TWENTYONE

„Seid ihr endlich fertig?" Manuels ungeduldige Stimme und sein lautes Klopfen an der Tür unterbrachen uns, sorgten dafür, dass wir uns voneinander lösten. „Gleich!" Meine Antwort klang zu ungehalten, gereizt, aber Manuel fragte nicht weiter nach, stattdessen hörte ich wie er sich wieder entfernte. Ich seufzte, holte tief Atem und sah wieder zu Maxim. Seine Augen lagen beobachtend auf mir, verrieten den Gefühlsauffuhr in ihm, seine Hände umfassten noch immer meine Hüften. Er war mir so nah, nur wenige Millimeter trennten unsere Lippen. Ich spürte sein Atem über meine Wangen streifen, inhalierte mit jedem Atemzug seinen Duft, schmeckte ihn noch in meinem Mund. Ich müsste mich nur ein Stückweit vor beugen.

Es war Maxim, der mein Handeln vereitelte in dem er wieder Abstand zwischen uns brachte. Enttäuscht sackten meine Schultern ein klein wenig nach unten, während ich am liebsten vor Wut auf die Wand hinter mir geschlagen hätte. Ein Schritt vor und zwei wieder zurück, so kam es mir zumindest vor.

Entschlossen mein Gefühlschaos zu überspielen, streifte ich mir die Handschuh ab und neue über. Jetzt durfte ich all seine Wunden noch einmal desinfizieren. „Hey." Sacht berührte Maxim mich am Kinn, zwang mich dazu ihm anzusehen, was ich seitdem er zurück gewichen war, vermieden hatte. Ich wollte nicht, dass er die Enttäuschung in meinen Augen sah. „Es ist besser so." murmelte er.

„Besser so?!" fauchend vor Wut und Empörung wiederholte ich seine Worte. „Warum zum Teufel weiß immer jeder andere, was besser für mich ist? Ich sag die jetzt mal eins, Vampir: Ich bin durchaus in der Lage selbst zu entscheiden, was besser so ist, dazu brauche ich deine Hilfe nicht. Danke." Eigentlich war ich keine Zicke, zumindest keine große und normalerweise führte ich mich auch nicht so auf. Deswegen schob ich es auf meine Bestie, die sich nach ihren Gefährten sehnte. Ich hatte nicht viele Wünsche. Ich wollte in Maxims Armen liegen, ihn küssen, berühren und für mich beanspruchen. Alles was ich wollte, wurde mir verwehrt, sogar von ihm selbst. Da war es doch sicher kein Wunder, dass ich so leicht zu reizen war, oder? „Hier, mach deinen Scheiß allein und lass mich in Ruhe." Wütend drückte ich ihm den Tupfer mit dem Deifikationsmittel in die Hand und wandte mich ab. Als ich die Türklinge herunter drückte, riss der Vampir mich an meinem Arm zurück. Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich auch schon im nächsten Moment von seinem stählernen Körper gegen die Tür gepresst wurde und er seine Lippen fast gewaltsam auf meine legte. Eine Hand krallte sich an meiner Taille fest, die andere zog meinen Kopf zurück. Es dauerte eine halbe Sekunde bis ich endlich reagierte, meine Hände sich haltsuchend an seinem Arm und Schulter festklammerten und ich den Kuss erwiderte.

Dieser Kuss hatte nichts Nettes an sich, nichts Zärtliches. Es war eine Innbesitznahme, ein Ausdruck seines Anspruches, den er auf mich hatte, ein wildes Duell und ich genoss es. Als er sich von mir löste, schnappte ich nach Luft da ich das Atmen komplett vergessen hatte. Mein Brustkorb hob und senkte sich hektisch, seiner auch. „So und jetzt hörst du mir mal zu." Befahl er halb knurrend, es ausnutzend, dass ich gerade einfach kein Wort sagen konnte, aber das störte mich nicht. Wenn er mir so nah war und wenn er mich so küsste, dann durfte er alles von mir verlangen. „Ich werde dich nicht in Ruhe lassen, denn du gehörst mir. Wenn das deinem Bruder, deinen Leibwächtern oder wem auch immer nicht passt, dann ist es halt so, aber das ändert nichts daran dass du mir gehörst. Du hast gesagt, dass du mich willst und so lange das so bleibt, werde ich gegen alles und jeden kämpfen der uns trennen will. Dafür musst du mir aber auch vertrauen und darfst nicht jedes Mal abhauen wollen, wenn dir etwas nicht passt." Verlangte er von mir und sah mir entschlossen in die Augen. Ich nickte. Wahrscheinlich hätte ich bei jedem anderen die Augen verdreht oder über die Anmaßung gelacht, dass irgendwer jemand anderem gehörte, aber bei seinen Worten fiel ein schwerer Stein von meiner Brust. Denn sie besagten, dass er mich als seine Gefährtin akzeptiert hatte, anerkannte, für sich beanspruchte. „So und ich wollte dich nur nicht noch einmal küssen, weil ich dann einfach nicht wieder aufhören kann. Es ist wie eine Sucht." Bei seinem Worten, die leicht verzweifelt klangen, aber die er mit einem Lächeln aussprach, musste ich lachen. Ich wusste genau was er meinte. Seine Hand lag an meiner Wange und auch er grinste als er mein glückliches Gesicht sah, fuhr in sanften Kreisen mit dem Daumen über meine Haut. „Aber nur für's Protokoll, Vampir!" er murrte leise, als er diesen Namen hörte. Verdammt, in meinen Gedanken war er nun einmal einfach mein Vampir. „Mein Vampir!" erklärte ich ihm dann und tatsächlich zuckten seine Mundwinkel nach oben, gespannt wartete er darauf, dass ich sagte, was ich sagen wollte. „Du gehörst genau so mir wie ich dir und wir Lykae teilen nicht. Nie!"

„Ich auch nicht." Erwiderte er, zufrieden nickte ich. „Und was machen wir jetzt?" fragte ich ihn.

Verwirrt blinzelte er, sah mich verständnislos an. „Was meinst du?"

„Wenn du mich nicht küssen willst, was machen wir dann jetzt?" machte ich meine Frage deutlicher und ließ für einen kurzen Moment meine Hüfte an seiner kreisen, damit ihm deutlich wurde wir nah wir uns wirklich standen. Leise schnappte er nach Luft, seine Hände packten fester zu und zufrieden registrierte ich, dass ihm meine Berührung alles andere als kalt ließ.

„Du bist ein Biest." Schimpfte er, mein Lachen erstickte er mit seinem Mund als er sich noch näher an mich drängte. Ich konnte mich nicht bewegen, war zwischen Tür und ihm gefangen, konnte nur seinem Kuss erwidern, mich ihm hingeben. Und es störte mich nicht im Geringsten. Es war himmlisch. Heiß. Perfekt.

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„Meine Damen und Herren, ich bitte um Applaus, unsere zwei Turteltauben haben es doch tatsächlich einmal aus dem Bad geschafft." Spöttelte Manuel mit der Stimme eines Moderators als wir gemeinsam das Wohnzimmer betraten. Toni saß auf Lucas Schoß, den Arm um seinen Hals geschlungen an ihn gelehnt, beide mit dem Blick auf die Bildschirme vor ihnen, während Lucas irgendetwas auf der Tastatur eintippte. Computerfreaks. So sehr ich die beiden mochte, mir fehlte trotzdem jegliches Verständnis für ihre Computer-Leidenschaft. Zarek richtete sich vom Boden auf, auf dem er gerade eben Liegestütze gemacht hatte und Manuel saß neben Lya auf der Couch den Arm um sie geschlungen.

Ich ging nicht weiter auf Manuels Frotzeleien ein. „Wolltest du nicht irgendwie ins Bad?" fragte ich ihn. Er stand auf, ging zwei Schritte und drehte sich wieder Lya zu. Es war geradezu lächerlich wie albern er sich verhielt. Nicht einmal für fünf Minuten wollte er sie alleine lassen. Lya sah das anscheinend genauso wie ich. Mit einer einfachen Geste scheuchte sie ihn davon, machte ihm klar, dass er sich nicht so aufführen sollte und sie auch ein paar Minuten ohne ihn überlebte.

„Zarek!" wandte sich Maximilian an meinen Bodyguard. „Das nächste Mal wäre eine kurze Notiz nicht schlecht."

Nachdem wir es irgendwie geschafft hatten unserer Rummacherei ein Ende zu bereiten -was wahrscheinlich nur daran lag, dass uns beiden klar war, dass sowohl die vier Lykae als auch Lya jedes Stöhnen und Flüstern unsererseits mitbekamen, wenn sie es wollten- hatte ich ihm endlich erklärt, warum Zarek heute morgen auf ihn losgegangen war. Eigentlich wäre Zarek auf mich losgegangen. Es gehörte zu meinem Training. Ich musste bereit sein mich zu wehren auch wenn ich nicht auf die Situation vorbereitet war. Deswegen machte er es auch so selten und die Idee Maxim vor ihm zu warnen war mir zu spät gekommen. Normalerweise frühstückten wir zuerst, ehe wir uns erwärmten, ich neue Kampftechniken gezeigt bekam und alte wiederholte, danach folgte meist nur noch die Ausdauer. Das ich trainierte war nicht immer so. Es hatte mit dem Lykae angefangen, der eine kleine Armee aus Werwölfen erschuf. Dumm und naiv wie ich damals war und rebellisch was auch heute noch zutraf, wie ich mir selbst eingestand, hatte ich weder auf meine Brüder noch auf meinen Leibwächter gehört. Ich hatte noch nie einen Werwolf gesehen und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie solch grausame Lebewesen sein sollten, wenn sie doch so etwas wie unsere nächsten Verwandten waren. Also hatte ich mich mal wieder erfolgreich davon geschlichen und mich allein auf die Suche nach einem echten Werwolf gemacht. Selbstverständlich in einer Vollmondnacht. Und ich war fündig geworden. In einem kleinen Dorf war ich auf zwei Werwölfe gestoßen die bestialisch alles abschlachteten und zerstörten was ihnen in die Finger kam. Ich weiß nicht was in mich gefahren war, dass ich glaubte, ich könnte die beiden von ihren Vorhaben abbringen. Der einzige Grund warum ich heute noch lebte, war, dass die beiden nicht wussten wie man einen Lykae umbrachte.

Sie hatten mir all meine Gliedmaßen gebrochen, mir den Bauch aufgerissen und meinen Hals nahezu komplett zerbissen. Logan glaubte das sie letzteres getan hatten, weil sie in mir ein Weibchen ihrer Art erkannt hatten und mich zu markieren versuchten. Ich wusste es nicht. Es war mir auch egal. Damals hatten die Schmerzen mir jeglichen Verstand geraubt und mein Körper hatte eine halbe Ewigkeit gebraucht um zuheilen. Ich wollte einer solchen Kreatur nie wieder über den Weg laufen und ich wollte auch nie wieder so schwach sein. Deswegen hatte ich auf dieses Training bestanden. Ich wollte nie wieder in einer solchen Lage kommen. Es war Zarek gewesen, der mich damals gefunden hatte, sonst wäre ich vielleicht sogar einfach verbrannt, da ich zwar bei Bewusstsein war, aber nicht die Kraft aufbringen konnte mich selbst aus dem brennenden Dorf zu schleppen. Ab dieser Nacht hatte es keine Ruhe mehr in meinem Zuhause gegeben bis Logan sich sicher war, dass alle Werwölfe ausgelöscht und der Abtrünnige gefasst wurden war. An ihm hatte Logan ein besonders grausames Exempel statuiert und ich hatte nicht einmal versucht ihn davon abzuhalten, denn ich konnte ihm den Schmerz und die Zerstörung, die er angerichtet hatte nicht verzeihen. Logan war damals so krank vor Sorge und voller Selbstvorwürfe gewesen, dass er mich nicht einmal zu Recht gewiesen hatte, selbst dann nicht als es mir wieder gut ging. Das hatten dafür Finn, Sam, Finn's Leibwächter, Zarek, Sandro und Rio übernommen, die beiden letzteren waren Logans Leibwächter. Danach hatte ich eine ganze Weile keinen Alleingang mehr gewagt.

„Dann wäre es nicht halb so effektiv gewesen." Erwiderte Zarek ohne Reue. „Ich muss wissen mit wem ich es zu tun habe. Wenn es um unsere Gefährten geht, verlieren wir immer ein Stückweit unseren Verstand. Du auch, wie mir schien. Trotzdem hast du noch methodisch gekämpft und für einen Vampir, der noch nie gegen einen Lykae gekämpft hat, hast du deine Sache gut gemacht. Damit können wir arbeiten!" Zarek hatte Maxim getestet, um zu wissen, ob er in der Lage war mich und sich selbst zu verteidigen, um zu sehen wie er unter Druck reagierte, wie sein Kampfstil war. Es konnte sein, dass ich seine Beweggründe verstand, dass änderte aber nichts daran, dass ich Zarek immer noch am liebsten den Kopf abgerissen hätte dafür, dass er Maxim verletzt hat.

„Du kannst mir nicht ewig böse sein, Cori." Beschwor Zarek mich dann als er meinen bösen Blick auffing.

„Wollen wir wetten?" erwiderte ich trotzig.

„Ich setzt auf Zarek." Erklang es synchron von den beiden Computerfreaks und Manuel, der so eben den Raum betrat. „Ihr seid so Scheiße." Brummte ich.

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