twentyseven

Ein mega extra langes Kapitel!! Viel Spaß beim Lesen :D

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-Anja-

Nachdenklich starrte ich auf die Verpackungen vor mir. Sollte ich meine Haare richtig hell machen -und mit richtig hell, meinte ich blond- oder sollte ich es doch lieber nur bei einem rötlichen Schimmer belassen? Kritisch hielt ich mir eine Strähne meines eigenen Haares vor die Nase und betrachtete es. Schließlich beschloss ich die Finger von dem hellen Zeug zu lassen. Außer das ich meine schönen Haare damit schädigen würde, versprach es sonst keinen Erfolg. Meine Haare hatten von Natur aus nun einmal einen tiefschwarzen Ton, ehe ich sie blond hatte, war mir die Hälfte wahrscheinlich schon ausgefallen. Das wollte ich nicht versuchen. Meinen Kundinnen redete ich es schließlich auch immer aus.
"Anja!" Rief eine glockenhelle, liebliche Stimme durch den Laden und ich riss den Kopf erschrocken nach oben. Im nächsten Moment taumelte ich zwei Schritte nach hinten, da sich eine blondlockige Kinderprinzessin auf mich geschmissen hatte und mich mit erstaunlich viel Kraft umarmte. Ich brauchte erst einmal ein paar Sekunden um zu realisieren was geschah, während sie schon den ersten Redeschwall über mich niedersausen ließ. "Gott, ich hab dich so vermisst! Wie geht es dir? Willst du dir die Haare färben? Dabei sind sie so schön!" Jammerte sie und löste sich langsam von mir. Mit ihren Händen griff sie nach meinen Händen und hielt sie fest. Sprachlos starrte ich sie an. Wusste nicht, ob ich vor Freude weinen, vor Wut schimpfen oder vor Bewunderung neidisch werden sollte. Gloria war eine unvergleichliche Schönheit geworden. Klein, kleiner noch als ich, zierlich mit einer üppigen Oberweite und dem Gesicht eines Engels. Die strahlenden blauen Augen passten perfekt zu den natürlichen blonden Haaren und der Alabaster gleichen Haut.
Schließlich tat ich etwas ganz anderes. Stumm fuhr ich die vertrauten Gesichtszüge nach und strich ihr eine der blonden, ordentlich in Locken frisierten Strähnen zurück. "Du siehst wie deine Mutter aus." Murmelte ich immer noch überwältigt. Glorias Mutter war durch die Hand von Glorias Vater gestorben. Ein Vampir der Leticia, Glorias Mutter, erst Monate gefangen und missbraucht hatte bis wir sie retten konnten. Nach Glorias Geburt waren die beiden sich auf dem Schlachtfeld wieder begegnet und Leticia hatte sich wegen ihrer Erinnerungen erstarrt nicht einmal gewährt als er ihr Blut aussaugte und ihr dann das Herz herausriss. Viele von uns hatten es mit ansehen müssen und doch hatte ihr niemand helfen können, da wir alle in unseren eigenen Gefechten gefangen waren. Es zählte mit zu einem meiner schlimmsten Erlebnisse in meinem langen Leben, denn Leticia war für mich damals die kleine Schwester gewesen, die ich nie hatte. Juliet war es dann gewesen, die unsere Schwester rächte und den Vampir den Kopf abschlug. Wir drei waren nahezu unzertrennlich gewesen.
"Wirklich?" Fragte Gloria begeistert mit großen Augen. "Ja, irgendwann werde ich dir einmal ein Portrait deiner Mutter zeigen." Versprach ich ihr. In einem alten Gutshaus versteckte ich all meine Schätze, die ich nicht überall mit mir nehmen konnte. Unter anderem auch solche Bilder.
Gloria standen Tränen in den Augen, aber sie lächelte. "Danke, Anja." Und genau diese Worte waren es, die mich zur Vernunft brachten. "Vivien. Wir benutzten nicht unsere richtigen Namen." Tadelte ich sie deshalb streng. "Und wir dürfen nicht solche Aufmerksamkeit erregen wie du es hier getan hast." Fügte ich hinzu in dem Versuch meine Fassung zurück zu erlangen.
Schuldbewusst senkte sie den Kopf. "Ich habe nicht daran gedacht. Du bist seit einer halben Ewigkeit die erste Walküre, die ich wieder sehe." Verriet sie und sah noch immer zu Boden. Ich seufzte leise und zog sie in eine Umarmung. Sie war so herzzerreißend niedlich mit ihren blonden Locken, den pinkfarbenen Schmollmund und ihrem herzförmigen Gesicht, dass sie unweigerlich bei jedem, selbst bei mir, den Beschützerinstinkt weckte. Ich konnte ihr einfach nicht böse sein. Genau wie bei ihrer Mutter. Leticia war die unvernünftigste von uns gewesen und hatte uns ständig in Schwierigkeiten gebracht, trotzdem war sie dem Ärger immer entgangen, da niemand einem Blick in ihr unschuldiges Gesicht standhalten konnte. Aber schlussendlich war es genau das gewesen, was ihr das Leben gekostet hatte.
"Ist ja gut, denk nur einfach daran." Verlangte ich von Gloria und rieb ihr nochmal kurz über den Rücken.
"Was machen wir jetzt eigentlich hier?" Fragte sie neugierig als ich mich wieder meinen Problem mit der Farbe zu wandte. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass wir uns beeilen sollten. Der Zug würde in nicht ganz zehn Minuten weiter fahren. Momentan hatten wir einen Aufenthalt im Bahnhof.
"Rot oder lila?" überging ich ihre Frage. Wir hatten im Zug genügend Zeit um darüber zu reden.
"Nichts von beiden. Du hast so schönes Haar, du brauchst keine Farbe."
Ich seufzte und sah sie tadelnd an. "Das was wir vor haben, kann ein Kinderspiel oder ein Himmelfahrtskommando werden. Ich habe keine Ahnung wer uns in Wien über de Weg laufen wird, aber ich habe nicht vor zu riskieren, dass sie mich sofort erkennen. Und du solltest das gleiche tun. Am besten ein warmer Braunton." überlegte ich.
"Aber..."
"Wenn einer dich sieht, der deine Mutter kannte, dann wissen sie sofort wer du bist und auch wer ich bin. Nimm eine Tönung. Eine leichte. Dann ist das Meiste schon nach einem Monat raus. Und wenn du willst, kann ich sie dir in dem Blond nach färben bis die Farbe endgültig raus gewachsen ist." bot ich ihr an, damit es ihr leichter fiel.
"Wofür der ganze Aufwand, An.. Vivien? Das ist doch totaler Schwachsinn mit den Namen. Ihr haltet euch nicht manchmal für ein wenig Paranoid?" schimpfte sie, aber hockte sich gehorsam vor dem Regalteil mit den Tönungen und sah sich die Verpackungen an.
"Mag sein das wir es sind." Ging ich auf ihre rhetorische Frage drauf ein. „Aber sonst hätten wir wohl kaum die letzten Jahrhunderte überlebt." Erinnerte ich sie.
"Dani hat sich das Leben genommen, weil sie mit der Einsamkeit nicht klar kam." hielt sie dagegen und erinnerte mich an eine der Jüngeren von uns, die das neue Jahrhundert nicht mehr miterlebt hatte.
"Dani hat ihre Zwillingsschwester damals verloren." murmelte ich und entschied mich schließlich für einen kräftigen Rotton. "Es wundert mich, dass sie so lange durchgehalten hat." So hart meine Worte auch erscheinen mochten, aber es war nun einmal so. Für uns brach jedes Mal eine Welt zusammen, wenn eine von uns für immer ging, da wir unter normalen Umständen einfach nicht sterben konnten und auch so nur schwer Tod zu kriegen waren. Der Verlust einer Schwester oder noch schlimmer einer Zwillingsschwester war so schmerzvoll, dass ich es mir nicht einmal vorstellen wollte. Ich verstand Danis Entscheidung auch, wenn ich sie nicht gut hieß.
Gloria schnaubte. "Sie hätte nicht nur durchgehalten sondern gelebt, wenn ihr damals nicht beschlossen hättet, dass wir uns in alle Winde zerstreuen."
"Du hattest viel mit ihr zu tun, nicht wahr?" fragte ich. Mir war nicht ganz klar woher diese enorme Wut kam, die in ihren Worten und in ihrer Mimik steckte. Gloria hatte nur sehr wenig von dem Leben im Koven mitbekommen. Ich zweifelte, dass sie viele Erinnerungen hatte, da sie damals noch zu klein gewesen war.
Gloria presste die Lippen aufeinander und sah für einen Moment zur Seite. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf die Verpackungen vor sich und schnappte sich eine davon. "Wir können zur Kasse." erklärte sie mir kurz angebunden und lief an mir vorbei. Ich kannte dieses Verhalten von Leticia. Sie hatte etwas ausgefressen, etwas das mir nicht gefallen würde.
"Was verschweigst du mir?" fragte ich, als wir bezahlten und in Richtung Zug eilten.
"Ich habe die ersten zwei, fast drei Jahrhunderte nicht allein verbracht." verriet sie und knirschte dabei mit den Zähnen. Ihr war klar wie viel ich von diesem Regelbruch hielt. Und auch die Walküre bei der sei gewesen war... Wütend kniff ich die Lippen zusammen und schwieg. Erst als wir auf unseren Plätzen saßen, sah ich sie wieder an und fragte: "Wer?"
"Ella, Dani, Flo und Vita." zählte sie auf und ich fasste mir an die Stirn, wusste nicht wie ich auf diese Nachricht reagieren sollte. "Zur Hölle." murmelte ich entsetzt. "Ella hatte dich damals mitgenommen nicht wahr?" hackte ich nach. "Sie sollte dich alles Wissenswerte lehren." Gloria nickte. "Als du fünfzig warst, solltest du dich auch von ihr trennen und wie wir alle allein leben." Fuhr ich fort.
"Das habe ich bis ich in St. Petersburg auf Dani traf." gab sie zu. "Wie lange?" fragte ich unwirsch.
"Wie lange was?" fragte sie verständnislos nach. "Wie lange hast du allein gelebt?"
"Ein paar Monate. Ich weiß es nicht genau." murmelte sie. Der Zug fuhr los.
"Dani hatte damals Probleme mit mehreren Vampiren." erinnerte ich mich. "Sie hatten sie entdeckt. Juliet hat ihr geholfen." Juliet war eine ausgezeichnete Kriegerin gewesen. Selbst für eine Rasse, die nur aus Kriegerinnen bestand.
"Die Vampire hatten mich entdeckt und Dani hat die Schuld auf sich genommen. Sie hat mich weggeschickt bevor Juliet ankam." gab Gloria zu und ich hätte jetzt am liebsten auf etwas eingeschlagen. Wie konnte Dani nur so dumm sein? Sie hätte es besser wissen müssen.
"Bei Flo war es das gleiche." stellte ich fest und erinnerte mich dunkel an das, was ich damals mitbekommen hatte.
"Nicht ganz. Dieses Mal war es wirklich Florence, die erkannt worden war. Sie hatte sich mit dem Vampir eingelassen und..."
"Hat sie nicht!" knurrte ich ungläubig und sprang fast aus meinem Sitz auf. Dabei wusste ich genau, dass Florence noch nie die Finger von den Schwierigkeiten lassen konnte. Nicht umsonst hieß sie Florence, die Leichtfertige. Florence sah die Probleme, Risiken und Gefahren nicht und falls doch, tat sie so als gebe es sie nicht. Egal, ob im Kampf, der Liebe oder wenn es um ihr Leben ging, es gab nichts das Florence ernst nahm. Sie nahm alles mit einer Leichtigkeit, die mich im gleichen Atemzug neidisch wie auch blass vor Entsetzen machte und die ihr den Namen gegeben hatte.
"Du kennst sie länger als ich und ich sage es dir, es war nicht ihr einziger Vampir. Die andere hat sie einfach rechtzeitig genug umgebracht. Doch bei dem hat sie zu lange gezögert und als ich sie dann gesucht habe, haben sie auch mich entdeckt und dann hat Isabell uns geholfen." Gloria lächelte an als sie Isabell erwähnte. „Sie hatte ein Gefühl hat sie gesagt und dann hat auch sie mich fortgeschickt, aber scheinbar niemanden etwas verraten."
"Und Vita?" fragte ich nach, nicht sicher, ob ich es wirklich wissen wollte. Dabei hatte ich seit dem wir uns getrennt hatten nie wieder was von der exzentrischen Schönheit gehört.
"Wir sind uns auf einer Fähre begegnet kurz nach dem die neue Welt entdeckt wurde." Sie meinte damit Amerika. "Es ist Ewigkeiten gut gegangen." Verwundert zog ich die Brauen hoch. Entweder hatte Gloria Vita um die Finger gewickelt oder Gloria hatte einfach ein sehr ausgeglichenes und geduldiges Naturell. Vita war nicht leicht. Sie war arrogant und sich ihrer Selbst und ihrer Fähigkeiten so sicher wie kein anderes Lebewesen, was sie ihre Mitmenschen nur zu gern spüren ließ. Jedoch hatte sie einen außerordentlichen Gerechtigkeitssinn und erkannte die kleinste Lüge sofort. Unser Verhältnis war nicht immer das Leichteste gewesen. „Aber irgendwann wollte ich wieder nach Europa zurück, Vita jedoch nicht. Also haben wir uns getrennt und seitdem bin ich tatsächlich niemanden mehr über den Weg gelaufen. Zumindest nicht von uns." Erzählte Gloria munter weiter, dabei stolperte ich über ihre Wortwahl.
"Nicht von uns?"
"Naja, keiner Walküre." Schon wieder wich sie meinem Blick aus. Verdammt, was hatte dieses Kind nur alles angestellt? So unbescholten und unschuldig wie ich dachte, schien Gloria wirklich nicht zu sein. "Wem bist du denn alles über den Weg gelaufen?" fragte ich besorgt nach. Ich hatte die dumpfe Ahnung, dass Gloria mir innerhalb weniger Tage graue Haare wachsen lassen würde.

"Naja, ein paar Vampiren. Manche sind gar nicht so schlimm." fühlte sie sich verpflichtet hinzuzufügen, bevor ich auch nur ein Wort des Protestes sagen konnte. "Nicht so schlimm? Hast du eine Ahnung wovon du überhaupt sprichst? Dieses ekelerregende Ungeziefer hat unsere Rasse nahezu abgeschlachtet. Einer davon hat deine Mutter kaltblütig umgebracht und zuvor über Monate gefoltert." Regte ich mich auf.
"Ich weiß und soll ich dir was sagen, er ist trotzallem mein Vater." Motzte der blonde Engel mir gegenüber auf.
Wut verzerrte mein Gesicht. "Wie kannst du eine solche Kreatur nur als deinen Vater bezeichnen?" aufgebracht sprach ich lauter als ich sollte und fing mir damit ein paar neugierige Blicke ein. Böse starrte ich zurück und sie wandten ihre Blicke schnell wieder ab.
"Weil es so ist. Ich muss ihn nicht mögen. Ich kann ihn so viel hassen wie ich will, aber die Tatsachen ändern sich nicht." Ich fauchte wütend. Eine sehr typische Geste für eine Walküre, die ich sonst immer unterdrücken konnte.
"Wem noch?" fragte ich weiter, sobald ich mich beruhigt hatte. "Ein paar Hexen. Aber die meisten scheinen gar nichts von ihrem Erbe zu wissen. Wahrscheinlich sind es noch weniger als wir, die wirklich noch wissen, was sie sind und ihre Fähigkeiten auch beherrschen." Ich nickte. das hatte ich ebenfalls beobachtet und auch wenn es bedauerlich für die Hexen war, so empfand ich diesen Verlauf nicht weiter schlimm. Hexen konnten Gutes Bewirken, aber auch eben so viel Schlechtes wie die letzte Schlacht mir bewiesen hatte. Eine Hexe, die nicht wusste, dass sie eine war, war meist harmlos. Also war es mir ganz Recht.
"Und auch ein paar Hunde."
"Du meinst Lykae?" Sie nickte.

"Magst du sie nicht?" fragte ich nach als sie das Gesicht verzog.

"Sie sind so unzivilisiert und wild." Gloria rümpfte die Nase. "Und wenn du nicht aufpasst, hast du einen Hund neben dir stehen. Ich gebe zu, da bevorzuge ich dann doch deine allzu verhassten Blutsauger."

Ich zischte unverständlich auf. "Du bist des Wahnsinns, Mädchen."
"Vielleicht liegt es ja an dem Blut in meinem Adern. Empfinden Vampire und Lykae nicht eine natürliche Abneigung gegeneinander?" überlegte sie.
Ich schwieg. Womöglich hatte sie recht. Immerhin fühlte ich mich unter den Menschen auch wohler als die Meisten anderen von uns. Ich hatte nie darüber nachgedacht, woran es lag, aber vielleicht lag es an meinem menschlichen Vater. Ich zuckte mit den Schultern. "Vieleicht hast du recht." Meinte ich schließlich.

Konnten wir gegen das ankämpfen, was uns ins Blut gegeben war? Ich glaubte nicht. So schwer es mir auch fiel das zuzugeben, aber manche Sachen waren vom Schicksal vorherbestimmt. Da kamen nicht einmal wir dagegen an.

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Frage des Tages: Wie motiviert ihr euch?

Ich habe demnächst eine Prüfung, wo alles mögliche über die Inhalte der letzten vier Semester gefragt werden kann, aber ich finde weder ein Anfang (in vier Semestern kommt echt viel Stoff zusammen) noch die richtige Motivation. Vielleicht habt ihr ja Tipps für mich?


Ihr dürft gern auch zum Kapitel kommentieren. ;)

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