Kapitel 21.4 - Annika

Am nächsten Tag waren Cat und ich gerade mit dem Decken des Tisches für das gemeinsame Essen mit der ganzen Familie fertig, als es das erste Mal an der Tür klingelte. Nachdem mich Bens engsten Familienmitglieder so herzlichen willkommen geheißen hatten, war meine Nervosität kaum vorhanden, sodass ich mich mit strahlendem Lächeln seinen Großeltern stellte.

„Oh, hat unser Junge endlich eine Freundin?", rief sein Opa sichtlich erfreut aus.

Hitze flutete meine Wangen, genau diese Situation hatte ich gefürchtet. Cat eilte zu meiner Rettung herbei. „Das ist eine Freundin von Ben, Opa. Ihre Familie ist über Pfingsten verreist, deswegen hat Ben sie mitgebracht."

„Das ist Schade. Sie ist so ein hübsches Ding."

Cat warf mir einen entschuldigenden Blick zu, während sie ihre Großeltern zum Tisch begleitete und ihnen bei Hinsetzen half. Geschickt lenkte sie das Thema von mir weg und fragte sie so aus, dass ich schnell vergessen war. Ein wenig unsicher, überlegte ich, ob ich mich zu seiner Mom in die Küche verdrücken konnte. Allerdings hatte sie uns zuvor aus der Küche geworfen, weil Cat und ich ihr nur im Weg rumstanden und Ben selbst war mit seinem Dad noch im Büro. Ich wusste nun, woher Bens Hang zum Workaholic kam, sein Vater hatte ihm mit Sicherheit nichts anderes vorgelebt.

Das Geräusch der Klingel nahm mir die Entscheidung ab. Cat warf mir einen Blick zu, sie war noch immer im Gespräch mit ihren Großeltern und ich nickte ihr zu. Also eilte ich zur Tür. Mir blickten zwei überraschte Gesichter entgegen, als ich die Tür öffnete. „Hi, ich bin Nika", stellte ich mich mutmaßlich Bens Tante und Onkel vor. Zumindest hatte der Mann die gleiche Statur, Haar- und Augenfarbe wie Bens Dad. Nun sah auch die dritte Person von seinem Handy auf. Es war eine deutlich jüngere Version des Mannes, etwa im gleichen Alter wie Ben und Cat.

„Ich bin Carola und das ist mein Mann..."

Ihr Mann unterbrach sie und reichte mir nach ihr die Hand. „Michael. Bist du Bens Freundin?", fragte er direkt.

„Nein, ich bin nur eine Freundin. Meine Familie ist verreist und Ben war so nett und hat mich mit zu seiner Familie genommen." War doch gar nicht so schwer und entsprach zu neunundneunzig Prozent der Wahrheit, bis auf das Ben und Taliah mich dazu genötigt hatten mitzukommen. „Kommt doch rein, das Essen ist vermutlich gleich so weit. Cat ist im Wohnzimmer und unterhält sich mit ihren Großeltern."

Carola und Michael traten an mir vorbei in den Flur und dann stand ich ihrem Sohn gegenüber. „Hi, ich bin Alex", stellte er sich vor und reichte mir Hand. „Freut mich dich kennenzulernen, Nika." Seine Augen hatten ein dunkles Braun, die Haare waren schwarz und kurz, die Haut braungebrannt. Sportliche Figur. Er sah gut aus, wie scheinbar jeder in dieser Familie.

„Ebenso", erwiderte ich höflich und schloss nach ihm die Tür. Seine Eltern waren schon auf dem Weg zum Wohnzimmer, während ich noch auf ihn wartete, da er noch die Schuhe wechselte und seine Jacke aufhing.

„Und wo kommst du her?" Die Familie Arden schien eine charmante Ader zu haben. Ehe ich mich versah, war ich mit ihm in eine lockere Unterhaltung verwickelte, während wir mit den anderen zusammen auf das Essen wartend im Wohnzimmer standen. Als es noch einmal klingelte, öffnete Cat die Tür.

„Und was machst du so in deiner Freizeit?" Nachdem ich ihm von dem Home of Everyone erzählt hatte, wollte ich auch ihn wieder zur Sprache kommen lassen.

Er lachte. „Das ist bei weiten nicht so spannend. Ich spiele Fußball im Verein und bin in der Freiwilligen Feuerwehr, im Nachbarort." Seine Antwort überraschte mich nicht, ich hatte aufgrund seiner Statur schon erwartete, dass er Fußball spielte.

„Das war dann wohl eine eiskalte Lüge", wehrte ich lachend seine Worte ab. „Freiwillige Feuerwehr ist doch bestimmt mega interessant und spannend."

Er grinste. „Ja, ab und ..."

Cats Stimme, die nach mir rief, unterbrach mich. „Hilfst du mir mit beim Essen holen?"

Carola sprang ebenfalls auf, doch während ich sagte: „Na klar", beruhigte Cat ihre Tante schon. „Nika hilft mir, danke dir."

Als ich aus der Tür schlüpfte, bemerkte ich das Ben neben seinen Vater in ein Gespräch mit seinem Onkel verwickelt war. Trotzdem traf sich unser Blick für einen Moment und ich bemerkte wie angespannt sein Gesichtsausdruck wirkte. Hoffentlich gab es mit ihrem Geschäft keine Probleme, allerdings hatte ich keine Zeit darüber nachzudenken, da Cat mich hinter sich herzog.

„Du solltest die Finger von Alex lassen, wenn du keinen Tobsuchtanfall provozieren willst", klärte Cat mich auf, während wir nebeneinander zur Küche liefen.

„Hä?", gab ich verwirrt von mir und sie blieb mit der Hand an der Türklinke zur Küche stehen.

„Du solltest nicht mit Alex flirten, sonst dreht mein Bruder durch", während sie das sagte, sah sie mich, felsenfest von ihren Worten überzeugt, an. Trotzdem ergaben ihre Worte für mich keinen Sinn.

„Ich habe nicht mit ihm geflirtet", verteidigte ich mich, auch wenn ich nicht wusste, warum das überhaupt notwenig war. „Außerdem sind Ben und ich kein Paar." Weder das eine noch das andere, ergab in irgendeiner Weise Sinn.

„Noch nicht", murmelte Cat vor sich hin, ich war mir unsicher, ob diese Worte für mich bestimmt waren oder nicht, trotzdem hörte ich sie. Schlussendlich seufzte Cat und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

„Alex ist ein Frauenheld, er flirtet mit jedem weiblichen Wesen, dass nicht schnell genug die Beine in die Hände nimmt und auch wenn mich Ben dafür vielleicht umbringt... aber er steht auf dich, voll", erklärte sie mir dann. „Und so wie er Alex angeschaut hat, bringt er ihm vermutlich noch vor dem Essen um, wenn er auch nur ein weiteres Wort zu dir sagt. Also sei so gut, setz dich neben meinen Bruder und versuch Alex so gut es geht aus dem Weg zu gehen."

Ein letzter eindringlicher Blick, dann öffnete sie die Tür und eilte zu ihr Mom, die ihr direkt eine Schüssel mit Klößen in die Hand drückte.

Vollkommen überrumpelte von ihren Worten folgte ich ihr und lief ein paar Mal hin und her bis alles auf dem Tisch stand, während ich ihre Worte zu verarbeiten versuchte. War Ben wegen meinem Gespräch mit Alex so angespannt gewesen? Hatte Ben mit seiner Schwester darüber gesprochen, dass er auf mich stand? Oder interpretierte diese zu viel darin hinein, dass er mich mitgenommen hatte?

In dem ganzen Trubel hatte ich kaum Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Es ging alles so hektisch zu und als ich dann endlich so weit war, dass auch ich an dem Tisch Platz nehmen konnte, zog Ben schon einen Stuhl zwischen sich und Cat hervor. Erst als ich mich setzte, realisierte ich, dass gegenüber von mir Alex saß, der mich angrinste.

Reflexartig schenkte auch ihm ein kleines Lächeln und bemerkte so gleich darauf, wie Ben seine Hände zu Fäusten ballte. Unsicher, ob wirklich ich der Auslöser dafür war, legte ich meine Hand auf seinen Arm und lehnte mich zu ihm. Sofort verschwand ein Teil seiner Anspannung. „Alles in Ordnung?", fragte ich ihn leise.

Er nickte. „Fall nur nicht auf den Mistkerl rein, er ist ein Frauenheld", warnte auch er mich mit grimmiger Stimme und finsterer Miene vor seinem Cousin.

Konnte es sein, dass Cat recht hatte oder war Alex tatsächlich so schlimm? Diese leise Ahnung, die sich in meinem Hinterkopf breitmachte, rief eine seltsame Mischung aus freudiger Erregung, Verärgerung und Belustigung hervor.

„Sei nicht albern, ich sehe ihn nur einmal und dann nie wieder. Außerdem bin ich mit dem Beziehungsthema vorerst durch." Letzteres sagte ich bewusst, um sowohl ihn als auch mich selbst daran zu erinnern.

Ben brummte irgendetwas, dass ich nicht verstand, doch da auch seine Mom sich an den Tisch setzte, richtete ich mich auf und fragte nicht weiter nach. 

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