//abwertende, sexistische Kommentare

Wenn Scorpius Malfoy ehrlich war, hatte er keine Ahnung, was Liebe bedeutete. Aber wer hat die schon? Vor allem als fünfzehnjähriger Slytherin, der in seinem Leben nichts weiter hervorgebracht hat außer ein moderates Talent in Astronomie.

Er wollte von sich nicht behaupten, verliebt zu sein, weil es die Situation so bedeutungsschwer erschienen ließ. Liebe. Eines der mächtigsten Gefühle überhaupt, so dachte Scorpius: Die Liebe ließ Menschen verrückte Sachen tun. Sie konnte einen vor Glück euphorisch machen oder innerlich zerbrechen. Also war das wirklich Liebe, was er empfand? Vermutlich nicht. Er war noch zu jung, um dieses komplexe Konstrukt zu verstehen, so dachte er, und da würde auch keiner der Liebesromane helfen, die er unter dem Radar seines Vaters in Muggellondon erstanden hatte.

Aber die Liebe faszinierte Scorpius, der Hauptgrund, aus dem er diese Bücher las. Er wollte mehr darüber erfahren; der Junge hasste es, Dinge unverstanden stehen zu lassen, er wollte sie erforschen. Vielleicht auch ein klein wenig, um seine eigenen Gefühle besser zu verstehen.

"Sag nicht, du stehst immer noch auf sie." Albus' Stimme klang wie von außen, als trennten ihn und Scorpius eine unsichtbare Wand der Gedanken, die von den Schallwellen zerstört wurde.

"Hm? Was?", fragte Scorpius und erwachte aus seinen Gedanken.

Die Bibliothek war schön im Abendrot, vor allem wenn man wie die beiden Slytherins einen Fensterplatz abbekommen hatte. Durch die großen Glasscheiben sah man die Ländereien von Hogwarts, und die schwachen Sonnenstrahlen der abendlichen Herbstsonne strahlten sanft auf das aufgeschlagene Zaubertrankbuch vor Albus. Generell war die Bibliothek ein schöner Ort: Er hatte etwas ästhetisches, wie Scorpius fand, die vielen alten Bücher in den hohen Regalen, die vielen kleinen Tische aus Edelholz und die gemütliche Atmosphäre, die durch einzelne, gedämpfte Gespräche nur noch verstärkt wurde.

Doch all diese Schönheit war gar nichts gegenüber der von Albus Severus Potter.

"Ich hab gefragt ob du immer noch auf meine Cousine stehst, du starrst sie die ganze Zeit an.", wiederholte der Slytherin und zog seinen rechten Mundwinkel zu einem leichten Grinsen nach oben, bevor er seine Augen wieder auf die Zeilen des aufgeschlagenen Buches vor ihm richtete.

Ehrlich gesagt hatte Scorpius nicht darauf geachtet, wo er hingesehen hatte, er hatte einfach ins Nirgendwo gestarrt. Doch jetzt, wo er es bemerkte, saß Rose tatsächlich ein paar Tische weiter und steckte nun kichernd die Köpfe mit ihrer besten Freundin Ellen McVay zusammen, bevor sie ihm ein Lächeln zuwarf und kurz darauf McVay gegen den Oberarm boxte, als diese mit den Augenbrauen wackelte.

Scorpius schnaubte, achtete jedoch darauf, dass Rose ihn nicht hörte. Sie war immer noch nett zu ihm und er wollte sie nicht verletzen. "Ich bin nicht mehr dreizehn."

"Zu schade, denn allmählich hat Rosie auch Interesse an dir." Albus machte daraus, dass er seine Cousine nicht besonders mochte, kein Geheimnis, und offenbar beruhte diese Abneigung auf Gegenseitigkeit.

"Tja, ich aber nicht an ihr."

"Wow, Frauenheld. Jamie sollte sich in Acht nehmen, da ist ganz klar Konkurrenz im Anmarsch." Scorpius lachte leicht.

"Halt die Klappe, du Idiot." Gespielt verletzt blickte Albus von seinem Zaubertrankbuch auf.

"Ich dachte, wir wären Freunde? Wie kannst du sowas nur behaupten? Du hast mich zutiefst verletzt!"

"Du hast nicht bestritten, dass du ein Idiot bist.", sagte Scorpius, ein Grinsen auf seinem Gesicht.

"Das reicht, Scorpius Hyperion Malfoy. Fünf Jahre allerbeste Freunde für immer und du wagst es, mich als Idioten hinzustellen? Das wird mir zu viel, ich gehe.", sagte Albus empört und stand auf, um sein Buch zuzuschlagen.

"Du kannst mir auch einfach sagen, dass du keine Lust mehr hast zu lernen, Drama Queen.", meinte Scorpius lachend und räumte ebenfalls seinen Tisch auf. "Hey! Warte und räum deine Bücher selber- und er ist weg." Den letzten Teil murmelte der Malfoy zu sich selbst. Was fand er eigentlich an dem Jungen?

So räumte Scorpius den Tisch für die beiden auf. Als er die Kräuterkundebücher wieder zurück an ihren Platz stellte, konnte er förmlich Roses und McVays Blicke in seinem Nacken spüren; Albus Cousine war früher immer nur in die Bibliothek gekommen um zu lernen, und zwar alleine. Das war die Rose, in die Scorpius verliebt- nein, die Scorpius gemocht hatte, aber eine Freundschaft mit der Chefköchin der Gerüchteküche anzufangen hatte wohl hauptsächlich negative Einwirkungen auf den Charakter der Rothaarigen gehabt.

Scorpius war also gerade im Begriff, die Bibliothek zu verlassen, als er plötzlich aufgehalten wurde. Im Türrahmen stand niemand geringeres als Ellen McVay höchstpersönlich: Wie sie so schnell und unbemerkt von Roses Tisch zum Eingang gekommen war, blieb unbekannt.

"Hey Malfoy.", sagte sie und betrachtete betont gleichgültig ihre kunstvoll lackierten Fingernägel.

"Was gibts?", fragte er mit aller Freundlichkeit, die er aufbringen konnte. Ellen war wohl die unsympathischste Person unter Hogwarts' Dach, aber er hatte noch nie eine wirkliche Unterhaltung mit ihr geführt und war ganz sicher nicht jemand, der Menschen anhand ihres ersten Eindrucks verurteilen würde.

"Du weißt doch sicher von dem Hogsmeade Wochenende?"

"Klar, was ist damit?" Er ahnte bereits, worauf das hinauslaufen würde.

"Hättest du vielleicht Lust, mit mir und Rose hinzugehen?" Das stellte sich Scorpius wie die Hölle auf Erden vor.

"Ja, wieso nicht." McVay ließ ein leichtes Lächeln sehen, dass jedoch nicht ehrlich wirkte, eher so, als hätte sie gerade irgendeinen Preis gewonnen. Scorpius lächelte zurück und hoffte, das er dabei nicht allzu verklemmt aussah.

"Schön, Rose wird sich freuen. Also diesen Sonntag beim Haupteingang." Scorpius schluckte, nickte aber trotzdem.

"Kann Al mitkommen?" Ellen runzelte verärgert die Stirn.

"Du weißt, dass er etwas gegen Rosie hat. Glaubst du wirklich, es wäre fair ihr gegenüber, jemanden mitzubringen, der sie die ganze Zeit nur runtermacht? Sie hat mit der Schule und allem schon genug Stress! Außerdem verbringst du doch sowieso deinen gesamten Tag mit ihm, da kann es doch nicht schaden, neue Leute kennenzulernen, nicht?" Der blonde Junge nickte, auch wenn ihm der Gedanke an Hogsmeade ohne Albus, dafür aber mit McVay und Rose gar nicht behagte.

"Schön, dann wäre das geklärt. Ich freu mich, Scorp!" Der Knoten im Hals des Malfoys wuchs.

Nur Albus nannte ihn so.

-:-

Im Schlafsaal angekommen wollte er sofort Albus von den Geschehnissen von gerade eben erzählen, jedoch wurde sein Vorhaben dadurch vereiltelt, dass die Mitbewohner der beiden anwesend waren.

"Ey Malfoy, wo warst du? Hast du endlich die kleine Weasley genagelt? Wenn ihr mich fragt, sie ist heißer geworden seit sie mit McVay rumhängt. Also wenn du sie nicht willst, nehm ich sie gerne!"

Lysander Scamander, Garrick Eston und Tristan Beresford, die vermutlich unvorteilhaftesten Zimmerkameraden überhaupt. Scamander und Beresford lachten gerade über Estons Kommentar. Scorpius tat sich schwer daran, nicht die Augen zu verdrehen oder sich auf der Stelle zu übergeben.

"Sie ist immer noch flach, wenn du mich fragst. Aber für eine Rothaarige nicht schlecht.", meinte nun Scamander und die beiden anderen lachten. Scorpius verdrehte nun entgültig die Augen und steuerte geradewegs auf sein Bett zu.

"Vergiss nicht den Schweigezauber,wenn du dir auf sie einen runterholst!", rief ihm Eston nach. Wenn diese Idioten nur aufhören könnten, zu lachen, vor allem, weil es ja noch nicht mal witzig war.

Genervt nahm Scorpius eins der Bücher, das auf seinem Nachtisch lag und clever durch den Verband eines Zaubertrankbuches getarnt war. In einem Schlafsaal wie diesem war das ziemlich wichtig, denn wenn Tristan, Garrick und Lysander ein Buch namens "After Passion" in ihrem Schlafsaal finden würden, wären ihre Kommentare wahrscheinlich alles andere als positiv und würden die Menschheit um einige Schritte zurückwerfen. Obwohl, das taten die drei bereits mit ihrer bloßen Existenz.

Wie so eine gutmütige Frau wie Luna Scamander jemanden wie Lysander als Sohn haben konnte, blieb weiterhin schleierhaft. Auch sein Zwillingsbruder Lorcan war in Ravenclaw und einer der nettesten Menschen, die Scorpius kannte, also was war bei Lysander schief gelaufen? Er wusste es nicht und wollte ehrlich gesagt auch keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden, weshalb er die Seite mit dem Lesezeichen aufschlug und auf ein neues in Tessas Welt eintauchte.

Er las eine Weile und schaffte es sogar, das Gerede seiner Mitbewohner über Emilia Clarkes Hinterteil auszublenden, bis er hörte, wie die Tür auf und zu ging und die ständige Geräuschkulisse verstummte.

"Gott sei Dank.", hörte er nur Albus im Bett neben sich sagen und kurz darauf vernahm er das Geräusch von Vorhängen, die zur Seite gezogen wurden. Scorpius folgte dem Beispiel seines besten Freundes und setzte sich ebenfalls auf sein Bett, die Vorhänge zurückgezogen.

"Ich schwöre, noch eine Minute länger und ich hätte jemanden geschlagen. Wie kann man nur so verblödet sein?" Ihr gemeinsamer, unbändiger Hass gegen ihre Zimmerkameraden, noch eines der vielen Dinge, die die beiden Jungen so sehr verbanden.

Scorpius seufzte. "Ich auch. Hey, anderes Thema. Ist es okay, wenn wir nächstes Hogsmeade Wochenende nicht zusammen gehen?"

Albus grinste natürlich augenblicklich und wackelte mit den Augenbrauen.

"Frauenschwarm, ich habs dir gesagt. Wer ist die Glückliche?"

Scorpius wusste nicht, wieso er enttäuscht war. Tief im Inneren hatte er sich wahrscheinlich eine andere Reaktion von Albus erwünscht, ein wenig mehr Eifersucht vielleicht... Verdammt, Scorpius musste wirklich aufhören, sich Hoffnungen zu machen.

"Das ist kein Date. Glaub ich zumindest. McVay hat mich gefragt, ob ich mit ihr und Rose gehen will. Als Freunde."

"Du hast Freunde außer mir? Das ist neu."

"Ich schlag dich."

"Da bekomm ich aber Angst."

"Solltest du auch."

"Also, McVay, hm? Interessante Wahl.", wechselte Al wieder zum ursprünglichen Thema.

"Sie hat mich gefragt, was hätte ich denn machen sollen?", entgegnete Scorpius patzig.

"Nein sagen vielleicht.", schlug Albus vor.

"Darauf bin ich noch gar nicht gekommen, danke sehr!", erwiderte der Blonde mit vor Sarkasmus triefender Stimme.

"Im Ernst, wenn du wirklich nicht mehr auf Rose stehst, wieso willst du mit ihr etwas unternehmen? Ist da etwas dass du mir nicht sagst?", fragte Albus und zwinkerte. Da ist ziemlich viel, was ich dir nicht sage, aber manche Geheimnisse sollten nun mal geheim bleiben.

"Du weißt doch, wie schwer es mir fällt, nein zu sagen. Wenn ich dir sage, ich steh nicht auf sie, dann mein ich das auch so. Sie hat sich verändert, seit sie mit Ellen befreundet ist." Und nicht positiv.

"Also für mich ist sie gleich schlimm geblieben. Und McVay ist dann noch mal das Doppelte. Also viel Spaß dir, ich geh mit Lorcan."

"Na danke. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich zieh mich jetzt um. Denn ich geh lieber um neun schlafen als da zu sein, wenn die drei Wichser zurückkommen und bis drei Uhr 150 Jahre Feminismus mithilfe von massivem Gehirnmangel entkräften.", Während er das sagte, nahm Scorpius seinen Schlafanzug und machte sich auf den Weg ins Bad, um auch gleichzeitig seine Zähne zu putzen.

"Oha, so richtig mit Frauenrechten. Da steht Rose bestimmt drauf.", tönte die Stimme seines besten Freundes durch die Badezimmertür. Scorpius schüttelte lächelnd den Kopf.

Und was muss ich tun, damit du auf mich stehst?