❅ ⊱⋯ 𝟙𝟞 𝕊𝕔𝕙𝕨𝕖𝕣𝕖𝕝𝕠𝕤 ⋯⊰ ❅

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Flashback

Erschöpft ließ Jungkook sich am Rande des schmalen Trampelpfades nieder. Seine Beine hatten ihn bis weit in den Wald geführt, doch letztlich hatte ihn die Kraft verlassen. Er war umringt von Bäumen, die er nur dadurch erkannte, weil das sanfte Licht des Mondes auf sie herabschien. Nah zog er seine durchfrorenen Beine an seinen Körper heran, doch es gab ihm nicht die Wärme, die er sich erhofft hatte.

Sein ganzer Körper zitterte aus Protest vor der Kälte, doch Jungkook wollte nicht mehr weiter gehen. Er war erschöpft und brauchte eine Pause. Hätte er sich wenigstens wärmer angezogen, und nicht nur das dünne Lederjäckchen, dann hätte er jetzt wenigstens nicht so elendig gefroren. Sie hatte ihm sowieso kein Glück gebracht und sicherer hatte er sich auch nicht gefühlt, da hätte er genauso gut seinen dicken Wintermantel anziehen können. 
Jungkook versuchte das brennende Stechen in seinen Händen und Füßen zu ignorieren und ebenso den Schmerz, der sich in seinem Herzen eingenistet hatte. Er hatte die letzten Minuten genug Tränen wegen seinem gebrochenen Herzen vergossen und sehnte sich jetzt nach einem kurzen Augenblick Ruhe.

Jungkook schloss die Augen und versuchte sich voll und ganz auf seine Atmung zu konzentrieren. Es dauerte einige Atemzüge, bis er endlich etwas ruhiger wurde.

In Gedanken an das letzte Gespräch mit Taehyung richtete Jungkook seinen Blick gen Himmel. Es war eine sternenklare Nacht, keine einzige Wolke war am Himmelszelt zu sehen. Dafür konnte Jungkook abertausende kleinste Sterne über ihm funkeln sehen. Er war sich sicher, niemals von einem Anblick so fasziniert gewesen zu sein und so starrte er stumm auf die vielen Lichter am Himmel, die sogar seine Gedanken an Taehyung und ihr gemeinsames Gespräch leiser werden ließen.

Je länger er die Sterne betrachtete, desto mehr beruhigte sich auch sein Herz. Der Schmerz ebbte langsam ab und bot mehr und mehr Platz für die Schönheit, die sich ihm in dem Moment offenbarte.

Die Schönheit des Sternenhimmels erinnerte ihn an Taehyung.

Niemals hatte er einen Menschen in seinem Leben als so wunderschön empfunden wie Taehyung. Ihm war schon lange klar, dass seine Gefühle nicht die selben waren, wie zu anderen Freunden oder Klassenkameraden. Es reichte ein einziges Lächeln von Taehyung, um sein Herz freudige Saltos springen zu lassen. Es reichte ein Blick, um sich in der Tiefe seiner Augen zu verlieren. Taehyung war der perfekteste Mensch, dem er je begegnet war. Das wusste er von Anfang an.

Jungkook lächelte sanftmütig, als er an die vielen gemeinsamen Treffen mit Taehyung zurück dachte. Wann hatte es eigentlich angefangen, dass er ihm so viel bedeutete? Er überlegte lange, aber er konnte einfach keinen festen Zeitpunkt ausfindig machen. Aber wahrscheinlich hatte sich Tae auch ganz heimlich immer ein Stücken mehr von seinem Herz erobert und Jungkook hatte es erst mitbekommen, als es schon zu spät war.

Sein Lächeln wurde breiter.

Taehyung war schon immer meisterlich darin gewesen, Jungkook zu verzaubern. Gleich vom ersten Tag an gab es niemanden, den er so sehr bewunderte, wie den älteren Nachbarsjungen. Es war so ganz anders als bei Jimin, das hatte er schnell gemerkt. Aber irgendwann wurde das Gefühl stärker. Er wollte so viel Zeit mit Tae verbringen, wie irgendwie möglich. Er wollte ihn zum Lachen bringen, er wollte das Funkeln seiner Augen herauskitzeln. Er wollte Taehyung ganz für sich alleine haben. Er brauchte niemand anderen mehr, solange der gutmütige Nachbarsjunge bei ihm war.

Irgendwann dachte Jungkook in jeder freien Minute an Tae und wenn er ihn nicht sehen konnte, fühlte er sich matt, träge und leblos.

Dass es Liebe war, begriff Jungkook allerdings erst, als Taehyung wegen Jimins Umzug weinend in seinen Armen gelegen hatte. Er wusste, dass Jimin und er von klein auf Freunde waren und natürlich verstand er Taes Angst, dass ihre Freundschaft an der Entfernung kaputt gehen könnte. Und trotzdem war da ein Gefühl, dass er niemals zuvor hatte.
Er war eifersüchtig. Darauf, dass Jimin Tae so viel bedeutete. Er hatte Angst, dass er Tae niemals so wichtig sein würde, wie Jimin es war. Es war ein furchbares Gefühl, das Jungkook am liebsten nie wieder fühlen wollte. Aber es war da. Er zerfras ihn regelrecht und ließ ihn patziger antworten, als er es eigentlich wollte. Er wollte, dass er Tae genauso wichtig war wie Jimin, wenn nicht sogar noch wichtiger.

In dem Moment war es ihm klar geworden. Er hatte sich in seinen besten Freund verliebt. Nicht nur in sein Lächeln, oder seine strahlenden Augen. Er liebte ihn, mit allem, was Taehyung ausmachte.

Jungkook verlor sich in den Gedanken an seine erste große Liebe. Er kam sich so klein und unbedeutend vor, während er die vielen Sterne betrachtete. Es gab so viel, was bedeutender war als seine Gefühle. Es gab etwas, dass so viel größer war als er selbst. Er hatte sich aufgespielt. Er hatte nur an sich gedacht, ohne dabei auf Tae einzugehen. Ihr Gespräch war deswegen so miserabel ausgegangen, weil er sich wichtiger machte, als er tatsächlich war.

Sein Lächeln starb.
Er hatte sich von seiner Wut leiten lassen. Er hatte Taehyung angeschrien und ihn nicht mal ausreden lassen. Er hatte ihm Vorwürfe gemacht, die er gar nicht so gemeint hatte. Dabei war er einfach nur verletzt gewesen. Und so bitterlich enttäuscht, dass Taehyung anscheinend nicht das selbe für ihn fühlte.

Er hatte ihm niemals zuvor einen Vorwurf gemacht. In all den Jahren der Freundschaft hatte er niemals etwas Falsches an Tae gesehen. Wieso war er dann heute nur so ausgeflippt?

"Entschuldige, Tae...", wisperte er den Sternen entgegen. Es tat ihm aufrichtig Leid, Taehyung für alles die Schuld gegeben zu haben. Dabei konnte er gar nichts dafür. Taehyung hatte niemals etwas falsch gemacht.

Jungkook wollte auf der Stelle aufspringen, zu Taehyung rennen und sich dafür entschuldigen, was er ihm an den Kopf geworfen hatte. Doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. So sehr er es versuchte, er schaffte es einfach nicht aufzustehen. Vielleicht war er wirklich erschöpft und brauchte einfach noch einen Moment länger, um sich zu erholen. Und danach würde er sofort zu Taehyung gehen, ihm sagen, dass es ihm aufrichtig Leid tat und er nicht böse war, wenn er seine Gefühle nicht erwidern konnte.

Genau. Nur noch einen kurzen Moment zu Kräften kommen, dann könnte er Taehyungs strahlendes Lächeln wieder sehen und das Funkeln seiner Augen, weil sie sich wieder vertragen würden. Sie würden gemeinsam darüber lachen, weil sie einfach beide total aneinander vorbei geredet und viel zu übertrieben reagiert hatten. Sie würden sich auch Jahre später noch darüber amüsieren, wie bekloppt sie gehandelt hatten. Das war eine schöne Vorstellung und Jungkook freute sich schon auf den Tag.

Aber erst wollte Jungkook noch einen kurzen Moment verweilen und in dem glitzernden Firmament seine innere Ruhe finden.

Wann hatte er sich das letzte Mal so frei gefühlt? Es war beinahe so, als wäre er völlig schwerelos. So, als wäre er längst Teil des Himmels, schwebend. Frei.

Jungkook lächelte, während er sich vorstellte, wie es wäre, ein Stern zu sein. Er würde jede Nacht nur für Taehyung leuchten. Er würde über ihn wachen und hoffentlich würde Taehyung sich manchmal die Zeit nehmen, um ihn anzusehen. Vielleicht würde Tae sein Funkeln faszinierend finden. Vielleicht würde er es mögen, wie Jungkook für ihn leuchtete. Jungkook wollte ein Stern werden, sich zu den anderen am Himmelszelt gesellen und gemeinsam Abend für Abend die wunderschönsten Sternbilder präsentieren.

Vielleicht sollte Jungkook auch doch noch ein bisschen sitzen bleiben. Immerhin war ihm schon längst nicht mehr kalt. Sein Körper hatte den Protest aufgegeben und aufgehört zu frieren. Ungewöhnlich. Eigentlich sollte ihm doch kalt sein in all dem Schnee, der um ihn herum lag. Es schneite. Dicke Flocken rieselten ganz sanft auf ihn herab, doch das bemerkte Jungkook erst jetzt.

Schnee...

Jungkook mochte Schnee wirklich gerne. Genauso wie er Taehyung mochte. Taehyung war sein Schnee.

Endlich erreichte ihn wieder die Wärme, nach der er sich so sehr sehnte. Taehyung legte sich auf ihn, er umarmte ihn. Sanft schmiegte er sich an seine Haut und nahm Jungkook jeglichen Schmerz, den er jemals empfunden hatte.

Jungkook schloss lächelnd die Augen.

Er war glücklich, dass Taehyung bei ihm war.

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Ich hoffe sehr, dass das Kapitel nicht zu fies für euch ist. Ich finde es wichtig, weil dadurch klar wird, was in Jungkook los ist, aber es ist natürlich kein leichter Lesestoff...

Borahae💜

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