THIRTY
-Maxim-
„Was hat das zu bedeuten?" fragte ich kaum, dass ich durch die Tür getreten war. Überall standen Koffer und Taschen. Die meisten Sachen, die der Wohnung Charme und Persönlichkeit verliehen hatten, fehlten nun. Es sah trist und grau aus. Unruhe, Nervosität und Anspannung hingen in der Luft. Alle sahen sie stumm zu mir, hielten,in dem was auch immer sie taten, inne. Alle bis auf Corinne, denn diese war gar nicht da. Sofort schlug mein Herz schneller und panisch sah ich mich um. War sie weg? War ihr etwas passiert?
„Wo ist Cori?" Drei Hände deuteten stumm auf ihr Zimmer und ich konnte nicht anders als darauf zu zustürzen. Ungeduldig riss ich die Tür auf und eine unheimliche Erleichterung packte mich, als ich sah wie sie mit zusammen gepressten Lippen auf der Fensterbank hockte und aus dem Fenster starrte. Obwohl sie mich gehört haben musste, drehte sie sich nicht zu mir um. Konzentriert starrte sie nach draußen auf die Straße und runzelte ihre Stirn.
Besorgt musterte ich sie. „Was ist hier los, Cori?", fragte ich sie sanft und trat näher. Vorsichtig strich ich ihr eine der lockigen Strähnen zurück und sie zuckte zusammen. Mit geweiteten Augen drehte sie sich zu mir um und stieß erleichtert die Luft aus als sie mich erkannte. Meine Sorge wuchs. Corinne war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie mich gar nicht wahrgenommen hatte und diese Gedanken schienen alles andere als angenehmer Natur zu sein.
„Hey, alles gut?", die Frage mochte dumm sein, immerhin sah ich, dass etwas nicht stimmte. Die Koffer und die leere Wohnung waren Indiz genug, aber ich meinte ob mit ihr alles in Ordnung war.
Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen meinen Bauch und ich strich ihr über die Haare. Diese Art der Nähe hatte etwas Vertrautes, Intimes an sich und beruhigte mich, auch wenn die Sorgen deswegen nicht verschwanden.
„Walker ist in Washington.", gedämpft klang ihre Stimme an mein Ohr. Mein ganzer Körper wurde starr. Corinne war in Gefahr. Der Lykae hatte es auf sie abgesehen. Er wollte sie mir wegnehmen. Ich muss sie in Sicherheit bringen. Die Gedanken rauschten durch meinen Verstand. „Wir müssen hier weg.", erklärte ich und wollte sie hochziehen. Doch Corinne lehnte sich von mir weg. Ihre gesamte Körperhaltung drückte Abwehr aus. „Flucht ist keine Lösung!", erklärte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, was zur Folge hatte, dass mein Blick sich für einen Moment auf ihr Dekolleté heftete.
„Dieser Lykae ist nur wegen dir hier, Corinne! Ich werde nicht zulassen, dass er dich in die Finger bekommt.", schwor ich ihr.
„Verdammt!", schimpfte sie undamenhaft und stand auf. „Das hoffe ich auch, dass du das nicht zulassen wirst. Das bedeutet, aber trotzallem nicht, dass ich deswegen einfach abhauen werden!" Nasenspitze an Nasenspitze standen wir uns gegenüber. Keiner war bereit nach zu geben.
„Deine Sicherheit geht vor!", blieb ich auf meinem Standpunkt.
„Du bist genau wie Logan! Immer nur meine Sicherheit! Verdammt noch mal, ich will leben! Ich will nicht immer wie eine Porzellantasse von einem vermeintlich sicheren Ort zum nächsten geschoben werden! Ich will die Welt sehen! Und verdammt noch mal, ich will dich endlich richtig kennenlernen und einfach mal nur Zeit mit dir verbringen!", brach es aus Corinne heraus. „Denkst du, dass Walker mir nicht bis nach Australien folgen wird. Er war sogar schon da als er damals dafür gesorgt hat, dass die Wanzen in Logans Haus und den Büros sowie in meinem als auch Finns Haus angebracht wurden. Eine meiner Freundinnen war es!" fauchte sie nach wie vor aufgebracht von dem Verrat. „Denkst du wirklich, dass ich dort sicherer bin? Das ist eine Illusion!", beantwortete sie ihre Frage selbst. „Weißt du was das Einzige sein wird, was sich tatsächlich ändern wird?", stumm sah sie mich an, wartete dieses Mal tatsächlich auf meine Antwort.
„Was?", fragte ich schließlich. Irgendwie hatten es meine Hände an ihre Hüften geschafft und hielten sie fest, da ich sonst fürchtete, dass sie mir weglaufen würde, so aufgewühlt wie sie war. Ihre Hände lagen flach auf meiner Brust.
„Dort werden hunderte von Lykae mit ihren Vorurteilen dir gegenüber sein, weil du ein Vampir bist und wir werden wahrscheinlich noch weniger Zeit nur für uns haben können. Jeder einzelne wird uns beobachten und wahrscheinlich nur darauf warten, dass du eine falsche Bewegung machst." Tränen klangen in ihrer Stimme mit und ich zog sie an mich. Fest umschlossen meine Arme ihren wunderschönen Körper. Zärtlich strich ich über ihr langes Haar. Es war mir egal, was irgendwer anderes über mich dachte. Für mich zählte nur Corinnes Meinung. Deswegen war ich mehr als nur bereit mich diesen Lykae zu stellen, aber Corinne war es noch nicht. Und das war das Einzige was zählte.
„Mir ist es egal was die anderen über mich denken."
„Mir aber nicht.", brauste sie kurz auf und funkelte mich mit Tränen in den Augen an. Ich konnte nicht anders und küsste sie sanft. „Mir ist es egal,", wiederholte ich meine Worte, „aber wenn du noch nicht dorthin möchtest, dann gehen wir wo anders hin."
„Nichts da, Blutsauger.", meldete sich eine Stimme zu Wort, die bisher meist ruhig geblieben war. Dafür aber umso dominanter war, wenn sie sich zu Wort meldete. Ich musste so mit Corinne beschäftigt gewesen sein, dass ich nicht einmal gemerkt hatte wie der große dunkelhaarige Lykae das Zimmer betreten hatte. Es ärgerte mich, dass ich so unaufmerksam war. Mit einem halben Schritt drehte ich mich und Corinne so, dass meine größere Gestalt ihre zu großen Teilen verbarg. Somit zeigte ich ihm zwar meinen ungeschützten Rücken, was mir nicht gefiel, aber ich wusste, dass Corinne nicht wollte, dass die anderen sie so verletzlich sahen.
„Corinne ist nirgends so sicher wie in ihrer Heimat und genau da geht sie jetzt auch hin. Mit dir oder ohne dich.", erklärte Vincent in einem Tonfall, der jegliche Zweifel entbehrte.
„Das hast du nicht zu entscheiden!"
Der Lykae schnaubte: „Zarek und ich sind einer Meinung. Es ist unsere Pflicht für die Sicherheit der Prinzessin Sorge zu tragen und damit haben wir auch das Recht zu entscheiden, wo sie am sichersten ist." Nicht nur seine Worte selbst, auch die Art und Weise wie er sie vortrug brachten mich zur Weißglut. Als ich mich von Corinne löste, um mich auf den Lykae zu stürzen, schloss sie die Arme fester um mich und flehte: „Nicht! Sonst lässt er dich vielleicht nicht mitkommen." Unwillig fauchte ich, gab aber nach. Ich würde nicht zulassen, dass mich irgendetwas oder irgendwer von Corinne trennte. Auch nicht meine eigene Impulsivität oder mein Ego. Und erst recht nicht dieser Bastard vonLykae.
„Wenigstens hast du Verstand!", merkte Vincent an. Meine Hände ballten sich hinter Corinnes Rücken zu Fäusten und auch ihre Nähe half nichts gegen die Anspannung, die sich in jeder Zelle meines Körpers ausbreitete. Bis jetzt war ich noch nicht einmal mit Vincent aneinander geraten, aber wie es schien war dies längst überfällig.
„Verschwinde, Vince!", forderte Corinne ihn auf. Ihre Stimme erklärte ihn einem Bettler zu ihren Füßen.
„Wir hatten eine Abmachung.", erinnerte er sie. Was für eine Abmachung? Was hatten die beiden miteinander zu schaffen gehabt? Ich wusste, dass meine Eifersucht an dieser Stelle nicht gerechtfertigt war, aber deswegen verschwand sie nicht einfach. Am liebsten hätte ich Vincent klar und deutlich gezeigt, dass Corinne mein war und er sie am liebsten gar nicht ansprechen sollte, angucken wäre auch zu viel des Guten. Da aber irgendwo noch ein Funken gesunder Menschenverstand in meinem Gehirn zu finden war und dieser mich daran erinnerte, dass das womöglich alles andere als gut bei Corinne ankäme, ließ ich es dabei sie einfach noch näher an mich zu ziehen.
„Was für eine Abmachung?", knurrte ich ihm entgegen.
„Dass ihr euch jetzt auf dem Weg zum nächsten Flieger befindet!", erklärte er, „wenn du nicht Stunden fortgewesen wärst oder deine Gefährtin so unvernünftig stur darauf bestanden hätte, dass sie nicht ohne dich fliegt, wäre sie schon längst in Sicherheit!", regte er sich auf und knurrte bedrohlich. Der Vorwurf gegen uns beide war nicht zu überhören, aber das interessierte mich nicht.
Corinne hatte nur auf mich gewartet! Wie lange hätte sie die Abreise noch hinauszögern können? Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wäre sie nicht mehr in der Wohnung gewesen sobald ich wiederkam.
„Dann sollten wir uns vielleicht auf den Weg machen.", erklärte ich schlussendlich. Überrascht sah Corinne mich an, ehe Enttäuschung ihr Gesicht beschattet und sie sich in meinen Armen versteifte. Mit meinen Augen bat ich sie stumm um Vertrauen. In meinen Gedanken nahm eine Idee Gestalt an. Unsicher musterte Corinne mein Gesicht ehe sie kaum merklich nickte. Erleichterung machte sich in mir breit und fast hätte ich breit gegrinst. Aber nur fast. Der Lykae durfte schließlich nichts merken.
„Gut, dann los.", verlangte Vincent und hielt uns die Tür auffordernd auf.
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