ein Schreibtisch mit einem Laptop, einem Kühlschrank, zwei weitere Stühle, ein paar Aktenschränke und eine Couch. Während Andrej sich hinter seinem Schreibtisch setzte, blieb seine rechte Hand Falco, an der geschlossenen Tür stehen.
„Setzt euch", befahl Andrej und deutete auf die beiden alten Stühle vor dem Schreibtisch.
„Ich mach schon", sagte Alvin und setzte sich hin, während ich stehen blieb, um die Tür, Falco und Andrej im Blick zu haben.
„So, was kann ich für dich tun, Elias?"
„Jake und ich, haben in den letzten Monaten, einiges für dich erledigt und warten noch auf zwei Monatsgehälter."
„Ich dachte schon ihr kommt gar nicht mehr an und mein Gehalt wird nicht benötigt", lachte er und stand von seinem gemütlich aussehenden Bürostuhl auf. „Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden, wisst ihr doch."
Andrej blickte mich an. „Die Alimente für deine Söhne, oder?"
„Töchter, ich habe zwei Töchter, beide zehn", korrigierte ich. Meine ganze erfundene Geschichte, also die von Jake Smith, kannte ich natürlich in und auswendig und konnte sie deshalb schon im Schlaf runterleiern.
Er nickte. „Sorry, man, mein Kopf ist voll. Vater sein ist nicht leicht."
„Ach, du hast auch Kinder?", fragte ich fast schön spöttisch. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann, der wahllos Menschen tötet und mit einem anderen unbekannten Riesen einen Frauenhändlerring leitet, überhaupt Vater war. Andrej schnitt eine Grimasse. „Natürlich, ich bin selbst mit sechzehn Papa geworden. War keine einfache Zeit. Meine Tochter ist fünfzehn geworden und manchmal wünschte ich mir, dass sie wieder klein ist. Die Zeit damals, war viel einfacher als jetzt."
Andrej öffnete einen abgeschlossenen Aktenregal. „Du hast die Arschkarte, Jake, in kommender Zuflucht, hast du das doppelte Pech."
„Naja, ich sehe die beiden nicht oft, vielleicht zu ihren Geburtstag, anderen Feiertagen. Meine Exfreundin ist nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen, nachdem ich im Knast war."
„Verständlich", bemerkte Andrej. „Du hast sie mit zwei Kleinkindern allein gelassen, weil du Kohle brauchtest, obwohl du eine gute Arbeit hattest."
„Ja, man bekam nie genug von dem Geld und wollte für meine drei nur das Beste", stimmte ich zu. Andrej holte einen braunen Umschlag zwischen den Papieren vor und öffnete diesen.
„Jeder fünf Riesen, richtig?", fragte er dann.
„Genau. Fünf für mich, fünf für den", nickte Al und deutete mit den Daumen auf mich.
Andrej schmiss den Umschlag auf den Schreibtisch und direkt vor Alvin.
„Müsste passen, zähls durch, machst du so oder so, ich kenne dich." Er schloss den Schrank wieder ab und setzte sich zurück auf seinem Stuhl, während Alvin tatsächlich das Geld durchzählte.
Andrej musterte mich interessiert. „Deine Exfreundin..."
„Was ist mit ihr?"
„Hat die schon einen anderen Kerl an ihrer Seite, der versucht sich als Vater für deine Töchter aufzuspielen?"
„Was meine Ex treibt, interessiert mich nicht mehr. Was zählt sind meine Töchter und den beiden geht's bei ihr gut. Außerdem hat Claire ein Riecher für bekloppte Typen."
„Und trotzdem gab sie dir eine Chance", bemerkte Alvin spöttisch.
Auch Andrej musste lachen. „Stimmt, du bist schon bekloppt, Jake."
„Ach echt?"
„Du haust ohne zu zögern zu, bist gleich immer zuerst an der Front und du hast in den ganzen Monaten keines meiner Mädchen angerührt, obwohl die alle offensichtlich die Nähe zu dir gesucht haben..."
„So schön deine Mädchen auch sind, Andrej, aber für mich sind die's nicht wert. Ich stehe auf Frauen, dir mir weitaus die Stirn bieten können und sich nicht wegen Kleinigkeiten unterbuttern lassen."
„Tja", bemerkte er. „Davon hab ich keine, sind alles Arschkriecherinnen wie sie im Buche stehen." Er tippte mit dem Fingern auf dem Schreibtisch herum. „Und, Elias? Alles da?"
„Auf den Penny genau." Alvin stopfte das Geld zurück in den Umschlag. „Brauchst du uns für noch etwas?"
„Ich melde mich, wenn ich was habe."
Alvin blieb sitzen. „Ich habe gestern ein Gespräch mitbekommen, Andrej. Ihr scheint Probleme zu haben, du und dein Businesspartner, mit den Chinesen?"
Andrejs Miene verfinsterte sich. „Weißt du, Elias, private Gespräche belauschen, dass ist nicht gerade von der feinen griechischen Art!"
„Dann telefoniere in Zukunft leiser", riet Alvin ihn und stand auf. „Wenn du Hilfe brauchst, im Form von uns beiden, dann kannst du, gegen eine Bezahlung, auf uns zählen."
Andrej musste nur lachen. „Ihr beiden habt echt Eier. Nervt mich und wollt euch in meine Geschäfte einmischen."
„Wie war das? Du vertraust uns?"
Andrej blickte mich an. „Natürlich tu ich das, aber mein Geschäftspartner, hat seine eigenen Leute, die mit dem Problem fertig werden, da brauchen wir euch nicht."
Es wäre so einfacher gewesen, hätte Andrej dem Vorschlag von Alvin zugestimmt, dann hätten wir frühestens heute, den Sack mit der Katze zumachen können und ich hätte nach Hause gekonnt, aber nein, es schien sich alles noch mehr in die Länge zu ziehen.
Kein Thanksgiving, kein Weihnachten, kein Silvester, kein Valentinstag und jetzt durfte ich vermutlich auch noch auf Hollys und meinem Geburtstag verzichten.
Ich gab nicht auf und drängte uns weiter auf. „Wir sind gute Schützen", sagte ich. „Wenn's hart auf und hart kommt, können wir anpacken. Wir werden uns im Hintergrund halten- natürlich nicht, wenn die Scheiße am überkochen ist. Außerdem will ich auch langsam mal meinen anderen Chef kennenlernen."
„Jake, du bist wahrhaftig ein bekloppter und mutiger Typ, der sich freiwillig einer Cobra den Fraß vorwerfen will."
„Ich mag keine Langeweile und ich bin mir sicher, dass ihr jeden Mann in eurem Team gegen die Chinesen braucht..."
„Eigentlich, Jake, hast du recht. Die Triaden sind kein Kinderspiel und sind nicht gerade gut auf uns Russen zu sprechen, seitdem wir mit der Yakuza verkehren."
„Und die Japsen, wollen nicht helfen", stellte Falco knurrend fest.
Andrej warf ihn einen warnenden Blick zu. Falco entschuldigte sich. „Halte schon den Mund."
„Falco hat eigentlich recht. Die Yakuza will keinen Streit mit den Triaden haben, wir Russen sind groß genug dafür." Andrej seufzte. „Meinetwegen. Seit gegen sechs Uhr abends hier, dann fahren wir gemeinsam zur Lagerhalle. Das wird ein großes Ding."
Und was für ein großes Ding das werden würde, wenn die Russen und die Triaden aufeinander treffen würden. Eine weitere sinnlose Schießerei und Tote, mussten verhindert werden.
Und vielleicht, kam ich ja schon heute Abend nach Hause. Ich wollte das.
Ich musste.

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