TWENTYSIX

-Corinne-

„Was zum Teufel wollt ihr hier?" fragte ich nicht besonders nett. Ich stand in der Tür, nicht bereit den Bodyguards, die ohne Zweifel mein Bruder mir auf den Hals gehetzt hatte, herein zu lassen.

„Das erkläre ich dir, wenn du mich rein lässt." Timon legte die Hand auf die Tür, um sie weiter aufzudrücken.

„Ich..."

„Cori!" in Zareks Stimme schwang eine sanfte Warnung mit. Murrend trat ich mit zusammen gekniffenen Augen von der Tür weg und beobachtete wie vier weitere Lykae hindurch traten. So war die Sache nicht geplant gewesen. Zarek war verständlich, Manuel okay und Lucas zum Glück meist mit seinem Rechner beschäftigt, aber diese vier hier waren mit großer Wahrscheinlichkeit nur eine weitere Maßnahme um meine Sicherheit zu gewährleisten. Sollte mir Logan unter die Augen treten, hatte er hoffentlich genauso viele Muskelmänner um sich geschart, denn sonst würde ich ihm nur allzu deutlich meine Meinung dazu geigen und zwar so dass er es fühlte. „Also... was soll das?" wiederholte ich ungeduldig meine Frage.

„Es gibt einen Abtrünnigen." Kam von Till die Antwort. Sofort sprang Manuel auf, Zarek knurrte und Lucas und Toni sahen von ihrem Bildschirm auf. „Wer?" fragte Zarek ungehalten. An seinem Blick erkannte ich, dass er schon alles Mögliche analysierte. Die Waffen, die uns zur Verfügung standen. Die Angreifbarkeit dieses Raumes und wahrscheinlich auch, wo er mich in Sicherheit bringen konnte bis die Gefahr vorüber war.

„Wir haben noch keine genaueren Informationen. Aber Logans, Finns und dein Haus waren verwanzt. Momentan werden die Büros durchsucht."

„Und dann dachte Logan: Ich brauche eine kleine Armee, oder wie?" spöttelte ich, dabei war ich selbst beunruhigt. Jedoch galt meine Sorge mehr meinen Bruder und seiner neugewonnen Gefährtin. Wir hatten schon einige Zeit keinen Abtrünnigen in diesem Sinne gehabt. Die meisten wollten sich einfach nicht an die Regeln halten, sorgten für zu viel Aufmerksamkeit auf unsere Rasse oder wurden unvorsichtig. Es waren mehr oder weniger Kleinigkeiten, die wir schnell regeln konnten. Doch dieses Mal schien es ein direkter Angriff gegen uns zu sein.

„Finn!" korrigierte Timon mich. „Logan, war schon nicht mehr erreichbar als die ersten Wanzen entdeckt wurden." Fragend sah ich ihn an. Wo war Logan, dass er nicht mehr erreichbar war? „Logan befindet sich momentan auf den Weg nach Sydney. Finn hat vorsichtshalber zu dir und Sarah jeweils ein paar Wächter geschickt." Erklärte er.

„Na super!" stellte ich sarkastisch fest. „Und wo wollt ihr schlafen?" Die Wohnung war nicht klein, aber definitiv nicht groß genug für so viele Lykae.

„Der Boden tut's im Notfall." Zuckte Vincent mit den Schultern, ließ sein Rucksack von der Schulter rutschen und stellte ihn demonstrativ an der Wand ab. „Hier stinkt es abartig nach Vampir!" stellte er dann fest.

Unruhig verlagerte ich mein Gewicht auf das andere Bein, ob sie es schon wussten?

„Mein Gefährte ist ein Vampir." Erklärte ich deswegen kurz und schmerzlos.

Vincent presste die Lippen aufeinander, Till zog die Stirn kraus, Kaden und Cole, die Zwillinge, ballten die Hände zu Fäusten, Timon nickte. Jedoch wirkte niemand überrascht von meiner Ankündigung. „Ich dachte wirklich, Finn hätte sich verhört." Meinte Vini dann. Also hatte mein Bruder sie schon vorgewarnt.

„Er ist ganz in Ordnung." Verteidigte Zarek meinen Vampir. Dankbar lächelte ich ihn an und er zuckte nonchalant mit den Schultern.

„Mal schauen." Meinte Till und die anderen nickten mehr oder weniger grimmig schauend. Es war verständlich beruhigte ich mich selbst, solange sie ihm eine Chance gaben und ihn erst kennenlernten bevor sie ein Urteil fällten, war alles gut.

„Ich habe meine Gefährtin ebenfalls gefunden." Mischte sich nun auch Manuel ein und trat einen Schritt vor. „Sie ist auch eine Vampirin." Erklärte er hocherhobenen Hauptes. Seinen Kiefer presste er grimmig aufeinander und seine Haltung wirkte angespannt. Ich sah nur zu deutlich, dass er bereit war jeden, der etwas gegen Lya sagte, anzugreifen.

Vincents Augenbrauen rutschten in seinen Haaransatz. „Zwei Vampirgefährten?! Und wo ist deine, Zarek?" witzelte er dann, was die Situation für uns alle leichter machte.

Kommentarlos zuckte Zarek mit den Schultern.

„Und wo sind die beiden?" fragte Cole angespannt. Er schien von allen die meisten Probleme damit zu haben, dass unsere Gefährten Vampire waren.

„Lya duscht und Maxim trainiert noch." Krampfhaft suchte ich nach einer Möglichkeit die angespannte Situation zu lockern. „Habt ihr schon etwas gegessen?" fragte ich deshalb.

„Hast du gekocht?" fragte Timon sofort alarmiert. Fast wollte ich beleidigt die Lippen schürzen, als mir eine geniale Idee kam.

„Nein, aber ich kann dir auch schnell noch was zaubern?" Der Augenaufschlag war vielleicht etwas übertrieben, aber sowie Timon reagierte, hatte er es nicht bemerkt. „Nein, nein. Passt schon, ich bin noch ganz satt von dem ... ähm Sandwich. Das gab es im Flug." Beeilte er sich mein Angebot abzuschlagen.

„Und wie sieht's mit euch aus, Jungs?" wandte ich mich an die anderen und versuchte nicht zu boshaft zu grinsen.

„Lass mal. Mein Magen und der Flug..." meinte Kaden. Cole winkte wortlos ab. Til enthielt sich eines jeden Kommentars. Um Vincents Mundwinkel herum sah ich es zucken.

„Na gut, dann wollt ihr sicherlich auch nicht mitkommen. Wir wollten nämlich sobald Maxim wieder da ist zum Mexikaner." Erklärte ich ihnen, meine Stimme bedauernd, da sie ja nicht mitkommen konnten.

Mit Genuss sah ich wie die Vier fast ihre Gesichter verloren und Vincent gemeinsam mit den anderen in schallendes Gelächter ausbrach.

„Ihre experimentierfreudigen Zeiten sind zum Glück vorbei." Meinte Zarek. „So schlimm war es nicht." Fühlte ich mich verpflichtet, mich selbst zu verteidigen.

„Es war noch viel schlimmer." Bestimmte Manuel.

„Du kannst dein Essen selbst bezahlen." Schmollte ich jetzt trotzdem noch. Ungerührt zuckte er mit den Schultern.

„Hi." Kam Maxim leicht verschwitzt durch die Tür. Er hatte gemeinsam mit Kyle trainiert. Frühmorgens, erklärte Kyle meist einige Dinge über die Vampire und ihre Welt, wo wir uns immer mit dazu setzten und gespannt zu hörten. Am Nachmittag trainierten sie dann verschiedene Fähigkeiten. Da der Platz hier nur begrenzt war, hatten die beiden sich wo anders hin transloziert.

Überrascht huschte sein Blick über unseren Zuwachs, während er an meine Seite trat und besitzergreifend einen Arm um mich legte. Die Geste war so natürlich und fast schon nebenbei, dass es mir ein Lächeln abrang. „Alles in Ordnung." Versicherte ich ihm noch bevor er nachfragen konnte und schmiegte mich an ihm.

„Naja." Meinte Timon und trat vor. „Ich bin Timon. Das sind Vincent, Till, die Zwillinge, Cole und Kaden. Wir sind hier, weil es mal wieder einen Abtrünnigen unter uns gibt."

„Maxim." Stellte er sich selbst vor. „Was ist ein Abtrünniger?" fragte Maxim nach. Sein Griff um mich wurde fester. Beruhigend strich ich über seine Brust und legte den Kopf an seine Schulter.

„Ein Verräter. Er hat es wahrscheinlich auf unseren König abgesehen und da Corinne seine Schwester ist, könnte er versuchen sie als Druckmittel einsetzten zu wollen. Wir sind nur für ihren Schutz hier." Maxim nickte angespannt.

„Habt ihr ein Bild, irgendwelche Informationen?" fragte er sofort nach.

Timon schüttelte den Kopf. „Bis jetzt wissen wir noch nichts. Wir haben nur einige Wanzen entdeckt, aber unsere Leute sind schon dran." Versicherte er Maxim.

„Vielleicht essen wir doch lieber hier." Schlug Maxim mit einem besorgten Blick auf mich vor.

„Kommt gar nicht infrage." Wehrte ich sofort Ab und wollte mich von ihm lösen, doch er hielt mich fest. Sofort knurrten die Zwillinge meinen Vampir warnend an.

Maxim schob mich hinter sich und fletschte die Zähne.

„Hey, hey. Schön ruhig Leute." Ging Zarek dazwischen. „Lasst den Scheiß."

„Es ist alles in Ordnung." Versicherte ich den Zwillingen noch einmal, überrascht wie schnell eine falsche Geste zur Eskalation führen konnte.

Mit grimmigem Blick traten die beiden wieder einen Schritt zurück und auch Maxim entspannte sich minimalistisch, unterbrach jedoch nicht den Blickkontakt.

„Wollen wir dann Essen?" fragte Lya mit ihrem schweren Akzent. Irgendwann musste sie unbemerkt in den Raum getreten sein, denn nun stand sie neben Manuel und hielt seine Hand.

„Von mir aus schon." Stimmte Toni sichtlich erleichtert über ihre Frage zu.

„Ich bin in zwei Minuten fertig." Meinte Maxim und warf Zarek einen Blick zu, der so viel besagte wie: Pass auf Corinne in der Zeit auf.

„Ihr könnt eure Sachen hier abstellen, ich rufe Finn an!" sagte ich und lief in die Küche um ungestört zu sein.

„Wir durchsuchen die Wohnung auf Wanzen!" erklärte Vincent.

Im Türrahmen drehte ich mich noch einmal um und sah zu dem schwarzhaarigen Lykae mit Dreitagebart. „Ich denke nicht, dass ihr hier etwas finden werdet." Wir hätten es bemerkt, wenn ein Fremder in unserer Wohnung eingedrungen wäre und ich vertraute allen bedingungslos. „Du kennst die Spielregeln, Corinne." Bestärkte Timon seinen Entschluss.

Ich nickte lediglich verärgert, wusste, dass ich nichts daran ändern konnte. „Macht was ihr nicht lassen könnt!" Mit diesen Worten suchte ich nach Finns Nummer und wählte.

„McNaught!" meldete sich mein Bruder.

„Ebenfalls McNaught!" erwiderte ich und auch wenn ich es nicht wollte, konnte man noch immer die Verärgerung in meiner Stimme hören.

„Corinne, sorry. Ich hab vergessen dir Bescheid zu sagen, hier geht gerade alles drunter und drüber." Er wusste genau warum ich ihn an rief. Aber viel mehr beunruhigte mich seine Aussage danach. Was war zuhause los?

„Was ist los?" fragte ich deswegen.

„Logan dreht fast durch, weil seine Gefährtin anscheinend von irgendwem beschattet wurde und er nicht bei ihr ist. Er hat nur Rio als Bodyguard zurück gelassen."

„Hast du nicht auch ein paar Wächter welche zu ihr geschickt?"

„Ja, aber nur zwei, weil ich dich für das potenziellere Angriffsziel hielt."

„Sarah ist ein Mensch und seine Gefährtin." Manchmal fragte ich mich, wo er mit seinem Gedanken war. Es war nur zu verständlich, dass Logan halb am Durchdrehen war.

„Ja, das weiß ich auch. Logan hat auch schon Verstärkung geschickt und wir wissen, wer die Wanzen in unserem Haus angebracht hat."

„Wer?" fragte ich sofort aufgeregt nach.

„Fernanda." Ein Wort, ein Schlag. Ich ließ mich auf den nächstbesten Stuhl fallen.

„Nein. Nein. Ich mochte sie." Jammerte ich, getroffenen von ihrem Verrat. Wie sollte ich ihr je wieder vertrauen? Sie war eine Freundin für mich gewesen. Täglich hatten wir uns gesehen, über ihre kleine Tochter geredet oder ich hatte sie getröstet, wenn die Trauer um ihren Gefährten sie wieder einmal überwältigte. Wir waren gemeinsam einkaufen und ins Kino gefahren. Nicht selten hatten wir zusammen Schnulzen geschaut und uns die Nägel lackiert. Ich hatte wirklich geglaubt in ihr eine gute Freundin gefunden zu haben. Im Gegensatz zu den anderen Lykae hatte sie kein Aufhebens darum gemacht, dass ich die Prinzessin war und es hatte sie auch nicht gestört mit mir befreundet zu sein, obwohl sie für uns, mehr für Logan arbeitete.

„Tut mir leid, Cori." Murmelte Finn, dem erst jetzt bewusst zu werden schien wie viel sie mir als Freundin bedeutet hatte.

„Habt ihr sie schon befragt?" Ungeduld machte sich in mir breit. Ich wollte wissen wieso sie es getan hatte. Ich konnte es nicht einfach so hinnehmen. Hatte ihr unsere Freundschaft überhaupt etwas bedeutet? Oder hatte sie von anfang an vor uns zu verraten?

„Noch nicht."

„Cori." Maxim trat in die Küche und musterte mich mit besorgtem Blick. Mit einer Geste gab ich ihm zu verstehen, dass ich gleich soweit war. Er trat näher zu mir, hockte sich vor mich hin und musterte mich. Erst als er mir sanft eine Träne von der Wange strich, bemerkte ich, dass ich weinte.

„Rufst du mich nachher noch einmal an und sagst Bescheid?" bat ich meinen Bruder.

„Ich schreib dir eine Nachricht. Falls du noch wach bist, kannst du ja anrufen." Bot er mir einen Kompromiss an. Auch aus seiner Stimme hörte ich die deutliche Sorge um mich.

„Danke, Finn. Pass auf dich und Logan auf."

„Solange du das gleiche tust."

„Mache ich." Versprach ich.

„Was ist passiert?" fragte Maxim und wickelte sich eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger. „Jemand, den ich für ein gute Freundin hielt, ist die Verräterin." Erklärte ich ihm und ließ mich von ihm in eine wohltuende Umarmung ziehen. Auch wenn er nichts sagte, half es einfach seine Kraft zu spüren und seinen Duft zu inhalieren.

„Seid ihr soweit?" kam Toni in die Küche gestürmt. Ich sah auf und sah wie sie mit roten Wangen zurückwich. Sie war noch so jung und scheu, dabei hatte sie selbst bereits einen Gefährten. „Oh, sorry. Ich..." und schon war sie weg.

Maxim seufzte und legte seine Stirn an meine Stirn. „Wie sollen wir hier jemals unsere Ruhe haben, wenn es nur so von deinen Leibwächtern und Anstandswauwaus wimmelte?" fragte er mich und leichte Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. Ungewollt zogen sich meine Mundwinkel über seine echte Verzweiflung nach oben. Ich konnte nicht anders als zu kichern. Daran hatte ich zugegebenermaßen noch gar nicht gedacht.

„Lass uns erst einmal Essen gehen und dann überlegen wir uns einen Schlachtplan." Schlug ich vor. „Mit leeren Magen denkt es sich schwerer." Neckend hauchte einen Kuss auf seine Wange.

„Hier geblieben." Verlangte er, als ich zurückweichen wollte und erstickte mein aufkommendes Gelächter mit seinen Lippen.

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