THIRTYTWO


-Corinne-

„Ganz ehrlich, Corinne, wenn du vorhast ab jetzt immer so zu reisen, muss Logan eine Stellenausschreibung für einen neuen Leibwächter für dich rausgeben!", jammerte Zarek ungewohnt wehleidig als wir vor dem Schloss nahe Marseille ankamen. Kyle verdrehte die Augen und lief ungerührt voraus. Dieses Mal hatte er uns transloziert.

Wir folgten ihm, während wir alle das prachtvolle Anwesen betrachteten. „Und die anderen Anwesen sind genauso prunkvoll?", fragte Maxim ungläubig. Für jemanden der diesen Prunk nicht gewöhnt war, musste es leicht überwältigend sein. Aber ich hatte noch wesentlich prächtigere, kitschigere oder auch einfach atemberaubendere Behausungen bei Vampiren gesehen. Vampire liebten das Extreme. Sie prahlten gern mit dem was sie hatten und hoben sich aus der Masse hervor. Nicht das die Drakons da anders waren. Jedoch taten sie es mit ihrem Können und dem Ruf, der ihnen voraus eilte. Ich war mir sicher, dass der Name unter den Vampiren eben so bekannt war, wie der meiner Familie unter den Lykae. Die Häuser und Schlösser hatten die Geschwister einfach mit der Zeit erworben, teilweise sogar für ihre großartigen Verdienste geschenkt bekommen und sie hielten sie in einem guten Zustand.

Kyle nickte: „Mehr oder weniger. Im Laufe der Jahrhunderte sammelt sich das Geld und irgendwo muss man es investieren. Warte erst einmal bis du den Fuhrpark gesehen hast. Aber ich sag es euch gleich", Kyle drehte sich zu uns um und sah uns eindringlich an, „rührt ihr die Autos an, kann ich für euren Schutz nicht garantieren. Sie gehören größtenteils Alexandr, da er dieses Anwesen zurzeit am meisten nutzt, aber einige davon sind mit Sicherheit auch von Stepan und Tamara. Und vielleicht auch noch ein oder zwei von ein paar guten Freunden. Also lasst einfach die Finger davon!" Jetzt hatte er mich wirklich neugierig gemacht, dabei war ich das selbst von zuhause gewöhnt. Männer blieben nun einmal Männer. Egal, ob sie Mensch, Vampir oder Lykae waren. Geschwindigkeit war wie ein Rausch für sie, ein Adrenalinkick, eine Sucht, der sie nicht wiederstehen konnten. Und ebenso wie bei den Vampiren sammelte sich auch bei uns das Geld nach einigen guten Investitionen und Anlagen von ganz allein. Außerdem gingen die meisten von uns auch einer geregelten Arbeit nach. Das machte das Leben unter Menschen um ein Vielfaches leichter und gab uns eine gewisse Routine und Stabilität.

„Geht klar, Boss.", scherzte Maxim und bekam von Kyle nur einen warnenden Blick. „Glaub mir Maxim, der Humor hört bei den Autos auf."

„Erstaunlich wegen was ihr Vampire euch ins Hemd macht!", konnte sich nun auch Zarek keinen Kommentar verkneifen, da er endlich etwas gefunden hatte um den oftmals überheblichen Vampir zu ärgern. Dieser schnaubte nur genervt und drehte sich wieder um.

„Alexandr dreht euch den Hals um, nicht mir.", rief er nur noch über die Schulter und stieß die Eingangstür auf.

„Bist du dir da so sicher? Immerhin hast du uns doch erst in die Nähe der Autos gebracht.", mit Sicherheit war es kindisch dabei mitzumachen und auch nicht sonderlich nett, dass er uns half, aber nichts desto trotz machte es mir einen unheimlichen Spaß.

„Sicherer geht gar nicht.", versicherte uns Kyle und grinste siegesgewiss. Er wusste etwas, dass wir nicht wussten. Doch auf unsere fragenden Blicke ging er nicht weiter ein. „Also hier unten ist alles Mögliche. Große und kleine Küche. Wohnzimmer, Empfangssalon, Salon, Salon, Salon, Ballsaal, Kammer, was weiß ich nicht alles. Ihr könnt euch später selbst umsehen. Außer die verschlossenen Räume könnt ihr überall hin. Macht nichts kaputt, räumt euren Dreck weg und bringt auf keinen Fall mehr von euch hierher.", beschwor er uns, während er im Schnelldurchlauf an den Räumen vorbei hetzte und uns so kaum Zeit ließ, die stilvolle Einrichtung zu bewundern. Diese trug eine deutlich weiblichere Handschrift als die Wohnung zuvor. Alles wirkte gepflegt und aufgeräumt, sehr gemütlich. Überall standen Teelichter, Kerzenhalter mit Kerzen, Feuerschalen und Öllampen herum. Wahrscheinlich könnte man das Haus allein damit heizen. Aber auch wenn es so viel war, wirkte es nicht zugestellt oder lose dahin gewürfelt, sondern gemütlich und heimisch.

„Ich zeige euch die Gästezimmer, aber dann muss ich auch schon wieder weg. Wenn was ist, Maxim, du hast meine Nummer, ruf mich an oder schreib mir eine Nachricht."

Vor uns eilte er die breite Treppe nach oben, doch wir blieben davor stehen und starrten das Gemälde, welches auf den ersten Treppenabsatz hing an. Es zeigte einen blonden Kyle mit einer blonden Frau, die unweigerlich seine Schwester sein musste in einer äußerst... vertraulichen Pose.

Kyle drehte sich um als er bemerkte, dass wir ihn nicht folgten. Sein Blick fiel auf das Bild und er lächelte unweigerlich. „Meine Schwester. Das ist schon ein paar Jahrhunderte alt und die Umstände waren damals andere.", erklärte er locker.

„Hast du nicht gesagt, du bist erst seit ein paar Jahren ein Vampir?", Maxim war deutlich erzürnt. Verständlich, immerhin hatte Kyle ihm etwas ganz anderes erzählt.

„Bin ich auch, aber sobald meine Schwester und ich sterben, werden wir immer wiedergeboren. Jedes Jahrhundert aufs Neue. So alt wie in diesem Jahrhundert sind wir zum Beispiel noch nie geworden.", meinte er und grinste wieder sein überhebliches Grinsen. Das erklärte wahrscheinlich so manches. Kyle war nur zu deutlich bewusst, dass er etwas Besonderes war und er rief es seiner Umwelt kontinuierlich in Erinnerung. Ich musste gestehen, ich hätte mich wirklich nur zu gern einmal mit ihm unterhalten um zu erfahren, was es nun wirklich mit den beiden auf sich hatte. Umso mehr ich von den Zwillingen erfuhr, desto interessanter fand ich sie.

„Kommt ihr?!", forderte er uns auf und eilte weiter. Dieses Mal folgten wir ihm. „Rein theoretisch solltet ihr keinem von uns begegnen. Alice und Alexandr sind in den Flitterwochen, Tamara ist zurzeit kaum da und wenn dann eher in Italien. Stepan irrt mit seiner Gefährtin über die halbe Welt, aber er bevorzugt sowieso seinen Sitz in St. Petersburg und reist deshalb fast jeden Abend dahin zurück. Die anderen werden sich, da Alexandr nicht da ist, von hier fernhalten. Jeder von ihnen hat sein eigenes Zuhause." Wir nickten einfach, da wir nur die Hälfte von dem verstanden wovon er sprach. Aber es schien nicht wirklich von Bedeutung zu sein.

Alexandr, Stepan und Tamara waren die Drakon Drillinge und erfreuten sich einem großen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades. Die besagten „Anderen" waren wahrscheinlich gute Freunde von ihnen. Sicher war ich mir dabei aber nicht und da es uns nichts anging, fragte ich auch nicht nach. „Das hier sind die Gästezimmer. Sucht euch die aus, die ihr beziehen wollt.", meinte Kyle und deuteet auf eine Reihe geschlossener Türen. „Noch irgendwelche Fragen?", er ließ seinen Blick knapp über uns schweifen. „Nein? Super, als ciao." Und schon eilte er zur Treppe.

„Der hatte es eilig.", murmelte ich. Maxim nickte zustimmend.

„Unwichtig!", kommentierte Zarek. „Hier bist du tatsächlich vorerst am sichersten!", meinte er dann und wirkte nun sehr zufrieden mit Maxims Entscheidung. Anerkennend nickte er ihm kurz zu.

Ich verdrehte die Augen. „Können wir auch einmal über was anderes reden als nur meine Sicherheit oder mich?", fauchte ich genervt. Dieses Thema verfolgte mich schon so lange ich denken konnte und das ist schon lange her. Es war nicht weiter verwunderlich.

„Gern.", stimmte Zarek mir zu, „aber falls du die Zeit nicht mit einem belanglosen Plausch verschwenden willst, würde ich mich jetzt frisch machen, rausgehen und euch ein wenig Freiraum gönnen." Das Wort Freiraum betonte er so, dass unmissverständlich klar war, auf was er hinauswollte. „Also Corinne, über was wolltest du noch mal reden?", fragte mich Zarek.Wollten mich denn heute wirklich alle nur ärgern? Oder war ich einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden, dass ich heute so ein leichtes Opfer war?

„Verpiss dich, Zarek!", brummte ich genervt, während ich innerlich einen kleinen Freudentanz aufführte. Das erste Mal wirklich nur Zeit mit meinem Gefährten zu verbringen. Allein. Ohne viel zu gute Ohren, die jedes Wort trotz der dicken Wände vernehmen konnten. Diese Aussichten waren ein wahrer Traum. Ich konnte kaum glauben, dass ich dessen Erfüllung so nah war.

„Na, na, na. So hab ich dich nicht erzogen. Vielleicht sollten wir noch einmal über Erziehung reden.", tadelte er mich um mich aufzuziehen. Ich wollte schon die nächste Antwort fauchen, als Maxim sich einmischte.

„Ich kann dich auch einfach wo anders hin translozieren. Immerhin musst du dir nicht einmal Sorgen machen, da du weißt, dass Corinne sicher aufgehoben ist." Warf Maxim nachdenklich ein. Zarek verzog das Gesicht. Er mochte die vampirische Art zu reisen wirklich nicht. „Danke ich verzichte! Bis später! Ich organisiere uns was zum Abendbrot." Mit diesen Worten wandte er sich ab und öffnete die nächstbeste Tür. Einen Moment blieb er stehen. „Vampire!", murmelte er anerkennend, zeitgleich schüttelte er den Kopf und trat dann ein. Die Tür schloss sich hinter ihm. In ein paar Minuten würden wir das ganze Haus für uns haben. Grinsend sah ich zu Maxim, der es erwiderte.


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