Isabel [III]
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„Wie lang dauert das denn noch?"
Ungeduldig tippte ich mit den Fingern auf die Lehne meines Stuhles, während drei Mägde um mich herumrannten wie kopflose Hühner. Das Korsett meines Kleides saß fester, als ich es in Erinnerung hatte und der Unterrock klebte an meiner schweißnassen Haut. Denn irgendjemand hatte beschlossen, dass ich vor einem Kamin geschminkt werden sollte, der, weshalb auch immer, angezündet war. Bestimmt was das die Rache von Lady Penelope, weil ich es gewagt hatte, mit ihr über die Trägerbreite zu diskutieren.
„Nur noch wenige Momente, meine Prinzessin."
Ein paar Schritte hinter mir hörte ich etwas, was verdächtig nach einem tiefen Glucksen klang, während ich genervt die Augen verdrehte. Andrej hatte sichtlich seinen Spaß, denn dieses Frage-Antwort-Spiel spielten wir bereits mehrere Minuten.
„Mach dich lieber nützlich, Andrej, und erzähl mir des Rätsels Lösung."
Wie zu erwarten lautete die Antwort schlicht „Nein" und ich stieß ein theatralisches Seufzen aus. Dieses blöde Rätsel verfolgte mich nun schon, seit er es gestellt hatte. Ich war sogar so weit gegangen, ein paar der Angestellten des Schlosses aufzusuchen, doch entweder hatten sie mir die Antwort verwehrt oder ihnen war auch keine Idee gekommen.
„Wir sind fertig."
Erleichtert ließ ich die Schultern sinken, dann erhob ich mich und streckte mich. Oder versuchte es, denn ich fürchtete, sonst das Korsett zu sprengen. Und das wollte ich unter gar keinen Umständen riskieren, denn auch wenn ich lieber ein anderes Kleid getragen hätte, würde mein Vater es sicherlich nicht begrüßen, wenn ich nicht gekleidet wie eine stolze Prinzessin auftrat.
Zudem wollte ich es nicht riskieren, meinen Vater zu erzürnen. Denn nicht nur konnte er meine Mission immer noch absagen, sondern ich wusste bereits, dass ihm mein eigener kleiner Plan überhaupt nicht gefallen würde. Aber was konnte ich auch dafür, wenn er mich unterschätzte?
„Lass uns losgehen", erklärte ich Andrej mit einem Nicken, nachdem ich mich kurz im Spiegel gemustert hatte.
Meine blonden Strähnen fielen mir in sanften Locken über die Schultern und das Makeup betonte die Farbe meiner Augen, sodass sie und das Kleid von identischer Farbe schienen. Dennoch war es bei weitem natürlicher als das, was die meisten Ladies am Hof tagtäglich trugen.
Mit größeren Schritten, als irgendeine Anstandsdame sie gebilligt hätte, schritt ich aus meinem Zimmer, um auf schnellstem Wege die Festlichkeiten zu erreichen. Denn je eher ich dort war, desto eher konnte ich mich auch verabschieden. Früher hatte ich es als Schwäche angesehen, mich früh wegen Müdigkeit zu entschuldigen, doch mittlerweile störte es mich nicht. Denn niemand dort erwartete von mir, sonderlich ausdauernd zu sein.
„Du siehst großartig aus."
Ich stolperte beinah über meine eigenen Füße, da ich mich so schnell herumdrehte. Dann fand ich mich identischen blauen Augen gegenüber, auch wenn diese mir aus einem männlichen Gesicht entgegenblitzten. Mit einem Grinsen warf ich mich beinah auf den jungen Mann.
„Isaak!"
Lachend fing er mich auf, dann drückte er mich gegen sich. Dabei bemerkte ich, dass ich dank meiner hohen Schuhe auf Augenhöhe war. Immer noch grinsend brachte ich etwas Abstand zwischen mich und meinen Bruder, dann runzelte ich die Stirn.
„Echt jetzt, ein Bart?"
Für den Kommentar bekam ich einen kleinen Stoß und ich trat ein paar Schritte von ihm weg. Dabei achtete ich darauf, etwas an Andrej zu rücken.
„Ja, warum nicht? Ich sehe sonst so kindisch aus", erwiderte er mit einem scheinbar nonchalanten Achselzucken, doch die geröteten Ohren verrieten ihn.
„Und wie lange hast du den wachsen lassen? Ein Jahr, oder zwei?"
Mit empörtem Gesicht warf Isaak sich in meine Richtung, doch ich tat einen Satz zurück und versteckte mich hinter meinem glucksenden Leibwächter. Für ein paar Augenblicke versuchte er, mich dennoch zu erreichen. Dann jedoch schmollte Isaak wie ein dreijähriger, nicht wie ein erwachsener Prinz, und drehte sich von mir weg.
„Das ist unfair."
Mit schnellen Schritten versuchte er, sich von mir zu entfernen, doch ich holte ihn ein und hängte mich triumphierend an seinen Arm. Überrascht blinzelte er mich an.
„Was macht Drysden denn mit dir, Schwesterchen?"
Ich winkte ab und überging den Kosenamen, schließlich hatte ich ihn auch geärgert.
„Das höre ich in letzter Zeit zu oft. Viel wichtiger ist aber doch die Frage, was du hier machst."
In den letzten Wochen war Isaak viel im Land unterwegs gewesen, angeblich, um ein paar Streitigkeiten zwischen Adeligen zu schlichten. Doch aufgrund der Informationen der letzten Tage war ich mir sicher, dass er nicht nur das getan hatte. Mein Vater würde nie einen seiner Söhne aus so etwas wie Kriegsvorbereitungen heraushalten.
„Ich war zufällig in der Nähe und wollte dich sehen. Grafen werden auf Dauer schrecklich langweilig. Und Fürsten erst! Ich sage dir was: Heirate bitte keinen Fürsten, da wäre mir sogar irgendein Bauer aus dem tiefsten Süden lieber."
Ich verdrehte die Augen, doch bevor ich noch etwas äußern konnte, erreichten wir auch schon die Türen des Ballsaals, die für uns aufschwangen. Sofort richteten sich die Blicke von sicherlich 100 Adeligen auf uns und ich zwang ein, wie ich hoffte, erhabenes und glückliches Lächeln auf meine Lippen.
Aus Erfahrung wusste ich, dass die meisten sich schon bald auf Isaak stürzen würden, doch noch wollte ich die Seite meines Bruders nicht verlassen. Wir sahen uns so selten, dass ich für ihn sogar ein paar aufgeplusterte Barone und liebenstrunkene Gräfinnen ertragen würde.
Zehn Minuten später war ich mir nicht mehr so sicher. Denn schon der fünfte Graf komplimentierte seinen Bart, der meiner Meinung nach nicht mehr als ein paar blonder Stoppeln war. Andrejs Gesichtsbehaarung würde ich als Bart bezeichnen, doch welcher Adelige achtete schon auf einen einfachen Angestellten, auch wenn er noch so groß war?
„Meine Prinzessin."
Überrascht sah ich von meinem Glas Wein auf, an dem ich mich festhielt, seit Isaak es mir mit einem Augenzwinkern überreicht hatte. Der Baron vor mir, ein älterer Mann mit zitternden Fingern, wie ich bei genauerer Betrachtung erkannte, war der erste, der mich mit etwas mehr als einer Verbeugung begrüßte. Mit einem Lächeln erwiderte ich den Blick aus ernsten Augen.
„Baron Exitura, Ihr habt es geschafft!"
Mit einem, für ihn typischen, sanften Lächeln nickte er, dann sah er sich um.
„Ihr habt nicht zufällig meinen Sohn gesehen? Seine Majestät hat mich unterrichtet, er habe auch zugesagt. Ich hatte gehofft, ihn wie sonst auch in Eurer Nähe zu finden."
Mit gerunzelter Stirn schüttelte ich den Kopf.
„Es tut mir leid, aber ich habe ihn auch noch nicht gesehen. Sicherlich ist er schon hier. Habt Ihr schon bei der Gräfin de Cerca nachgesehen? Vielleicht weiß sie mehr."
Er nickte mit dankbarem Gesichtsausdruck und verbeugte sich ein weiteres Mal, dann zog er weiter. Ich sah ihm hinterher. Seit wann besuchte Drysden solche Feierlichkeiten? Soweit ich wusste, zog er enge Tavernen und schlecht beleuchtete Pubs vor, wie die meisten Adeligen, die sich dem Militärdienst verschrieben.
„Drysden also?"
Bei Isaaks belustigtem Tonfall drehte ich den Kopf und erwiderte dann seinen Blick unbeeindruckt.
„Was willst du damit sagen?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Es ist interessant zu wissen, dass ihr viel Zeit miteinander verbringt. Das ist alles."
Dann verließ der amüsierte Ausdruck sein Gesicht, noch bevor ich Zeit hatte, mich zu verteidigen.
„Ich weiß, dass du Drysden magst, das musst du gar nicht erst abstreiten. Aber pass auf, ja? Er ist auch nur ein junger Mann."
Für ein paar Sekunden starrte ich meinen Bruder mit offenem Mund an. Wollte er damit tatsächlich sagen, was ich glaubte, dass er sagen wollte? Mit zu Schlitzen verengten Augen sah ich ihn an.
„Was willst du damit sagen?"
Scheinbar schien er nicht zu bemerken, wie wenig mir seine Aussage gefiel, denn er zuckte nur mit den Schultern.
„Er ist unverheiratet und treibt sich gerne in zwielichtigen Vierteln herum, wie man sich erzählt. Ich will nur nicht, dass du etwas dummes tust, weil du von ihm geblendet bist."
Ich löste meine Hand von seinem Arm.
„Egal was ich für Drysden fühle oder nicht, dass ist ganz allein meine Sache. Dasselbe gilt für die Orte, die er aufsucht. Wie kannst du so etwas über jemanden sagen, den du von klein auf kennst? Du weißt doch ganz genau, dass er mich nie anders als Iwo und dich behandelt hat."
Mit diesen Worten ließ ich ihn mit seiner Horde Adeliger zurück, sicher, dass nun die Damen anfangen würden, sich um seinen freien Arm zu streiten. Das verdiente er. Noch immer wütend schob ich mich durch die Menge, auf der Suche nach Cara, um meiner Wut irgendwo Luft zu machen. Doch wie es der Zufall so wollte, wurde ich von ernsten blauen Augen und weichen Locken aufgehalten.
Drysden stand in all seiner Pracht vor mir, mit einem Anzug, der wie angegossen saß. Er trug dunkelblau und seine Haut trug den Glanz der ersten sonnigen Tage. Vielleicht hätte mein Bruder eher Drysden vor mir warnen sollen, denn so sehr ich auch von seinem Anblick gefangen war, war alles, was er mir schenkte, eine Verbeugung und ein kleines Lächeln.
„Schenkt Ihr mir einen Tanz, Prinzessin?"
Wie ferngesteuert ergriff ich die Hand, die er mir entgegenstreckte, und ließ mich auf die freie Fläche in der Mitte führen. Das Streichorchester spielte ein recht langsames Stück, sodass es kaum auffiel, dass Drysden und ich uns kaum bewegten.
„Was tust du denn hier?", wollte ich schließlich wissen, als mein Gehirn sich von der Nähe zu ihm erholt hatte.
Drysden sah mich aus ernsten Augen an.
„Es tut mir leid, dass ich dich überrumpelt habe. Aber ich habe einen Weg in das Reich der Fae gefunden."
Ich unterdrückte einen Freudenschrei, auch wenn das breite Lächeln auf meinem Gesicht kaum auffälliger hätte sein können.
„Wie? Ich dachte, es gäbe keine konkreten Aufzeichnungen."
„Ich habe das Tagebuch eines Vorfahren entdeckt. Wir müssen den Plan nicht ändern, nach Tel'n zu reisen."
Sogar Drysden klang begeistert, während er mir davon erzählte. Das waren wirklich, wirklich gute Nachrichten.
„Wir sollten Cara suchen und sie davon unterrichten."
Drysden nickte, dann drehte er den Kopf plötzlich weg. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernster, beinah verschlossen. Dasselbe galt für seinen Tonfall.
„Ich habe gehört, einer deiner Brüder hat seinen Weg hierher gefunden."
Verwundert legte ich den Kopf schief, dann jedoch kam mir die Unterhaltung mit Isaak wieder in den Sinn und ich verschob meine Neugier etwas. Wut war gerade so viel angenehmer.
„Ja, Isaak war anscheinend in der Nähe."
Drysden drehte sich mir wieder zu, die Falten auf seiner Stirn geglättet.
„Du klingst nicht begeistert."
Ich schüttelte den Kopf, als Zeichen, dass ich nicht darüber reden wollte. Dann fing ich den Blick meines Bruders ein. Isaak tanzte ein paar Meter entfernt mit einer jungen Fürstin, doch er schenkte ihr kaum Beachtung und blickte mich stattdessen mit beinah besorgter Miene an. Ich verzog das Gesicht, dann schob ich mich ein kleines Stück an näher an Drysden.
Ich spürte, wie sein Griff an meiner Taille etwas fester wurde, als hätte ich ihn überrascht. Doch er sagte nichts, sondern folgte einfach meinen Bewegungen. Isaak schüttelte den Kopf warnend, doch meine einzige Reaktion war die, dass ich mit einem Finger über die starke Schulter vor mir strich.
„Alles in Ordnung?"
Ich erwiderte Drysdens besorgten Blick mit einem Lächeln und, für den Effekt auf Isaak, einem Blick unter flatternden Wimpern. Ich war mir nicht sicher, ob Isaaks oder Drysdens Gesichtsausdruck komischer waren. Denn mein Bruder sah mit geradezu schockiertem Gesicht zu mir, doch Drysden schien einfach nur verwirrt zu sein.
„Hast du etwas im Auge?"
Ich musste lachen, auch wenn meine Belustigung den kleinen Stich in meinem Herzen, dass meine gesamte Vorführung ihn kalt zu lassen schien, nicht überdecken konnte. Dann schüttelte ich den Kopf und löste mich ganz von ihm, auch wenn ich vorher noch einen Blick zu meinem wütenden Bruder warf. Denn er hatte nicht das Recht, wochenlang wegzugehen, ohne mir zu schreiben, und mir dann plötzlich das Leben zu diktieren.
„Wir sollten Cara suchen. Sie will bestimmt auch wissen, was wir haben. Und sicherlich würde sie sich freuen, wenn du auch noch mit ihr tanzt. Du weißt ja, wie gut das die Verehrer abhält."
Dryden verzog das Gesicht leicht, denn er tanzte nicht gerne, doch nickte pflichtbewusst. Denn für seine Freunde würde er alles tun. Der Gedanke versetzte mir einen weiteren Stich. Denn, selbst sollte er mehr als für andere Frauen für mich empfinden, so war ich mir sicher, dass es doch nie mehr als eine tiefe Freundschaft sein würde. Denn, wie ich Isaak gesagt hatte: Wir kannten einander von klein auf. Ich würde sicherlich immer das kleine Mädchen bleiben, das an ihm hing wie eine kleine, königliche Klette.
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Und noch ein Kapitel unserer Prinzessin. Was haltet ihr von Isaak?
Over and Out,
DasLebenLesen
14/09/20
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