thirtytwo
Ich glaube einige von euch haben schon sehnsüchtig auf dieses Kapitel gewartet... in mehrerlei Hinsichten ;D
Viel Spaß beim Lesen!
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-Sebastian -
Etwa ein Jahrtausend lebte ich schon auf dieser Erde und noch immer hatte ich nicht gelernt geduldig zu sein. Oder hatte ich es vielleicht in der Zeit schon wieder verlernt? Es war schrecklich auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes zu hocken und nicht zu wissen, was meine Gefährtin darin tat. Ob es ihr gut ging oder ob sie meine Unterstützung in eben diesem Moment brauchte. Warum zur Hölle brach sie in ein Polizeirevier ein? Weil sie den Anruf dieser Polizisten erhalten hatte? Warum aber dann in diesen länglichen Schuppen und nicht in das Hauptgebäude? Was wollte sie da?
Ich wusste es nicht. Am liebsten wäre ich ihr gefolgt, doch es gab zwei Probleme: Das erste war, dass ich weder ihr Ziel kannte noch einen Übersichtsplan über die Gebäude hatte und mir die Position der Kameras nicht vertraut waren. Durch eine falsche Bewegung meinerseits würde nicht nur ich auffliegen, sondern vielleicht auch Anja und ihre Komplizin. Das Risiko konnte ich nicht eingehen, nicht wenn es keinen Notfall gab. Das zweite Problem war die andere Walküre. Näherte ich mich den beiden zu sehr wurde sie unruhig. Während Anja mich nicht zu bemerken schien, war Gloria äußerst empfindlich was meine Nähe anging. Noch hatte sie mich nicht entdeckt, aber ich vermutete, dass es nur eine Frage der Zeit war. Deswegen folgte ich ihnen nicht und stand mir die Beine hier in den Bauch, während meine Gefährtin sich womöglich in Gefahr brachte. Grimmig verzog ich das Gesicht. Momentan kam mir nichts in den Sinn, dass ich so sehr hasste.
Immer wieder fielen mir neue Gründe ein, warum ich ihr folgen sollte und immer wieder waren es die gleichen Argumente, die mich hier oben verharren ließen.
Mein Blick schweifte umher, aber auf dem Gelände gegenüber tat sich nichts. Ein paar Lichter in dem Hauptgebäude, welches weiter oben an der Straße lag, gingen aus, aber andere dafür an. Ein Streifenwagen fuhr ein, ein anderer aus. Das Tempo war gemächlich. Es war Nacht und scheinbar nicht viel los.
Auch von Anja und Gloria hatte ich schon lange nichts mehr gesehen. Meine Gedanken wanderten zu den Informationen, die ich aus den belauschten Gesprächen aufgefangen hatte. Ich wusste endlich was sie vor hatten: Sie waren auf der Suche nach einer weiteren Walküre. Das bedeutete, dass ich Anja erst recht keine Sekunde aus den Augen lassen würde. Wer wusste schon in welches Wespennest die zwei bei ihrer Suche stachen. Wenn eine Walküre nicht aus freiem Willen verschwunden war, dann warteten irgendwo ihre Entführer oder vielleicht sogar Mörder, die das gleiche mit der nächsten Walküre, in diesem Fall meiner Gefährtin, tun würden. Das würde ich mit allen Mitteln verhindern.
Jedoch gab es noch ein weiteres interessantes Detail. Es war Anjas Reaktion auf Glorias Idee gewesen sich einen Liebhaber zu suchen. Sie hatte es vehement abgelehnt. Ja, sie war sogar schon fast aggressiv geworden. Ihre Reaktion hatte mich beruhigt, aber nur so lange bis Gloria feststellte, dass Anja den Einen gefunden hatte.
Es hieß das Walküren sich nur ein einziges Mal in ihren gesamten, unsterblichen Leben verliebten und dass diese Liebe so unwiderruflich wie die Liebe der Lykae zu ihren Gefährten war. Natürlich hoffte ich, dass ich dieser Eine für Anja war. In den letzten Wochen bevor sie abgehauen war, hatten wir fast jede freie Sekunde miteinander verbracht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie in dieser Zeit irgendjemanden anderen getroffen hatte. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich der Einzige war mit dem sie ihre Freizeit verbrachte.
Aber was war, wenn sie sich schon in jemand anderes verliebt hatte bevor ich ihr begegnet bin? Hatte sie mich deshalb abgelehnt? Der Gedanke daran wühlte mich auf. Aufgebracht fuhr ich mir durch die Haare, die mir Anja bei unserer ersten Begegnung geschnitten hatte. Anja begehrte mich, dass stellte ich nicht in Frage, da mir ihre Reaktionen nicht entgangen war. Aber Begehren war nicht an Liebe gebunden. Vielleicht hatte sie mich, obwohl sie mich begehrte, abgelehnt, weil sie einen anderen liebte. Aber was war dann mit den anderen? War er tot oder wurden sie getrennt? Ich hatte keine Ahnung. Diese Ungewissheit war belastend, ich hasste sie. Wenn der andere tot war, konnte ich immer noch hoffen, dass ich sie für mich erobern würde. Immerhin hätte sie ihn dann überlebt und das sollte bei Walküren angeblich ebenso eine Seltenheit wie unter den Lykae sein. Könnte sie sich unter diesen Bedingungen vielleicht ein zweites Mal verlieben und zwar in mich? Ich wusste es nicht, aber ich würde nichts unversucht lassen, um es herauszufinden. Aber wenn der andere noch lebte, was sollte ich dann tun? Meinen Konkurrenten töten? Das konnte ich ihr nicht antun! Ich wollte, dass Anja glücklich war, sogar dann, wenn es bedeutet, dass nicht ich der Mann an ihrer Seite war. Außerdem könnte ich ihren Hass gegen mich nicht ertragen und das würde sie, wenn ich den Mann, den sie liebte, umbrachte. Bei dem bloßen Gedanken daran wurde mir schlecht. Ich hoffte so sehr, dass ich es war. Trotzdem erschien es mir logischer, dass sie mich zurückgewiesen hatte, weil sie schon die Liebe ihres Lebens gefunden hatte.
Ich musste es herausfinden. Zwar wusste ich noch nicht wie, aber irgendwann musste ich ihr sagen, dass sie meine Gefährtin war. Vielleicht sollte ich sie einfach zur Rede stellen.
Unruhig lief ich wenige Schritte auf und ab. Gottverdammt, am liebsten wäre ich sofort zu ihr gestürmt und hätte sie geschüttelt bis sie mir eine Antwort gab. Aber noch drängender als diese Frage war das Bedürfnis sie in Sicherheit zu wissen. Und Anja war noch immer irgendwo auf dem Polizeigelände. Ich hatte keine Ahnung, ob sie gerade in riesigen Schwierigkeiten steckte oder alles so lief wie sie es geplant hatte. Verdammt! Diese Ungewissheit macht mich noch irre! Warum war sie nicht einfach zu mir gekommen und hatte mit mir gesprochen? Ich hätte ihr geholfen! Natürlich würde ich ihr auch jetzt noch helfen, aber es wäre alles soviel einfacher gewesen.
Das Licht ging aus. Es war wie das Umlegen eines Schalters und alle Gebäude die auf dem Polizeigelände lagen wurden in plötzliche Dunkelheit getaucht. Irritiert betrachtete ich das vor mir liegende Grundstück. Meine Augen suchten nach den schwenkbaren Kameras. Sie bewegten sich nicht. Ein Stromausfall. Zufall oder Absicht? Womöglich sogar eine Falle? Anja und ihre Freundin waren noch immer darin. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Es gab keinen Grund mehr zu zögern. Was auch immer der Auslöser war, es kam mir in diesem Moment zu Gute. Die Dunkelheit würde mich vor den Augen der Menschen verbergen, dass die Kameras nicht funktionierten war eine zusätzliche Absicherung. Einige Schritte zurücktretend, nahm ich Anlauf und sprang. Mich abrollend, kam ich in der Hocke dicht hinter dem Zaun auf und sah mich um.
Wie nicht anders zu erwarten, nahm ich von den beiden Walküren keine einzige Spur war. Sie waren gut. Gründlich und durchdacht, gingen sie vor. Zumindest sorgte Anja dafür. Stolz erfüllte mich bei den Gedanken wie sie das alles so sauber geplant hatte. Und zugleich wuchs meine Sorge.
Keine Spur von den beiden bedeutete, dass ich sie erst suchen musste. Dies kostete wertvolle Zeit. Zeit in der Anja irgendetwas zu stoßen konnte. Schließlich kannte ich die Ursache des Stromausfalls nicht. Einen Schatten gleich, stahl ich mich verstohlen über das Gelände und warf immer wieder Blicke in die Fenster der einzelnen Gebäude. Ich hatte nicht erkennen können in welchem sie verschwunden waren. Ich wusste nur, dass es eins der länglichen, flachen Gebäude war.
"Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache!", hörte ich die Stimme eines Mannes weit genug entfernt, um dass ich mich auf seine Worte konzentrieren musste, damit ich ihn verstand.
"Mach dich nicht ins Hemd das ist nur ein kleiner Stromausfall!", erwiderte eine viel jüngere, weibliche Stimme lässig.
"Der Generator hätte schon vor zwei Minuten anspringen sollen, Cara.", kam die Erwiderung des Mannes. Interessant. Diese Worte bestätigten meinen Verdacht, dass der Stromausfall kein Zufall war. Jedoch verrieten sie mir nicht wer dafür verantwortlich war.
Anja oder jemand anderes? Ich musste mich beeilen. Es spielte keine Rolle, dass sie mich womöglich entdeckte. Ich musste wissen, dass sie in Sicherheit war! Es war ein Zwang gegen den ich nicht ankämpfen konnte und wollte. Meine Gefährtin stand für mich über alles.
"Keine Sorge, wenn hier irgendwer ist, finden sie die Hunde.", erklärte nun ein anderer Mann. "Und es kann genauso gut auch ein technischer Defekt sein. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann das alte Teil, dass letzte Mal arbeiten musste." Die Stimme des Manns klang noch älter als der andere und ruhiger, als wäre dieser Stromausfall, die gesamte Situation, nichts Besonderes.
Ich schlich weiter und hörte das leise Quietschen einer sich öffnenden Tür. Sofort blieb ich stehen.
"Mmmhpf... Sag mal, machst du Bodybuilding... oder kommt mir das Teil nur so scheißschwer vor?", hörte ich Glorias Stimme nicht weit von mir stöhnen.
Dann hörte ich nichts, nur einen Kieselstein der über den geteerten Boden rollte. "Redest du nicht mehr mit mir?", fragte Gloria. Ihre Stimme klang als fiele es ihr schwer zu reden. Was tat sie? Vorsichtig versuchte ich einen Blick um die Ecke zu werfen und sah nur eine schwarze, deformierte Blechmasse. "Anja, ich finde die Idee immer noch scheiße."
"Halt einfach die Klappe und lauf leise!", fauchte Anja gereizt und konnte selbst am Ende des Satzes ein kleines Keuchen nicht unterdrücken.
"Na klar, lassen wir einfach mal so ein Auto aus der Spurensicherung verschwinden.", spöttelte Gloria jetzt und ich verfolgte wie die beiden tatsächlich einen Wagen aus der Halle schleppten.
"Ist ja nicht weiter schwierig den Wagen einfach mal wo anders hinzubringen. Besonders nicht über so einen zweieinhalb Meter hohen Zaun." Ihre letzten Worte betonte sie und machte damit auf das wohl größte Problem aufmerksam.
"Bleib stehen!", fauchte Anja, auf einem Bein taumelnd schlug sie die Tür zu. "Weiter!", befahl sie dann.
"Hast du sehr schöngemacht, Gloria!", machte Gloria nun ungerührt weiter. Ich fragte mich warum sie so viel Luft verschwendete, während ich mit mir rang, ob ich den beiden meine Hilfe anbieten sollte oder mich lieber wieder zurückzog. Sie kamen alleine klar. Noch hatten sie mich nicht mitbekommen. Ich könnte unbemerkt verschwinden und die beiden weiterhin aus der Ferne bewachen.
"Sehr gut, wie du die Daten alle gelöscht hast und dann auch noch das komplette Stromnetz lahmgelegt hast. Was würde ich nur ohne dich tun, Gloria?", spöttelte Gloria weiter und ich zog die Brauen hoch. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.
"Meine Ohren würden wegen deinen Gejammer nicht bluten!", kam Anjas trockene Antwort und stumm lachte ich. Ich liebte meine Gefährtin! "Und jetzt geh endlich, sie haben die Hunde losgelassen!"
"Die Biester riechen uns nicht!", kam die Erwiderung von Gloria. Aber Anja hatte trotzdem recht. Eine ganze Horde Vierbeiner befand sich auf dem Weg hierher.
"Sie kommen aber direkt auf uns zu. Wahrscheinlich hat sie dein Gejammer angelockt!"
"Verdammt!", schimpfte sie. "Ich hatte noch nie viel für Hunde übrig." Ich presste die Lippen aufeinander. Noch immer war ich mir unsicher, was ich von der kleinen Blondine halten sollte. Sie hatte unbestreitbar Humor, aber abgesehen davon dass sie Blutsauger zu sehr mochte, Lykae nicht leiden konnte, schien sie auch alles andere als einfach zu sein.
"Hey Mr. Wolf, das wäre der perfekte Moment, in dem du dich auch einmal nützlich machen könntest.", ertönte Glorias Stimme erneut.
In meinem Kopf brauchte es einen Moment. Ich hörte die Worte, ich verstand sie und trotzdem dauerte es einen Moment, ehe ich es ganz begriff, dass sie mich meinte.
Ich war aufgeflogen.
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Riecht ihr das auch? Es riecht nach Drama, oder?
Wer hätte gedacht, dass gerade Gloria ihn zuerst bemerkt?
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