Kapitel 16.4 - Benjamin
Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag ich allein im Bett und es war hell, die Sonne schien bereits durch die Fenster. Überrascht blinzelte ich und warf dann einen Blick auf die Uhr, es war bereits nach neun. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so lang geschlafen hatte. Die letzten zehn Jahre mit Sicherheit nicht. Ich setzte mich auf und sah mich suchend nach Annika um. Das sie da war, spürte und roch ich. Ein Blick hinter das Regal und ich entdeckte sie auf einer Matte auf den Boden, neben ihr ein Tablet und Kopfhörer in den Ohren. Lächelnd sah ich ihr dabei zu, wie sie konzentriert die Übungen nachmachte und konnte sie dabei ganz ungeniert beobachten. Ihre Haare hatte sie zu einem Knoten auf dem Kopf geschlungen, sie trug ein enganliegendes Top und eine Leggings, die ihren Po äußerst gut zur Geltung brachte, von den Übungen ganz zu schweigen. Was für ein faszinierender Start in den Tag und gestern war ich noch wie ein Irrer durch den Wald gewütet. Entspannt wie schon lang nicht mehr, fuhr ich mir durch einmal durch die Haare und streckte mich.
Als Annika sich für eine der Übungen umdrehte, entdeckte sie mich und erschrak. Sie stoppte ihr Video und nahm die Kopfhörer aus den Ohren.
„Hab ich dich geweckt?", fragte sie mich besorgt und setzte sich auf. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Sie war ungeschminkt und wunderschön. Ich wollte sie so sehr, dass es fast schon weh tat. Zum Glück, lag noch immer die Decke über meinem Schoß.
„Nein, ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so lang und so gut geschlafen habe", verriet ich ihr ehrlich. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen und hätte meine Lippen auf ihre gedrückt. Das wäre ein noch perfekterer Start in den Tag, als es ohnehin schon war. „Guten Morgen."
Verlegen grinste sie. „Guten Morgen."
„Mach ruhig weiter."
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist nicht schlimm. Ich mach nur immer montags und mittwochs ein Workout als Start in den Tag."
„Dann lass dich von mir nicht abhalten. Ich brauch eh noch ein paar Minuten, bis ich fit bin." Das war eine faustdicke Lüge. Ich stand normalerweise immer direkt auf und zudem fühlte ich mich so ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr.
„Wenn es wirklich kein Problem ist, ..."
„Ist es nicht", versicherte ich ihr. Zufrieden sah ich dabei zu, wie sie ihr Workout fortsetzte und genoss den entspannten Start mit ihr in den Tag.
Als sie ihr Workout beendete, war ich angezogen und gemeinsam frühstückten wir.
„Musst du heute eigentlich arbeiten?" Es war mittlerweile fast zehn. Wie jeden Tag hatte ich eigentlich genügend zu tun, aber heute war einer der wenigen Tage, an dem ich keinen einzigen festen Termin hatte.
„Ich habe keinen Termin, einen freien Tag kann ich mir durchaus gönnen. Falls etwas ist, wissen sie, wie sie mich erreichen können." Irgendwer würde mit Sicherheit anrufen, jedoch erwartete ich nichts, was ich nicht auf Morgen verschieben könnte. Diesen Tag würde ich mir für Annika nehmen. Sie brauchte mich und ich wollte nur zu gern für sie da sein.
„Hast du dann Lust nachher mit den Hunden joggen zu gehen?"
Nachdenklich musterte ich sie. Sie hatte bereits mindestes eine halbe Stunde Yoga gemacht und so wie sie gestern angekommen war, war ich mich fast sicher, dass sie zuvor gerannt war. Hatte Sport eine ähnliche Bedeutung für sie wie für mich? War es auch das Ventil und die Ablenkung für alle Probleme? Ich vermutete es fast.
„Was ist gestern Abend danach passiert?", ungern erinnerte ich sie daran, da ich nicht noch mehr Schmerz verursachen wollte, aber ich musste es wissen. Um sie besser zu verstehen und ihr helfen zu können.
Überrascht über den Themenwechsel sah sie mich an. „Nach dem ich ihn in flagranti erwischt habe?", hakte sie nach und kaum merkbar zuckte ich zusammen. Zwar hatte sie mir verraten, dass er sie betrog, allerdings nicht, dass sie ihn gestern auf frischer Tat ertappt hatte. Meine Zähne mahlten aufeinander und ich ärgerte mich erneut, dass ich ihr versprochen hatte, mich nicht an dem Mistkerl zu vergreifen. Was mochte noch alles gestern Abend vorgefallen sein?
Sie zuckte mit den Schultern und schob den Rest ihres Müslis zur Seite. „Wir haben uns gestritten. Er hat... er hat einige hässliche Dinge gesagt und als ich mir das nicht mehr anhören konnte, bin ich gegangen." Sie stellte ein Fuß auf den Stuhl, auf dem wie saß und zog das Bein an ihre Brust, sodass sie ihr Kinn auf das Knie legen konnte.
„Wohin?" Ich konzentrierte mich auf das Wesentliche. Ich konnte nicht ungeschehen machen, was er zu ihr gesagt hatte, und würde mich nur mehr darüber aufregen, wenn ich davon erfuhr. Viel wichtiger als mein Ärger, war wie es Annika ging, und ich hörte, dass da noch mehr war.
Annika sah mich einfach nur mit ihren großen blaugrauen Augen an und ich wusste, ich hatte ins Schwarze getroffen. Schlussendlich zuckte sie mit den Schultern und wich meinem Blick aus in dem sie aus dem Fenster sah. „Ich weiß es nicht, ich bin einfach losgelaufen", zerknirscht sah sie wieder zu mir. „Ich habe Glück gehabt, dass ich noch die letzte Bahn erwischt habe. Die hält nur leider nicht, bei unserem kleinen Bahnhof, da es ein Express-Zug war."
„Ich habe kein Problem damit dich abzuholen, du kannst mich immer zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, wenn du mich brauchst. Ich bitte dich sogar darum, dass zu tun." Ich wollte für sie da sein und es würde mich enorm entspannen, wenn ich wüsste, dass sie nicht zögern, würde mich anzurufen, egal wann.
Sie lächelte mich dankbar an. „Danke dir."
„Nicht dafür."
„Gehst du nun mit mir Laufen?" Mit hochgezogenen Brauen sah sie mich an. Sie wollte nicht weiter über den gestrigen Abend reden und ich konnte nur zu gut damit leben.
„Was hältst du von einem Spaziergang?" Auch wenn sie sich in den Sport stürzen wollte, glaubte ich nicht, dass sie das jetzt wirklich brauchte. Ihr Körper benötigte eine Pause und ihr Kopf Abstand, auch wenn sie zumindest ersteres sich nicht eingestehen wollte.
Annika sah sie mich grübelnd an, schließlich nickte sie.
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