EIGHT


Ich konnte nicht glauben, dass sie hier war. Hier in meinem Club. Was hatte sie hier zu suchen? Jede Nacht war ich hier her geflüchtet und hatte versucht sie zu vergessen? Hatte versucht sie aus meinen Gedanken zu verbannen. Dabei hatte ich ein Mal fast eine der Frauen getötet, die mir dabei helfen sollte. Seit dem ich sie gesehen hatte viel es mir schwerer mich selbst zu beherrschen. Alles in mir drängte mich zu ihr zurück. Jede Sekunde in der ich wach war, dachte ich an sie und wenn ich schlief, träumte ich von ihr. Hatte ich am Anfang gedacht, dass es qualvoll und intensiv war, so hatte ich erst, als ich keine frische Duftnote von ihr in Anthonys Büro wahrnahm, begriffen wie schlimm es wirklich um mich stand. Zwei Tage hatte ich mit mir gerungen ehe ich schlussendlich jede noch so kleine Information über sie aus meinen Bruder herausgepresst hatte. Sonderlich viel hatte er nicht gewusst. Jedoch konnte er mich damit beruhigen, dass er mir verriet, wenn er mit ihr telefoniert hatte und mir glaubhaft versicherte, dass sie gut klang. Ich wusste nicht warum es mir so wichtig war, dass es ihr gut ging. Ich kannte sie nicht! Trotzdem wollte ich alles von ihr wissen, wollte sie kennen und wollte am liebsten die ganze Zeit bei ihr sein. Wir hatten noch nicht einmal ein Wort miteinander gewechselt und ich war so besessen von der Frau wie noch nie zuvor in meinem Leben von irgendetwas. Ich fragte mich, was sie mit mir gemacht hatte, dass sie mich so außer Konzept brachte. Oder wer sie war? Vielleicht war sie ja meine Strafe dafür, dass ich dieses Monster war und meinem Dasein immer noch kein Ende bereitet hatte. Was wäre qualvoller als ein Geschenk des Himmels, das einen präsentiert wurde und man trotzdem wusste, dass man nie mehr haben könnte, als den Anblick. Und so kam sie mir vor. Ein Geschenk des Himmels, unheimlich kostbar -auch wenn ich nichts von ihr wusste, so sagte mir mein Instinkt doch, dass sie das wertvollste war, was es auf dieser Welt gab- und unerreichbar. Denn auch wenn sich alles in mir nach ihr und ihrer Nähe verzehrt, mich das Verlangen mit ihr zu reden, sie zu berühren, ja sie zu Mein zu machen nahezu in den Wahnsinn trieb, so war mir ihr Wohlergehen und ihr Glück doch wichtiger als meine eigenen Bedürfnisse. Trotzdem hatte ich es nicht lassen können, herauszufinden wo sie wohnte. Die Unwissenheit hatte mich in den Wahnsinn getrieben, also hatte ich die Unterlage meines Bruder durchsucht, er würde mich dafür würgen, sollte er jemals davon erfahren, und war tatsächlich fündig geworden. Es verstand sich von selbst, dass ich zu der Adresse gegangen war und sie heimlich von Weitem beobachtet hatte. Jedes Mal hatte ich mich auf dem gegenüberliegenden Dach niedergelassen und ihr einfach nur zu gesehen. Dabei hatte ich festgestellt, dass sie mit drei dieser Muskelprotze in einer Wohnung lebte. Dabei war auch eine Frau. Sie war wie ich aus Anthonys Unterlagen wusste mit den dritten Muskelprotz verheiratet. Wie die anderen beiden zu der rothaarigen Schönheit standen wusste ich immer noch nicht. Ich war mir ja noch nicht einmal sicher, ob sie freiwillig bei ihnen war oder ob sie Corinne gefangen hielten. Sie durfte keinen Schritt ohne die drei machen. Niemals. Oftmals schienen genau aus diesem Grund die Fetzten zu fliegen. Leider verstand ich sie nicht, da ich zu weit weg war. Aber ich hatte beschlossen herauszufinden, was es mit Corinne und ihren Wachhunden auf sich hatte. Sollten sie sie wirklich gefangen halten, würde ich sie retten und ihr ein besseres Leben ermöglichen. Selbstverständlich ohne mich.

Mittlerweile war ich mir auch ziemlich sicher, dass alle fünf, Corinne, die Frau und auch die drei Männer, keine normalen Menschen waren. Während die Frau und ihr Mann stundenlang vor den PC verbrachten schweiften die zwei anderen Männer unruhig durch die Wohnung und gingen nur raus um Corinne zu begleiten. Dabei behielten sie wachsam die Umgebung im Auge. An ihren Bewegungen und ihrer Haltung erkannte ich, dass sie darin ausgebildet waren und wussten was sie taten. Bei einem von ihnen hatte ich sogar eine Waffe entdeckt. Außerdem kannten sie scheinbar alle fünf das Wörtchen "Schlaf" nicht. Jede Nacht, wenn ich sie beobachtete, waren sie alle am arbeiten. Corinne telefonierte häufig oder sah den beiden an ihren Rechnern über die Schulter. Die anderen beiden diskutierten auf dem Balkon und behielten die Leute im Blick. Ich musste immer extrem vorsichtig sein, da sie mich schon ein paar Mal fast entdeckt hatten. Sie waren wirklich gut.

Als nun mein Blick über Corinne glitt konnte ich nicht anders als sie zu bewundern. Sie hatte sich nicht so knapp gekleidet wie die meisten hier anwesenden Frauen, auch wenn es mir besser gefallen würde, wenn nicht jeder sie in diesem Outfit sehen könnte. Es zeigte denn noch zu viel ihrer leicht von der Sonne gebräunten Haut. Kurz glitt mein Blick durch die Reihen. Leise knurrte ich und unterdrückte den Drang meine Fänge zu zeigen. Es gab genug Männer die sie anstarrten, dabei gehörte sie mir. Verdammt. So durfte ich nicht denken, machte ich mir klar. Trotzdem sah ich wieder zu ihr. Als unser Blick sich traf, blieb die Welt erneut stehen. Meine. Warum waren wir uns nicht zehn Jahre zuvor begegnet? Ich war mir sicher, dass ich für sie alles aufgegeben hätte. Ohne zu zögern hätte ich dem Militär den Rücken gekehrt nur um bei ihr zu sein, hätte nicht an dieser selbstmörderischen Mission teilgenommen, stattdessen hätte ich alles getan um sie zur glücklichsten Frau der Welt zu machen. Ich wäre nicht zu diesem Monster geworden, sondern hätte sie, in einem weißen Kleid, vor unseren Gästen zu meiner Frau gemacht.

Mit Mühe riss ich mich von ihr los und wandte mich ab. Ich spürte die Last ihrer Augen in meinen Rücken als ich mir rücksichtslos einen Weg durch die Menschen bahnte. Es tat weh, ihr bewusst den Rücken zu zukehren. Doch zu ihrer eigenen Sicherheit musste ich es tun. Ich war ein Monster und ich würde immer eins bleiben.

Eigentlich sollte ich sofort aus dem Club verschwinden und Mal wieder in einem anderen gehen, um mir Nahrung zu beschaffen, aber ich konnte es nicht. Wenn ich so schon nicht bei ihr sein konnte, so konnte ich sie wenigstens jetzt beobachten. Etwas näher als sonst, könnte ich vielleicht noch einmal den Hauch ihres Dufts auffangen oder ihre Stimme hören. Also ging ich den Weg zu der VIP-Lounge nach oben. Selten nutzte ich dieses Recht. Um meinen Bluthunger zu stillen, war die große Tanzfläche besser, da die Gefahr geringer war, dass es jemand mitbekam, dass es einem der Mädchen kurz nachdem sie mit mir verschwunden waren nicht so gut ging.

Ich lehnte mich an das Geländer und fand Corinne immer noch an der Bar vor. Dieses Mal saß sie jedoch auf einen der Barhocker und hatte der Tanzfläche den Rücken zugekehrt. Als ich bemerkte mit wem oder viel mehr mit was sie sich unterhielt, konnte ich nicht verhindern, dass ein wütendes Zischen meinen Mund verließ. Was machte sie da unten mit einem Vampir? Ich hielt mich doch nicht extra von ihr fern, damit sie dann von einem anderen Blutsauger in Gefahr gebracht wurde. Wo waren ihre dämlichen Muskelprotze, wenn sie wirklich einmal gebraucht wurden? Nicht, dass ich der Meinung war, dass sie viel gegen die Vampirin ausrichten könnten, aber sie würden wahrscheinlich jeden anderen von ihr fernhalten. Aufmerksam sah ich mich um. Doch ich konnten keinen von ihnen entdecken und das lag nicht an dem Nebel, den wirr umher schweifenden Neonlichtern oder dem Rauch. Es war einfach keiner ihrer Wachhunde anwesend. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie Corinne allein in diesen Club lassen würden. Sie musste ihnen abgehauen sein. War Corinne wirklich so unvernünftig, dass sie allein in einem Club ging? Wusste sie nicht was ihr alles dabei passieren konnte? Verdammt! Zumindest hatte ich jetzt eine gute Ausrede um hier bei ihr zu bleiben und sie nicht aus den Augen zulassen. Immerhin musste irgendwer auf sie aufpassen.

Ich musterte die Frau neben ihr. Nicht groß und auch nicht klein, eine durchschnittliche Figur, braune wellige Haare und ein Hauttyp, der schnell Braun werden würde. Ich hatte sie noch nie hier gesehen. Mein Blick glitt prüfend über ihre Kleidung. Ebenso wie Corinne trug auch sie mehr als in diesem Club oder jedem anderen üblich war. Ein schwarzes Kleid, dass mit einer goldenen Kette um ihre Taille enger gerafft wurde, kniehohe Stiefeln mit goldenen Absätzen, selbst in ihren Haaren trug sie goldene Stäbchen. Sie stand scheinbar auf schwarz und gold. Als die Vampirin sich nach vorn beugte, bemerkte ich wir ihr Kleid zwischen ihren Schulterblättern einen Gegenstand schwach nach formte. Es war nur für eine halbe Sekunde und trotzdem wusste ich es. Die Vampirin war bewaffnet. Mir lief ein kleiner Schauer über den Rücken. Mir war nicht wohl bei den Gedanken, dass Corinne sich in der Nähe eines solchen Monsters aufhielt. Trotzdem zögerte ich. Corinne und die Vampirin wirkten vertraut miteinander und diskutierten anscheinend heftig. Die Brünette machte nicht den Eindruck als wollte sie ihren gegenüber etwas böses. Ich würde abwarten und das Ganze beobachten.

Einer der Kellner brachte mir meinen Drink ohne das ich etwas hätte sagen müssen. Die Frauen ließen mich in Ruhe, da sie meist nur mit Begleitung hier hoch kamen. Sollte sich doch eine von ihnen in meine Nähe verirren, reichte ein Blick meinerseits und sie änderten schnell die Richtung.

Tatsächlich war ich mir nach einer guten Stunde, die ich die beiden nun beobachtete, sicher: Die beiden hatten sich schon zuvor gekannt. Zwar berührten sie einander äußerst selten, was Menschen wie auch Vampire gern taten, doch die Art und Weise wie sie gestikulierten, sich ansahen oder eben nicht ansahen, verriet dass sie sich kannten und gegenseitig respektierten. Mittlerweile war ich mir auch sehr sicher, dass die brünette Vampiren Corinne nichts tun würde. Schon wieder brachte der Barkeeper den beiden zwei neue volle Schnapsgläser. Das war sicherlich schon das siebte oder acht. Zwischendurch hatten beide einen Cocktail getrunken. Vampire vertrugen bekanntlich gut, dass konnte ich aus eigener Erfahrung bestätigen, aber Corinne...?

Trotz des erheblichen Alkoholkonsums redeten beide Frauen nach wie vor mit ernsten Gesichtern aufeinander ein. Worüber sprachen die beiden nur? Sicherlich nicht über das schöne Wetter. Was konnte so wichtig sein, dass die Vampirin sich so ernst mit Corinne unterhielt? Ich hatte festgestellt, dass Vampire scheinbar lieber unter ihres gleichen blieben. Außer um Nahrung zu sich zu nehmen oder für ein paar Dienstleistungen gaben sich die meisten Vampire nicht mit Menschen ab. Aber vielleicht hatte ich auch Recht und Corinne war kein Mensch. Aber eine Vampirin war sie auch nicht. Da war ich mir ziemlich sicher. Ich wusste instinktiv immer, wen ich einen vor mir hatte. Was zum Teufel war sie also? Immer noch wusste ich viel zu wenig über die rothaarige Schönheit.

Ich nippte an meinem dritten Drink als ich bemerkte wie ein weißblonder Vampir sich auf die beiden zu schob. Wieder einmal fletschte ich die Zähne, doch dieses Mal überlegte ich auch, ob ich einfach runterspringen und zu ihren Schutz eilen sollte. Ich war dem weißbloden Vampir schon öfters begegnet als mir lieb war. Nicht selten tötete er seine Blutspenderin. Ich jagte ihm nun schon seit zwei Monaten hinterher, doch er hatte die unerklärliche Gabe mit einem Blinzeln vom Erdboden zu verschwinden, sodass er mir immer wieder entkommen war. Der Gedanke dass er sich nun an meinem wunderschönen rothaarigen Engel vergehen wollte, ließ mir die Galle hochsteigen und unkontrolliert Wut in mir wachsen. Das Glas zersprang in meiner Hand während das Metallgeländer, das meine andere umklammerte, eine neue Form einnahm. Niemand bemerkte es. Die Musik war zu laut. Das Licht zu schwammig, der Alkoholpegel bei den meisten schon viel zu hoch. Gut so.

Kurz davor mich über das Geländer zu schwingen, beobachtete ich etwas Ungewöhnliches. Der Vampir sprach die beiden an. Corinnes Haltung wurde starr ehe sie sich mit einem Blick, der pure Überlegenheit und Verachtung ausdrückte, umwandte. Ich wusste nicht was sie zu ihm sagte, doch es ließ den sonst so großspurigen Vampir schlucken. Die Vampirin neben Corinne trank noch ihr Glas leer ehe auch sie sich dem Vampir zu wandte. Kaum das er ihr Gesicht sah, riss er die Augen auf, erstarrte. Im Gegensatz zu mir schien er die brünette Vampirin zu kennen. Kein Wunder, ich hielt mich von anderen Vampiren fern. Kurz nach meiner Verwandlung als ich versuchte zu verstehen wer und was ich war, hatte ich auf Unterstützung von meines gleichen gehofft. Schnell hatte ich begriffen, dass ich einen Bogen um andere Vampire machen sollte. Zwei der Vampire auf die ich damals traf, hatten versucht mich umzubringen, der andere wollte mich zu seinem Sklaven machen. Danach hatte ich keinen weiteren Versuch unternommen und mich irgendwie durchs Leben geschlagen. Seitdem jedoch, hatte ich eine Regel: Meide jegliche Vampire. Ich hielt mich strickt an diese Regel, außer ich bemerkte, dass ein Vampir den Menschen schadete, sowie der Weißblonde, dann jagte ich sie und brachte sie zur Strecke. Nicht immer eine leichte Aufgabe, da es scheinbar noch einige Dinge gab, die ich über mich selbst als Vampir zu lernen hatte.

Die Vampirin sagte etwas und dann warf sie sich auf den Vampir vor sich. Beide verschwanden im Nichts. Corinne verdrehte die Augen. Ihr Mund bewegte sich, als würde sie etwas vor sich hin murmeln. Prüfend ließ sie ihren Blick umher schweifen, um herauszufinden wer das Ganze beobachtetet hatte. Tatsächlich hatte es der ein oder andere gesehen. Doch ich war mir sehr sicher, dass sich so gut wie keiner daran erinnern würde, der Rest würde es auf den Alkohol schieben. Schon jetzt wandten sie sich wieder ihren normalen Aktivitäten zu. Corinne zuckte mit den Schultern als sie scheinbar zu dem gleichen Schluss wie ich kam, leerte ihren eigenen Drink und mischte sich dann unter die Tanzenden. Bis gerade eben war ich mir nicht sicher, ob Corinne selbst vielleicht nicht schon zu betrunken war um zu verstehen was davor sich ging, da ihre Reaktion viel zu gelassen auf das Verschwinden der Vampire ausgefallen war. Doch ihre Schritte waren sicher und elegant. Der Alkoholkonsum ließ sie scheinbar völlig unbeeindruckt. Was war sie? Und noch viel wichtiger, was wusste sie?

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#Meinungen?


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