Als ich die Haustür öffnete, stolperte ich fast in Jeongin, mit dem ich in diesem Moment absolut nicht gerechnet hatte.
"Wow, was machst du denn hier?", begrüßte ich ihn und hielt mich am Türrahmen fest, um nicht auf ihn drauf zu fallen. Dieser musterte mich genau, legte dann ein Lächeln auf seine Lippen.
"Ich lauf jetzt immer mit Seungmin zur Schule, weil er quasi um die Ecke wohnt und da hab ich mir gedacht, dass wir dich auch noch aufschnappen können. Ist das okay?"
"Ja, also.." Meine Augen erhaschten den Rothaarigen, der sich leicht vor mir verbeugte und ein kleines Hallo herausdrückte. Ich erwiderte es mit einem kleinen Lächeln.

"Also?"
"Ja, kann man machen. Wäre halt nur schön zu wissen, wann und ob ihr vorbeikommt. Sonst hätte ich dich jetzt über den Haufen gerannt." Ein Wunder, dass meine Reaktionszeit doch so schnell war, dass niemandem etwas passiert war. Das hätte sonst in blauen Flecken oder in Prellungen enden können. Ein schöner Start in den Tag sah in meinen Augen anders aus.

"Tut mir leid. Ich vergesse sowas immer. Außerdem hab ich nicht damit gerechnet, dass du genau dann die Tür aufmachst, wenn ich klingeln will."
"Ich gehe jetzt.", rief ich in das Haus, zog die Tür hinter mir zu und wandte mich dann wieder Jeongins Aussage zu, "Passiert. Ist halb so wild. Für das nächste Mal weißt du es."

Gemeinsam liefen wir zur Schule. Doch heute musste echt der Wurm drin sein. Erneut wurde mir schwarz vor Augen. Aus dem Nichts. Einfach so und allmählich machte ich mir Sorgen, ob sich das über den ganzen Tag ziehen würde. Darauf hatte ich wirklich keinen Bock, vor allem, weil ich dann so tun musste, als wäre alles in Ordnung, was es ja theoretisch nicht war. Aber ich wusste, dann würde man mit mir diskutieren und mich belehren wollen, dass ich mich besser um mich selbst kümmern musste.

"Ist alles okay?", hörte ich Seungmin, der meinen Blick bemerkt hatte. Ich nickte nur und verdrehte meine Augen, als sie verschlossen waren. Als ich sie öffnete, war dieses Gefühl wieder weg und ließ mich laut Luft ausstoßen.

"Ja, keine Sorge. Bestimmt hab ich nur nicht gut geschlafen."
"Wenn du überhaupt geschlafen hast.", bemerkte Jeongin und stieß mir in die Seite. Dabei konnte man seine Zahnspange kurz erkennen, die hinter seinen Lippen zum Vorschein kam. Wenn ich ehrlich war, machte es ihn dadurch noch frecher, als er es ohnehin schon war. Gleichzeitig sah er aber damit auch süß aus.

Ich konnte immer noch Seungmins Blick auf mir spüren. Also sah ich zu diesen an, wodurch er sich erschrak und direkt seine Augen auf den grauen Asphalt richtete. Demzufolge rutschte seine Brille seinen Nasenrücken geringfügig herunter. Normalerweise fand ich nie, dass Menschen mit einer Brille besonders hübsch oder süß aussahen. Seungmin war allerdings eine Ausnahme. Aber es konnte auch einfach nur daran liegen, dass die Brille mit den runden Gläsern ihm besonders gut schmeichelte. Jisung trug selten eine Brille und ich fande, dass er einfach nur komisch mit ihr aussah. Vielleicht lag es auch einfach an mir, dass ich ein anderes Empfinden hatte und es viel kritischer sah. Doch Jisung musste dasselbe Gefühl haben wie ich, denn oft trug er Kontaktlinsen oder ließ es komplett sein, lief quasi blind durch die Welt. Auch Jeongin trug eine Zeit lang so ein Ding auf der Nase, aber ihn sah man auch nur noch ohne. Entweder hatten sich seine Augen gebessert, er trug Linsen oder es war ihm einfach nur egal.
Aber Seungmin war die erste Person, bei der ich eine Brille als ansehnlich einstufte und ich keine konkrete Abneigung besaß.

"Wieso sollte er nicht geschlafen haben?", warf der Brillenträger ein und hatte erneut meine komplette Aufmerksamkeit. Auf die Schnelle fiel mir keine Ausrede ein, die ich ihm auftischen konnte.
"Wir ärgern Hyunjin immer, weil er so aussieht, als würde er die ganze Nacht wachbleiben.", antwortete Jeongin, was in mir die Alarmglocken schrillen ließ und direkt fügte ich noch: "Aber natürlich schlafe ich ausreichend. Also keinen Grund zur Sorge.", hinzu.
Jeongin wusste eigentlich, dass ich nicht schlafen konnte, weswegen ich ihn gerade für seine Aussage in meinem Kopf umbrachte. Erst recht weil Seungmin den Anschein erweckte, dass er das, was wir sagten, nicht abzukaufen schien. Ich rechnete einfach damit, dass er irgendwann noch einmal darauf zu sprechen kommen würde und dann musste ich mir eine plausible Ausrede einfallen lassen, die er mir abkaufen würde.

"Ach so"