fourtyone

-Anja-

Es war laut, lustig und bunt. Die Freunde wie auch die Familie des Brautpaars bemühten sich alle sich redlich zu unterhalten. Zudem war das Fest riesig, da auch Arbeitskollegen und Vereinsmitglieder in Scharen erschienen waren. In der Masse fielen Gloria und ich nicht weiter ins Gewicht. Ein Glücksfall. Mittlerweile verstand ich warum der Vampir seine Liebschaften auf Hochzeiten wie diesen suchte. Sie waren groß, bunt, er würde darin genauso wenig auffallen wie wir. Wahrscheinlich würden sie dem gutaussehenden Vampir genauso hinterher schmachten wie dem Lykae. Selbst der einfache Smoking den Sebastian als Kellner trug, tat seiner Attraktivität keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, der Anzug betonte seine breiten Schultern und schmalen Hüften. Der finstere Zug um seinen Mund sowie die harten, kühlen Augen verrieten wie sehr er diese Veranstaltung hasste, trotzallem war ich nicht die einzige Frau, die allein bei seinem Anblick ein feuchtes Höschen bekam. Und ich musste zugeben, das passte mir ganz und gar nicht. Solange seine Gefährtin nicht auftauchte, gehörte der Lykae mir. Er wusste es vielleicht noch nicht, aber sobald wie möglich würde ich ihm dies verklickern müssen. Also flogen meine Blicke immer wieder zu demLykae und beobachteten ihn heimlich. Die Angst, dass seine Gefährtin unter der Meute sein könnte, war mittlerweile verflogen. Er zeigte bei keiner der Frauen mehr Interesse als für seinen Job nötig und führte sich auch nicht irgendwie auf. Nach der ersten Stunde in diesem wilden Gewusel war ich mir sicher. Zeitgleich wurde mir auch bewusst, dass ich mich, an diese Angst würde gewöhnen müssen, obwohl ich den Lykae wirklich haben wollten. Dennoch würde ich mich davon nicht länger abhalten lassen. Ich hatte mich verliebt, daran würde sich nichts mehr ändern. Aus genau diesem Grund, hatte ich auch der Dame meinen Drink, selbstverständlich ganz ausversehen, übergeschüttet die meinem Lykae einen Quickie auf den Toiletten anbot. Gloria hatte fast die gesamte Show zerstört, da sie nur mit Mühe ihr Lachen verbergen konnte.

„Wie lange möchtest du noch warten, bis du ihn dir schnappst?", fragte Gloria ganz unverblümt als ich mir die Hände abtrocknete.

„Ich weiß nicht wovon du sprichst." Das Kinn gehoben, die Lippen leicht geöffnet, erneuerte ich meinen Lippenstift.

„Das heiße Sahneschnittchen, da draußen." Im Spiegel trafen sich unsere Blicke. „Mein Gott, Anja, dass sieht doch jeder Blinde. Er zieht dich Buchstäblich mit seinen Blicken aus und du verfolgst ihn schon den gesamten Abend über mit deinen Augen."

Ich presste die Lippen zusammen. War es wirklich so offensichtlich? Scheinbar.

„Du weißt, dass das Risiko, dass jemand anderes sich ihn schnappt umso größer wird, umso länger du wartest, oder?"

Noch bevor ihre Worte ganz in meinem Kopf angekommen waren, zogen sich meine Lippen zurück und ich fauchte, wobei mir meine kleinen Reißzähne weiß im Spiegel entgegen blitzten. Viel irritierender fand ich jedoch die Tatsache, dass allein dieser Gedanke genügte, um meine Augen silbern zu färben. „U-lala-la-la! Da hat es jemanden aber schwer erwischt!", amüsierte sich die Walküre, jedoch lagen ihre Augen mit einem ernsten Gesichtsausdruck auf den silbernen Flächen, die mir im Spiegel entgegensahen.

„Halt die Klappe!", murrte ich und schloss die Augen. Ich musste mich wieder unter Kontrolle bekommen, so konnte ich den Raum nicht verlassen. Überraschenderweise gehorchte mir Gloria dieses Mal und schwieg. Gemeinsam mischten wir uns wieder in das Getümmel und amüsierten uns während die Zeit verstrich. Allerdings fiel die Stimmung bei uns von Stunde zu Stunde mehr, denn umso mehr der Abend sich dem nächsten Tag entgegen neigte, umso geringer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass der Vampir noch auftauchen würde. Und bisher war von Alejandro weit und breit keine Spur...

Während ich mit einem milchgesichtigenFünfundzwanzigjährigen tanzte, der sich zu sehr auf die richtige Schrittfolge konzentrieren musste, als das er sich noch nebenbei mit mir unterhalten könnte, belauschte ich die um mich herum stattfindenden Gespräche. Die Frauen lästerten über andere Frauen, erzählten von ihren Kindern oder ihren Plänen, die Männer hingegen diskutierten über Fußballspiele, über die Wirtschaft, Politik oder ebenfalls über Frauen.

"... denkst du es fällt auf, wenn ich mir noch mal was hole?", hörte ich eine zierliche Frauenstimme. Noch bevor ich zum nächsten Gespräch übergehen konnte, kam die trockene Erwiderung: "Diese Frage solltest du deiner Waage stellen." Meine Mundwinkel zuckten.

"Jenny!" Empörung wie auch Belustigung schwang in diesem Ausruf mit und schon hörte ich die beiden Stimmen lachen. "Du bist blöd!"

"Ich hab dich auch lieb."

"Kommst du nun mit, oder nicht?" Ich wandte mich der nächsten Unterhaltung zu.

"... hab ich schon gesehen, aber in einem Monat soll der neue Film von George..." Filme.

"Die Aktien gehen, trotz, dass das Unternehmen noch immer keine schwarzen Zahlen schreibt, kontinuierlich in die Höhe." Tesla?, fragte ich mich.

"Ist ja keine Überraschung, Elektroautos sind immer mehr am kommen. Und bisher bauen die, die besten Autos...," Eindeutig ging es hier um Tesla.

"Sie produzieren, aber nach wie vor, zu wenig und die anderen Autohersteller werden nun bald ebenfalls Autos auf den Markt bringen, die mithalten können und dann werden die Aktien fallen."

"Denkst du, Paul? Bis jetzt ist alles andere... " Es interessierte mich nicht, was wer von den anderen Autos hielt.

"Hey, Simon, wo ist deine Begleitung?" die Frage enthielt eine Provokation. Interessiert lauschte ich weiter.

"Witzig, Michael. Echt witzig." Die Worte klangen gereizt und ein wenig verletzt.

"Sieh's so, die Schlampe bist du los bevor du das große Geld für sie ausgegeben hast."

"Wo steckt eigentlich unser Casanova?"

"Jandro? ich hab ihn heute noch nicht gesehen." Der Name ließ mich mehr als nur hellhörig werden. Konnte Jandro ein Kürzel für Alejandro sein? Ich wusste nicht, ob ich es mir so sehr wünschte, dass ich mir das so zu recht legte, aber was hatte ich zu verlieren, wenn ich ihnen lauschte, wo der Vampir ohnehin nicht da war?

"Der war schon auf der letzten Hochzeit nicht lange da."

"Echt jetzt?"

"Ja, der hat die ganze Zeit mit der Kleinen rumgequatscht, die den Kuchen gebracht hat und als sie gegangen ist, war von ihm auch nichts mehr zu sehen." Juliet hatte in einer Bäckerei gearbeitet. Ich musste unbedingt herausfinden, ob sie Kuchen auslieferten und wenn ja, ob Juliet diesen Job übernommen hatte. Wohin sie ihn geliefert hatte und wann. Zuvor aber musste ich in Erfahrung bringen von welcher Hochzeit der Blonde schwafelte und was er noch alles zu diesem Thema wusste.

Zwei lachten. "Das ist so typisch."

"Seitdem hab ich allgemein nicht mehr viel von ihm gehört."

"Denkst du er hat seine große Liebe gefunden?" mit Sicherheit nicht, dafür aber eine hervorragende Nahrungsquelle, dachte ich verbittert. Im nächsten Moment versuchte ich von de Gedanken zurück zu rudern. Ich wusste nicht was tatsächlich geschehen war.

Das Auto sah aus wie aus einem Horrorfilm und das Blutbad darin ließ das Schlimmste vermuten, allerdings hatte diesem Vampir sichtlich etwas an Vita gelegen. Daher war in mir noch immer ein kleiner Hoffnungsschimmer vorhanden, dass ich Juliet würde retten können.

"Der doch nicht."

"Na vielleicht doch. Die Frau kann backen und sieht aus wie ein feuchter Traum."

"Du denkst, aber auch immer nur an das Eine."

"Ich nicht, aber Jandro mit Sicherheit.", kam die lachende Erwiderung. Ich musste unbedingt dahin.

"Du entschuldigst mich.", verabschiedete ich mich von meinem Tanzpartner nicht sonderlich freundlich und schlüpfte unter seinen Arm hinweg zu der Gruppe. Überrumpelt stotterte er hinter mir einen Protest, doch ich beachtete ihn nicht weiter. Nachher sollte ich unbedingt noch einmal zu dem Jungen gehen und ihm die Empfehlung für einen Besuch in der Tanzschule geben. So wie er sich momentan beim Tanzen anstellte, würde er jedes Mädchen verschrecken. Allerdings hatte ich vorerst wichtigere Dinge zu erledigen. Gezielt hielt ich nach dem nächsten Tisch ausschau und schnappte mir ein halbvolles Cocktailglas, dass irgendjemand unbeobachtet hatte stehen lassen. Daraufhin suchte ich mir ein ruhigeres Plätzchen und beobachtete die Gruppe, während ich mir überlegte wie ich mich ihnen am besten nähern sollte.

Kurz entschlossen nippte ich an dem Drink, damit mein Atem nach dem Alkohol roch und machte mich auf den Weg zu den Männern. Mein Gang wirkte ein wenig schwankend, genug um das man auf einen Schwips schließen konnte, aber zu wenig um wirklich betrunken zu sein.

„Hallo mein Süßer." Meine Stimme war ein verführerischer Singsang, mit einem sündigen Blick unter den halb gesenkten Augenliedern lächelte ich einen hoch gewachsenen, blonden Mann mit Bart an. Überrascht sah er sprachlos zu mir.

Ich hatte mir mit meinem Auftritt die Aufmerksamkeit der gesamten Truppe gesichert. Ich konnte nicht anders als über die Reaktion der Männer zu grinsen, die Wirkung von diesem Lächeln auf die männlichen Hormone war fatal. Sprachlos sah mich mein Zielobjekt an. Trocken schluckte er, öffnete den Mund um etwas zu sagen und schloss ihn wieder als seine Augen sich in meinem Dekolleté verfingen und er seinen Verstand in den Urlaub schickte. Sein Blick wanderte weiter über mich und fand sich nach einer kleinen Ewigkeit in meinem Gesicht wieder.

„Hallo, wie heißt du? Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns schon kennen. Dich hätte ich mit Sicherheit nicht vergessen." Sobald er die Sprache wieder gefunden hatte, klangen seine Worte schmeichlerisch und seine Stimme hatte einen angenehm tiefen klang.

„Anna.", antwortete ich ihm, einen Moment senkte ich gespielt schüchtern wegen des indirekten Kompliments den Blick, ehe ich ihn unter gesenkten Augenliedern einen fragenden Blick zu warf.

„Es freut mich dich kennenzulernen, Anna. Ich bin Philipp."

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Philipp.", säuselte ich und berührte ihn leicht am Arm. Einer seiner Freunde räusperte sich, woraufhin mich Philipp ihnen der Reihe nach vorstellte. „Ich wollte euch nicht so rüde unterbrechen." Ein schuldbewusster Blick in die Runde, ein unsicheres Zerbeißen meiner Unterlippe und die Männerrunde lag mir quasi zu Füßen. „Nicht doch... Ein wenig weibliche Gesellschaft schadet nie.", versicherte ein rothaariger mit klaren, blauen Augen und einem sympathischen Lächeln. „Ganz besonders nicht, wenn sie so gut aussieht.", fügte ein anderer schmeichelnd hinzu.

„Anna!", vorwurfsvoll erklang Glorias Stimme hinter mir. Ich wirbelte zu ihr herum, natürlich ein wenig schwankend. „Gina, da bist du ja. Ich hab dich nicht mehr gefunden.", begrüßte ich sie. „Dafür bin ich aber auf diese Runde gestoßen."

Gloria spielte ihre Rolle fabelhaft und lächelte ebenso entzückend in die Herrenrunde. „Hallo, ich bin Gina." Ganz von allein stellten sich die Männer vor. Mehr oder weniger geschickt versuchten die Männer mit uns Smalltalk zu betreiben. Am Anfang gingen wir darauf ein und ließen es unbemerkt immer weniger werden, bis wir am Ende zu hübschen Anhängseln wurden. Philipps Finger wanderten immer öfter zu mir, seine Lippen berührten die Haare über meinen Ohr, wenn er mir etwas zu flüsterte und sein Arm blieb einige lange Sekunden an meiner Seite.

Würde ich nicht dringendst die Informationen von ihnen benötigen, hätte ich ihn schon längst weggeschlagen so aber achtete ich darauf, dass alle Männer immer gut versorgt waren, wenn nicht wank ich einen der Kellner unauffällig heran, lachte über Philipps Witze und tolerierte mit einem Lächeln seine Aufmerksamkeitsbekundungen.

Als ich bemerkte, dass die Männer nicht wieder zu ihrem Ausgangsgespräch zurück kehren würden beschloss ich die ganze Sache anders anzugehen.

Knapp nickte ich Gloria zu, die mich scheinbar wortlos verstand. Dann flüsterte ich Philipp die entscheidenden Worte zu: „Wollen wir uns zu zweit zurückziehen?"

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