Kapitel 14 - Annika
Als wir nach Hause fuhren, war die Stimmung entspannt. Wir waren alle kaputt, doch die Party war schön gewesen. Auch für mich. Ich hatte mich an meinen eigenen Vorsatz gehalten.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das mit dem Shoppen so eine gute Idee war", meinte Taliah neben mir. Verdutzt sah ich kurz zu ihr rüber, bevor ich mich wieder auf den Weg vor mir konzentrierte. Da wir einen Waldweg entlangfuhren, der genügend Schlaglöcher hatte und ich zwar nicht vollkommen betrunken, aber doch recht angetrunken war, forderte das Fahrradfahren mehr Konzentration als gewöhnlich.
„Warum?", fragte ich unverständlich.
„Hast du mal einen Blick auf die Uhr geworfen und wir haben uns morgen für um elf verabredet." Taliah stöhnte allein schon bei den Gedanken daran gequält und ich lachte. Meine beste Freundin war vieles, aber mit Sicherheit kein Morgenmensch. Lieber machte sie die Nacht durch als sich früh einen Wecker zu stellen.
„Das sind doch fast noch sieben Stunden Schlaf", hielt ich gutgelaunt dagegen. Nun schnaubte auch Lizzy, während Chris unserer Konversation nur grinsend folgte. Vielleicht war meine Aussage ein wenig schön gerechnet, immerhin war es fast drei gewesen, als wir uns von Mimmi verabschiedet hatten.
„Du gehst bestimmt wieder joggen!", meinte Lizzy und klang fast vorwurfsvoll dabei.
Ich zuckte mit den Schultern, auch wenn die anderen es vermutlich der Dunkelheit wegen nicht sahen. „Wenn ich nicht mehr schlafen kann", stimmte ich zu und hoffte fast schon, dass ich wie meistens früh wach werden würde. Vielleicht hatte Ben spontan Zeit.
„Ich weiß echt nicht, woher du die Energie dafür nimmst." Lizzy schüttelte den Kopf.
„Das ist der Trick. Es gibt mir so viel Energie, dass ich mich dafür gern aufraffe." Das war die Wirklichkeit.
„Also Mädels bis morgen. Chris, wir sehen uns Sonntag, oder?", verabschiedete sich Lizzy, als wir uns ihrem Haus näherten. Sie wohnte im ausgebauten Dachboden eines Einfamilienhauses zur Miete.
Nur noch zu dritt fuhren wir weiter. Wir waren eine eingeschworene Gruppe. Es hatte sich im Laufe der Zeit einfach so ergeben. Taliah und ich waren beste Freundinnen und durch Lukas war der Kontakt zu Chris enger geworden und auch geblieben als Lukas zum Studieren umzog. Er wohnte in der gleichen Straße wie ich, sodass wir oft gemeinsam nach Hause fuhren. Und seit ich Lizzy in unsere Gruppe geschleppt hatte, gab es diese Verbindung zwischen den beiden, die jeder sah und die beiden so hartnäckig ignorierten.
Nachdem Taliah und ich uns von Chris verabschiedet hatten, sicherten wir die Räder im Keller und liefen dann gemeinsam die Stufen zu meiner Wohnung nach oben.
„Hat sich Luckyboy eigentlich mal gemeldet?", erkundigte sich Tally und ich schüttelte mit aufeinander gepressten Lippen den Kopf. Taliah wusste von meiner Nachricht.
„Als ob. Ganz ehrlich, Tally, ich glaub, ich bin ihm scheißegal." Aufgewühlt fuhr ich mir durch meine Haare und sah zu meiner Freundin, die mich mit ihren dunklen Augen fast schon reuevoll ansah. „Ich habe keine Lust mehr, dass ich auf ihn warte. Egal, ob es darauf ist, dass er kommt, dass er mal anruft oder mir einfach schreibt. Selbst wenn ich ihm schreibe, reagiert er nicht, wenn ich ihn anrufe, geht er nicht ran und ruft die Hälfte der Zeit nicht zurück und wenn ich ihn besuchen will, hat er keine Zeit. Ich weiß nicht, was bei ihm los ist, aber er lässt mich auch nicht an sich ran, egal was ich versuche und diese ständigen Rückweisungen tun einfach nur weh." Bei den letzten Worten kamen mir die Tränen und meine Stimme stockte. Geduldig wartete Taliah ab und ließ mich reden. „Ich werde das beenden. So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen und es wird nicht besser werden, wenn ich nichts unternehme. Vielleicht bekomme ich so einen Freund wieder. Falls nicht..." Ich zuckte mit den Schultern, auch wenn es mir unglaublich schwerfiel, „habe ich ihn ja jetzt auch nicht."
„Du hast so recht, Nika", stimmte sie mir zu und zog mich in eine feste Umarmung, die ich dringend benötigte.
* * *
Es war kurz nach acht, als ich die Augen aufschlug und mich dazu entschloss, dass ich mich fit genug fühlte, um eine Runde Laufen zu gehen. Leise schnappte ich mir meine Sachen und zog mich an. Taliah murrte und zog sich die Bettdecke höher über den Kopf. Ich lachte leise. „Guten Morgen, Schlafmütze."
Ihre Antwort bestand aus einem Brummen. „Ich bring uns was vom Bäcker mit", ich erwartete keine Antwort und musste breitgrinsen, als sie wieder brummte. Taliahs Morgenmuffeligkeit war niedlich und ich ärgerte sie nur zu gern ein bisschen, wann immer sich mir die Gelegenheit bot.
Als ich die Treppen nach unten lief, warf ich einen Blick auf mein Handy und musste enttäuscht feststellen, dass Ben noch nicht auf meine Nachricht reagiert hatte. Falls es bei ihm nicht passte, würde ich allein mit den Hunden laufen gehen. Die beiden hatten sich mittlerweile so gut aneinander gewöhnt, dass das kein Problem sein sollte. Jedes Mal, wenn Ben allein ging, nahm er schließlich immer beide mit.
Als ich fast bei dem Tierheim ankam, sah ich seine große, trainierte Gestalt schon an der Tür seines Wagens lehnen. Meine Schritte beschleunigten sich aufgeregt und ich freute mich riesig, dass er wieder meinen Erwartungen mitkommen würde. Er hatte die Augen geschlossen und hielt sein Gesicht den morgendlichen Sonnenstrahlen entgegen. Unweigerlich fiel mir erneut auf wie attraktiv er war. Als hätte er mich bemerkt, wandte er sich mir zu und stieß sich von der Tür ab. Sobald ich in seiner Reichweite war, legte er wie jedes Mal seine Arme um mich und ich erwiderte nur zu gern die warme Begrüßung.
„Guten Morgen, bist du auch ein Sonnenkind?", fragte ich ihn ausgelassen.
„Guten Morgen", brummte er mit verführerisch rauer Stimme. Am Morgen schien ich besonders schwach gegenüber seiner attraktiven Ausstrahlung zu sein. Hitze stieg in mir auf und es kribbelte und zog an Stellen, an denen es nicht ziehen sollte. Ich zwang mich dazu diese irritierende Reaktion meines Körpers auf ihn zu ignorieren und nicht weiter darauf einzugehen. „Was meinst du mit Sonnenkind?" Neugierig sah er mich an und legte den Arm um meine Schultern, als wir nach kurzem Klingeln in den Innenhof des Tierheims schritten. Das tat er in letzter Zeit öfter und brachte mich damit immer wieder vollkommen durcheinander. Trotzdem konnte und wollte ich seinen Arm nicht abschütteln, zu gut fühlte es sich an, zu sehr genoss ich die Wärme und das Gefühl der Geborgenheit, dass diese Geste in mir auslöste. Zudem kannte er meinen Beziehungsstatus, sodass ich nicht mehr in diese freundschaftliche Geste hineininterpretieren wollte, als es tatsächlich war.
„Es sah so aus, als würdest du die Sonnenstrahlen in dir aufsaugen wollen."
„Oh, das tue ich. Es fühlt sich herrlich an, die kalte Luft und die warmen Sonnenstrahlen." Ich wusste genau, was er beschrieb, denn mir ging es genauso.
„Habe ich dich eigentlich geweckt, du wirkst noch nicht so richtig fit", neckte ich ihn neugierig.
Er zog mich näher an sich ran und ich spürte, wie sein Kinn für einen Moment über meinen Scheitel rieb, woraufhin sich dieses warme kribbelige Gefühl wieder verstärkte, dann antwortete er: „Nein, ich habe nur nicht lang geschlafen. Mach dir keinen Kopf, für unsere Runde bin ich immer fit genug."
Die Hunde freuten sich wie immer uns zu sehen und auch Cecilia plauderte kurz mit uns, bevor wir uns auf den Weg machten. Meine Zeit mit Benjamin zu verbringen war leicht, wunderschön und fühlte sich bereits nachkurzer Zeit vertraut und selbstverständlich an. Unser Gespräch floss wie immer, dahin und auch wenn wir einmal schwiegen, dann war es nicht seltsam oder unangenehm, sondern natürlich. Ich mochte es.
* * *
Als ich knapp zwei Stunden später mit zwei Croissants meine Wohnung betrat, blinzelte Taliah mir verschlafen entgegen und ich grinste breit.
„Gott, es ist grässlich, wie fit du morgens bist!", grummelte sie und vergrub ihr Gesicht wieder in den Kissen. Ich lachte. Taliah war so ein Morgenmuffel, dass es fast wieder süß war.
„Dir auch einen wunderschönen, guten Morgen, Goldstück!" Ihre Antwort war ein Murren. „Vielleicht unterstützt dich das beim Wachwerden." Ich wedelte mit der Tüte in meiner Hand herum und öffnete sie dann, um sie ihr unter die Nase zu halten. Tief sog sie den Geruch ein und richtete sich auf.
„Oh, ist das ein Schokocroissant?" Damit hatte ich eindeutig ihr Interesse geweckt und grinste siegesgewiss. Taliah liebte Schokolade, so sehr, dass sie darüber sogar vergaß, dass sie eigentlich noch müde war. Nur in ihrem Pyjama bekleidet wechselte sie vom Bett direkt zum Tisch und ließ sich da auf einen Stuhl fallen. Die Rollen waren bei uns morgens klar aufgeteilt.
„Kaffee?", fragte ich sie und ließ die Tüte vor ihr auf den Tisch fallen. Eine gewagte Tat, aber ich hoffte, dass sie sich noch ein paar Minuten gedulden würde. Sie nickte und ich machte mich ans Werk. Während der Kaffee durchlief, stellte ich ihr und mir einen Teller hin und die Untersetzer für die Tassen.
Immer noch in meiner verschwitzten Kleidung ließ ich mich schließlich ihr gegenüber fallen.
Als wir reinbissen, stöhnten wir beide glücklich auf. Für mich selbst gab es ein Nusscroissant. Mmh.
„Warst du echt schon joggen?", fragte sie mich, schon deutlich wacher, auch wenn ihre krausen Locken wüst in alle Richtungen abstanden. Essen half immer.
Ich nickte, auch wenn ich der Meinung war, dass es nicht zu übersehen war.
„Mit dem heißen Bauleiter?"
„Taliah!" Ihr Name war pure Empörung aus meinem Mund.
Unschuldig zuckte sie mit den Schultern, dabei rutschte ihr eine Seite des T-Shirts über die Schulter und offenbarte mehr ihrer Haut, die im Frühjahr an die Farbe eines dunklen Milchkaffees erinnerte. „Was denn? Willst du mir etwa sagen, dass du ihn nicht gutaussehend findest?"
Natürlich überspielte sie, was zwischen ihren Zeilen mitschwang. Ich verdrehte die Augen und widmete mich, ihr eine Antwort schuldig bleibend, wieder meinem Croissant. Natürlich fiel mir auf wie attraktiv Ben war, gefühlt wurde es jeden Tag schlimmer. Das musste Taliah allerdings nicht wissen, sie hatte auch so schon genügend Unsinn im Kopf.
„Hast du irgendetwas,nach dem du gezielt Gucken willst?", lenkte ich sie von ihrem vorherigen Themaab. Das war das Stichwort, woraufhin sie mit einer endloslangen Aufzählungbegann. Ich grinste. Taliah liebte shoppen.
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