-Kapitel 4-
**Celine's Sicht**
Seine dunklen kalten Augen drangen tief in meine Seele ein. Unfähig auch nur eine Reaktion zu zeigen sahen wir uns für einige Sekunden lang intensiv an. Eine eiserne Stille durchzog den langen weißen Flur. Nur das Ticken der Uhr war zu hören.
Wie ich vermutet hatte konnte ich Wut in seinem Ausdruck erkennen. Nicht die Wut auf mich, dass ich seine Privatsphäre gestört hatte. Nein, eine Wut die viel weiter reichte, als die Kleinigkeit die ich zu verschulden hatte.
Er senkte ruckartig seinen Blick und rannte davon. Durch den Schock realisierte ich erst viel zu spät, dass ich nun wieder alleine im Gang stand. Chan- er war die Person, welche dass Klavier wie ein Gott beherrschte.
Er hatte diese lieblichen Klänge, welchen ich bis vor einigen Minuten genüsslich lauschen konnte, mit seinen eigenen Händen gespielt. Was ihm wohl zugestoßen ist, um so ein Werk zu spielen oder sogar selbst zu komponieren? Unsicher betrat ich letztendlich doch das, nun verlassene, Musikzimmer.
Schließlich hatte ich immer noch nicht die Zeit gefunden etwas zu essen. Alles sah aus wie die Tage zuvor. An der rechten Seite erstreckten sich die unzähligen Gitarren, unter ihnen standen die zwei Schlagzeuge und vier einzelnen Trommeln und mitten drin stand das gewaltige Piano welchen jeden anderen Instrument die Show stahl.
Mit langsamen Schritten schlich ich zu dem alten Flügel. Die Klavierklappe war nach oben gerichtet sodass ich freien Blick auf die schwarzweißen Tasten hatte. Langsam Strich ich über das Instrument ohne nur einen einzigen Ton zu spielen. Ich hatte es immer geliebt Klavier zuspielen. Sie hatte mir alles beigebracht. Von den Tonleiter bis zu den schwierigen Stücken von Bach oder Mozart.
Doch eines lehrte sie mich nicht. Sie lehrte mich nicht das Stück zu spielen, welches sie geschrieben hatte...
*Vergangenheit September 2007*
"Celine? Setzt dich ich möchte dir etwas vorspielen." Mit großen Augen und voller Aufregung setzte ich mich auf den Boden direkt neben Mama, welche mir wahrscheinlich mein neues Stück vorspielen würde.
Vermutlich wieder etwas von Bach, weil wir den in letzter Zeit echt vernachlässigt hatten. Aber die Stücke von Mozart gefallen mir sowieso viel besser. Ich setzte mich sogleich gerade hin um ihr zu verdeutlichen, dass ich mehr als bereit bin.
Auf ihren bleichen Gesicht spiegelte sich ein sanftes Lächeln wieder. Ich liebe meine Mutter, sie ist immer so fröhlich und wenn sie gut gelaunt ist dann bin ich es auch.
"Celine? Sag mal, wie alt bist du gleich?"
Wie alt ich bin? War das eine Art Scherzfrage? Doch ohne den Witz hinter dieser Frage zu verstehen antwortete ich einfach mit:
"7. Ich bin 7 Jahre, Mama."
Sie schloss kurz ihre Augen und atmete langsam aus.
"Dann haben wir noch genügend Zeit."
Und mit diesen letzten Worten fing sie an die ersten Töne zu spielen. Leicht wie eine Feder glitten ihre langen Finger über die Klaviertasten.
*Gegenwart*
Jede Bewegung war perfekt koordiniert, sodass sie einige Male die Augen schloss und trotzdem keinen einzigen Fehler machte. Das war das erste Mal dass ich dieses namenlose Stück hörte.
Ein Stück, welches nicht wie eines von Bach oder Mozart war. Es war auf einer ganz anderen Ebene. Es fühlte sich an als wäre das Stück mir ganz allein gewidmet. Die Bedeutung der verschieden Etappen stellte ich erst viel später in Frage.
Ich war schließlich ein ahnungsloses Kind, welches etwas Neues auf dem Klavier lernen wollte. Ich flehte meine Mutter damals immer an mir das Meisterwerk beizubringen, doch alles was sie erwiderte war ein raues:
"Alles mit der Zeit, Liebes."
Doch die Zeit ist niemals gekommen. Nachdem Mutter am 12. April 2013 urplötzlich verschwand, hörte ich augenblicklich mit dem Klavierspielen auf. Ich verstaute ihre Noten in einer Kiste und bedeckte ihr Piano unter einer großen gelben Decke, die ich auf unserem alten Dachboden gefunden hatte.
Ich hörte mir gelegentlich klassische Musik an, weil ich damit groß geworden war und somit eine Art Verbindung zu der Musik aufgebaut hatte, aber selbst spielen wäre nur eine Qual.
Wahrscheinlich hatte ich es über die fünf Jahre verlernt, doch aufgrund des künstlerischen Bereiches dieser Schule, setzte ich es weiter fort zu singen und verschwieg einfach mein früheres Talent zum Klavier spielen.
Bis jetzt bin ich ganz gut damit davon gekommen. Wie so einige Male an dem heutige Tage schrak ich von dem Geräusch der lauten Schulglocke zusammen. Ohne auch nur einen biss von meinen Brötchen genommen zu haben, machte ich mich auf zu meinen letzten Kurs den ich heute absolvieren musste.
Kunst- so ziemlich mein Lieblingsfach wenn wir nicht bei Mr. Park Unterricht hätten, der meine Art zu zeichnen nur kritisierte. Einige wollten es einfach nicht verstehen, dass mir ein anderer Stil beigebracht wurde als hier in Seoul.
Doch mit dem Ziel das ganze Jahr unauffällig zu sein, akzeptierte ich all seine Kritiken mir gegenüber. Als ich bemerkte, dass ich wieder viel zu lange in meiner Gedankenwelt gefangen war, riss ich mich los und rannte die vielen Gänge bis zum Kunstraum im vierten Gebäude.
Meine Schritte wurden immer schneller bis ich letztendlich meine Höchstgeschwindigkeit erreicht hatte und jeden Moment wegen dem unkontrollierbaren Tempo fallen könnte. Aber direkt nach der Mittagspause zu spät zu kommen, wäre einfach nur peinlich und so ziemlich jeder würde sich fragen, was ich denn getan hatte obwohl ich keine Freunde hatte mit denen ich die Pause verbringen könnte. Ein sehr plausibler Grund auf keinen Fall mit dem Rennen aufzuhören.
Vor mir erstreckten sich die letzte Treppe aus Marmor. Gleich hinter ihr befand sich schon der Kunstraum. Ich stürmte sie herunter und rannte immer weiter ohne auf meine fordere Sicht zu achten. Im nächsten Moment fand ich mich in zwei starken Armen wieder.
Peinlich berührt schaute ich nach oben, um die Person auszumachen, welche mich gerade von meinem Adrenalinstoß anhalten musste. Nur ein kurzer Blick reichte mir um sofort rot anzulaufen und mich aus seinen Armen zu entreißen.
Nicht dass die Situation vor den Musikzimmer schon peinlich genug war. Nein, jetzt musste ich auch noch in ihn hineinlaufen. Mit den Augen starr nach unten betrat ich den Raum und ließ nun die letzte Stunde des Tages über mich ergehen.
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