TWENTYTWO
„Das bringt doch nichts!" meinte Maximilian neben mir.
„Noch nicht!" erklärte ich ihm. Wir waren gerade auf dem Weg zu einem angrenzenden Wald, jedoch mussten wir erst einmal in einem menschlichen Tempo durch die Stadt joggen, da alles andere eine Menge Aufmerksamkeit erregt hätte.
„Ich könnte eine halbe Ewigkeit ohne Probleme durchrennen." Protestierte er immer noch und ich lachte.
„Dann hast du deinen Körper noch nie alles abverlangt." Zarek wurde für einen Moment langsamer, da der Gehweg nun breiter wurde und er so neben uns laufen konnte.
„Ihr meint das wirklich ernst!" stellte der Vampir fest. „Habt ihr schon mal überlegt, dass nur Lykae ihre Ausdauer trainieren müssen?" Schlug er vor, der festen Überzeugung, dass wir ihn nicht außer Atem bringen würden. Er würde sich noch umschauen.
„Willst du mich also mit Zarek alleine trainieren lassen?" zog ich ihn auf. Als ob Zarek ihm eine Wahl lassen würde. Zarek hatte klargestellt, dass Maxim nur bleiben dürfe, wenn er sich seinem Training unterzog.
„Nein, zum Teufel." Wehrte mein Gefährte sofort ab, was uns wieder zum Lachen brachte und mich verdammt glücklich machte. Der Vampir runzelte die Stirn über uns und verdrehte dann die Augen.
„Keine Sorge, ich werde dir nachher schon zeigen, dass auch deine Lungen noch wie Feuer brennen können." Versprach ihm Zarek und ich grinste. Wenn Zarek ein was konnte, dann das. In dieser Hinsicht war er gnadenlos, ein wahrer Zuchtmeister. Es gab genügend Momente, in denen ich ihn schon dafür gehasst hatte.
„Wollten die Vampire nicht eigentlich längst wieder da sein?" Wechselte Maxim dann das Thema und auch ich erinnerte mich an Tamaras Worte.
"Tamara meinte nur, dass sie wiederkommt, aber nicht wie lange das dauert!" Meinte ich dann. "Aber um ehrlich zu sein, klang es nicht so als wollte sie sonderlich viel Zeit dazwischen vergehen lassen!" fügte ich nachdenklich hinzu.
"Wer weiß, wie angespannt die Situation bei den Vampiren wirklich ist." Gab Zarek zu bedenken. Ich nickte. Vampire ließen sich nie gern in die Karten schauen, aber war es bei uns nicht genau so? Auch wenn wir in Frieden miteinander lebten, war das Misstrauen auf beiden Seiten dennoch groß.
"Wenn sie bis morgen Abend nicht wieder da sind, haben Lya und ich ein ernstes Problem." Maxim blickte grimmig und auch meine Mine wurde finsterer. Daran hatte ich bis jetzt nicht gedacht, aber die beiden waren abhängig von Blut und gestern hatte jeder nur eine Portion bekommen. Jedoch wussten Tamara und die anderen nichts von Lya, wodurch sie mit großer Wahrscheinlichkeit dachten, dass sie mehr Zeit hätten. Verdammter Mist.
Das Blut eines Menschen zu trinken kam nicht infrage. Es wäre sein Todesurteil. Aber... "Denk nicht einmal daran." Unterbrach Zareks knurrende Stimme meine Gedanken, da er mich einfach zu gut kannte. "Dein Bruder zerreißt mich in der Luft, wenn er davon erfährt."
"Sagt ja niemand, dass er es erfahren muss." Erwiderte ich gespielt locker, dabei war ich es nicht. Ich war mir nicht sicher, ob meine Idee so gut war wie sie sich anhörte. Aber ich wusste, dass ich nicht zögern würde, wenn ich damit Maxims Leben retten oder ihm Quallen ersparen konnte.
"Wenn du den Vampirbiss nicht verträgst und fast daran stirbst, wie gedenkst du, soll ich das vor deinen Bruder geheim halten?" Fuhr Zarek mich gereizt an.
"Das ist in der Geschichte bisher vielleicht vier oder fünf Mal passiert." Hielt ich dagegen. "Genau." Stimmte Zarek mir zu. "Und wie viele Fälle wo ein Lykae einen Vampir gebissen hat sind bekannt? Von wie vielen Infektionen wissen wir vielleicht gar nichts?"
"Was?" Durchbrach Maxim unsere Diskussion. "Ich könnte dich umbringen, mit einem Biss?" Maßloses Entsetzen spiegelte sich in seinem Gesicht und er ging urplötzlich auf Abstand zu mir.
"Das ist ziemlich unwahrscheinlich." Versuchte ich ihn zu beruhigen. Als hätte er meine Worte nicht gehört, wandte er sich an Zarek.
"Zarek, wie gefährlich bin ich wirklich für sie?" Fragte er nach. "Zarek!" Knurrte ich warnend.
Zarek überlegte genau was er sagen sollte bevor er antwortete. "Nicht weniger gefährlich als sie es für dich sein könnte." Gab er schließlich nach einer Weile zu. Nicht unbedingt die beste Antwort, meiner Meinung nach, aber zumindest ehrlich und ohne dramatische Einlagen. "Der Biss eines Lykaes hat auch schon den ein oder anderen Vampir umgebracht. Um genau zu sein, haben die Lykae von denen wir es wissen, dass sie gebissen wurden, überlebt. Bei den Vampiren haben zwei überlebt und der Rest ist gestorben."
"Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass die Vampire sich nicht umeinander kümmern." Mischte ich mich wieder ein. "Aber und das ist ein ganz großes aber, die Wahrscheinlichkeit, das wir aufeinander allergisch" ich malte Anführungszeichen in die Luft "reagieren ist minimalistisch."
"Und trotzdem ist es möglich!" Murmelte Maxim sichtlich entsetzt. Das konnte ich leider nicht beschreiten. Aus genau diesen Grund hatte ich auch noch keinen weiteren Gedanken daran verschwendet ihn zu markieren und falls er doch auftrat hatte ich ihn immer wieder zurückgedrängt. Die Angst ihm damit zu Schaden war größer als das Bedürfnis meinen Anspruch für alle sichtbar zu machen.
"Du gehst deswegen jetzt aber nicht auf Abstand!" Durchbrach ich die Stille, die sich zwischen uns gelegt hatte, als wir den Wald erreichten. Maxim warf mir einen Blick zu, der den Zwiespalt in seinem Inneren verriet. Entschlossen ging ich auf ihn zu, einen Moment sah es so aus als wollte er zurück weichen, doch er blieb stehen. "Das ändert rein gar nichts!" Erklärte ich ihm, eine Hand an seine Wange legend, da ich seine Nähe brauchte. "Ich wusste es von Anfang an." Gab ich zu. Vielleicht war es Wahnsinn so etwas zu riskieren nur um in seiner Nähe zu sein, aber lieber eine Sekunde richtig leben, als ewig zu überleben ohne je gelebt zu haben. Seine Hände legten sich an meine Hüften, zogen mich ein Stück näher, während ich mich in seinen wundervollen dunklen blauen Augen verlor. "Du bist verrückt, wir beide!" Fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, sein einer Mundwinkel bog sich nach oben. "Wir müssen verdammt vorsichtig sein!" Stimmte er mir schließlich zu, Erleichterung durchflutete meinen Körper, ehe er mich für einen leidenschaftlichen Kuss näher zog.
Ein lautes Räuspern unterbrach uns, sodass wir uns langsam voneinander lösten. "Da wir das nun geklärt haben..." meinte Zarek und zog sich dabei seine Sachen aus, "können wir ja jetzt endlich mit dem richtigen Training beginnen." Ohne große Scheu trat auch ich zurück, und zog mir mein Shirt über den Kopf. umso früher wie anfingen, desto ehr hatten wir es hinter uns. "Was soll das werden?" Fragte Maxim entsetzt schnappte sich mein Shirt und zog es mir kurzer Hand wieder über den Kopf. Sein Blick schweifte mich dabei nur kurz, weil er Zähne zeigend zu dem nackten Zarek sah. "Wir werden uns verwandeln und wenn du nicht willst, dass ich nachher nackt durch Washington laufe, solltest du mich jetzt lieber die Sachen ausziehen lassen!" erklärte ich ihm, wissend das besonders meine letzten Worte Wirkung haben würden.
Zögernd trat Maxim zurück, stellte sich dann zwischen Zarek und mich. Innerlich verdrehte ich zwar die Augen, schließlich hatte der Lykae mich schon öfter als ich zählen könnte unbekleidet gesehen, aber die Geste war trotzdem süß. "Mal sehen, ob du jetzt noch mit uns mithalten kannst, Vamp..."
"Zarek!" Mahnte ich, nur noch mit einem Slip bekleidet. Kurz drehte sich Maxim zu mir um, ein dankbares Lächeln auf den Lippen und stockte als er mich so sah. Ich lächelte jetzt doch ein wenig schüchtern geworden, denn ich wollte ihm gefallen. Aber sowie er reagierte, schien ich mir umsonst Sorgen gemacht zu haben, sein Blick glitt gierig über mich, brannte sich förmlich in meine Haut und unbewusst kam er näher. "Leute, denkt dran, ich bin auch noch da!" Schnell drehte Maxim sich wieder um und knurrte Zarek an. "Beruhig dich, für uns Lykae ist das nun wirklich nichts besonderes." versuchte Zarek meinen Vampir zu beruhigen, jedoch ziemlich erfolglos. "Dreh dich um!" zischte Maxim. "Ich hab sie schon tausendmal so gesehen..." Setzte Zarek an und erkannt, dass das vielleicht nicht unbedingt die schlausten Worte waren, als Maxims Knurren lauter wurde und sein ganzer Körper sich anspannte. Es sah aus als würde er gleich erneut explodieren.
Bevor hier erneut eine Prügelei losbrechen würde, gab ich mich ganz meinem animalischen Wesen hin und ließ zu, dass mich dieses vertraute Feuer von Innen heraus verbrannt. Meine Knochen brachen und verformten sich, meine Haut dehnte und verschob sich. Keine Sekunde später stand ich auf vier Beinen und nahm die Welt aus ganz anderen Augen wahr. Als Wolf ging ich Maxim nur noch bis etwa zum Bauchnabel. Tief zog ich seinen Duft ein, verinnerlichte ihn und genoss meine viel stärkeren Sinne. Ich stieß ein leichtes Knurren aus, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich wollte wissen wie er auf meine andere Hälfte reagierte. Erst suchte er mich auf Augenhöhe, doch als sein Blick auf meine rotbraune Gestalt fiel, riss er die Augen auf und stolperte einen halben Schritt zurück. Unweigerlich ließ ich den Kopf hängen und ein Winseln entkam mir. Ich war noch immer ich. "Das ist einfach unglaublich!" murmelte er mit unerwarteter Ehrfurcht in der Stimme und hoffnungsvoll blickte ich auf. Vor Staunen stand ihm tatsächlich leicht der Mund offen, als er mich mit weit aufgerissenen Augen ganz genau musterte. "Vollkommen verrückt und unglaublich." wiederholte er und trat langsam auf mich zu. Vorsichtig hob er die Hand wie um mich zu streicheln. Weil er mir zu lange brauchte, stürzte ich einfach vor und drückte meinen Schädel gegen seine Hand. Er verstand die Aufforderung und streichelte über mein Feld, kraulte kurz meine Ohren, ehe er über die gesamte Länge strich. "Du bist wunderschön." erklärte er dann, ein glückseliges Lächeln auf den Lippen. Als Mensch hätte ich jetzt dümmlich vor mich dahin gegrinst, glücklich darüber, dass er so dachte, als Wolf jedoch konnte ich nur mit den Schwanzwedeln und die Zähne zeigen, weil ich wie ein Menschen das Bedürfnis hatte zu grinsen.
Zarek trat nun auch in seiner Wolfsgestalt zu uns und knurrte kurz auffordernd. Im Gegensatz zu mir war er ein grauer Wolf mit einigen schwarzen Flecken. Er überragte mich um wenige Zentimeter, war jedoch wesentlich kräftiger gebaut. Genervt von ihm, erwiderte ich die Geste. Ich hatte nie mitbekommen wie anstrengend der Kerl eigentlich sein konnte. Lauf los, Corinne. forderte er mich auf. Mit seinen Worten schnappte ich auch seine Gefühle auf. Er war genauso genervt von uns, fühlte sich wie ein Eindringling und zudem war er auch noch beunruhigt, weil wir uns seiner Meinung nach noch zu nah am Rande des Waldes befanden. Mit letzterem hatte er Recht, weswegen ich auch ohne großes Tamtam los trappte, nach dem ich mich ein letztes Mal an Maxim rieb. "Hey!" rief er, als ich davon lief. Ich warf ihm einen auffordernden Blick zu. Er war kein Wolf, dem ich meine Gedanken senden konnte und bis jetzt schien er auch keine Gaben zu haben, mit denen er sie lesen konnte. Also musste er wohl oder übel mit unseren Gesten zu recht kommen.
Als Maxim aufgeholt hatte, beschleunigte Zarek das Tempo und ich folgte ihm mein Gefährte direkt an meiner Seite, was dem ganzen noch einmal eine ganz andere Note gab, was es noch besser machte. An sich liebte ich das Rennen und es gab Zeiten, da hatte ich behauptet, ich könnte einfach ewig rennen. Jedoch war ich mit solchen Aussagen vorsichtiger geworden, Zarek kannte kein Erbarmen und solche Aussagen nutzte er als Steilvorlagen für seine Zwecke. Noch fühlte es sich gut an, durch den Wald zu stürmen, über runtergekommene Baumstämme zu springen und die Muskeln so zu beanspruchen, aber ich wusste, dass Zarek unweigerlich solange Laufen würde, bis ich das Gefühl hatte, dass meine Muskeln gleich reißen und meine Lungen in Flammen aufgehen würden.
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Ihr habt es gemerkt, dieses Kapitel hat wieder länger gebraucht. Grund dafür ist eine Projektarbeit mit etwa 60 Seiten, die ich bis Anfang Juli fertig stellen muss. Leider muss ich dafür jetzt einen Großteil der Zeit verwenden, die ich sonst zum Bücher schreiben nutze.
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