FOURTYNINE
-Corinne-
Sie hatten mir die Ketten abgenommen damit mein Körper sich selbst heilen konnte. Kaum, dass ich mich rührte, hatte mich einer von ihnen untersucht. Ich wusste nicht wer es war, in meinem Delirium verschwammen die Stimmen und Gesichter alle miteinander. Die Schmerzen spülten wellengleich durch mich hindurch und zogen mich einmal mehr unter sich in die Finsternis. Hustend zwang mein Körper das überschüssige Wasser heraus. Wieder und Wieder. Irgendwann wurden die Anfälle so schwer, dass ich mich übergeben musste. Sie hatten geschimpft und sich geekelt, doch ich war zu kraftlos gewesen als dem auch nur einen Gedanken zu schenken. Sobald ich anfing zu blinzeln, hatten sie die Ketten wieder angelegt. Nun als ich wieder halbwegs klardenken konnte und die permanenten Schmerzen meines Körpers spürte, wusste ich warum sie sie mir abgenommen hatten. Und ich war ihnen verdammt dankbar dafür. Nicht nur meine Bestie wurde durch die Ketten in Zaum gehalten, sondern auch meine Selbstheilungskräfte. Seitdem sie meine Knöchel erneut umschlossen, hatte sich mein Zustand nur langsam gebessert. Mein Hals kratzte und brannte noch immer, meine Rippen stachen mir ins Fleisch. Ich vermutete, dass mir der Lykae eine oder vielleicht auch mehrere, bei dem Versuch mich zu retten, gebrochen hatte. Mein Kopf hämmerte in einen unablässigen Rhythmus, sodass ich kraftlos auf dem Boden lag.
Nun hielt mich einer der Lykae hoch. Ich glaube es war einer namens Nelson, aber sicher war ich mir nicht.
„Kein Essen, Prinzessin?", fragte Edward als ich mich erneut weigerte mich von ihm füttern zu lassen. Zwar roch ich dem Essen keine weiteren Substanzen an, aber ich konnte nicht sicher sein, dass auch tatsächlich keine enthalten waren. Der Geruch des Essens könnte möglicherweise den Geruch irgendeines Gifts oder Betäubungsmittels überdecken. Dieses Risiko konnte ich nicht eingehen, ich war zu angeschlagen und traute ihnen nicht über den Weg. Nach der Folterstunde mit Killian erst Recht nicht. Wer wusste schon was er in das Essen gemischt hatte. Ich hatte nicht vor zu sterben, weder noch einmal diesen kurzfristigen Tod, bei dem unser Herz stillstand noch den Ewigen. Ich hatte Maxim das Versprechen gegeben, dass ich hier wieder heilheraus kam.
„Wasser?", fragte Edward seufzend als er erkannte, dass ich nicht nachgeben würde und hielt eine Flasche Wasser hoch. Ich nickte. Wasser hatte keinen Geruch, deshalb war die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas hinein mischten geringer. Es hätte geruchlos sein müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich ein geruchloses Mittel gab, dass mich außer Gefecht setzen konnte, war unwahrscheinlich. Jedoch fürchtete ich trotz allem jeden Schluck, den ich tat. Ich fürchtete noch mehr Schmerzen oder einen weiteren Herzstillstand. Ob sie auch dieses Mal so schlau wären mir die Ketten abzunehmen? Ich wusste nicht, ob wir für längere Zeit Tod sein konnten oder nicht. Ich wollte dies auch nicht testen.
Edward schraubte die Flasche auf und hielt sie mir unter die Nase. Zögerlich roch ich daran und nickte dann. Geschickt hielt er sie mir an die Lippen und neigte sie dann langsam. Die ersten Schlucke nahm ich trotzdem nur zögerlich zu mir und bewachte jedes kleinste Signal meines Körpers. Als ich kein seltsames, schmerzhaftes Ziehen oder ein anderes Warnsignal verspürte, trank ich nach wie vor langsam weiter. Ich hatte erst einmal genug von Wasser, trotzdem verlangte mein Körper danach. Die Erinnerung des Erstickens, des Ertrinkens war noch zu nah. Mein Oberteil war noch nass, die Haare zum Teil ebenfalls. Ich fror dank meines angegriffenen Zustands in dem Keller.
„Du solltest kooperativer sein, wenn Walker kommt.", warnte Nelson oder wer auch immer mich als er aufstand, um zu gehen.
„Wann kommt er denn?", fragte ich mit schwacher, krächzender Stimme. Ich lag wieder auf dem Boden, alles andere war zu anstrengend. Ich wusste nicht genau wie lange ich hier war. Es musste mehr als ein Tag sein, vielleicht sogar zwei oder mehr. Ich war mir nicht ganz sicher, denn zwischenzeitlich hatte mein Körper sich von einem Tod regeneriert. Wer wusste schon, wie lange er dafür gebraucht hatte?
Seitdem Vorfall ließen sie mich größtenteils in Ruhe. Killian ließen sie nicht mehr in meine Nähe, dass hatte Amanda mir persönlich versichert und ich vertraute ihr seltsamerweise. Wenn meine mitgenommenen Sinne sich nicht irrten, hatte sie das gesamte Haus zusammengeschrien als sie von den Geschehnissen erfuhr. In regelmäßigen Abständen brachten sie mir Wasser und Essen.
„In ein paar Stunden.", antwortet mir Edward nach einigen stillen Sekunden. Dann sah ich nur noch ihre Rücken, bis auch diese aus meinem Blickfeld verschwanden.
Ich wurde durch einen Tritt in meinen Mangen wach. Vor Schmerzen stöhnte ich auf und musste einige Male blinzeln, um die große Gestalt in dem diesigen Licht auszumachen. „Wenn du dich in solchen Räumen versteckst, kann das nichts mit der gesunden Sonnenbräune werden.", brachte ich dann über meine spröden Lippen.
„So gesprächig, Cori.", stellte er fest. „Mir wurde berichtete, dass du äußerst Wortkarg bist."
„Ich rede halt nicht mit jedermann.", gab ich zurück. „Außerdem dürfen mich nur meine Freunde Cori nennen. Du gehörst aus nachvollziehbaren Gründen nicht dazu.", setzte ich noch taffer, als ich mich in eben diesem Moment fühlte, zurück. Walker lachte überraschenderweise. Verwirrt musterte ich ihn und versuchte ihn einzuschätzen. Seit der letzten Begegnung hatte er sich verändert. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn.
„Dass ich deinen Bruder umbringen werde, darfst du nicht persönlich nehmen." , meinte er lässig. Ich schnaubte. Meinen Bruder umzubringen würde mit Sicherheit nicht so leicht werden wie Walker sich dies ausmalte.
„Ich tue es aber." Mühselig rappelte ich mich auf. Mit der Hand leicht gegen seinen rechten Oberschenkel schlagend, wartete Walker bis ich es geschafft hatte. Ein nervöser Tick? Wachsam versuchte ich alles von ihm aufzunehmen. Jede kleinste Geste konnte mir als Hinweis dienen.
Als Erwiderung zuckte er lediglich mit den Schultern, um seine Mundwinkel zuckte es abfällig. Er hatte genug von der Plänkelei. Schön. Ich hatte auch genug, um genau zu sein, hatte ich mein Ziel sogar erreicht. Walker war da. Nun musste ich nur noch warten bis die anderen mich holen und Walker in Gewahrsam nehmen würden. Dieser Plan klang in meinen eigenen Ohren auf einmal furchtbar naiv und leichtsinnig. Würde es wirklich so leicht werden? Das Haus wimmelte nur so von Lykae, Walker war nicht dumm und Killian war auch noch da. Zwar schienen sie den Peilsender oberhalb meiner Hüfte nicht entdeckt zu haben, aber wer wusste wie viele Lykae oben auf einen möglichen Angriff warteten und dementsprechend vorbereitete waren. Nicht einmal ich, war mir über die genaue Anzahl sicher.
„Es wird Zeit, dass du einen Anruf tätigst.", riss mich Walkers ausdruckslose Stimme aus meinen Gedanken. Mein Blick viel wieder auf ihn. Er war wahrscheinlich ein wenig kleiner als ich, so blass das es beinahe kränklich wirkte, muskelbepackt und dunkelhaarig. Ich blieb stumm. Diesen Anruf, den er von mir verlangte, würde ich nicht tätigen.
Vorsichtig lehnte ich mich an der Wand zurück und ließ ihn nicht aus den Augen. Sein Gesicht hätte das Cover von Zeitschriften zieren können. Es war kantig, die Nase groß und gerade, die Augen dunkel. Walker war mir nicht nah genug, um dass ich die Farbe hätte erkennen können, aber ich meinte mich zu erinnern, dass sie so dunkel waren, dass ich mir nicht sicher war, ob es grau oder doch braun war.
Walker zog die Brauen zusammen, sodass sich eine tiefe Linie zwischen seinen Brauen bildete und auch seine Stirn sich in Falten legte. Um seinen Mund erkannte ich einen entschlossenen, böswilligen Zug. Seine zusammengekniffenen Augen warnten mich vor Widerworten. „Du wirst diesen Anruf tätigen!", drohte er ungehaltener. Seine Stimme wurde nur um wenige Nuancen lauter, während seine Haltung drohender wurde. Mit Überraschung erkannte ich, dass ich nicht in der Lage war Walker einzuschätzen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was er tun würde um mir seinen Willen aufzwingen. Er hatte mich getreten, um mich zu wecken, hielt nun aber Abstand und zeigte keine offensichtliche Gewaltbereitschaft. Einzig seinen drohend vorgebeugten Oberkörper, der mich im Sitzen um Längen überragte, sollte mir ein Gefühl der Unterlegenheit vermitteln. Ich kniff die Augen zusammen, während meine Gedanken sich überschlugen. Andererseits hatte Walker auch nicht die Stimme erhoben, meist ein Zeichen, dass der Sprecher sich wohlfühlte und sich seiner selbst sicher war. Dennoch widersprach seine Drohung und auch seine Haltung dieser Erkenntnis. Ein von sich und seinen Handlungen überzeugter Mensch musste niemandem drohen, da er davon ausging, dass seine Pläne aufgehen würden.
„Die Nummer deines Bruders!", verlangte er dann und richtete sich wieder gerade auf. „Du hast uns monatelang ausspioniert und weißt nicht einmal Logans Nummer?", fragte ich ehrlich verblüfft, danach wurde ich gehässig. Es sprach nicht von großer Intelligenz seinen Entführer zu provozieren, aber der Hunger, die Schmerzen und die Angst waren meines Erachtens nach hervorragende Begründungen für meine nächsten Worte. „Du bist ja eine richtige Intelligenzbestie. Wie willst du jemals in der Lage sein die Lykae zu führen, wenn du nicht einmal das auf die Reihe kriegst? Vielleicht solltest du das Denken deiner Gefährtin überlassen, die schien mir mehr Verstand zu haben." Als ich sah wie Walkers Gesicht sich verzog, wusste ich, dass ich meinen Finger in eine offene Wunde gedrückt hatte. Was genau an meinen Worten ihn so reizte, wusste ich nicht. Vielleicht die Tatsache, dass er die Nummer meines Bruders tatsächlich nicht hatte oder das ich an seinen Führungsqualitäten zweifelte. Vielleicht fühlte er sich seiner Gefährtin, was die geistigen Fähigkeiten anbelangte, tatsächlich unterlegen oder es waren die Zweifel, die Amanda an seinen Vorhaben zu besitzen schien. Ich wusste es nicht, aber ich wusste, dass ich einen Fehler begangen hatte. Einen großen Fehler.
„Weißt du was das Schöne an unserer Unsterblichkeit ist? Ich kann dich foltern so oft und lange ich will, unendlich viele Male kannst du sterben und bist dennoch nicht erlöst." Jetzt wusste ich es. Walker war ein Psychopath. Er würde nicht selbst Gewalt anwenden, sondern er würde zu sehen wie ich litt und um Gnade bettelte. Und was auch immer Walker mit mir vor hatte, ein Blick in sein Gesicht verriet mir, dass ich um Gnade betteln würde.
--------------
Info:
Morgen geht's schon um 17 Uhr los, 18 Uhr und 19 Uhr das nächste. Das letzte Kapitel kommt evtl. 20 Uhr vielleicht aber auch wesentlich später in der Nacht, da ich morgen noch einiges vor hab.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top