Kapitel 22.2 - Benjamin
„Benni, bist du unter die Langschläfer gegangen oder gibt es da etwas, dass du mir schon längst hättest beichten sollen?" Cat wickelte sich eine ihrer hellen Haarsträhne immer wieder um den Finger, ehe sie sie herunterrutschen ließ und von neuem mit dem Aufwickeln begann. Dabei sah sie neugierig zu mir, dass Buch, das in ihrem Schoß lag, hatte sie in dem Moment vergessen, in dem Annika in das Innere des Hauses verschwunden war. Wie schon am Nachmittag zuvor lagen wir am Pool und genossen die warmen Sonnenstrahlen.
Ihre Worte schworen die Erinnerung an heute Morgen wieder auf. Ich grinste. Annikas Kopf auf meiner Brust, ihr Arm quer über meinen Bauch und ihre Haare, die sich über meine Haut ergossen. Es war die Sonne gewesen, die mich kurz vor neun aus dem Schlaf gerissen hatte. Als ich wenig später nach unten ging, saß Cat bereits mit unseren Eltern am Frühstückstisch. Es war ungewöhnlich, dass sie vor mir da war. Da ich nie viel und lang schlief, war ich in der Regel immer der Erste. Natürlich hatten auch meine Eltern das bemerkt, aber sie waren zu nett um zu Fragen. Sie würden warten, ganz im Gegensatz zu der neugierigen Nervensäge neben mir.
„Oh, mein Gott, seid ihr jetzt zusammen?" Cat musste das Grinsen fehlinterpretiert haben.
Ich seufzte und sah wieder zu ihr. „Nein und es ist auch nicht das passiert, was du dir vorstellst."
„Aber irgendetwas ist passiert?" Sie fokussierte sich immer auf die entscheidenden Punkte. Meiner Schwester entging so etwas nie.
Ich verdrehte die Augen und ließ mich in meinen Stuhl zurückfallen. „Das geht dich nichts an, Cat", erwiderte ich schließlich, dabei war ich mir nur zu gut bewusst, dass das nicht half, um ihre Neugier zu besänftigen. Es grenzte ohnehin an ein Wunder, dass sie mich erst jetzt ins Kreuzverhör nahm. Vermutlich lag es daran, dass wir heute Mittag Essen waren und es keinen Moment gab, wo sie mich allein erwischt hatte.
„Bennniie!", jammerte sie und schob ihre Lippe zu einem übertriebenen Schmollmund vor.
Ich ignorierte sie und lehnte mich einfach zurück. Es gab Momente in dem Schweigen die einzige Möglichkeit war. Fast hätte mich eine gefüllte Wasserflasche am Kopf getroffen, nur meinen schnellen Reflexen war es zu verdanken, dass sie mir nicht direkt ins Gesicht klatschte. „Hey!", beschwerte ich mich.
„Du kannst mich nicht einfach ignorieren, ich bin deine Lieblingsschwester!", erklärte mir Cat und als ich hinter mir Annikas vertrautes Lachen ertönte, wusste ich, dass meine Rettung aus diesem Verhör gekommen war.
„Was bei einer Schwester auch nicht schwer ist", kommentierte ich lieblich, wie ich war.
„Ben!" Zum Glück hatte sie nichts mehr, dass sie nach mir werfen konnte oder vielmehr wollte. Das Buch war ihr vermutlich einfach zu Schade dafür. Aber wenn Blick töten könnten...
„Selbstverständlich wollte ich sagen, dass du selbst aus zehn Schwestern meine liebste wärst!", neckte ich sie mit überspitztem Tonfall. Erwachsen wie wir waren, streckte mir sie die Zunge heraus.
„Ihr zwei seid einfach mega süß", meinte Annika und legte sich auf die Matte zwischen mir und Cat. Vermutlich fehlte es ihr an Erfahrung, aber die Liege zwischen meiner Schwester und mir war wohl oder übel der gefährlichste aller Orte.
„Pah!", machte Cat und blinzelte nun Annika empört an. „Ich bin süß, aber das ist ein Idiot."
„Natürlich, wie konnte ich das übersehen!", bestätigte Annika mit möglichst ernster Stimme, während sie sich ganz arg anstrengen musste, um nicht breit zu grinsen.
Ich lachte und zuverlässig, wie Cat nun einmal war, kam von ihr ein verärgertes Schnauben. „Ihr seid beide blöd!" Mein Lachen wurde lauter und Annika stieg mit ein. Cat schmollte noch zwei Sekunden, dann konnte auch sie nicht anders und lachte mit uns. Ich war froh, dass die beiden sich so gut verstanden, da die beiden zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben zählten.
„Wann fahrt ihr eigentlich wieder?"
„Willst du uns etwa loswerden?"
Nun war es an Cat zu seufzen. „Dich immer, aber Nika kannst du hierlassen. Kleine Schwestern sind viel cooler als große Brüder."
Annika prustete erneut hilflos los.
„Das ist ihre verdrehte Art zu sagen, wie lieb sie mich hat", sagte ich an Annika gewandt, aber laut genug damit Cat auch jedes Wort mitbekam. Sie verdrehte die Augen. „Du mich auch."
„Morgen früh, wir haben beide noch frei", beantwortete ich ihre Frage schlussendlich.
„Oha, der große Workaholic hat freigenommen", natürlich konnte Cat es nicht unkommentiert lassen. Auch wenn ich sie liebte, so war sie doch eine Nervensäge. „Du solltest öfters mitkommen, du tust ihm sichtlich gut. Er schläft aus, er benimmt sich anständig beim Essen und er bleibt sogar einen Tag länger", zählte sie auf.
Annika lachte, da ihr nicht bewusst war, dass jeder dieser Punkte der Wahrheit entsprach. Ich schlief so gut wie nicht. Ich hielt es mit zu vielen Menschen in einem Raum nicht lang genug aus, sodass ich die letzten Essen immer früher verlassen hatte. Und ich blieb nur kurz bei meiner Familie, da der Leopard mir zuvor kaum meine Ruhe ließ und mich jetzt alles wieder zu Annika zurückzog. Sie war mein Ruhepol, das merkte ich ganz deutlich, wann immer sie nicht bei mir war, verflüchtigte sich die Wirkung, die sie auf mich ausübte, viel zu schnell. Dabei ging es mir mittlerweile deutlich besser als noch vor einigen Wochen.
Cat grinste, auch wenn ich meinte ein wenig Sorge in ihren Augen zu erkennen. Sie wusste, was Annika mir bedeutete und offensichtlich bemerkte sie welche Wirkung sie auf mich hatte. Und ihr war auch bewusst, dass ich sie noch nicht gänzlich für mich gewonnen hatte.
Ich war mir sicher, dass Annika die Spannung zwischen uns genauso wahrnahm, wie auch ich, doch sie wollte davon im Moment nichts wissen. Ich ließ es ihr durchgehen, da ich nach wie vor der Meinung war, dass sie noch nicht bereit war für eine neue Beziehung. Die Trennung von ihrem Ex war nun gerade mal etwas mehr als einen Monat her. Ich nutzte die Zeit um unsere Verbindung enger werden zulassen. Meiner Meinung nach war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich unserer Anziehungskraft nicht mehr entziehen konnte. Ich hoffte nur, dass meine Geduld, dafür ausreichte. Ich wollte ihr die Zeit geben, die sie brauchte und ich wollte, so für sie da sein, wie sie es brauchte. Und momentan brauchte sie einen Freund, der ihr Halt bot. Zumal sie sich mit jedem Mal, wo ich für sie da war, sie sich immer mehr an mich gewöhnte und ich zu einer Selbstverständlichkeit in ihren Leben wurde, die sie nie mehr missen wollte und auch nicht musste. Denn genau das wollte ich, für sie da sein, bei ihr sein, und zwar für immer.
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