vier
Mit zitternden Händen drehte Seungmin den Schlüssel im Schloss um, öffnete somit die Tür. Ihm war bewusst, dass seine Eltern alles gesehen hatten und nach wie vor schnürte es ihm die Kehle zu, wenn er daran dachte, was in ihren Köpfen vor sich gehen musste. Dass sie ihn nach wie vor abstoßenden finden würden und ihn nicht akzeptierten, so wie er war. Er hatte aber keine Angst vor ihnen, im Gegenteil. Ihre Worte trafen ihn nicht mehr so sehr, wie zu Beginn und irgendwie war es ein Zeichen von Stärke, was er aufwies. Er ließ sich nicht alles gefallen und doch raubte es ihm seine Nerven. Ihr Verhalten war ihm selbst zu viel, es ermüdete ihn. Es würde aber nicht mehr allzu lang dauern, da war er mit der Schule fertig. Zwar hatte das Schuljahr erst begonnen, aber die Zeit würde mindestens genauso schnell vergehen, wenn nicht sogar schneller und dann würde er ausziehen und ein neues Leben beginnen.
"Ich bin wieder da.", grummelte der Blonde, schmiss seinen Schlüssen in die kleine Schale auf der Kommode und wollte bereits in sein Zimmer gehen, da hatte sein Vater das Wort ergriffen, sodass Seungmin den Türgriff in der Hand hielt und in seiner Bewegung inne hielt.
"Wann denkst du, dass deine komische Selbstfindungsphase zu Ende ist? Du hast wohl vergessen, dass es in Korea nicht gern gesehen ist, wenn zwei Jungs sich küssen, nicht? Tu' dir doch den Gefallen und hör auf mit dem Mist." Seine Stimme war eiskalt gewesen. Seungmin wurde wütend, denn er konnte diese Sprüche nicht mehr hören. Es war immer dasselbe gewesen. Immer wieder aufs Neue hatte er erklärt, dass es keine Phase war, die ab einem bestimmten Zeitpunkt vorbei war, sondern dass er Hyunjin wirklich vom ganzen Herzen liebte und seine Zukunft mit ihm verbringen wollte. Dass sein kleines, zerbrechliches Herz für ihn schlug und doch fühlte er sich missverstanden. Während seine Eltern das Beste für ihn wollten, wussten sie tatsächlich nicht, was für ihren Sohn gut war. Sie wussten nicht, wie sehr sie ihm schadeten, wie sehr es ihn verletzte, dass er nicht so akzeptiert wurde von ihnen, wie es Hyunjin von seinen Eltern war. Er redete sich ein, dass es ein Teil seiner Geschichte sein würde, die ihn prägte und zugleich stärkte. Doch musste er wirklich dafür leiden und erst ertrinken, ehe er lernte zu schwimmen? Musste er erst den Abgrund unter seinen Füßen spüren, damit er auftauchen konnte?
"Was ist falsch daran, wenn du Mama liebst und ich Hyunjin? Was ist deine Definition von Liebe? Liebe ich anders als du?" Es wurde still. Seungmin vernahm ein lautes Schnauben, doch als dann nichts mehr kam, drückte er die Türklinke herunter und betrat sein Zimmer. Der Blonde hatte seinem Vater nicht wirklich die Chance dazu geben sich zu erklären, seine Fragen zu beantworten. Das hatte der alte Mann in seinen Augen nicht verdient. Und auf eine Antwort zu warten, würde sich in seinen Augen auch nicht lohnen, denn er spürte, wie kraftlos er mittlerweile wurde. Dass sein Vater ihm mit dieser Aussage jegliche Kraft gekostet hatte und er am liebsten einfach nur noch schlafen wollte.
"Ich bin nicht krank, du Spinner.", zischte er und legte sich dann auf sein Bett hin. Eigentlich hätte er sich noch umziehen sollen. Dafür fehlte ihm die Energie. Vielleicht würde er sie in ein paar Minuten haben, wenn er sich ein wenig ausgeruht hatte. Doch seine Gedanken hingen an den Fragen an seinen Vater fest. Er wollte sie beantwortet haben, zugleich wollte er diesem nicht zuhören. Er wollte seine Stimme nicht hören. Seit seinem Outing wünschte er sich einfach nur die Zeit zurück, in denen er von seinen Eltern wohlbehütet wurde. In dem er der Sohn war, den sie liebten. Doch von all dem war heute nichts mehr zu sehen.
Welche Bedeutung hatte Liebe, wenn sie für viele ab einem gewissen Punkt falsch war?
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