TWENTYFOUR
-Sarah-
"Ach, habt ihr's doch noch nach unten geschafft?" Stichelte Ash mit einem frechen Grinsen, während sie ein Stück des selbst gebackenem Brotes in die Soße tauchte. Verlegen sah ich zu Boden. Auch wenn sich wahrscheinlich jeder an dem Tisch denken konnte was wir getan hatten, so hoffte ich doch, dass sie nichts davon mitbekommen hatten. Logan strich beruhigend mit seinen Daumen über meinem Handrücken. Eigentlich hatten wir gar nicht mehr herunterkommen wollen. Doch als mein Magen knurrend nach Essen verlangte, konnte ich Logan nicht dazu überreden es einfach zu ignorieren. "Hallo ich bin Julius. Wir haben telefoniert." Erhob sich Julius vom Tisch und stellte sich nach einem kurzem strafendem Blick zu seiner Schwester vor. Logan reichte ihm die Hand. Auch die anderen stellten sich kurz vor. Louisa nickte ihm nur höfflich zu. Immer mehr stellte sich mir die Frage wie Logan hier her kam, wenn sie sich gar nicht kannten. Wir setzten uns auf die letzten zwei freien Stühle zwischen Louisa und Rio. Wenn ich mich nicht irrte, hatte ich ihn schon einmal bei der Silvesterparty gesehen. Kaum das wir saßen, wurde die Unterhaltung, die wir mit unserem Erscheinen unterbrochen hatten, fortgeführt. Die Atmosphäre war entspannt und ausgelassen. Das war das erste Mal seit langem, dass ich das Essen wieder genoss -nicht das ich Ashs Kochkünste nicht vorher schon geschätzt hätte- und aus ganzem Herzen lachte. Nachdem Essen hatte Logan seinen Arm locker auf meine Stuhllehne gelegt, während ich näher an ihn herangerutscht war und nun an ihm lehnte.
Selbst Louisa war noch bei uns und lauschte stumm unserer Unterhaltung, die locker dahin lief. "Kommt ihr dann Samstag mit Boldern?" Fragte Nico.
"Was ist das?" Fragte Logan. Nachdenklich betrachtete ich Julius. Konnte es sein, dass er gerade ein wenig blass geworden war?
"Sarah liebt es." Mischte sich Ash ein, während sie ihren Bruder verschmitzt angrinste.
"Dann hat sich die Frage wohl erledigt." Lachte Kai und die anderen stimmten mit ein. Kurz versteckte ich mein Gesicht an Logans Brust. Sie zogen Logan und mich schon den ganzen Abend damit auf, dass wir beide total 'liebeskrank' waren, wie sie es nannten. Logan's Finger strichen leicht über mein Schlüsselbein und ein kleiner Schauer überlief mich. "Soll ich dich nachhause fahren?" Fragte Ash irgendwann, nach einem kurzen Blick auf die Uhr. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche um selbst einen Blick auf die Uhr zu werfen. Ups. Es war kurz vor Mitternacht. Ich hatte ewig viele Whatsapp Nachrichten, die ich genauso wie den Rest ignorierte. Geknickt sah ich auf. Ich wollte gar nicht in die WG, viel lieber wollte ich hier bei Logan bleiben. Jedoch hatte ich keine Wahl. Die Unterlagen, die ich morgen brauchte hatte ich nicht dabei und auch keine Kleidung oder sonstiges.
"Das wäre super!" Bestätigte ich nicht besonders motiviert. Sofort rutschte Logans Arm von der Stuhllehne und legte sich besitzergreifend um meine Taille. "Ich komme mit." Bestimmte Logan entschlossen. Seine Ton erstickte schon vorher jeden Widerspruch in Keim.
Trotzdem fühlte ich mich verpflichtet zu sagen: "Bei mir ist aber wirklich nicht viel Platz."
Er hauchte mir einen Kuss auf mein Haar und murmelte dann an meinem Ohr: "Ich lass dich nicht mehr aus den Augen."
Ich konnte mir ein glückliches Lächeln nicht verkneifen. Mir taten sogar schon die Wangen vom vielen Grinsen weh, aber das war mir recht. Ich bemerkte wie Kai irgendetwas sagen wollte, doch Logan winkte ab. Kai nickte. Männer.
Keine zehn Minuten später saßen wir bei Ash im Auto. Logan und ich saßen zusammen auf der Rückbank. Natürlich dicht aneinander gekuschelt. Die Fahrt bis zu der WG dauerte nur ein paar Minuten. Logan nahm seine und meine Sachen, während ich mich von Ash verabschiedete.
Herzlich drückte ich die Blondine an mich. "Danke, Ash. Ich weiß nicht wie du das gemacht hast, aber danke."
Ash lächelt mich in einer seltsamen Mischung zwischen glücklich und traurig an. "Alles okay?"
"Genieße erst einmal, dass du ihn wieder hast. Darüber können wir später noch reden."
Sie wollte wieder in das Auto steigen, doch ich hielt sie auf. "Ich hab morgen um viertel eins Mittagspause. Treffen wir uns beim Italiener?" Bot ich ihr an.
"Willst du nicht mit Logan ..." setzte sie an, doch ich unterbrach sie.
"Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich dich links liegen lasse wegen einen Typen? Selbst wenn dieser Typ Logan ist." mein Blick huschte kurz zu Logan. Geduldig wartete er auf der anderen Seite des Autos um uns ein wenig Raum zu geben.
"Du bist die Beste."
Ich verdrehte die Augen mit einem kleinen Lächeln. "Du verwechselt da was. Das bist du. Bis morgen."
"Bis nachher." korrigierte mich Ash lachend und ließ die Tür zufallen ehe sie davon brauste.
Ich wandte mich wieder Logan zu. Nachdem ich aufgeschlossen hatte, betraten wir beide die WG.
"Du wohnst hier zusammen mit Männern?" Knurrte er als allererstes, mehr eine Feststellung als eine Frage. Dass er damit ganz und gar nicht zufrieden war stand außer Frage. Ich verdrehte die Augen. Ich war mir nicht sicher, ob Logan generell so besitzergreifend war oder ob es daran lag, dass ihm die Trennung genauso wie mir, zu schaffen gemacht hatte. Sollte das ausarten würden wir unbedingt daran arbeiten müssen. Aber vielleicht sollte ich jetzt auch ganz schnell meine Klappe halten, immerhin war meine Reaktion auf Corinne damals auch leicht bis ziemlich übertrieben gewesen.
"Zur Zeit sind es zwei." Bestätigte ich also, während ich mich fragte, woher er das überhaupt wusste. Doch als ich die Schuhe entdeckte, war die Sache geklärt. Zwischen den riesigen dunklen Männerschuhen standen nur ein paar neonorange Sportschuhe, die zweifelsfrei einer Frau gehören mussten. In diesem Fall mir.
Ich streifte meine Schuhe ab und hing die Jacke an die Garderobe. Logan folgte meinem Beispiel. Gemeinsam schlichen wir die Treppe hinauf. Ein unmögliches Unterfangen. Die Hälfte der Treppenstufen knarrten laut und deutlich, sodass es kein Wunder war als Sam's Tür aufging und er einen neugierigen Blick auf den Flur warf.
"Ich bin's nur."
"Das sehe ich." Stellte er altklug fest. Misstrauisch blickte er zu Logan, der hinter mir aufragte. Sam war relativ groß, dunkelhaarig mit blauen Augen, die er hinter einer Brille versteckte und einem athletischen Körperbau. Wenn er nicht gerade über irgendwelchen Wirtschaftsbüchern hing, spielte er Fußball. Außerdem blockierte er abends meist den Fernseher um irgendwelche Sportsendungen zu sehen. Nicht das es mich stören würde. Ich hatte ohnehin keine Zeit dafür und Lust auch nicht unbedingt. Ich war kein Fan dieser ellenlangen Werbungen.
"Du hast doch niemanden abgeschleppt oder? Egal. Seid einfach leise! Ich lerne gerade für meine Prüfungen!" Und damit verschwand er wieder in seinem Zimmer, bevor Logan, der sich abgespannt hatte, auch nur ein Wort sagen konnte. Ich zuckte mit den Schultern. Bis gerade eben fand ich Sam nicht schlimm. Okay, ich hatte gar keine Meinung zu ihm, weil wir uns kam sahen, aber jetzt fand ich ihn schon irgendwie nervig und unhöflich. In drei Wochen würde er sowieso wieder ausziehen, tröstete ich mich. Er hatte hier nur drei Monate als Untermieter gewohnt. Jannik, der das Zimmer eigentlich mietete, würde dann wiederkommen und mit ihm verstand ich mich ganz gut. Momentan befand Jannik sich jedoch in seiner vorletzten Praxisphase.
"Das war einer meiner Mitbewohner." Erklärte ich dann Logan auf Englisch, sowie schon die ganze Zeit zuvor. Nur die Unterhaltung mit Sam, wenn man es so nennen wollte, war auf Deutsch gewesen. "Aber die musst du nicht wirklich Kennenlernen. Mehr als ihren Namen und das sie irgendetwas mit Wirtschaft studieren weiß ich selbst auch nicht."
Verwundert zog Logan die Brauen hoch. "Ihr wohnt doch in einem Haus?!"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ja, aber sie sind nur für drei Monate hier, jeder macht sein eigenes Ding und danach sehen wir uns vielleicht mal auf einer Party, aber mehr nicht. Meistens bin ich auch gar nicht da, weil ich wesentlich mehr Uni hab als die zwei oder sie sind nicht da, weil sie gar keine Uni haben und nachhause gefahren sind."
Als Logan mein Zimmer betrat, blieb er kurz nach der Türschwelle stehen. Mein Zimmer war bestimmt nicht größer als neun Quadratmeter. Es war etwas mehr als zwei Meter breit und dann gut vier Meter in die Länge gezogen. Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein Schrank, mehr passte gar nicht rein. "Ich hab dir gesagt, dass es nicht groß ist." Erinnerte ich ihn, als Logans Blick skeptisch durch den Raum glitt.
"Stört dich das nicht?" Fragte er.
"Es gibt schlimmeres. Außerdem hab ich noch einem Balkon und die Aussicht ist wirklich ganz nett."
~+~+~+~
Es viel mir schwer Sarah auch nur für ein paar Minuten allein zu lassen. Während ich im Bad war, lauschte ich die ganze Zeit auf die leisen Geräusche, die aus ihrem Zimmer kamen. Sie packte irgendwelche Sachen für die Uni zusammen. Ich wollte gar nicht daran denken, dass ich sie für mehrere Stunden allein lassen müsste und als würde das nicht reichen, hatte ich heute festgestellt, dass in ihrem Kurs fast nur Männer waren. Das allein dieser Gedanke reichte um meinen Wolf an die Oberfläche zu treiben, war nicht weiter verwunderlich. Als ich in ihr Zimmer zurück kam, verschwand Sarah selbst kurz im Bad. Noch einmal ließ ich meinen Blick durch den winzigen Raum gleiten. Ich verstand nicht wie sie hier leben konnte. Das würde ich ändern. Definitiv. Das Zimmer hatte nicht einmal den Namen 'Zimmer' verdient. Der Platz war so begrenzt, dass man nicht einmal den Schrank vollständig öffnen konnte, da man dann an den Schreibtisch stieß. Während sie morgen in der Uni war, würde ich genügend Zeit haben um mir darüber einen Kopf zu machen. Eigentlich hatte ich Sarah davon überzeugen wollen mit mir nach Australien zu kommen. Doch mittlerweile wusste ich, dass es nicht in Frage kam. Sie liebte ihr Leben hier. Während und nach dem Essen hatten wir die verschiedensten Themen angesprochen. Selbst wenn sie bereit wäre ihr Studium auf zugeben, so war da immer noch etwas, was ich ihr nicht einfach nehmen und irgendwie ersetzten konnte. Auf ihren Schreibtisch stand ein Bild mit ihrer ganzen Familie. Selbst ihre Großeltern waren mit darauf. An der Wand hing eine Collage, die sie mit ihrer Schwester, Eltern, Freunden und was weiß ich noch alles zeigte. Am Kalender war ein fetter roter Kringel um das nächste Wochenende gemacht wurden, darin stand 'Heimat'. Mein Deutsch war mittlerweile gut genug um das ich wusste was das Wort bedeutete. Auch die Freunde, die sie hier hatte, waren ihr unheimlich wichtig. Ganz besonders Ash, wie ich schnell bemerkt hatte.
Ich konnte ihre Familie und Freunde nicht einfach nach Australien schaffen. Außerdem waren sie im Gegensatz zu mir, und hoffentlich sehr bald auch Sarah, sterblich. Sarah würde also nur eine begrenzte Zeit mit ihnen verbringen können. Es würde zwar nicht leicht werden, aber ich würde nach Deutschland ziehen müssen. Das größte Problem an der Sache war mein Rudel. Wie sollten gut tausend Lykae umziehen ohne großes Aufsehen zu erregen? Ich wusste es nicht. Vielleicht hatte Corinne oder Finn eine Idee, aber momentan schien es darauf hinauszulaufen das ich pendeln würde. Allein die Vorstellung des ständigen Fliegens war mir zu tiefst zu wieder. Sarah kam in einem weiten Shirt und einfachen Shorts ins Zimmer zurück. Das Bett war so schmal, dass wir uns dicht aneinander kuscheln mussten um überhaupt alle beide hereinzupassen. Ich hatte natürlich nichts dagegen. Einen Arm schlang ich um ihre Taille und ließ meine Hand auf ihren Bauch liegen. Sie legte ihren Kopf auf meiner Brust ab, ihr einer Arm legte sich quer über meinen Bauch. "Guten Nacht!" Murmelte sie leise.
"Guten Nacht!"
Es dauert nicht lange ehe Sarah eingeschlafen ist. Sie murmelte irgendetwas und dann legte sie besitzergreifend ein Bein über meine Beine. Ich grinse breit in die Dunkelheit hinein. Auch wenn ich selbst todmüde bin, hatte ich Angst davor einzuschlafen. Ich, der vor nichts Angst hat, traute sich nicht die Augen zu zumachen. Aber die Angst, dass sie am morgen nicht mehr da sein würde, war einfach zu groß.
Ich genoss es einfach nur sie wieder in meinen Armen zu halten, durch ihre Haare zu streichen. Ihre Haut an meiner zu spüren. Ihren Leiden gleichmäßigen Atem zu lauschen. Einfach das sie bei mir war.
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