> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟲

Die erste Schulwoche verlief insgesamt rech gut. In der Mittagspause sitze ich immer mit Bri, Maeve und Mackenzie zusammen in der Mensa. In nur leihen Tagen ist Bri mir unglaublich ans Herz gewachsen. Wohingegen ich Maeve und Mackenzie gegenüber noch etwas unsicher bin. Sie sind zwar nett, aber irgendwie fühle ich mich von ihnen nicht so richtig akzeptiert.

Zum Glück aber hilft Bris Anwesenheit, dieses Gefühl in mir etwas zu überdecken. Ich bin wirklich froh, dass ich in ihr eine Art Personal Guide gefunden habe, der mir hilft, an der Belview Higj zu überleben. Maeve hatte recht; Bri kann wirklich melodramatisch sein, aber das stört mich kein bisschen. Es beruhigt mich sogar eher, weil sie mich sehr an Fiona erinnert, was mein Vermissen etwas lindert. Aber leider nur ein bisschen.

Ein Grund, warum ich mich der Gruppe nicht so wirklich zugehörig fühle ist, dass Maeve und Mackenzie mich ständig Dinge über Blake fragen, die ich jedoch nicht beantworten kann. Ob er wirklich halbnackt im Garten trainiert? - Keine Ahnung, das habe ich nicht beobachtet.
Ob er wirklich immer irgendwelche Mädchen bei sich Zuhause hat? - Bisher habe ich noch keins gesehen, aber  ich achte darauf auch nicht. Und noch viele andere Gerüchte, die meine Augenbrauen zum Haaransatz schießen lassen. Blake hatte zwar damals schon einen gewissen Ruf, aber diesen Gerüchten hier kann ich einfach einen Glauben schenken.

Ich vermute auch, dass Blake selbst davon weiß, sich aber nichts daraus macht, weil es ihn nicht interessiert oder er es genauso als lächerlich betrachtet wie ich. Sowas schien ihn schon damals nicht zu interessieren. Im Gegenteil, er genoss die Aufmerksamkeit, die er dadurch bekam.

Von meinen ungewollten Beobachtungen bisher würde ich nicht unbedingt sagen, dass Blake sich groß verändert hat. Und doch wirkt er irgendwie anders. Immer wieder sieht man ihn selbstbewusst mit seinen Freunden durch die Gänge laufen und hört ihn lachen, aber wenn ich dann mal zu ihm herübersehe, passt dein Gesichtsausdruck manchmal nicht zu der Laune, die er ausstrahlen möchte. Dann wirkt er plötzlich ganz anders als der Blake Parker in Hanford, den ich kannte. Zum ersten Mal habe ich das im Geschichtsunterricht bemerkt.

Als ich mit Brianna den Raum betrat, war Blake das erste, das ich sah. Vor Verwirrung blieb ich stehen. Warum saß er in meinem Klassenraum?

„Was ist los?", fragte Bri mich leicht besorgt.

„Warum ist Blake hier? Er ist doch eigentlich in der 12.", sagte ich und befürchtete genau das, was Bri im nächsten Moment antwortete.

„Er wiederholt und ist nun in unserem Jahrgang." Na Super. Besser könnte es ja kaum laufen. Soviel also dazu, ihn zu meiden.

Wir suchten uns  zwei Plätze in der zweiten Reihe und ich setzte mich ans Fenster, wo ich einen guten Blick auf die Tafel - und ungewollt auch auf Blake - hatte, der in der ersten Reihe an der Wand saß. Den richtigen Sitzplatz im Klassenraum auszuwählen ist wichtig. Besonders, wenn man nicht so gute Augen hat wie ich, diese Tatsache jedoch verbergen möchte. Aber die zweiten Reihe ist die perfekte Mitte. In der ersten Reihe sitzen meistens die Streber und in der letzte nur die, die sich gar nicht bis wenig für den Unterricht interessieren. Da ich hier nicht mehr als Streber gebrandmarkt werden möchte, ist die zweite die perfekte Lösung. Zum Glück war Brianna ebenfalls damit zufrieden.

Trotzdem störte es mich, dass Blake in meinen Sichtfeld saß, auch wenn ich ihn nur aus einem Augenwinkel sah. Ich fragte mich, warum er sich freiwillig in die erste Reihe setzte, wenn doch keiner seiner Footballleute neben ihm saß, sondern einige Reihen dahinter. Aber ich fragte ihn nicht, denn das hätte bedeutet, dass ich ihn auch gleichzeitig auch gefragt hätte, warum er wiederholen musste und das interessiert mich nicht. Trotzdem wunderte es mich.

Ich wusste nie, ob Blake ein guter Schüler war oder nicht, aber während des Unterrichts saß er da und schrieb mit, hörte unserer Lehrerin aufmerksam zu und  beantworte einige Fragen, die sie uns stellte. Immer wieder drängte sich mit die Frage nach dem Grund auf, weshalb er das Schuljahr wiederholen muss, wenn er doch anscheinend so schlau ist. Aber vielleicht gibt es einen anderen Grund.

Blake bemerkte meinen Blick und erwiderte ihn. Schnell wandte ich mich wieder der Tafel zu und hätte mich dafür verfluchen können, dass ich ihn gedankenverloren angestarrt und er es gemerkt hatte. Mein Gesicht begann zu glühen und ich hoffte, dass Blake und vor allem Bri es nicht mitbekamen. Aber zum Glück drehte Blake sich wider um und Bri schrieb eifrig mit. Hätte ich doch nur besser zugehört und nicht an Blake gedacht, wüsste ich jetzt auch, worüber Mrs Bains sprach.

Während der Geschichtsstunde spürte ich immer wieder Blakes flüchtige Blicke auf mir, traute mich jedoch nicht, meinen Kopf noch einmal in seine Richtung zu drehen. Es war mir viel zu peinlich, bei Starren erwischt zu werden, dass ich es nochmal riskieren wollte. Außerdem wollte ich ihn gar nicht anstarren. Ich war nur so sehr in Gedanken, dass ich es nicht bemerkte. Was eigentlich sogar noch schlimmer war, weil ich nicht mal an ihn denken wollte, aber meine Fragen einfach nicht vergessen konnte. Das alles ergab für mich keinen Sinn.

*

Vor unserem Umzug haben Fiona und ich uns versprochen, jedes Wochenende miteinander zu skypen und uns alles Wichtige erzählen, was in der Woche so passiert ist. Genau so wie jetzt.

„Es war so schön, ehrlich Ave." Gerade erzählt sie mir von ihrem Date mit Trevor, das sie gestern Abend hatte. Anscheinend war ich auf der Hanford High nur im Weg, denn letztes Schuljahr haben die beiden kaum miteinander geredet, sich jedoch im Unterricht ständig vielsagende Blicke zugeworfen. Wahrscheinlich wollte Trevor nicht mit Ms Abserviert assoziiert werden und hat nur darauf gewartet, Fio alleine abzupassen. Nicht, dass ich ihr nicht gesagt hätte, sie solle ihn ansprechen. Sie war viel zu schüchtern. Vielleicht hat sie auch aber auch meinetwegen zurückgehalten.

„Er hat mich in ein super schickes Restaurant in der Nachbarschaft eingeladen. Danach sind wir noch ein bisschen durch die Gegend gefahren. Oh Avery, es war so romantisch", schwärmt sie und ich könnte schwören, dass ihre Pupillen Herzchenform angenommen haben.

„Es freut mich, dass ihr eine tolle Zeit hattet", erwidere ich fröhlich. Wenn  meine beste Freundin glücklich ist, versuche ich es ebenfalls zu sein. Dafür ist ihre gute Laune auch wirklich ansteckend.

„Okay, genug von mir. Wie war deine erste Woche? Ich möchte alle Details wissen." Gespannt lehnt sie sich vor.

„Ganz gut. Die Schüler sind nett und die Schule hier ist nicht so ein Labyrinth wie die Hanford High."

„Klingt ja super. Ist dir schon jemand besonderes aufgefallen?" Spielerisch wackelt sie mit den Augenbrauen. War ja klar. Jetzt, da sie quasi inoffiziell mit Trevor zusammen ist, muss sie mich auch verkuppeln.

Augenrollend schüttle ich den Kopf und bleibe mit meinem Blick am Fenster hängen. Hinter dem Vorhang kann ich Licht in Blakes Zimmer erkennen. Was er wohl gerade macht? Ob die anderen vielleicht doch recht haben und...

„Avery!" Erschrocken zucke ich zusammen und richte meinen Blick wieder zurück auf den Bildschirm. „Was hast du gesehen?"

„Nichts", kommt es viel zu schnell von mir, was Fio sofort skeptisch werden lässt. Ich spüre, wie Wärme in meine Wangen steigt.

„Avery, was..."

„Sorry, Fio, aber ich muss los", unterbreche ich sie. „Wir reden ein andermal. Bis dann." Nach meiner schnellen Verabschiedung verlasse ich unsere Konversation sofort.

Sofort beginnt mein Handy zu klingeln und ich weiß, dass Fio es ist. Jedoch gehe ich nicht ran. Stattdessen stehe ich auf uns ziehe die Vorhänge zu. ich interessiert nicht, was Blake in seiner Freizeit macht. Dieses Kapitel in meinem Leben ist vorbei und ich werde sicher nicht wieder damit anfangen. Ich habe meine Lektion gelernt. Blake Parker wird mir mein Leben nicht noch einmal durcheinanderbringen.

*

Am Sonntagmorgen sitzen Mom, Dad und ich auf der Terrasse und frühstücken. Zum Glück ist es noch warm genug, um draußen mit kurzen Klamotten zu sitzen.

„Was haltet ihr davon, wenn wir Maggie und ihre Söhne für nächsten Samstag zum Grillen einladen?", fragt Mom in die Runde.
Fast verschlucke ich mich an meinem Kakao.

„Wieso das?"

„Weil sie unsere Nachbarn sind, wie sie besser kennenlernen sollten und Maggie wirklich nett ist. Außerdem ist ein gutes Essen perfekt, um jemanden kennenzulernen." Maggie. So wie Mom es ausspricht wirkt es so, als wären sie bereits beste Freundinnen. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit.

„Gerne. Wir können Freunde in der neuen Stadt gebrauchen. Was meinst du, Avery?", wendet Dad sich an mich. Was soll ich da schon gegen sagen? Nein, ich will diese Familie auf keinen Fall kennenlernen? Das würde nur zu einer unnötigen Diskussion führen und ich müsste ihnen den Grund erklären, weshalb ich dagegen bin und das möchte ich unter keinen Umständen. Also gebe ich mich geschlagen und sage nur mit wenig Begeisterung: „Ja, klingt gut."

Eigentlich ist das letzte, was ich will, mit Blake Parker am Esstisch mit meiner Familie zu sitzen, aber so soll es anscheinend passieren. Als ob das Schicksal sich ständig über mich lustig machen würde.

„Super! Dann werde ich morgen zu ihr gehen und sie einladen. Sie freuen sich bestimmt." Damit ist es beschlossene Sache, dass die Parkers nächsten Samstag zu uns zum Grillen rüberkommen und ich das macht mich jetzt schon extrem nervös.

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