Cara [IIII]
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Auch die zweite Nacht, die wir auf unserer Reise im Freien verbrachten, verlief überraschend ruhig. Bei Morgengrauen löschten wir das Feuer und sattelten die Pferde. An diesem Tag würden wir den Holzfäller endgültig betreten und dann würde es keine ruhige Nacht mehr geben.
Seufzend schwang ich mich auf Avanti, dann setzte sich unsere kleine Prozession auch schon in Bewegung. Andrej ritt wieder einmal am Ende unserer Prozession, während Issi sich für die Spitze entschieden hatte. Drysden und auch ich ritten neben ihr, doch ich ließ mich nach wenigen Minuten zurückfallen. Drysden hatte nämlich beschlossen, doch eine kleine Unterrichtseinheit einzubauen, worauf ich wirklich verzichten konnte.
Ein paar Minuten lang ritt ich allein, während der Wald um uns herum langsam dichter und die Schatten länger wurden. Bald schon würde nur noch wenig Licht durch das dichte Blätterdach fallen, wofür ich nach den letzten Tagen dankbar war. Ich war diese Temperaturen zwar eigentlich aus meiner Heimat im Süden gewohnt, doch die vielen Jahre in Torn hatten mich weich gemacht.
„Woran denkt Ihr?"
Ich hob den Blick und zuckte die Schultern achtlos. Yan hatte in den letzten Minuten zu mir aufgeschlossen und betrachtete mich mit forschem Blick. Doch nicht wie zu Beginn, als er nur darauf gelauert hatte, eine Lüge zu finden. Es schien beinah, als wäre er wirklich interessiert.
„An zuhause. Die Temperaturen dort waren im Hochsommer manchmal so hoch, dass nachts bei Mondschein gearbeitet werden musste. Öfter als einmal musste jemand von unserem Arzt versorgt werden, weil er sich zu lange in der Sonne aufgehalten hatte."
Ich musste bei der Erinnerung grinsen, während Yan mich mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete. Ich machte den Gesichtsausdruck nach, dann forderte ich, ob aus Neugier oder schlicht Langeweile: „Erzählt mir von Tel'n."
Er zögerte kurz, doch dann verzog er die Lippen zu so etwas wie einem verächtlichen Grinsen.
„Tel'n? Ich weiß nicht, was ich Euch erzählen könnte, dass Ihr noch nicht wisst."
Ich zuckte mit den Schultern, dann kam mir ein Gedanke, der mich schief lächeln ließ.
„Ein guter Ort, um ungestört zu sein? Die besten Plätze für zwei Geliebte? Ein paar gute Gerüchte? Ich bin mir sicher, Euch fällt etwas ein, um eine Dame zu unterhalten."
Mit ungläubiger Miene betrachtete er mich.
„Eine Dame? Wo?"
Für ein paar Sekunden starrte ich ihn an, dann musste ich lachen. Zu meiner Überraschung formte sich auch ein Lächeln auf seinen Lippen, was mir bewies, dass er tatsächlich einen Scherz gemacht hatte. Für ein paar Sekunden war ich mir nicht so sicher gewesen.
„Ich bin mir sicher, eine Dame würde etwas anderes hören wollen", setzte er schließlich nach, als ich mich beruhigt hatte.
„Dann tut so, als wäre ich keine Dame."
Verschwörerisch beugte ich mich vor, nach dem Spaß der letzten Minuten etwas mutiger als noch zuvor.
„Ich brauche Antworten, Fürst."
Er schüttelte den Kopf, dann richtete er den Blick nach vorne.
„Damit werdet Ihr Euch wohl noch etwas gedulden müssen. Ich kann keine Eurer Fragen beantworten."
Ungläubig starrte ich den jungen Fürsten an, der ein wenig rot zu werden schien bei dieser ehrlichen Antwort.
„Ihr meint das nicht ernst!"
Keine Antwort war auch eine Antwort, besonders, als er dazu noch den Kopf ein kleines Stück senkte.
„Ihr seid ein Fürst! Die Damen müssen sich darum gerissen haben, Euch kennenzulernen. Ihr seid doch noch keine zwei Jahre von dort weg."
Er zögerte, jetzt eindeutig rot. Dann sah er sich um, und ich tat es ihm gleich. Drysden und Issi hatten mittlerweile einen beträchtlichen Abstand zu uns, genauso wie Andrej, der immer wieder angestrengt in das dichte Unterholz blickte. Mein Blick glitt zurück zu dem Fürsten neben mir, der mit ernster Miene nach vorne blickte. Für ein paar Minuten betrachtete ich ihn stumm, während er mit sich zu ringen schien. Gerade als ich sicher war, er würde für immer schweigen, hob er den Blick und sah mich an.
„Ihr kennt sicherlich die Gerüchte über meine Mutter."
Ich runzelte die Stirn, nicht sicher, was er von mir wollte. Doch dann fiel es mir ein. Angeblich stammte sie aus Cidus, doch in Torn ging man davon aus, dass dieses Gerücht erlogen war. Meine Quelle war sich dessen zumindest sehr sicher gewesen.
„Es stimmt."
Erstaunt schwieg ich. Was sollte man auch darauf antworten, außer, dass ich wohl einen Informanten von meiner Gehaltsliste streichen konnte?
„In Torn denken die meisten, es wäre erlogen, aber die Gesellschaft in Tel'n ist sich diesem Fakt nur zu deutlich bewusst. Glaubt mir, wenn ich sage, die Damen hatten alles, aber kein Interesse an mir."
„Das tut mir leid."
Ich verzog das Gesicht, noch während ich das sagte. Was sollte so etwas schon für ihn bedeuten? Er war ein Außenseiter in seiner Heimat, da war ihm eine solche Floskel sicherlich ziemlich egal, auch wenn ich sie ernst meinte. Doch statt eines höhnischen Kommentares zuckte er bloß mit den Achseln.
„Schon gut, ich bin es gewohnt. Außerdem ist das nur ein Teil der Wahrheit."
Ich runzelte die Stirn ein weiteres Mal, zum einen wegen der Aussage, zum anderen wegen des beinah spielerischen Tonfalls, der offensichtlich seine wahre Stimmung überspielen sollte. Doch ich spielte mit.
„Tatsächlich?"
„Als ich jünger war, war ich so klein, dass mich jedes Mädchen in meinem Alter überragte. Und von den ganzen Soldaten sollte ich gar nicht erst anfangen, die mich regelmäßig im Zweikampf besiegt haben. Ich mit einem Schwert? Kein schöner Anblick."
Überrascht lachte ich auf. Mit einem solchen Kommentar hatte ich nicht gerechnet. Die meisten Männer, die ich kannte, würden sich niemals die Blöße vor einer Frau geben und von ihren Schwächen sprechen. Schon gar kein Fürst.
„Ich bin mir sicher, dass Ihr übertreibt", erklärte ich schließlich.
Er zog bloß eine spöttische Augenbraue in die Höhe.
„Ich bin mir sicher, dass Andrej mich mit einer Hand zerquetschen könnte, wenn das sein Wunsch wäre. Das ist nicht gerade das, was eine Frau sich in einem Mann wünscht."
Ich schüttelte bloß den Kopf.
„Das stimmt so nicht. Ihr mögt vielleicht nicht der Kräftigste sein, aber schlecht seht Ihr auch nicht aus. Es gibt bestimmt einige Frauen da draußen, denen Ihr gefallt."
„Ach ja?"
Mit einem Nicken deutete ich auf ihn: „Eure Haare haben eine schöne Farbe. Und mir gefallen Eure Augen."
In demselben Moment, in dem ich das sagte, bereute ich es. Denn nun konnte ich nicht anders, als ihn direkt anzusehen. Eigentlich hatte ich das nur so gesagt, doch bei näherer Betrachtung musste ich zugeben, dass das wilde Muster in seinen Augen, eine Mischung aus grau, blau und grün, mich an einen Seesturm erinnerte. Der Anblick war beinah hypnotisch und ich musste mich schließlich zwingen, wegzusehen. Mit einem kleinen Räuspern nicht ich nach vorne.
„Wir sollten zu den anderen aufschließen."
Ohne auf eine Antwort zu warten, ritt ich davon. Währenddessen war ich froh darum, dass ich nur selten rot wurde. Das wäre sonst sehr unangenehm gewesen. Als ich schließlich meine beste Freundin erreichte, blickte sie mich verwundert an.
„Alles okay bei dir?"
Ich nickte bloß, dann konnte ich dem Drang nicht widerstehen und blickte nach hinten. Yan hatte, zusammen mit Andrej, aufgeschlossen. Für ein paar Herzschläge begegneten sich unsere Blicke und er schenkte mir, zu meiner unendlichen Überraschung, ein kleines Lächeln, das ich einfach erwidern musste.
Doch schnell blickte ich wieder nach vorne, denn in diesem Moment meldete sich mein Gewissen zu Wort. Ich würde ihn anlügen müssen, um mein Ziel zu erreichen. Ich tat es schon. Dabei war er gar nicht so schlimm, wie ich es immer gedacht hatte. Natürlich hatten wir nur für wenige Minuten miteinander gesprochen, doch er hatte mehr preisgegeben, als ich jemals erwartet hätte.
Es ergab Sinn, weshalb er so versessen darauf war, dem König zu gefallen. Sicher hatte er das Gefühl, er müsse seine Loyalität beweisen. Und wir würden das kaputt machen. Ich seufzte. Was für großartige Aussichten, doch das war nun einmal Politik. Ließ man sich von seinen Gefühlen lenken, musste man mit einer Niederlage rechnen. Nur wer sich abhärtete, hielt durch. Und ich war schon weit gekommen.
___
Als wir das Nachtlager aufschlugen, verschwand Drysden im Wald auf der Suche nach Feuerholz. Wir waren so weit in den Holzfäller vorgedrungen, dass wir zögerten, die Gruppe zu sehr aufzulösen. Andrej war ein geborener Beschützer, also blieb er. Der Baron hingegen war ein Krieger, um den man sich nur wenige Sorgen machen musste.
Wir aßen schweigend, dass Feuer mehr glühende Asche als sonst etwas, um so möglichst wenig Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, als er schließlich wiederkehrte. Angespannt legten wir uns dann hin, während ich die erste Wache übernahm.
Im Holzfäller selbst, inmitten von Bäumen und Büschen, war es deutlich kühler bei Nacht und ich zog den Mantel, den ich zur Vorsorge mitgebracht hatte, enger um mich, während ich in den Wald blickte. Er war so dicht, dass ich hinter der ersten Baumreihe nichts mehr erkennen konnte. Nur hier und da leuchteten kurz die Augen eines Tieres auf, und jedes Mal erschreckte ich mich etwas.
Eine Bewegung ließ mich herumfahren, doch noch während ich nach dem Kampfstab griff, der neben mir lag, entspannte ich mich etwas. Es war der Fürst, der sich von seiner Matte erhoben hatte. Mit verwirrtem Blick beobachtete ich, wie er auf mich zutrat und sich dann vorsichtig auf meiner Matte niederließ.
„Könnt Ihr nicht schlafen?"
Er schüttelte den Kopf, dann setzte er nach: „Die Geräusche machen mich verrückt. Immer wenn ein Ast knackt, rechne ich mit einem Räuber."
Verständnisvoll nickte ich. Was sollte ich auch sonst sagen? Mir ging es nicht viel besser, auch wenn ich das niemals zugeben würde.
„Danke."
Meine Augen zuckten kurz zu ihm, dann fragte ich nach: „Wofür?"
Yan ließ sich Zeit mit der Antwort. Stattdessen zog er die Beine an und legte den Kopf darauf ab. Dadurch wirkte er noch jünger, als er ohnehin schon war. Die meiste Zeit vergaß ich es, zu genervt wegen einer provokanten Aussage, doch der Fürst maß nicht einmal 20 Jahre. Nur noch Isabel war jünger, doch das machte sie mit Abenteuergeist und Elan wett.
„Es tut gut, zu hören, dass man kein totaler Versager ist. Besonders, wenn eine Frau wie Ihr das sagt."
Ich gab es auf, in den Wald zu starren, und blickte stattdessen zu Yan, nicht sicher, ob ich beleidigt sein sollte.
„Wie bitte?"
Empörung, damit konnte ich leben. Ich erwartete, dass er eine spöttische Bemerkung dazu machte, doch er zupfte stattdessen an seinem kleinen Zopf herum und wandte sich mir zu. In seinen Augen stand beinah so etwas wie Sorge, doch das hätte auch nur eine Einbildung sein können, so schlecht wie das Licht war.
„Ich meinte das als Kompliment. Ihr seid netter, als ich es bei Eurem Ruf erwartet habe, dass ist alles."
Ich gab zu, dass mich diese Aussage sehr glücklich machte. Doch etwas störte mich daran.
„Bei meinem Ruf?"
Er zögerte kurz, dann zuckte er beinah schelmisch mit den Achseln.
„Ihr setzt Euch durch, besonders gerne gegen Männer. Deshalb nennen manche Leute Euch auch einen Männerschreck, zumal Euer Ehemann nicht lange nach der Hochzeit gestorben ist. Es gibt Gerüchte."
Oh. Es stimmte, dass ich nicht nachgab. Darauf war ich äußerst stolz. Aber ein Männerschreck?
„Ich habe meinen Mann nicht getötet, falls man sich das erzählt. Er war alt. Sehr alt."
Ich schüttelte mich bei dem Gedanken daran. Während unserer gemeinsamen Zeit hatte ich selten darüber nachgedacht, aber er hatte mehr als das dreifache meines Alters auf dem Buckel gehabt.
„Werdet Ihr eines Tages wieder heiraten?"
Ich sah ihn nachdenklich an.
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das hängt davon ab, wen ich kennenlerne. Ich denke, wenn ich es mache, dann wirklich aus Liebe. Nicht, dass ich doch noch die Gerüchte bestätige."
Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es sah gut aus, stellte ich überrascht fest. Und während ich am Tag noch den Blick abgewandt hätte, machte mich die Dunkelheit mutig und ich betrachtete ihn genauer. Wenn er nicht gerade verkniffen war, war er schön. Nicht gutaussehend wie Andrej oder sexy wie Drysden, sondern schön.
„Was ist mit Euch? Wollt Ihr irgendwann heiraten?"
Meine Stimme war leiser, als beabsichtigt. Und ich stellte fest, dass mich die Antwort brennend interessierte.
„Ich muss. Ich bin der Älteste, ich werde den Titel weitergeben. Aber erst später."
Danach schwiegen wir und blickten einander einfach an, bis es Zeit wurde, Drysden für seine Wache zu wecken. Und als ich schlief, verfolgten mich die See und das Feuer noch bis in meine tiefsten Träume.
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Ich habe irgendwie das Gefühl, dass dieses Kapitel anders ist. Warum? Keine Ahnung. Wer hätte mit dieser Wendung gerechnet?
Over and Out,
DasLebenLesen
02/11/2020
PS: Noch 27 Tage, dann werde ich 18. Und ich darf meinen Geburtstag allein mit meinen Geschichtslernzetteln verbringen, was ein Traum. Naja, immerhin kann ich ausschlafen.
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