Kapitel 21.6 - Annika

Es war kurz vor zwei, als ich das vierte Mal diese Nacht aufschreckte und mich für einen Moment orientierungslos in dem dunklen Raum umsah. Es dauerte nicht lang, ehe ich die Schatten und Kanten dem Gästezimmer von Bens Eltern zuordnete. Ein Blick auf meine Smartwatch ließ mich frustriert stöhnen. Das würde eine lange Nacht werden. Wobei, sie war es schon längst. Hellwach und damit deutlich wacher, als ich es um diese Uhrzeit sein wollte, setzte ich mich auf. Die letzten Wochen hatte ich wieder angefangen besser zu schlafen, Lukas Nachrichten heute schienen mich wieder rückfällig werden lassen.

Dabei hatte es, als ich abends die Sprachnachrichten anhören wollte, nur noch eine kurze Textnachricht gegeben. Die Sprachnachrichten hatte er gelöscht, bevor ich sie hören konnte. Vermutlich war es auch besser so, denn der kurze Text hatte es bereits in sich.

Der Bauleiter?!!!! Seit wann hast DU mich betrogen? Das ist ziemlich geschmacklos, ich hätte mehr von dir erwartet.'

Verdammtes Arschloch, am liebsten hätte ich ihn auf den Mond geschossen und nie mehr zurück. Vermutlich war er über Pfingsten zu Besuch bei seinen Eltern und hatte über den Dorfklatsch erfahren, dass Ben und ich viel Zeit miteinander verbrachten. Erstens ging es ihm einen Scheißdreck an, was ich jetzt tat und nachdem er mich fast ein Jahr lang betrogen hatte, hatte er kein Recht auch nur irgendetwas zu sagen. Erst als mein Kiefer anfing zu Schmerzen, bemerkte ich, dass ich in meinen Gedanken gefangen meine Zähne aufeinandergepresst hatte.

Seufzend setzte ich mich auf. So würde ich diese Nacht nicht überleben. Kurz zögerte ich, doch dann gab ich mir einen Ruck. Ben hatte nicht ein einziges Mal gezögert, wenn ich seine Hilfe brauchte. Er war immer für mich dagewesen.

Ich kroch in die Badelatschen, die ich als Hausschuhe verwendete und tappte dann zu seinem Zimmer rüber. Als ich jedoch klopfte, kam keine Reaktion. Nicht weiter verwunderlich, vermutlich schlief er tief und fest sowie Menschen das nachts um zwei üblicherweise taten. Wollte ich ihn dann wirklich stören? Ich überlegte hin und her, entschied mich dann aber das Zimmer zu betreten. Sobald ich einen Blick in das Zimmer werfen konnte, war klar, dass Ben nicht so gut schlief. Seine Bettdecke war zwar zerwühlt, mehr war von ihm aber nicht mehr zu sehen. Offensichtlich schlief auch er nicht.

Nach einem kurzen Moment entschied ich mich dafür, mir ein Glas Wasser zu holen. Vielleicht würde ich Ben unten entdecken. Das wäre noch geschickter. Dann würde ich ihn nicht aus seinem Schlaf reißen.

In der Küche entdeckte ich ihn nicht. Auch ein Blick in den Wohnraum ließ mich die Stirn runzeln. Wo war er?

Gerade als ich mich wieder auf dem Weg zurück in mein Zimmer machen wollte, blieb mein Blick an der Terassentür hängen. Sie war offen, nur zu geschoben.

Auf den Liegen am Pool fand ich schließlich eine Hose, Shirt und Jacke von ihm. Mit zusammengezogenen Brauen scannte ich den Pool und den ganzen Garten, doch ich konnte Bens Gestalt nicht ausmachen. Für einen Moment überlegte ich, ob er seine Sachen liegen lassen hatte, konnte mich aber nicht erinnern. Damit kam die Frage auf: Was machte der Kerl nachts mutmaßlich ohne Kleidung irgendwo hier draußen?

Da ich ohnehin nicht schlafen konnte, beschloss ich ein paar Minuten draußen zu bleiben und zu warten. Ich machte es mir auf der nächsten freien Liege bequem und sah hoch in den Nachthimmel. Es war wunderschön. Zahlreiche Sterne erhellten den Himmel und ganz schwach konnte ich die Konturen der Milchstraße erkennen. Es brauchte ein bisschen bis ich den großen und kleinen Wagen fand. Außer den zwei drei Besuche in einem Planetarium und einer Sternwarte, hatte ich mich nicht weiter damit auseinandergesetzt.

Als ich gähnte, bemerkte ich, dass die Müdigkeit zurückkam und die Gedanken an den Ärger mit Lukas sich verflüchtigten. Allerdings war es kalt. Ich hatte schon längst Gänsehaut, kein Wunder da ich nur mein Schlafzeug trug. Kurz entschlossen schnappte ich mir Bens Fleece Jacke und zog sie an. Das war gleich ein doppeltes Plus, nicht nur das sie warm war, sie roch auch nach ihm. Tief atmete ich seinen vertrauten Geruch ein, kuschelte mich in den Stoff und ließ meine Gedanken davon treiben, während ich in den sternenbehangenen Himmel sah. 

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