VIII. Erziraphael und seine Bücher

Laut Crowley widmete Erziraphael seinem Buchladen zu viel Zeit. Sein Geschäft war sein Leben, sein Zentrum, der Mittelpunkt von allem, was er tat.

Und obwohl er nicht schlief und technisch gesehen nicht essen musste, hielt er einen ordentlichen kleinen Wohnraum über sich. Zudem trank er Unmengen an Tee - meist mit Milch, versteht sich - und Kakao, und staunte, dass er seine Bücher nie bekleckerte. Sie waren immerhin sein wertvollster Besitz, und er tat alles in seiner Macht stehende, um sie zu schützen.
Einige, an denen er besonders hing, wurden jetzt in einem feuerfesten Safe aufbewahrt, eine Idee, die Crowley nach dem Vorfall hatte.

An diesem besonderen Morgen, einem schönen (und irgendwie sonnigen) Donnerstag, nahm er seine Tasse mit nach unten und in seinen Buchladen. Die Jalousien, die er für die Nacht herunterließ, wurden hochgefahren, die Tür entriegelt und das Schild auf "Geöffnet" gedreht, welches in einer schönen und einladenden Schriftart stand.
Auf seiner Begrüßungsmatte lagen einige Briefe und Zeitungen in einem Durcheinander. Bei einigen Umschlägen handelte es sich um Werbung und Angebote, bei anderen um Rechnungen und Bestellungen. Er sammelte sie zu einem Stapel zusammen und trug sie zu seinem schönen antiken Schreibtisch. Er schnappte sich seinen Brieföffner, setzte sich und begann.

Der Schreibtisch, der sich an der Seite seines Ladens befand, stand vor den Fenstern und wurde so gut wie für alles benutzt. Er las an ihm Bestellungen, füllte Formulare aus, machte Pakete und trank Tee; er führte mit seinen Kunden - manchmal sogar mit der Mafia, die ihm drohte, aber nie wieder auftauchte oder sich meldete - hitzige Gespräche über dieses oder jenes Buch und nahm Anrufe entgegen.

Der erste Brief enthielt eine Broschüre einer neuen Theateraufführung. Augenblicklich wanderten seine Gedanken zu Crowley, doch dann schüttelte er vehement den Kopf. Der Dämon würde bestimmt nicht mit ihm dorthin wollen.
Er legte die Rechnungen beiseite und öffnete einen zweiten Brief, der eine Einladung zum Beitritt in die Kirche beinhielt. Die Ironie dessen brachte ihn kurz zum Lachen.

Drei Umschläge mit seltsamen Coupons später, stieß er auf einen, der anders aussah. Es war ein wunderschöner cremiger Umschlag, eine geprägte Rücksendeadresse. Er drehte ihn um - echtes Wachs! Heutzutage bekam man nicht mehr jeden Tag einen Brief mit einem echten Wachssiegel.

Es konnte nicht vom Himmel kommen, denn sie würden sich niemals so viel Mühe geben. Auch die Hölle kam nicht infrage.

Das Wachssiegel wurde zerbrochen und er zog ein Blatt Papier heraus. Es ist eine Einladung zu ... etwas in Tadfield?
Das ergab keinen Sinn. Er war der Treffpunkt der Reiter gewesen und Adam, der die Welt rettete, aber keiner von ihnen lernte sich wirklich kennen.  Sie gingen so schnell wie möglich getrennte Wege. Die Schrift war schön, in pfauenblauer Tinte geschrieben.

Es war eine Einladung zum Tee. Am Ende stand eine Adresse für ein Jasmine Cottage und war von einer Anathema Apparat signiert.

,,Ah", dachte er laut, ,,die Hexe."
Warum genau die Hexe ihn zum Tee einlud, war ihm ein Rätsel, aber er vermutete, dass es etwas mit der Fast-Apokalypse zu tun hatte. Er würde sowieso nur mit Crowley dort auftauchen und den musste er erst einmal dazu überreden.
Er legte den Brief seufzend ab und eine Glocke läutete; machte ihn auf einen Kunden aufmerksam, der gerade durch die Tür gekommen war.

Man würde denken, dass Erziraphael als Besitzer eines Buchladens versuchen würde, seine Bücher zu verkaufen. Man könnte meinen, dass er nach dem Niederbrennen und der anschließenden Wiederherstellung seine Meinung zum Verkauf seiner Bücher geändert hätte. Aber da irrte man sich gewaltig.

Mit Ausnahme des neuen Bestands (vermutlich von Adam Young selbst hinzugefügt), schützte Erziraphael seine Bücher wie ein Drache seinen Schatz. Er musste seine Bücher nicht verkaufen, auf keinen Fall. Der Laden war nur eine Möglichkeit, sie behalten zu können.

Gelegentlich machten bestimmte Leute einen besonders guten Eindruck und wenn er bereit war, sich von dem Buch zu trennen, das er möchte, verkaufte er es ihnen. Bestimmte Sammlungen, einschließlich derjenigen im Safe in seinem Hinterzimmer, waren absolut verboten, aber es gab ein paar Stapel näher an der Eingangstür, die Bände enthielten, die er etwas weniger mochte.

Dieser Kunde schien besonders auf ein Buch fixiert zu sein, das Erziraphael niemals hergeben würde. Es war ein bezauberndes Exemplar mit einem wunderschönen Cover, einer Sammlung von Shakespeares Werken, die er auf der Rückseite signiert bekommen hatte.

„Wie viel kostet das?", fragte er und hielt das Buch hoch. „Ich liebe Shakespeare! Eine Sammlung scheint eine großartige Sache zu sein."

Er konnte nicht gemein zu ihm sein. Er konnte es einfach nicht. Der Mann war Erziraphael viel zu sympathisch.

,,Ah, es ist ... Das Buch steht nicht zum Verkauf." Im Allgemeinen würde er es dabei belassen und versuchen, den Mann hinauszujagen, aber er hatte eine weniger umfassende Version, nicht signiert, eher schlicht aussehend. Es sollte irgendwo hier sein ...
„Nur eine Ausstellungskopie. Irgendwo hier in der Nähe habe ich eine andere Sammlung, die ich Ihnen für zwanzig Pfund geben kann."

Er fand den Band relativ leicht und übergab ihn dem Mann, der das signierte Exemplar dort abgelegte, wo er es gefunden hatte. Der Mann lächelte und nickte, als er zum Inhaltsverzeichnis blätterte, anscheinend zufrieden mit dem Angebot.

,,Ich nehme es", sagte er schließlich und griff in seiner Tasche nach seiner Brieftasche.
Sie machten den Tausch und der Mann grinste ihn an, wobei er ihn an Crowley erinnerte. Erziraphael lächelte zurück, weniger enthusiastisch als gewöhnlich.  Er sah zu, wie das Buch den Laden verließ, dann setzte er sich. Es war ein komisches Gefühl.

Einerseits hatte er sich gerade von einem Buch getrennt, das seit Hunderten von Jahren Jahren seinem Besitz war und auf der anderen Seite konnte er einem Menschen eine Freude machen. Vielleicht wäre es gut, noch ein paar Bücher zu haben, die er verkaufen könnte, um die glücklichen Gesichter der Käufer zu sehen. Das war die Art von Spaß, die er mochte.

Noch ein paar Leute kamen und gingen. Manchmal fragten sie nach etwas, das er nicht verkaufen konnte und manchmal trennte er sich von einem Buch.
Schließlich wurde es dunkler und nachdem eine letzte Person mit einer Sammlung von Gedichten verschiedener Autoren gegangen war, drehte er das Schild auf „Geschlossen“ und ließ die Jalousien herunter.

Er ging zum Hinterzimmer und ließ sich in seinen Sessel fallen, nahm ein aktuelles Buch und versunk darin. Für eine Weile gab es nichts als ihn und sein Buch und die Stille.
Aber dann schlichen sich Gedanken ein. Crowley.
Er hatte nie die Gelegenheit, über ihre Beziehung wirklich nachzudenken: Es geschah so langsam, dass er kaum bemerkte, dass sich etwas entwickelt hatte. Da war natürlich etwas; er hatte es an diesem Tag unter dem Pavillon kurzzeitig zerstört. Er hatte es nicht gewollt, aber es fühlte sich zu der Zeit richtig an. Jetzt musste er sich aber eingesehen, dass es eine dumme Entscheidung gewesen ist, eine sehr dumme. Und er glaubt, dass es vielleicht genau das war, was ihn und Crowley erschüttert hatte, als er verzweifelt "Es ist vorbei" in die düstere Luft gerufen hatte.
Vielleicht ist er tatsächlich in Crowley verliebt.

Dock dieser Idiot hatte sich immer noch nicht gemeldet. Vermutlich hatte er es bereits auf dem nach Hause Weg vergessen, aber das glaubte Erziraphael nicht, also stand er auf und lief zum Telefon. Er musste nur eine Taste drücken, da er dessen Nummer eingespeichert hatte.

Es ertönte ein Piepen, dann ein weiteres und schließlich sprach er auf den Anrufbeantworter.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top