//ZWEI BESONDERE GÄSTE//

EIN TAG IST vergangen, seit Susanne und Max Ferien haben und sich eine ultimativ tolle Hausaufgabe überlegen müssen. Wir haben sie gestern an der Stelle verlassen, an der sie auf dem Heimweg einen Ring gefunden haben. Susi hat dieses Schmuckstück sofort zu einer Geschichte inspirierte, die Max und sie in den nächsten sechs Wochen aufschreiben wollen. Max möchte damit in die Geschichte der Schule eingehen und besser abschneiden, als der Streber Robert Ackermann. Susi würden ein paar gute Noten reichen. Jetzt seid ihr bestimmt sehr gespannt, welche abenteuerlichen Ideen sich die beiden einfallen lassen. Na, dann kommt rein, in Susis Zimmer. Ich glaube, die beiden stecken bereits mitten in der Ideenschmiede.

»Na, du großer Entdeckungsreisender, wie stellst du dir deine Expedition ins Ungewisse vor?«, fragt Susi ihren besten Freund provokant.

Dieser blickt noch etwas ratlos drein und blättert ohne Ziel in einigen Lexika herum. »Keine Ahnung«, antwortet er schließlich schulterzuckend. »Es soll auch nichts Nacherzähltes sein. Etwas ganz Eigenes halt. Aber wenn wir in Büchern danach suchen, ist es nichts Selbsterdachtes. Am besten wäre es, wenn wir diese Reise einfach selber machen würden.«

Nach einem kurzen Schweigen tritt ein breites Lächeln auf Max' Gesicht. Susi scheint zunächst verstehen zu müssen, was er da gerade gesagt hat. Jetzt verdreht sie die Augen und schüttelt mit dem Kopf.

»Na sicher! Du gehst morgen ins Reisebüro und buchst eine Abenteuerreise ins Ungewisse. Viel Erfolg, Max Kolumbus«, macht sich Susi über ihren Kumpel lustig.

»Ach, so meinte ich das gar nicht. Das ist auch viel zu teuer!«, Max schüttelt aufgeregt den Kopf und geht zum Fenster. »Vielleicht kann man ja ein Abenteuer direkt vor unserer Haustür erleben?«, schlägt er stattdessen vor und lässt den Blick über die Felder und Landstraßen hinter Susis Elternhaus schweifen.

»Das wird ja immer besser. Sollen wir etwa über unsere spießigen Nachbarn und ihre gutbürgerlichen Vorgärten schreiben? Über die neue Umgehungsstraße, die ein paar hundert Meter weiter von hier gebaut wird oder über die zahlreichen Windkraftwerke auf den Feldern? Klar, wir könnten auch rüber nach Eichenstedt fahren und gucken, ob da vielleicht ein paar Vampire und Werwölfe leben. Hast du sonst noch Einfälle?« Susi schaut zur Zimmerdecke, als ob sie dort Hilfe erwarten würde, im Kampf gegen Max' verrückte Vorschläge.

»Mach dich nicht lächerlich, Susi«, grummelt der arme Max. Ich finde, Susi sollte ihn erstmal ausreden lassen, bevor sie seine Gedanken als lächerlich abtut, oder? »Deine Ideen sind auch nicht besser als meine. Also beklag dich nicht«, verteidigt er sich, völlig zu Recht. »Ich denke wenigstens nach. Wir müssen das ja nicht als Gemeinschaftsarbeit machen. Du kannst gerne deine eigene Geschichte schreiben oder dein Mathekram machen. So!«

»Ist ja schon gut. Musst nicht gleich beleidigt sein«, zeigt sich Susi versöhnlich und Max setzt sich wieder zu ihr an den Tisch, um in seinen Notizen zu blättern. »Also, was genau schwebt dir vor?«, will Susi endlich wissen und sieht ihren Freund erwartungsvoll an. Und ich bin sicher, sie ist nicht weniger gespannt wie wir, welche Unternehmungen Max vorschweben.

»Wir könnten zum Beispiel mit einem Boot über den Fluss fahren und uns dabei Abenteuer ausdenken.« Max fährt mit einem Stift auf einer Landkarte den Eichenstedter Fluss entlang, der auch durch Groß Wiesenstedt fließt. »Ich bin mir sicher, dass uns dabei eine Menge einfallen wird. Und das schreiben wir dann einfach alles auf. Oder sprechen es auf ein Diktiergerät. So richtig forscher-mäßig«, erklärt Max seinen Plan.

Susi verzieht ungläubig das Gesicht. »Jetzt dreht er völlig durch. Hilfe! Was sollen denn die Leute denken? Und wo in alles in der Welt kriegen wir ein Boot her? Hm? Außerdem, der Fluss fließt nur durch die anderen langweiligen Städte und Dörfer. Da können wir auch zuhause bleiben und im Garten nach einer Population Gnomen suchen.« Susi nimmt Max die Karte weg und wirft sie abwertend hinter sich aufs Bett. »Unsere Eltern würden so was ohnehin nicht erlauben. Also bleiben wir lieber im Trockenen und überlegen uns am Schreibtisch ein paar spannende Abenteuer.«

Resigniert kramt sie bereits ihren Notizblock heraus und will anfangen, zu schreiben, da klingelt es an der Tür.

»Bekommst du Besuch, Susi?«, fragt Max eher beiläufig und denkt sich vermutlich nichts dabei. Aber passt mal gut auf, wer da vorm Haus steht!

»Nicht, dass ich wüsste«, antwortet Susi grübelnd und geht zur Haustür. »Vielleicht die Nachbarn. Wer weiß, was die wieder für Beschwerden loswerden wollen.«

Das Mädchen schaut ohne irgendeine böse Vorahnung durch den Spion. Doch die zwei komischen Typen, die da vor ihrer Tür stehen, ließen sie kurz zusammenzucken.

Könnt ihr sie sehen? Da ist so ein großer dünner Bursche, in grünen Leggins und mit langem hellblonden Haar und neben ihm steht ein kleiner stämmiger Kerl mit rotbraunem Rauschebart und einer Axt in der Hand. Sein grimmiger Gesichtsausdruck sieht nicht gerade vertrauenerweckend aus. Auch der Blonde wirkt irgendwie, was soll ich sagen? Weltfremd. Hättet ihr ihnen die Tür geöffnet? Sagt mal ehrlich!

Völlig entgeistert von diesem unerwarteten Anblick geht Susi zurück in ihr Zimmer, um Max von diesen seltsamen Gästen zu berichten, die da gerade auf Einlass hoffen.

»Ma- Max? Ich, ich glaube, da stehen Gimli und Legolas vor meiner Tür«, stammelt sie. Richtig! Ich wusste doch, dass sie mir bekannt vorkamen.

Max lacht seine Freundin natürlich erstmal kräftig aus. Wenn ich sie nicht selbst gesehen hätte, dann hätte ich ihr auch kein Wort davon geglaubt. »Ist das dein Versuch eine Abenteuer-Geschichte vor der eigenen Haustür zu erfinden, Susi? Ich dachte, wir hätten uns geeinigt, dass es keine Herr der Ringe-Geschichte werden soll«, sagt er und schüttelt schmunzelnd mit dem Kopf.

»Das ist kein Witz. Ernsthaft, Max. Da stehen zwei Typen vor der Tür, die sehen genauso aus, wie Legolas und Gimli«, beteuert Susanne.

In diesem Moment klingelt es erneut an der Tür.

»Ich schau mir das jetzt selbst an«, meint Max endlich und geht zur Haustür. »So ein Schwachsinn. Legolas und Gimli. Aber sicher doch.«

Nach einem kurzen Blick durch den Türspion dreht er sich völlig blass vor Schreck wieder zu Susi um. Diese nickt stumm.

»Verdammt, du hattest Recht! Das draußen sind Legolas und Gimli! Wie kann denn so was sein? Was sollen wir jetzt machen? Willst du sie hinein lassen?«, fragt er und zieht den Kragen seines Indiana-Jones-Shirts nach unten.

»Nein! Um Gottes willen. Ich lasse doch diese Spinner nicht in meine Wohnung. Wer weiß, was die im Sinn haben?«, stellt Susi klar. Doch sie hat nicht mit ihrem Freund gerechnet.

»Das wäre vielleicht eine spannende Sache. Womöglich sogar der Beginn einer abenteuerlichen Reise ins Ungewisse. Genau das, was wir wollten«, überlegte Max und öffnet zögerlich die Tür.

Susi hatte keine Chance mehr, ihn davon abzuhalten. »Bist du verrückt, Maximilian? Mach die Tür wieder zu! Wer weiß, was das für welche sind? Der eine hat eine Axt bei sich. Max, nein!«, rief sie noch, aber es war zu spät. Der kleine Dicke stand bereits im Hausflur.

Dabei soll man doch keine Fremden ins Haus lassen! Schon gar nicht, wenn die Erwachsenen nicht zuhause sind.

»Gimli, Gloins Sohn. Zu Euren Diensten«, sagt der bärtige Kerl mit der Axt und verbeugt sich tief. Ohne weiter gefragt zu werden, geht er einfach an Susi und Max vorbei und in die Wohnung. So eine Dreistigkeit!

»Legolas Thranduilion. Prinz des Waldlandreichs. Mae Govannen«, stellt sich nun der lange blonde Knabe mit den spitzen Ohren vor und folgt seinem rundlichen Freund ins Wohnzimmer.

»Ähm, ja. So seht ihr auch aus. Aber eigentlich habe ich euch nicht erlaubt -«, antwortet Susi und schaut vorsichtshalber noch einmal nach draußen, um auszuschließen, dass nicht noch mehr Elben und Zwerge im Anmarsch waren. Da sie niemanden sonst sehen kann, schließt sie die Tür und gesellt sich zu ihren unerwarteten Gästen.

Die beiden Sonderlinge, die es eigentlich gar nicht wirklich geben darf, fühlen sich offenbar bereits heimisch und machen sich über ein großes Keksglas her. Also zumindest dieser Möchtegern-Gimli. Legolas nimmt sich stattdessen ein wenig Salat aus der Küche.

Was glaubt ihr, wer die beiden sind? Zwei Cosplayer? Schauspieler vom Theater? Oder haltet ihr es für möglich, dass es die echten Charaktere aus Tolkiens Mittelerde sein könnten?

»Ich fühle mich gerade wie Bilbo Beutlin«, spricht Susi mehr zu sich selbst.

Max nickt stumm neben ihr und beobachtet die beiden Gäste fassungslos. »Kommt, ähm. Verzeihung? Kommt Gandalf auch noch? Zufällig?«, traut er sich nach einer Weile zu fragen.

»Nein, so eine Bootsreise ist nicht so sein Metier. Wenn er nicht muss, reist er lieber mit einer Kutsche, nimmt den Luftweg auf den großen Adlern oder pilgert zu Fuß«, antwortet Legolas. »Zu viel Übel könnte in unbekannten Gewässern schlafen und geweckt werden.«

Übel? Unbekannte Gewässer? Große Adler? Woher weiß er eigentlich von der Bootsfahrt? Max und Susi schauen sich erschrocken an.

»Woher wisst ihr etwas von einer Bootsreise? Das haben wir doch eben erst besprochen«, fragt Max ungläubig. »Und eigentlich auch gleich wieder über den Haufen geworfen. Wir wollen keine ...«

»Lass uns nicht zu viel Zeit mit Reden vergeuden, mein junger Freund«, wird Max von dem Zwerg unterbrochen. »Wann soll es losgehen? Ich schlage sofort ein paar Bäume, damit wir uns ein Boot bauen können.« Die vermeintliche Gimli-Kopie lässt voller Tatendrang ihre Axt in der Luft herumwirbeln.

Woher kommen diese beiden und wer sind sie wirklich? Sind Susi und Max vielleicht eingeschlafen und träumen diesen Unsinn nur? All diese Fragen sollten vorerst unbeantwortet bleiben. Stattdessen meldet sich bei Susanne endlich der Sinn der Vernunft.

»Nein, nein! Stopp! Hier werden keine Bäume geschlagen. Das ist erstens illegal und zweitens ist das alles ohnehin eine total blöde Idee gewesen«, quiekt sie und hebt beide Hände, während sie kopfschüttelnd in ihr Zimmer verschwindet. »Außerdem kennen wir euch nicht. Was macht ihr eigentlich hier? Verschwindet aus meiner Wohnung!«, kann man sie noch schimpfen und zetern hören.

Kennen oder nicht kennen – das ist hier die Frage. Ihr müsst zugeben, die Typen sehen schon verdammt originell aus. Ich würde ja zu gern an den Elbenöhrchen und dem Bart ziehen, um zu sehen, ob das alles wirklich echt ist. Aber schaut mal zu Max! So fasziniert, wie er schaut, scheint er keine Zweifel an den beiden Besuchern zu hegen.

»Ach Quatsch, das klappt schon. Irgendwo liegt immer ein bisschen Holz rum. Da brauchen wir nicht extra einen Baum zu fällen«, mischt er sich nun wieder ins Gespräch ein und neuer Tatendrang erfüllt ihn.

»Das ist nicht der Punkt«, hört man Susi aus ihrem Zimmer fluchen. »Ich werde nichts aber auch gar nichts mit diesen Hochstaplern unternehmen. Ich glaub wohl, es hakt!«

»Das sind Legolas und Gimli! Wenn man ihnen nicht trauen kann, dann niemandem«, ist sich Max sicher und reicht dem Düsterwaldelben die Hand.

»Mae! Dann machen wir das so«, bestätigt Legolas die bevorstehende Unternehmung und zückt sein Handy, um ...

Halt! Sein Handy?!?! Seit wann gibt es in Mittelerde Handys?

»Moment – Ein Elb mit einem Handy? «, fragt sich auch Susi verwundert, als sie wieder aus ihrem Zimmer kommt. »Ich habe doch gesagt, mit den beiden stimmt was nicht. Wie können das die Echten sein, wenn ...«

»Wir leben doch nicht mehr in Mittelerde des 3. Zeitalters«, unterbricht sie der Elb und zwinkert Susi zu, während sein Handy tutet.

»Das ist doch ungeheuerlich«, murmelt Susi noch vor sich hin, als endlich jemand das Telefonat annimmt.

»Chnum? Bist du dran?«, fragt Legolas, der ein paar Schwierigkeiten mir der Verbindung zu haben scheint. »Gut! Also hört zu. Wir machen in fünf Tagen eine Bootsfahrt und brauchen noch einen Kapitän. Hättest du nicht Lust, uns zu begleiten?«, fragt das Elbenprinzchen den Typen am anderen Ende der Leitung und geht zum Telefonieren in die Küche.

»Chnum? Ist das nicht der Schöpfergott aus dem alten Ägypten? Warum sollte er denn unser Kapitän sein? Er kann doch nur töpfern. Oder hat er auch einen Bootsführerschein?«, fragt Susi flüsternd ihren Freund Max.

Der zuckt nur mit den Schultern. »Na ja, wenn man so am Nil lebt, dann kann man bestimmt mit einem Boot umgehen. Also mich wundert im Moment nichts mehr, um ehrlich zu sein.«

Da hat er recht. Erst Legolas und Gimli in Fleisch und Blut und jetzt auch noch ein altägyptischer Gott. Was um Himmelswillen wird hier gespielt?

»Also willigen wir in diese Sache ein oder was?«, fragt Susi erneut. »Hast du wirklich nicht einen Funken Sorge, dass wir gerade in ein riesiges Schlamassel hineingeraten? Max, denk doch bitte mal nach.«

Susis Bemühungen scheinen aussichtslos zu sein. Seht ihr das Funkeln in Max' Augen?

»Auf jeden Fall willigen wir ein! So ein Abenteuer kann man gar nicht erfinden«, antwortet er euphorisch. »Ich weiß auch nicht, wie das alles möglich ist. Aber es passiert und es passiert uns! Das ist die Chance, eine großartige Hausaufgabe zu schreiben. Wer weiß, wem wir auf dieser Bootsfahrt noch alles begegnen? Das gibt bestimmt eine Menge Zusatzpunkte und saumäßig gute Noten. Susi, sei doch vernünftig. Uns wird gerade quasi alles in den Schoß gelegt.«

»Auf deine Verantwortung, Maximilian Winter. Auch, wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass da was Sinnvolleres als eine schnöde Flussfahrt mit zwei verkleideten Idioten bei rauskommt«, gibt sich Susi geschlagen.

»Ich hab noch eine geniale Idee!«, ruft Max auf einmal und klatscht wie wild in die Hände. Das kann nicht Gutes bedeuten. »Wir könnten auch gleich einen ganzen Spielfilm darüber drehen! Was meinst du? Damit wir einen Beweis haben, dass wir das alles nicht nur geträumt haben«, schlägt er vor. »Vielleicht geben wir den Film mit ab und bekommen in Informatik und Technik auch noch super Noten. Ach, ist das alles aufregend! Allerdings brauchen wir noch einen Kameramann.«

»Ich schlage Superman vor. Der könnte mit der Kamera hinter uns her fliegen und somit unser Abenteuer nicht stören«, schlägt daraufhin Gimli total abgebrüht vor, als ob es das Normalste der Welt wäre, und schiebt sich dabei den letzten Keks in den Schlund.

Hat er wirklich gerade Superman gesagt? Hinterherfliegen? Was in aller Welt wird hier gespielt?

»Und wie genau läuft die ganze Sache ab?«, fragt Susi und will offenbar keine weiteren Fragen mehr über die seltsamen Bekanntschaften von Gimli und Legolas stellen.

»Ich habe da schon einen Plan und der wird uns alle umhauen!«, verkündet Max und reibt sich allwissend die Hände.

»Da bin ich ja mal gespannt«, sagt Susi und ist genauso ahnungslos wie wir.

Da kann man sich wirklich nur überraschen lassen, was in Max' kreativem Hirn gerade abläuft und welche Figuren und Charaktere aus anderen Welten die Freunde auf ihrer Bootsfahrt noch alles treffen werden.

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