Kapitel 23

Wie fühlte es sich eigentlich an eine Freundschaft zu haben, auf die man sich wirklich verlassen konnte? Eine Freundschaft, in welcher man keine Angst haben brauchte, dass man bald ersetzt oder hintergangen werden würde? Manchmal war ich mir nicht einmal mehr sicher gewesen, ob ich dafür gemacht war. Eine Freundschaft mit anderen.

Aber ob es wehtat, dass ich wusste allein zu sein? Nun ja, natürlich hätte es weitaus angenehmere Dinge gegeben. Jedoch kam seine Nachricht nicht überraschend, besser gesagt die Distanzierung. Ich wusste, ich war nie ein wirklich guter Freund. So sehr ich mich auch angestrengt hatte, war ich mir bewusst, dass mein Verhalten der Grund war, wieso Jeongin das Weite suchte. Mir war es klar, dass ich ihn früher oder später verlieren würde, weil ich ihn nur Enttäuschung brachte, anstatt pure Freude. Allein, dass er nicht einmal darauf bestand mit mir seinen Geburtstag nachzufeiern oder dergleichen, zeigte nur, wie egal ihm die Freundschaft war. Und vielleicht war mir die Freundschaft schon vorher mindestens genauso egal gewesen.

Aber nun tat einfach nur der Fakt weh, dass ich unfähig war Menschen bei mir zu behalten.

„Dinge halten nicht für die Ewigkeit.", hörte ich neben mir. Felix, der mir ein kleines Päckchen Schokomilch entgegenstreckt und von mir verlangte, dass ich diese annahm, ließ sich neben mir auf den kalten Steintreppen nieder. Ich wusste ganz genau, dass meine Mutter heute noch verrückt werden würde, wenn sie mitbekam, dass ich mich im Anfang des Frühjahrs auf die kalten Steine setzte. In meinen Ohren konnte ich sie schon meckern hören, wie sie meinte, dass ich mich auf eine Bank setzen sollte, weil ich mir sonst eine Blasenentzündung holen würde. Allein deswegen musste ich schon anfangen zu schmunzeln, obwohl es mir eigentlich schlecht gehen sollte.

Und ehe ich wirklich darüber nachdenken konnte, nahm ich das kleine Milchpäckchen an mich, stach den Strohhalm in die Aluminiumfolie und nahm mir einen kleinen Schluck davon, währenddessen sich wieder einmal eine kleine Stille über uns legte. Im Gegensatz zu Jeongin hatte ich bei Felix nicht das Gefühl, dass ich unbedingt reden musste, mit Worten, die mich erklären sollten, warum ich so handelte, wie ich es tat.

„Denkst du, dass alles im Leben eine Bedeutung hat oder dass das Leben eher wie ein Würfelspiel ist, wir unser Schicksal zufällig bekommen und je nachdem, ob wir damit zurechtkommen oder nicht, daran zugrunde gehen?", warf ich meine Gedanken in den Raum, um auch einen anderen Blickwinkel zu bekommen, außer dem, der sich in meinem Kopf abspielte. Denn ich war mir sicher, dass das Leben es vorprogrammiert hatte. Nicht unbedingt das Schicksal, aber ob du daran kaputt gehst und vor allem, wie du daran scheiterst. Durch Verdrängung, ein Leben in deinem Kopf – deinem eigenen Gefängnis – oder ob du stark genug bist und am Ende auf deine eigene Art und Weise gewinnst.

„Das Leben ist unberechenbar. Bist du glücklich, wird dir dein Glück genommen. Wirst du damit überschüttet, fällst du tief und bekommst deine gerechte Strafe. Aber am Ende sind es nur Hürden, Hindernisse in einem Parcours, von dem niemand weiß, wie er überhaupt funktioniert und der am Ende einem endlosen Labyrinth gleicht, dem wir niemals entfliehen können, weil es keinen Ausgang gibt... Außer dem Tod. Wir alle wissen nicht, wie das Leben funktioniert. Auch wenn es viele gibt, die so tun, als hätten sie eine Ahnung, was sie tun. Aber sie haben es in Wahrheit genauso wenig." Felix' Blick war auf den grauen Treppenstufen vor sich gerichtet. Je weiter man seinen Blick nach unten wandern ließ, umso mehr konnte man bereits jetzt schon abgehetzte Studenten vor sich sehen. Dabei hatte heute einmal das Semester angefangen und ebenso absurd fand ich es, dass ich sonst auch einer davon war. Ständig mit dem Kopf in der nächsten Vorlesung, abgehetzt und ausgelaugt.

„Zu welchen dieser zählst du? Denen, die schwimmen oder untergehen? Gewinnen oder verlieren?"
„Ich weiß es nicht. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich ertrinken und manchmal kann ich mich gerade so über Wasser halten, weil ich mich im rechtzeitigen Moment abkapsle. Ich distanziere mich von Menschen, um mich selbst zu schützen, weil viele nur darauf bedacht sind sich selbst im tiefen Wasser an anderen hochzuziehen... Ist das schummeln? Tue ich das Richtige oder ist es falsch, wie es jeder sagt? Bin ich falsch?"

Ich hätte Felix diese Frage nur zu gern beantwortet. Aber ich konnte es nicht. Ich war nicht in der Lage, noch hatte ich das Recht hierzu, ihn in einen Topf mit anderen zu werfen, weil ich es selbst niemals wollte.

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