Kapitel 19 - Annika

Als ich am nächsten Morgen erwachte, blinzelte ich träge und sah mich irritiert nach allen Seiten um. Woher kam dieses Geräusch und was war das? Mein Blick blieb allerdings an dem Schemen neben mir hängen. Es dauerte eine halbe Sekunde, bis ich mich an das Essen mit Ben erinnerte und dass wir gemeinsam meine Serie fortsetzen wollten. Viel hatte ich davon nicht mitbekommen, denn kaum das ich neben ihm auf der Couch saß, hatte mich die Müdigkeit übermannt und ich hatte mich schlaftrunken an ihn geschmiegt. Innerlich schlug ich mir die Hand vor das Gesicht, während Hitze in meinen Nacken und meine Wangen stieg. Ich hatte mich ihm fast aufgedrängt, war das peinlich. Mit großen Augen sah ich nun zu Ben, der sich mit einer Hand durchs gebräunte Gesicht fuhr und sich dann einfach aufsetzte. Nur in einer Boxersports bekleidet, sodass ich einen guten Blick auf all die Muskeln bekam, die ich unter seine Kleidung bereits erahnt hatte, lief er zu dem Sideboard und sobald ich mich von seinem Anblick lösen konnte, erkannte ich auch den Störenfried. Müde ließ ich mich wieder zurück ins Bett fallen. Schlimm genug, dass ich schon schamlos seine Rückansicht anschmachtete, er musste es bei seiner Vorderansicht nicht auch noch mitbekommen. Ben hatte einen Wecker gestellt. Logisch. Ein Blick in Richtung Fenster verriet mir auch, dass es vermutlich nicht mehr lang dauern würde, bis auch mein eigener Wecker klingeln würde.

„Wie spät ist es?"

Das Bett neben mir gab nach und ich drehte mich ihm zu. Er wirkte viel zu wach dafür, dass der Wecker uns aus dem Schlaf gerissen hatte.

„Guten Morgen, Kätzchen." Er strich mir eine Strähne vorsichtig zurück und fuhr mir sanft durchs Haar, bevor er seine Hand wieder zurücknahm. „Halb sieben. Bist du kein Morgenmensch?" Er runzelte die Stirn.

„Guten Morgen", meine Stimme klang selbst in meinen Ohren verschlafen und etwas leidend. „Nur solange ich vor dem Wecker wach werde, sonst brauche ich ein paar Minuten..."

Er nickte. „Ich habe in fünfundvierzig Minuten einen Termin auf der Baustelle."

Ich nickte auf seine Worte hin, nicht bereit mehr zu sagen als erforderlich. Er lachte leise. „Komm her." Sein Arm schob sich unter meine Schultern und dieses Mal zögerte ich nicht. Ich wusste, was er beabsichtigte, und schmiegte mich trotz der Decke, die noch um mich gewickelt war an ihn, hörte seinen Herzschlag unter meinem Ohr, spürte wie sein Brustkorb sich hob und senkte und roch seinen fantastischen Geruch, während seine Arme sich sanft um mich schlossen. In manchen Momenten wie diesen, war ich mir unsicher, was das zwischen Ben und mir war. Solange wir diese unsichtbare Grenze der Freundschaft nicht überschritten, war alles okay, versuchte ich auch die letzten Zweifel in meinem Hinterkopf zu ersticken. Ich genoss jede einzelne Sekunde mit Ben viel zu sehr, sodass ich mich weigerte es weiter zu hinterfragen.

„Hast du gut geschlafen?" Ich lächelte, seine Stimme war noch immer etwas rauer als gewöhnlich und wollte mich noch näher an ihn heranschmiegen, doch diese kleine, aber entschiedene Stimme in meinem Hinterkopf ermahnte mich. Ich bewegte mich bereits auf gefährliches Terrain und sollte nichts implizieren, dass ich nicht wirklich wollte. Schließlich nickte ich. „Und du?"

„So gut, wieselten", murmelte er als Antwort. Zufrieden schwieg ich, genoss jeden einzelnen Moment, während ich langsam wacher wurde.

„Willst du noch einen Kaffee trinken?", fragte ich irgendwann.

„Ja, Kaffee wäre gut."

„Dann sollten wir aufstehen." Ich löste mich von ihm und stand dann auf. So gemeinsam mit ihm aufzustehen, wirkte unglaublich intim und ich war unsicher, wie ich damit umgehen sollte. Ich wusste nicht, ob es Ben genauso ging, aber er ließ mir wortlos meinen Freiraum. Ich schnappte mir frische Sachen und verschwand ins Bad. Als ich wiederkam, hatte er bereits eine Hose an, war jedoch noch immer Oberkörperfrei unterwegs. Der Mann wollte mich doch umbringen! Wie sollte ich ihn nicht die gesamte Zeit anstarren, wenn er so durch meine Wohnung lief? Ich war auch nur eine Frau. Als ich barfuß in die Küche tapste, wandte er sich vom Fenster ab und mir zu. Das Lächeln, dass er mir schenkte, ging mir durch und durch. Es war sanft, fast zärtlich und erschien von ganz allein, sobald er mich sah. Es war kein Wunder, dass die Wärme aus meinem Bauch durch meinen ganzen Körper dabei zog. Dieser Mann war gefährlich und wenn ich nicht aufpasste, würde ich mir mehr als nur die Finger an ihm verbrennen. Darauf konnte ich getrost verzichten, ermahnte ich mich selbst und Lukas Gesicht blitzte von ganz allein in meinem Gedanken auf.

„Du willst ihn schwarz, oder?", versuchte ich mich auf seinen Kaffee zu konzentrieren. An meinem Ex wollte ich keinen einzigen Gedanken mehr verschwenden. Es würde die Situation nicht ändern. Ben nickte, ähnlich wie ich, schien auch er zu früh am Morgen nicht der große Redner zu sein. Das war äußerst angenehm.

„Ja." Dann verschwand er Richtung Bad.

„Hast du heute Zeit zum Laufen?" Die Haare ordentlicher und vor allem mit dem Shirt von gestern Abend bekleidet, lehnte er wenig später im Durchgang und sah mich erwartungsvoll an.

Ich zögerte, da ich Zeit mit ihm ungern ausschlug, doch dann schüttelte ich trotzdem den Kopf. „Nicht wirklich, Montag und Mittwoch mache ich meine Workouts und lass dafür das Laufen weg. Ich fang erst um zehn mit dem Arbeiten an und nutz die Zeit meistens für all die Dinge, die sonst liegen bleiben. Papierkram, Haushalt, Einkaufen... Meistens ist die Zeit so schnell rum, dass es dann gar nicht für einen Spaziergang reicht. Was hast du heute vor?"

Er zuckte mit den Schultern. „Mein erster Termin ist eine Baustellenrunde und danach füllt sich gerade montags der Tag oft ganz von allein. Irgendetwas geht immer schief, passt nicht oder hakt und dann muss ich eine Lösung finden." Entspannt nippte er an seinem Kaffee, während er erzählte. Die noch unbekannten Probleme, die ihn erwarteten, schienen ihn nicht weiter zu bekümmern. „Ich will noch ein paar Termine abchecken, wegen der Elektrik muss ich noch was abklären. Am Nachmittag werde ich mit den Hunden laufen gehen und dann mal schauen." Er trank seinen Kaffee aus und trat dann auf mich zu.

„Ich muss los." Wie immer schloss er mich in eine feste Umarmung. Selbst mit dem Shirt vom Vortag roch er noch immer viel zu gut.

„Kuschel die beiden Fellnasen einmal für mich mit durch", bat ich ihn, seine Umarmung erwidernd.

„Mache ich. Einen schönen Tag dir."

„Danke, dir auch." Mein Lächeln wurde ungewollt noch breiter, als er einen Kuss auf meinen Kopf drückte. Gefährlich.

„Danke." Im Flur schlüpfte er in seine Schuhe, dann war er verschwunden. Die Hitze, die seine Nähe in mir hervorgerufen hatte, der Wunsch ihm nah sein zu wollen, blieb. Und das, obwohl ich erst eine Bruchlandung hingelegt und mir deswegen fest vorgenommen hatte, keinen Mann ähnliche Rechte einzuräumen, wie Lukas sie die letzten Jahre hatte. Innerlich schalte ich mich einen Narren und verfluchte meinen Körper, der mich nach so kurzer Zeit schon so schmählich verriet. Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht auch noch in diesen aufmerksamen, viel zu gutaussehenden Mann verliebte. Das würde mein Herz nicht überstehen. 

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