//DIE GRÜNE BEDROHUNG//

WAS WAR DAS nur für eine Rennerei? So langsam kommen unsere Freunde nach dieser haarsträubenden Flucht vor den Riesenurviechern zur Ruhe. Lasst uns diese friedliche Atmosphäre nutzen, um auch ein wenig Kraft zu tanken. Ich fürchte jedoch, dass es schon sehr bald wieder turbulent zugehen wird. Nun allerdings muss sich Max zunächst eine Standpauke von seiner Freundin anhören.

»Siehst du, was du angerichtet hast mit deiner Profitgier, Maximilian?«, schimpft Susi und versucht dabei, so leise wie möglich aber so bitterernst wie nötig zu sein.

»Was denn? Es ist doch gar nichts passiert. Da kam ein Dino und dann ein Gorilla und uns geht das alles nichts weiter an. Nur unser Film wird immer besser. Das ist doch alles, was zählt.« Max raubt uns allen noch den letzten Nerv mit seiner Gelassenheit. Er ist sich weiterhin keiner Schuld bewusst und findet das gerade Erlebte absolut normal und seinen Zwecken zuträglich.

»Wenn der Gorilla nicht aufgetaucht wäre, hätte der Saurier uns eiskalt gefressen, Herr Superregisseur. Dann hätte uns der blutrünstige Film auch nichts mehr genützt«, tobt Susi weiter. »Wie kannst du nur so störrisch sein und uns alle in Lebensgefahr bringen für eine dämliche Hausaufgabe?«

»Das achte Weltwunder«, stellt Max klar. »Von dem Ziel Hausaufgabe haben wir uns doch schon lange verabschiedet, falls du es nicht mitbekommen hast.«

»Nein. Tut mir leid. Ich war damit beschäftigt, um mein Leben zu rennen und Chnum zu helfen, falls du das nicht mitbekommen hast!«

»Was hast du denn bloß?« Max kann kein Verständnis für Susis emotionale Lage aufbringen und scheint bereits Ausschau nach weiteren Gefahren zu halten. »Ich meine, erst rettet uns Spider-Man und nun halt ein Gorilla in Riesengestalt. Und wir sind die stillen Beobachter und bekommen einen gigantischen Film zustande. Das ist schon alles so durchdacht. Uns passiert nichts«, zuckt Max mit den Schultern, ohne seine Freundin anzuschauen.

»Stille Beobachter? Dass ich nicht lache!«, protestiert Susi und wirft einen Blick zurück, um abzuschätzen, ob eine Rückkehr zum Fluss möglich wäre. »Wer bitteschön soll das alles durchdacht haben, hm? Ein Filmgott, der durchgeknallte Filmemacher beschützt? Träum weiter. Der Affe hat uns auch verfolgt. Er wollte uns ebenfalls fressen.«

»Gorillas sind Vegetarier. Vielleicht ist er unser Beschützer«, sinniert Max und beginnt sich langsam von seinen Freunden zu entfernen. »Also wenn Spider-Man gerade nicht in der Nähe ist, meine ich.«

»Klar. Am Ende ist es wie in einem Videospiel mit vielen Etappen-Gegnern und Helfern und am Ende lauert dann der Endgegner. Schon klar, Max. Schon klar.« Susi gibt jetzt Chnum das Signal aufzubrechen, und zwar in Richtung Fluss.

»Hey, hier geht's lang. Vielleicht kommen wir automatisch wieder nach Hause, wenn wir den Endgegner erst gefunden und besiegt haben.« Max scheint sich ein wenig über Susi lustig zu machen und betont das Wort Endgegner sehr abfällig.

Ich finde nicht, dass er in der Position dafür ist. Susi hat vollkommen recht. Was auch immer noch in diesem Urwald lauert, es wird nicht von freundlicher Natur sein.

»Ist eigentlich keinem von euch aufgefallen, dass der Gorilla nicht einfach so wieder verschwunden ist? Er ist groß und stark und hat den Dinosaurier gekillt, aber irgendetwas muss ihm Angst gemacht haben und dieses Etwas ist hier in der Nähe«, äußert Susi die nächsten Zweifel und starrt jetzt auf irgendeinen Punkt tief im Dschungel. »Wir können davon ausgehen, dass das noch größer und noch gefährlicher ist als alles, was wir bisher gesehen haben, wenn selbst dieser Gigant davor Angst hat.«

»Eben warst du noch davon überzeugt, dass das Vieh uns fressen wollte«, findet Max auch jetzt wieder ein Gegenargument. »Dann kann das, was es verjagt hat nur etwas sein, das auf unserer Seite ist, sonst wäre er ja nicht davongelaufen. Logisch, oder? Komm, suchen wir nach anderen Monstern! Je spektakulärer er wird, desto mehr Geld bringt der Film ein.« Max bleibt unbekümmert und sorgte sich um nichts, als seinen Abenteuerfilm.

»Du bringst uns immer mehr in Schwierigkeiten«, antwortet Susi und muss sich die ersten Tränen der Verzweiflung verdrücken.

Sie tut mir so leid ... Wie bitte? Euch nicht? Sie ist eine Memme, eine Feighose, meint ihr? Typisch Mädchen? Also nun reicht es aber, Leute! Ihr geht gleich allein wieder zurück! Alleine, und dann werden wir ja sehen, wer hier eine Memme ist.

»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Susilein. Wenn du deinen Namen erstmal auf einer großen Kinoleinwand siehst, wirst du all die Unannehmlichkeiten schnell vergessen«, ist sich Max sicher.

»Nur, dass diesen verfluchten Film niemals jemand sehen wird und wir schon gar nicht«, widerspricht Susi abermals und ist jetzt nicht mehr wutrot, sondern angstweiß im Gesicht.

»Was ist denn jetzt wieder?«, fragt Max und kommt ein paar Schritte auf Susi zu.

Ja, was ist denn eigentlich mit ihr los? Sieht sie etwas, das wir noch nicht entdeckt haben?

»Weil dort bereits der nächste Ärger auf uns zu kommt«, sagt sie schließlich und deutet mit dem Finger auf die sich immer stärker bewegenden Büsche vor ihr.

Heiliger Strohsack! Was sind denn das für Gestalten? Die vier Abenteurer sehen jetzt ein paar seltsame, grünhäutige, menschenähnliche Kreaturen mit riesigen Augen auf sich zukommen. Oder sind es Reptilien? Ich bin mir nicht sicher. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ebenso unsicher bin ich mir, ob sie in guten Absichten kommen. Könnt ihr ihre scharfen Speere und diese ähm, Steinschleudern sehen, die sie bei sich tragen? Wenn das mal nicht neuen Ärger bedeutet.

»Keine Panik, Leute! Es sind nur Menschen in komischen Karnevalskostümen«, meint Max die Neuankömmlinge als harmlos erkannt zu haben. »Die können wir gleich mal fragen, wo wir hier sind und ob hier immer solche großen Tiere herumlaufen.« Ohne Skrupel geht der wahnwitzige Kerl sofort auf die sonderbaren Wesen zu. »Guten Tag, mein Name ist Max und wir würden gerne wissen, wo wir uns hier befinden. Wie heißt diese Gegend und wie lauten eure Namen?«, fragt er die Grünlinge und lächelt sie etwas dümmlich an.

Die eigentümlichen Leute antworten nicht und kommen mit ernsten Mienen immer näher. Ich würde vermuten, dass sie Max nicht verstanden haben, denn sie unterhalten sich jetzt in einer merkwürdigen fauchenden Sprache.

»Chhh? Chhhuu, chhhhaaa! Chhhhichh.«

Einer der Kerle beäugt unsere Freunde und nickt mit dem Kopf, während seine Kameraden mit ihren Speeren rhythmisch auf den Boden trommlen.

»Was? Ähm, wie bitte? Entschuldigung, aber ich verstehe nicht so ganz«, sagt Max verwirrt und dreht sich hilfesuchend zu Susi um.

»Lass die lieber. Die sehen schon so unheimlich aus. Und unsere Sprache verstehen sie auch nicht. Wir sollten uns still und heimlich umdrehen und verschwinden«, schlägt diese ängstlich vor und wieder einmal muss ich ihr beipflichten.

»Bist du verrückt?« Natürlich sieht Max das anders. Was für eine Überraschung. »Wir haben anscheinend eine unbekannte Zivilisation entdeckt. Das können wir in meinem Film nicht unerwähnt lassen. Anthropologen von überall werden eine Zusammenarbeit mit mir vorschlagen. Vielleicht wollen diese Grünies uns helfen«, ist Max überzeugt.

»Ich würde mich nicht darauf verlassen. Sie könnten der Grund gewesen sein, warum der Gorilla so plötzlich abgehauen ist. Lass uns verschwinden, komm!«, drängt Susi weiterhin zur Flucht.

Ein weiteres unheimliches Fauchen des Echsenmenschen scheint endlich auch in Max Zweifel an der Freundlichkeit dieser Gestalten zu wecken. Langsam drehen sich die vier Abenteurer um und wollen den Urwaldbewohnern, ohne größeren Eindruck zu hinterlassen, aus dem Weg gehen. Doch dann merken sie, dass sie bereits von diesen seltsamen Leuten umzingelt sind.

»Da hast du deine Aktion, Max. Lauter grüne Leute stehen um uns herum und zeigen mit ihren Speeren auf uns. Was gedenkt unser Abenteurer schlechthin jetzt zu tun?«, fragt Susi zitternd und beäugt ihren Freund, der allem Anschein nach just in diesem Augenblick eine Idee zu haben scheint.

»Weißt du was? Die sehen aus, wie diese Sleestaks. Diese primitiven Kreaturen aus dieser uralten Fernsehserie mit der Dinosaurierwelt«, stellt der Junge mit dem unbeugsamen Optimismus eines Vollidioten fest. »Ich hoffe, das sind keine Kannibalen. Ich hätte vielleicht doch auf dich hören sollen und nach Hause gehen«, knickt Max schließlich ein, als sich der Ring aus Speerspitzen immer enger um ihn und seine Begleiter zieht.

»Die Einsicht kommt etwas zu spät. Am besten lässt du mich ab jetzt die wichtigen Entscheidungen treffen«, schlägt Susi vor und krempelt entschlossen ihre Ärmel hoch.

»Und was gedenkst du gegen diese Sleestaks zu unternehmen?«, fragt Max wenig überzeugt nach dem vermeintlich besseren Plan seiner Freundin.

»Auf jeden Fall werde ich mich nicht um deinen Film kümmern.« Das halte ich schon mal für eine gute Maßnahme. »Superman soll uns gefälligst helfen und nicht herum filmen. Wozu haben wir denn einen Superhelden mit dabei?«

Die Sleestaks kommen immer näher. Max bleibt nichts anderes übrig, als Susi recht zu geben und ihrem Vorschlag zu folgen, um heil aus dieser Sacher herauszukommen.

»Okay. Super- Oh, nein!« Max will gerade Superman um Hilfe bitten, als er sieht, wie die wilden Grünlinge den Kryptonier angreifen. Weil dieser die Kamera hält, kann Superman sich nicht zur Wehr setzen. Sie fesseln ihn und nehmen ihm Max' Kamera ab. Was für ein Schlamassel.

»Nein! Nicht die Kamera! Nehmt eure schleimigen Pfoten da weg! Was machen wir denn jetzt?«, sorgt sich Max wieder nur um seinen Film und scheint ganz außer Acht zu lassen, was dem armen Superhelden passiert.

»Hör doch endlich mit deinem Film auf! Sie haben Chnum mit sich genommen! Sie wollen ihn bestimmt aufessen.« Au backe. Susi hat recht. Chnum befindet sich nun auch in der Gewalt dieser Kreaturen. »Und wir werden die Nächsten sein. Siehst du, wie sie bereits ihre Lippen lecken? Hey, hört auf, mich mit diesen verdammten Speeren zu piksen. Ich habe wirklich schon freundlichere Einladungen zum Essen erhalten, aber da war ich auch nicht der Hauptgang«, sagt Susanne, während sie und Max von den Sleestaks immer weiter in den Dschungel hinein auf eine Lichtung gepikst werden.

Dort sehen sie, wie die Sleestaks Chnum zu einem Topf mit kochendem Wasser tragen.

»Du wurdest noch nie zum Essen eingeladen, Susi. Aber vielleicht hast du Glück und ich bin der Hauptgang. Guten Appetit.« Selbst in dieser ausweglosen Situation bringt Max noch einen sarkastischen Spruch zustande.

»Ich wollte nur was Lustiges sagen«, erwidert Susi, der die Schweißperlen dick von der Stirn kullern.

»Ich kann nicht behaupten, dass dir das gelungen ist.«

Da muss ich ausnahmsweise einmal Max recht geben. Mir ist im Moment alles andere, als zum Lachen zu Mute. Die beiden Freunde sehen sich ihrem Schicksal ausgeliefert und wir? Was tun wir? Wir müssen ihnen doch irgendwie helfen? Abwarten, bis wieder ein sonderbarer Retter in der Not daherkommt, sollen wir? Na, wollen wir hoffen, dass das auch wirklich passiert.

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