twentyone
-Anja-
Während Sebastian duschte, bereitete ich das Frühstück vor. Obwohl ich es schon wusste, bestätigte ein Blick in den Kühlschrank, dass ich rein gar nichts auch nur annähernd fleischähnliches da hatte. Wie auch? Meine Einladung hatte nicht nur ihn unerwartet getroffen, sondern auch mich. Dementsprechend war ich unvorbereitet, was mich maßlos ärgerte. In der letzten Woche hatte ich beobachtete, dass Sebastian immer irgendein Gericht mit Fleisch oder zumindest Wurst wählte. Nur verständlich, denn die Hälfte seines Wesens war ein Wolf. Ein Raubtier, welches sich in der freien Natur vom rohen Fleisch ernährte.
Ich überlegte hin und her, was ich tun sollte. Schnell los flitzten und hoffen, dass irgendein Supermarkt schon offen hatte? Der Fleischer, der nur drei Häuserblocks weiter war, hatte noch zu, das wusste ich. Ich seufzte.
Einmal würde der Lykae auch ohne sein geliebtes Fleisch auskommen müssen, für das nächste Mal würde ich mich entsprechend vorbereiten.
Vom meinem ließ ich meine Lieblingsplaylist abspielen währen uns jeweils ein Omelette mit Gemüse zubereitete und hoffte, dass es ihm schmecken würde. Immer wieder war ich über mich selbst erstaunt, als ich bemerkt wie schnell er mir so wichtig geworden war, dass ich selbst auf solche Kleinigkeiten wert legte. Das war mir schon lange nicht mehr passiert. Die letzten Jahrhunderte hatte ich mich immer nur nach mir selbst gerichtete. Die Bedürfnisse und Wünsche meiner Bekanntschaften hatten mich gar nicht bis selten interessiert. Sie hatten keinen Wert oder Bedeutung für mich gehabt, ganz im Gegensatz zu Sebastian. Ich wollte das er mich mochte, gern Zeit mit mir verbachte, dass es ihm schmeckte was ich kochte und er meine Wohnung mochte. Als mir dieser Gedanke kam, versuchte ich mich zurück zu erinnern, ob es jemals so einen Menschen in meinem Leben gegeben hatte. Sicherlich wollte ich, dass meine Schwestern, die Walküren, das Essen mochten dass ich ihnen machte und ich hatte auch einige innige Freundschaften gepflegt... Doch es war nie so gewesen. Vielleicht lag es daran, dass er ein Lykae war. Immerhin hatte ich noch nie so viel mit einem zu tun gehabt wie mit Sebastian.
„Magst du Kaffee?" fragte ich ihn, als ich seinen Geruch intensiver wahrnahm, jedoch mit einem sanften Hauch meines Waldblüten-Duschbads gemischt. Es tat seinem wundervollen Geruch keinem Abbruch, da es seinen wilden, maskulinen Duft nicht zu verbergen mochte.
„Ja, aber..."
„Schwarz." Beendete ich seinen Satz und drehte mich mit einem leichten Lächeln um, welches mir von den Lippen wich als ihn erblickte und mit großen Augen anstarrte. Er stand nur mit einem meiner Badetücher bekleidet vor mir, seine muskulöse Brust entblößt. Aus seinem nassen Haaren löste sich ein Tropfen und rann an der Seite seines Hals hinab, über seine breite Brust. Quälend langsam verfolgte ich die feine Wasserspur mit meinen Augen und leckte mir über die trocken gewordenen Lippen. Wo zur Hölle war mein Verstand geblieben als ich ihn in meine Wohnung eingeladen hatte? Mittlerweile hielt ich es für alles andere, aber bestimmt nicht für eine gute Idee.
„Du hast nicht zufälligerweise Kleidung für mich, oder?" riss er mich aus meinen Träumereien darüber wie ich mit meinem Fingern seine Kraft und Stärke erkunden, wie er mich mit eben dieser Kraft überwältigen und nehmen würde. Gottverdammt, selten war ich so dankbar für den unauffälligen Edelstein um meinen Hals gewesen wie jetzt, sonst könnte der Lykae zweifellos meine Erregung riechen.
„Nein, aber ich kann deine Sachen schnell in die Waschmaschine und dann in den Trockner werfen." Bot ich ihm an und blinzelte heftig ehe ich ihm wieder ins Gesicht sah. Amüsiert grinste er mich an, in seinen Augen ein seltsames Funkeln, welches ich nicht zu deuten wagte. Meine Wangen röteten sich so stark, dass es trotz meines dunkleren Teints nicht zu übersehen war. Natürlich war ihm meine faszinierte Musterung seiner muskulösen Gestalt nicht entgangen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Verstand mich jedes Mal erneut verließ, sobald es um den wilden Mann vor mir ging.
Er nickte zustimmend und trat dann ganz nah an mich heran. Ungewollt schnappte ich nach Luft, inhalierte sein verführerischen Duft und nahm eine moschusartige Note war. Die Nähe des anderen ließ keinen von uns beiden kalt. Ein Blitz sauste ganz in der Nähe zu Boden, obwohl der Himmel strahlend blau war. Keine Sekunde später folgte der Donnerschlag. Sebastian trat noch einen Schritt näher, streckte seine Hand aus und ich lehnte mich ihm nahezu atemlos entgegen. Und dann ging der Feueralarm los noch bevor seine Haut mich berühren konnte.
Erschrocken zuckte ich zusammen, während Sebastian herum fuhr und die Ursache des Krachs ausfindig zu machen. Nicht mehr von seiner berauschenden Nähe wie hypnotisiert, dankte ich im Stillen für die Unterbrechung bis ich begriff, dass eines der Omelettes gerade verbannt. Beißender Rauch füllte die kleine Wohnung und ließ mich alles andere als damenhaft Fluchen. Jammernd riss ich die Pfanne vom Herd und ertränkte das ohnehin verbannte Omelette, damit es aufhörte zu qualmen. Sebastian schaltete währenddessen den Feuermelder aus und öffnete alle Fenster, damit der Rauch sich verziehen konnte.
Peinlich berührt sah ich ihn an, während es um seine Mundwinkel herum zu zucken begann. Der verdammte Kerl machte sich über mich lustig, begriff ich empört als er immer breiter grinste. Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Dir ist schon bewusst, dass dein Essen gerade in Flammen aufgegangen ist." Erklärte ich ihm schnippisch, doch er lachte nur amüsiert mit blitzenden Augen. Wieder hatte ich zu tun mich nicht darin zu verlieren. Umso mehr ich ihn kennenlernte, desto anziehender fand ich ihn. Er wurde lockerer, ausgelassener und manchmal kam mir der Verdacht, dass es an mir liegen konnte.
„Das ist es mir Wert." Erklärte er mit einem Schulterzucken, immer noch breit grinsend.
„Ach ja? Warum denn?" fragte ich neugierig. Ich wollte mich ja nicht als Fresssack bezeichnen, aber mein Essen würde ich nicht so leichtfertig opfern wie er es scheinbar tat.
„Weil ich jetzt weiß, dass ich dich genauso außer Konzept bringe wie du mich." Gab er mit verblüffender Ernsthaftigkeit preis. Meine Finger krallten sich in die Arbeitsplatte hinter mir und suchten halt. Mein Bauch schmerzte auf einmal, die Atmosphäre änderte sich erneut schlagartig um uns. Ein seltsames, unwohles Gefühl wallte in mir auf. Der Lykae näherte sich mir erneut.
„Das ist keine gute Idee." Stoppte ich ihn als er mir schon gefährlich nah war. Die Worte kamen mir nur schwer über die Lippen. Panik war das Gefühl, welches sich in breit machte. Nur wusste ich noch nicht die Ursache. Der Lykae vor mir war es nicht.
„Warum, kleine Walküre?" fragte er und ich hörte einen Hauch Ungeduld in der Stimme. Vielleicht sogar Gereiztheit? Ein seltenes, bisher unbekanntes Phänomen. Sebastian hatte sich für einen Lykae außergewöhnlich gut unter Kontrolle. Zwar war er sehr ernst und er wortkarg, doch hatte er dafür auch ein sehr ausgeglichenes Naturell. Was war geschehen oder was hatte ich gesagt, dass er nun so reagierte?
„Wenn wir das Tun ruinieren wir womöglich etwas, dass einmal eine wunderbare Freundschaft werden könnte." Die Worte fühlten sich spröde auf meine Lippen an, da sie nicht ganz dem entsprachen was ich wollte. Aber die Zeit um darüber nachzudenken, meine Worte zu überdenken ließ er mir gar nicht.
Kurz verhärteten sich seine schönen Züge, sahen mir zornig entschlossen entgegen. „Und was ist, wenn ich mehr will?" fragte er dann, seine Hände schlossen sich zur Faust und öffneten sich wieder. Ich spürte wie nah seine wilde Seite war, wie er mit sich selbst rang. In diesem Moment war er gefährlich denn je. Und trotzdem verspürte ich nicht das Bedürfnis nach einer meiner Waffen zu greifen und mich zu verteidigen. Ich vertraute ihm, erkannte ich überrascht im selben Moment, in dem ich die Ursache des Klumpens in meinem Magen erkannte. Ich hatte Angst vor seinen Worten und Handlungen, vor den Konsequenzen, die unweigerlich folgen würden.
„Das kann ich nicht." Erklärte ich ihm überfordert, überrascht und vollkommen durcheinander von seinen Worten. Warum tat er das? Warum sagte er so etwas? Ich war kein Beziehungsmensch und ein Lykae ohne seine Gefährtin erst recht nicht. Sie warteten nur bis zu dem Moment wo sie ihre Gefährtin fanden. Alles andere davor waren Tändeleien, One-Night-Stands. Nichts was irgendwelche Bedeutung für sie hatte. Es gab nur die eine. Und die war ich nicht. Ich fühlte mich verraten, verletzt. Tränen sammelten sich hinter meinen Augen. Erst vorhin hatte ich gedacht, dass ihm das zwischen uns, dieses gerade erst wachsende Band, genauso viel bedeutete wie mir und jetzt wollte er es einfach wegwerfen. Für ein wenig Spaß?! Ich wusste nicht wann das letzte Mal etwas so weh getan hatte. Der Spiegel meiner Seele zeigte sich vor dem Fenster als die ersten dicken Tropfen gegen die Scheibe knallten, der Wind an den Ästen riss und ein Blitz den anderen jagten. Keiner von uns beiden warf einen Blick nach draußen. Fast schon trotzig starrten wir uns für einige Sekunden in die Augen. Suchten etwas ohne es zu finden. Dann war der Moment vorbei.
Sebastian presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, sein ganzer Körper war verspannt, sodass sich seine Muskeln eindrucksvoll wölbten und mich innerlich quälten. Kurz schloss er die Augen, als er sie öffnete waren sie nahezu nachtschwarz und hatten kaum etwas Menschliches an sich. Die Bestie in ihm drängte immer mehr vor, angestrengt nickte er und dann wandte er sich ab.
„Seb..." setzte ich an, in meiner Stimme ein Flehen, dass ich selbst nicht verstand. Er warf mir einen Blick über seine Schulter zu. Doch als ich nichts sagte, wurde der Ausdruck in seinem Gesicht noch finsterer und er ging wortlos zu meinem Balkon. Mit einem Satz über das Geländer verschwand er, entsetzt stürzte ich ihm hinter her. Stoppte am Geländer als ich den zu großen Schwarzen Wolf hinter der nächsten Hausecke verschwinden sah. Das weiße Badetuch verfing sich vom Wind getrieben in den Ästen eines Apfelbaums, die wild im Wind schaukelten. Verdammt.
Was hatte ich getan? Blicklos sah ich in die Ferne, während die Gedanken in meinem Kopf dem Sturm glichen, der alarmierend schnell an Stärke gewann.
Blitze prasselten in einer Stärke und Häufigkeit nieder, die mich an einem aufmerksamen, unsterblichen Beobachter verraten könnte. Der Donner folgte schnell und heftig. Dicke Regentropfen peitschen vom Wind getrieben mein tränennasses Gesicht. Was hatte ich nur getan?
Kraftlos ließ ich mich auf den Boden des Balkons sinken, beachtete die Nässe die meine Kleider durchdrang nicht, während ich resigniert an unseren Wortwechsel dachte. Was war nur schief gegangen?
Er hatte sich versucht mir zu nähern, unsere Beziehung zueinander zu verändern und ich hatte ihn abgelehnt, hatte nicht gewollt, dass er mir somit meinen einzigen unsterblichen Freund raubte, den ich noch hatte. Aber wusste ich den überhaupt was ich wirklich wollte, fragte ich mich im gleichen Moment. Sicherlich wollte ich den Lykae, weit mehr als nur als einen Freund. Ich wollte mit ihm schlafen, aber ich wollte auch mit ihm Lachen und Reden und Essen gehen. Sowie wir es die letzten Tage getan hatten. Ich wollte nicht nur unsere Freundschaft nicht riskieren, sondern auch keine einmalige Nummer sein, erkannte ich und überraschte mich damit wieder einmal selbst. Ich wollte mit ihm meine Gedanken austauschen, seine hören, ihm meine Geheimnisse anvertrauen und meine Ängste. Ich wollte einfach mehr für ihn sein, als ich es je sein würde, erkannte ich und ein leises ungläubiges Schluchzen löste sich aus meiner Kehle.
Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Still flehte ich und bettelte, während mein Herz die Wahrheit schon längst erkannt hatte. Ich hatte mich in den Lykae verliebt. Es war dumm eine Schwärmerei für einen Menschen zu entwickeln, da sie nur einen Wimpernschlag lang lebten. Es war dämlich sich einen Vampir hinzugeben, denn man wusste nie wann sie einen das Blut aussaugten. Aber es war absolut selbstzerstörerisch einen Lykae zu lieben, denn sie brachen einen immer und ohne Zweifel das Herz. Es war nur die Frage wann.
Rotz und Wasser heulend wie nur Kinder es taten, weil ich den Mann, den ich liebte nie haben könnte, gab ich mich voll und ganz dem Schmerz hin. Zeitgleich fragte ich mich aber auch, wie es dazu kommen konnte. Wie konnte ich in so kurzer Zeit solch eine Dummheit begehen? Wie konnte ich mich in den Lykae verlieben? Unwillkürlich kam die Gegenfrage auf: Wie hätte ich es nicht gekonnt?
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