Isabel [13]
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Die Rüstungen in Ensomniya waren groß, schwer und glitzerten beeindruckend in der Sonne, wenn die Soldaten sie wuschen. Ich hatte ein einziges Mal eine dieser Rüstungen getragen. Das Kettenhemd allein hatte bereits meine Schultern herabgezogen. Die einzelnen Teile der Rüstung, die Armschoner, die Beinschoner, das Brustteil, waren danach gekommen. Als die Rüstung endlich fertig gewesen war, alle Komponenten ordentlich miteinander verbunden, hatte ich mich dreimal so schwer gefühlt. Ich hatte kaum einen Schritt darin tun können.
Damals waren Unmengen an Dienern um mich herumgeschwirrt, die die Rüstung angepasst hatten. Das Zimmer hatte sich so beengt angefühlt, als wäre es nicht mehr als eine kleine Kammer gewesen und nicht der große Saal in Herzen des Schlosses meines Vaters.
Hier in Yver war es ganz anders. Hier, in einem Baumhaus, nicht weit vom Palast der Königin, gab es nur sie, mich und einen Fae, der geschäftig einen Schrank durchwühlte. Ich kam nicht umhin, mich zu wundern, wo genau die Rüstungen hier lagerten. Neben den Wänden voller Schränke gab es keinen einzigen Rüstungsständern, nichts, was auf die Politur oder die Pflege der glänzenden Metallplatten hindeutete.
Ich warf einen vorsichtigen Blick zur Treppe, dann wandte ich mich sofort wieder ab, in der Hoffnung, damit das flaue Gefühl aus meinem Magen zu verdrängen. Wenn ich die steilen Stufen in einer Rüstung herabsteigen müsste, dann wäre das mein Ende. Wahrscheinlich würde ich kopfüber herunterstolpern und mir das Genick brechen. Kein schöner Gedanke.
„Ah, da haben wir sie doch. Bitte entschuldigt, Idan'shin, aber ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt eine weitere Rüstung Eures Clans habe. Dazu noch eine, die einem Menschen passt?"
Der Fae schüttelte den Kopf, dann zog er etwas hervor.
„Ich fürchte, das ist alles, was ich habe. Ein wenig altmodisch, aber es sollte passen."
Ein wenig verwundert legte ich den Kopf schief, als mein Blick auf die Kleidung in seinen Händen fiel. Das sollte eine Rüstung sein? Die Schulterpolster, die aus festem Leder gemacht waren und die an der Brust kreuzenden Gurte, die sie und gleichzeitig eine Schwerthalterung am Rücken hielten, verstand ich noch. Doch ansonsten schien diese Rüstung aus einem dichten schwarzen Stoff zu bestehen, nicht viel mehr als ein dicker Pullover.
„Es fehlen ein paar Teile, die muss ich oben suchen. In der Zeit könntet Ihr die Rüstung aber schon einmal anprobieren, Prinzessin."
Entschlossen drückte er mir die Kleidung in die Hand, dann stapfte er an uns vorbei die Treppe hinauf. Ein wenig verwundert sah ich ihm hinterher, dann drehte ich diese Rüstung verwundert. Sie war schwerer, als sie aussah, aber keinesfalls schwerer als ein dickes Winterkleid.
„Sie mag nicht nach viel aussehen, aber die Rüstungen meines Clans sind die sichersten, die es gibt."
Überrascht hob ich den Blick zu Idan'shin, die mir aufmunternd zunickte.
„Probier sie an. Sie ist so konzipiert, dass man sie problemlos und schnell überstreifen kann, schließlich muss es schnell gehen. Dort vorne gibt es eine Trennwand, du musst sie nur ausziehen, dann kannst du dich dahinter ungestört umziehen."
Ich folgte der Geste der Königin und tatsächlich gab es am anderen Ende des Raumes eine Einkerbung. Überrascht zuckte ich zurück, als nur eine leichte Berührung ausreichte, damit eine dichte Stoffplane, gespannt auf einem Holzrahmen, aus der Wand hervorschnellte. Mit einem letzten Stirnrunzeln legte ich die Rüstung dahinter zur Seite. Dann streifte ich das Oberteil über den Kopf und betrachtete den oberen Teil der Rüstung. Auf die Entfernung hin hatte er schwarz gewirkt, doch aus der Nähe betrachtet schien er von silbernen Streifen, dünn wie Fäden, durchlaufen zu sein.
Vorsichtig griff ich danach und schlüpfte hinein. Der Stoff lag schwer auf meinen Schultern, doch zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass er sich beinah kühl anfühlte. Als nächstes folgte der untere Teil. Er schien aus demselben Material zu sein und lag eng an. Es war noch immer ungewohnt, Hosen zu tragen wie die Fae es taten. Doch es war sehr viel einfacher, sich darin zu bewegen. Da bildeten auch die Hosen dieser Rüstung keine Ausnahme.
Ich drehte mich ein paar Mal, dann legte ich die Schulterposter an. Zum Glück konnte man sie vor der Brust schließen, sonst hätte ich ein ernsthaftes Problem bekommen. Zufrieden ließ ich meine Schultern ein paar Mal rotieren, dann trat ich um die Wand herum, um Idan'shin die Rüstung zu präsentieren. Zu meiner Überraschung war auch der andere Fae zurückgekehrt. Gemeinsam musterten sie mich kritisch, dann nickte er.
„Ich hatte recht, die Rüstung passt. Ich habe auch noch ein paar weitere Teile gefunden. Sie stammen aus verschiedenen Zeitaltern, sollten aber gut passen und die Prinzessin schützen."
Bereitwillig streckte ich die Arme aus und ließ mir eine Art silberfarbenen Armschutz an den Unterarm und bis zu meinem Handgelenk umziehen, der mit leichten Klammern geschlossen wurde. Darauf folgte ein Schienbeinschutz, der in einem paar wadenhoher Stiefel verschwand. Mit kritischem Blick betrachtete der Fae mich, dann griff er nach einer Art Gürtel, die verloren auf einem kleinen Tisch gestanden hatte.
Vorsichtig zog ich ihn um, nicht ganz sicher, wozu er diente. Doch diese Frage erübrigte sich, als ich an einem kleinen Stück kühlem Metall hängen blieb. Verwundert zog ich daran, bis ich einen Miniaturdolch in Händen hielt, etwa so lang wie meine Hand und so breit wie zwei meiner Finger.
„Mein Clan greift aus der Luft an. Solche kleinen Waffen sind nützlich, um damit auf Gegner zu zielen und lassen sich leicht zücken, besonders dann, wenn man von einer erhöhten Position aus attackiert."
Ich warf einen Blick zu Idan'shin und am liebsten hätte ich mir selbst einen Stoß verpasst. Sie trug bereits seit wir hergekommen waren ihre Rüstung und ich hatte es nicht bemerkt, weil ich mich viel zu sehr auf die traditionellen Rüstungen Ensomniyas konzentriert hatte.
Die Königin trug beinah eine identische Version meiner eigenen Rüstung, aber die Armschoner schienen leichter zu sein, der Stoff etwas weitfallender als mein eigener. Eine üble Vorahnung stieg in mir hoch. Heute Morgen noch hatte sie angekündigt, wir würden frühestens in ein paar Tagen auf die Truppen unserer Angreifer treffen. Und nun war sie bereits in voller Montur?
Für einige Sekunden sahen wir einander an, während der Fae geschäftig durch sein Geschäft huschte, dann schenkte sie mir die Andeutung eines kleinen Lächelns.
„Ich wollte dich nicht belügen, Isabel. Aber bitte versteh, dass ich dich nicht kämpfen lassen wollte, solange du noch keine Rüstung hattest. Wir haben Glück, dass du für einen Menschen relativ groß bist, sonst hätten wir noch Änderungen vornehmen müssen."
„Also habe ich recht, wenn ich annehme, dass wir uns gleich bereits auf den Weg zu den Grenzposten begeben."
Eigentlich hatte ich eine Frage formulieren wollen, doch gelang mir das nicht so recht. Die Königin nickte.
„Genau. Wir brechen sofort auf. Die Schiffe haben sehr schnell den Sturm durchbrochen und die Sturmol werden sie nicht mehr lange aufhalten können. Je eher wir sicherstellen können, dass alles vorbereitet ist, desto besser. Wir wissen zu wenig über unsere Gegner."
Ein wenig erschlagen senkte ich den Blick und zupfte an einem der Armschoner. Es ging also wirklich los. Bisher hatte ich den Gedanken von mir wegschieben können, doch jetzt, wo ich eine Rüstung trug und einer Königin gegenüberstand, die kriegsbereit und gefasst wirkte, war das hier etwas ganz anderes.
Ich atmete einmal tief durch, dann griff ich nach meinem Schwert, das ich ein paar Schritte entfernt abgelegt hatte. Die Waffe leuchtete im roten Schein der Blätter auf, als ich es aus der Scheide zog. Unwillkürlich durchlief mich ein Schaudern. Ob das wohl ein Omen war? Eine rote Klinge?
Mit einem kleinen Kopfschütteln ließ ich die Waffe in ihre neue Schwertscheide auf meinem Rücken gleiten, dann zog ich eines der Messer aus meinen alten Stiefeln. An den Knöcheln trug ich nun keine Scheiden mehr, also ließ ich es in die zweite Halterung sinken.
„Passt alles?"
Mit einem kleinen Nicken wandte ich mich dem Fae zu, der ein paar Meter entfernt an der Tür stand.
„Ja, ich denke schon."
„Sehr gut. Dann ab mit euch."
Überrascht zog ich bei seinem Tonfall eine Augenbraue in die Höhe. Zuvor hatte er weitaus respektvoller mit seiner Königin gesprochen. Doch Idan'shin schien das nicht zu stören. Mit großen Schritten trat sie zu ihm, dann legte sie ihm eine Hand auf die Schulter.
„Ich danke dir, mein Freund. Pass gut auf dich auf."
Der Mann verdrehte bloß die Augen.
„Meine einzige Aufgabe ist es, darauf zu warten, dass mir jemand eine zerstörte Rüstung vorbeibringt. Ich muss sie nicht einmal holen kommen. Ihr solltet besser auf Euch aufpassen. Das gilt auch für dich, Prinzessin."
„Ich gebe mein Bestes", antwortete ich, nicht sicher, was man sonst in dieser Situation zu einem Fremden sagen sollte.
Dann folgte ich Idan'shin, die bereits auf dem schmalen Pfad vor dem Baumhaus wartete. Kaum hatte ich zu ihr aufgeschlossen, setzte sie sich auch schon in Bewegung, während ihre Rüstung das rötliche Licht im Wald reflektierte. Wieder durchlief mich ein Schaudern, doch diesmal nicht aus Angst.
Die Königin mit ihren eleganten Gesichtszügen, dem entschlossenen Blick und der Haltung einer erfahrenen Kriegerin war ein einschüchternder Anblick, keine Frage. Doch es war Bewunderung, die mich dazu trieb, mit ihr Schritt halten zu wollen. Es war das Gefühl von Sicherheit, das sie ausstrahlte, welche mir den Mut gab, den Rücken durchzustrecken.
Ich hatte diese Frau noch nicht kämpfen, noch keine Armee führen sehen, aber ich wusste, dass ich mich glücklich schätzen konnte, ihr in diesem Krieg zu folgen. Und ich war mir sicher, dass ich viel von ihr lernen konnte. Vielleicht würde ich niemals eine Königin sein, schließlich war ich die dritte Thronfolgerin hinter meinen Brüdern, aber ich konnte lernen, eine Kriegsherrin zu werden.
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Es gibt einen sehr guten Grund für meine Abwesenheit. Ausnahmsweise. Denn ich habe mir Corona eingefangen und dann erstmal ne Woche im Bett verbracht. Für die Woche danach habe ich keine Ausrede, aber dann war ich dazu noch 2 Wochen lang auf einem Seminar. Das Kapitel hier war eigentlich auch schon zu dem Zeitpunkt fertig, aber leider nur auf meinem PC daheim. Letzte Woche habe ich das Kapitel im Stress einfach vergessen, deshalb bekommt ihr es jetzt.
Over and Out,
DasLebenLesen
16/06/2022
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