⋅❃ Kapitel 6⋅❃
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KAPITEL 6
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„Das hat er nicht ernsthaft getan“, brabbelt Yoongi sichtlich überfordert und rüttelt noch drei weitere Male fester an der Tür, bis er resignierend seufzt.
„Alter, was du hier willst habe ich gefragt. Sieh zu, dass du aus meinem Zimmer verschwindest!“, brüllt Jungkook, auch wenn seine Stimme nicht mehr ganz so laut ist.
„Würde ich liebend gerne tun, aber Taehyung hat die Tür abgeschlossen.“
„BITTE WAS!?“, schreit er daraufhin entsetzt und rennt zu seiner Tür, um sich davon zu überzeugen, dass der andere die Wahrheit sagt. Genau wie Yoongi zuvor auch, rüttelt er mehrere Male vergebens an der Tür.
„TAEHYUNG, HÖR AUF MIT DER SCHEIßE! UND MACH DIE TÜR WIEDER AUF!“
Keine Reaktion, aber das hatte Yoongi schon befürchtet. Bleibt die Frage, was sie jetzt tun sollen, um wieder rauszukommen. Wahrscheinlich wird Taehyung sie erst dann rauslassen, wenn sie ihn davon überzeugen, dass sie sich vertragen haben. Dass das so schnell nicht passieren wird, erklärt sich wohl von selbst. Frustriert schaut Yoongi sich in Jungkooks Zimmer um. Es ist ewig her, dass er hier drin gewesen ist, und da war es auch nur kurz. Sie haben damals zum Einzug vereinbart, dass ihre persönlichen Zimmer tabu sind für die anderen. Yoongi ist der Einzige, der sich daran hält, bis auf ein paar Ausnahmen bei Tae.
Jungkooks Zimmer ist ein typisches Jugendzimmer. Die Möbel sind zusammengewürfelt und so hingestellt, wie sie gerade gepasst haben. Überall liegen Sachen verstreut. Klamotten, Bücher über Sport, leere Dosen von Proteinshakes und sogar Hanteln kann Yoongi in dem Chaos ausmachen.
Jungkook ist ein richtiger Chaot, aber auch das kommt nicht sehr unerwartet für ihn. Weil es der einzige freie Platz ist, an dem nicht irgendwelche Sportutensilien liegen, entscheidet sich Yoongi dafür, sich aufs Bett zu setzen. Die paar Klamotten schiebt er einfach beiseite.
„Das bringt nichts“, kommentiert Yoongi Jungkooks verzweifelten Versuch, die Tür aufzubekommen.
Eins muss man ihm lassen. Genügend Ausdauer und Verbissenheit hat der Sportler ja. Seit geschlagenen zehn Minuten versucht er mit den unterschiedlichsten Gegenständen das Schloss zu knacken. Deswegen wundert es ihn auch nicht, dass sein Mitbewohner seine Aussage ignoriert und es weiter probiert.
Yoongi seufzt, lässt sich nach hinten fallen und verschränkt die Arme unter seinem Kopf. Er schließt die Augen und überlegt, wie er das Gespräch anfangen soll. Denn eins ist sicher, auf Jungkooks Art und Weise werden sie hier nicht rauskommen.
„Jungkook? Echt mal, das wird so nichts“, sagt er, auch wenn der andere immer noch nicht auf ihn reagiert. „Vielleicht… sollten wir die Gelegenheit nutzen und wirklich mal reden. Ich bin zwar gar nicht begeistert, welche Aktion Taehyung hier angezogen hat… aber vielleicht hat er ja recht.“
„Vergiss es!“, kontert Jungkook, ohne sich zu Yoongi umzudrehen.
„Alter, ich habe echt nicht die Kraft dazu, um mit dir zu diskutieren, warum du dich so verhältst. Stell dich nicht so an und rede endlich mit mir. Dann können wir das schneller hinter uns bringen und ich endlich dieses Zimmer verlassen.“
Schweigen folgt Yoongis Worten und er ist sich nicht sicher, aber er hat das Gefühl, dass Jungkook etwas sagen will. Trotzdem bleibt er einfach mit geschlossenen Augen liegen und baumelt ein wenig mit den Beinen in der Luft herum, da er sie nicht ganz absetzen kann. Vielleicht fängt Jungkook ja gleich an mit ihm zu reden, wenn er einfach lang genug wartet. Er hat ehrlich keine Kraft mehr, um sich ununterbrochen zu behaupten und zu versuchen, irgendetwas aus dem Jüngeren herauszuquetschen. Vielleicht ist Warten doch die bessere Methode.
„Fuck! Ich will einfach nicht!“, ärgert sich Jungkook immer noch über diese Situation, „es geht dich nichts an, was ich tue oder was mich beschäftigt. Wenn ich boxen will, dann muss ich dafür nicht deine Erlaubnis einholen.“
Ah, denkt Yoongi, er scheint sich endlich von der Tür abgewendet zu haben. Eventuell fängt er ja gleich an zu reden. Und tatsächlich bekommt er direkt den nächsten Satz hinterhergeschoben.
„Schon gar nicht, wenn es das Einzige ist, was mich von dieser ganzen Scheiße ablenkt. Ich brauch das einfach, kapiert? Und außerdem… das ist MEIN Bett, in dem ich noch schlafen will! Und ich habe dir nicht erlaubt, da drin zu liegen!“
„Okay, es reicht“, meint Yoongi und er spürt wieder einen Anflug von Wut, als er die Worte hört, „Was habe ich dir verdammt nochmal getan, dass ich dich so anwidere, hm?!”
Es dauert nicht lang, da sitzt Yoongi bereits kerzengerade am Bettrand und funkelt Jungkook wütend an. Er kann es nicht länger hören. Diese Gedanken, die seit geraumer Zeit durch seinen Kopf spuken, müssen ein Ende finden. Er will wissen, was das Problem ist, egal was dabei herauskommt. Aber so unwissend in der Leere zu schweben, ist der pure Horror.
„Du bist halt einfach das Problem!“, faucht Jungkook ihn an und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Ich?“, lacht Yoongi abfällig, „Etwa, weil ich schwul bin? Das Thema schon wieder?!”
„Ich… Also…“
Jungkook scheint nicht mehr die richtigen Worte zu finden und stottert zusammenhanglose Fetzen vor sich her. Das nutzt Yoongi, um nochmal einen obendrauf zu setzen.
„Widere ich dich also an, weil du Angst hast, dass ich auf dich stehen könnte? Hast du Angst davor, dass du dich zu mir hingezogen fühlen könntest? Oder sind Homosexuelle einfach so ekelhaft, dass sie du sie abstoßend as fuck findest?! Willst du mir wieder eine runterhauen? So wie der Schlag ins Gesicht?!“
Schnell hebt und senkt sich Yoongis Brust. Er hat vollkommen die Kontrolle über seine Emotionen verloren und die Ketten, die sie im Zaum hielten, ohne Weiteres gesprengt. Innerlich bereut er es ein wenig, als er Jungkook in seine Augen sieht. Der Ausdruck… Er kann ihn nicht beschreiben, aber es versetzt ihm einen Stich in sein Herz. Fuck, was hat er nur gemacht?
„Das… ist nicht das… Problem…“, murmelt der Jüngere und lässt seine Arme fallen. Seine angespannte Haltung fällt in sich zusammen.
„Und… was ist dann das Problem? Scheiße, ich kann einfach nicht mehr! Weißt du eigentlich, wie fertig mich das die letzte Zeit macht?!!?!“
Wieder verliert Yoongi kurz die Kontrolle und wird lauter, als er eigentlich wollte. Er hat Angst, dass es zu viel für sein Gegenüber sein könnte, wenn er ihn weiterhin so konfrontiert. Und tatsächlich tut sich etwas.
Jungkook ballt seine Hände zu Fäusten, den Blick gen Boden gerichtet. Man kann bereits die Adern erkennen, die leicht hervorstehen, so stark spannt er seine Arme an.
„Meinst du mich nicht!?“, kontert Jungkook schwer atmend und jetzt erkennt Yoongi, dass sein restlicher Körper genauso angespannt ist. „Meinst du, mir macht das alles Spaß? Ich würde auch gerne einfach wieder unbeschwert mit dir abhängen, so wie vorher. Aber es geht nicht, okay!?“
Yoongi weiß nicht mehr weiter. Er wird das Gefühl nicht los, dass Jungkook ihm etwas sagen will, sich aber nicht überwinden kann. Und er hat nicht mehr die Kraft, blind im Nebel rumzustochern. Er braucht endlich Klarheit.
Aus dem Grund gibt er sich einen Ruck und steht vom Bett auf, um zu seinem Mitbewohner zu gehen. Auch auf die Gefahr hin, dass dieser ihn gleich wieder schlägt.
„Warum?“, fragt er, als er bei ihm ankommt und stehen bleibt. „Jungkook, rede mit mir.“
Langsam hebt er seinen Arm und legt ihn Jungkook auf die Schulter. Dieser zuckt stark zusammen, als hätte der plötzliche Körperkontakt ihn wieder in die Realität geholt. Ihre Blicke treffen sich, doch Yoongi erkennt entgegen seiner Erwartung keinen Ekel oder Wut in den Augen des anderen. Nur unmenschlich große Unsicherheit.
Lange hält der Blickkontakt nicht, weil der Sportler den Blick wieder abwendet. Yoongi lässt die Hand sinken und verschränkt sie stattdessen locker vor der Brust. „Wenn du nicht mit mir redest, dann kann ich dir auch nicht helfen. Was ist denn bitte so schlimm, dass du dich so dermaßen verschließt, hm?“ In Yoongis Stimme ist kein Vorwurf herauszuhören. Er will den anderen nicht schon wieder anschnauzen, er möchte einfach nur endlich wissen, was Sache ist und deswegen klingen seine Worte auch sanft.
„Bitte, Jungkook. Es bringt doch nichts, wenn wir so weitermachen. Und dir scheint es ja auch nicht so gut damit zu gehen. Ich dachte, du kannst es nicht erwarten, wenn ich ausziehe, dann machst du mir aber auf einmal Vorwürfe deswegen. Ich kapier’s nicht, Jungkook. Ich weiß nur, dass ich da keine Nerven für habe. Wenn du willst, dass es wieder so wird wie vor einem Jahr, dann musst du jetz-...“
„Dann muss ich was!?“, unterbricht Jungkook ihn aufgebracht.
Als Yoongi sieht, wie wütend der andere plötzlich wieder wirkt, weicht er sofort einen Schritt nach hinten aus und beißt sich auf die Unterlippe.
„SAG SCHON. WAS SOLL ICH JETZT, HM!?“, brüllt Jungkook und fixiert Yoongi mit einem wutgeladenen Blick, „Dir sagen, dass mich deine scheiß Nähe wahnsinnig macht und ich dann nicht mehr klar denken kann!? Oder soll ich dir erzählen, wie ich aus lauter Frust diesem Typen aus meinem Sportverein zugestimmt hab, bei deren Boxwettkämpfen mitzumachen? Und sie mittlerweile das einzige sind, wo ich mal nicht an dich denken muss!? Ich habe auch kein Bock ständig eine auf’s Maul zu kriegen, aber das ist nun mal das einzige, was mich verdammt nochmal genug ablenkt, damit ich eben NICHT jede beschissene Nacht von dir träume!“
Mit großen Augen starrt Yoongi sein Gegenüber an. Er überlegt, ob er das gerade richtig verstanden hat oder sich da seine Wunschvorstellung was zusammenreimt, was so nicht korrekt ist. Die Informationen kommen nur sehr langsam in seinem Gehirn an und die Verarbeitung jener Infos dauert mindestens nochmal genauso lang. Jungkooks Atem ist währenddessen unregelmäßiger geworden und Yoongi sieht, wie einzelne Tränen über die Wangen des Jüngeren laufen. Trotz allem schafft Yoongi es nicht, sich zu rühren, da er immer noch damit beschäftigt ist, zu verstehen, dass es sich hier um keinen Traum handelt, sondern um die Realität. Versteht er denn richtig, dass Jungkook auf ihn steht oder findet er ihn so schlimm, dass er deswegen verrückt wird?
Yoongi ist immer noch zu keiner Entscheidung gekommen. Jungkook dagegen scheint sich gefangen zu haben.
„Jetzt sag doch was!“, meint er verzweifelt und wischt sich die letzte Träne beiseite, “Ich werd’ noch verrückt…“
Also ist es jetzt Ersteres oder Zweiteres? Yoongi will nachfragen, weil er immer noch nicht weiß, was hier eigentlich gerade los ist. Doch als sich sein Mund einen Spalt weit öffnet und er etwas sagen will, kommt Jungkook mit schnellen Schritten auf ihn zu. Er gibt ihm keine weitere Sekunde, um darüber nachzudenken, und nimmt Yoongis Gesicht in seine Hände, ehe er, ohne zu zögern, seinen Mund auf den des Älteren presst.
Wie angewurzelt steht Yoongi da, weiß nicht, ob er den Kuss erwidern soll oder nicht. Die einzigen Dinge, die er gerade weiß sind, dass seine Hände dermaßen schwitzen, dass er Jungkook damit nicht berühren will und sein Herzschlag so gegen seinen Brustkorb hämmert, dass es beinahe wehtut. Warum ist er so verwirrt und nervös?
Als Yoongi eine Entscheidung fällen will, und sogar in Erwägung zieht, den Kuss zu erwidern, löst sich Jungkook von ihm, weicht aber keinen Zentimeter zurück, sondern bleibt direkt vor ihm stehen. Er lehnt vorsichtig seine Stirn an Yoongis und greift nach dessen Hand. Kurz überlegt Yoongi, ob er sie zurückziehen soll, doch als er ein leichtes Zittern wahrnimmt, belässt er es dabei.
Jungkook scheint mit der Situation so dermaßen überfordert zu sein, dass es ihn innerlich förmlich zerstört. Jetzt wird Yoongi so einiges klar. Diese übertriebenen Reaktionen, wenn sie sich nah gekommen sind oder als er versucht hat, Jungkooks Wunden zu verbinden. Das war nicht aus Ekel, sondern aus Überforderung.
„Also… ich…“ Yoongis Gehirn arbeitet immer noch nicht so richtig. Er dachte die ganze Zeit, dass Jungkook etwas gegen seine Homosexualität hat. Dass er etwas gegen IHN hat. Dass genau das Gegenteil der Fall zu sein scheint, ist zu viel für ihn.
„Schon gut. Du musst nichts sagen, ich versteh es auch so. Ich wünschte auch, dass es anders wäre…, dass ich es irgendwie abstellen könnte oder so. Ich… ich will nicht in dich verliebt sein“, fällt der Jüngere ihm ins Wort und im selben Moment lässt er nicht nur seine Hand los, er geht auch zwei Schritte zurück. Wieder schaut er gen Boden und Yoongi ist sich ziemlich sicher, dass er kurz davor ist neue Tränen zu vergießen.
Sag was, ermahnt er sich selbst, die Worte wollen einfach nicht so, wie er will. Er liebt Jungkook nicht, was soll er ihm denn sagen? Klar, er findet attraktiv, aber selbst das hat er sich in den letzten Tagen versucht auszureden.
„Jungkook…“, murmelt er überfordert, „ich… sorry, aber ich bin gerade ein wenig sprachlos. Überrumpelt. Ich… verdammt. Ich dachte die ganze Zeit, dass du mich verabscheust, oder dass du dich vor mir ekelst, weil ich schwul bin. Woher sollte ich denn wissen, dass du… seit wann hast du bitte diese Gefühle?“
Es ist nicht unbedingt als galant zu bezeichnen, wie Yoongi antwortet, aber zumindest hat er überhaupt etwas dazu sagen können. Jungkook seufzt schwer und sieht traurig zu Boden. Yoongis Herz schlägt daraufhin wieder schneller, denn der Anblick ist echt kaum auszuhalten.
„Jimin“, antwortet er leise und Yoongi überlegt, auf was es sich bezieht.
„Was hat Jimin damit zu tun?“
Jungkook seufzt und setzt sich zu ihm aufs Bett.
„Da habe ich es gemerkt. Also… so richtig. Ich mochte dich vorher schon, aber da war es mir nicht so bewusst. Als du ihn dann mit hierhergebracht hast und auf einmal keine Zeit mehr für mich hattest, da habe ich es gemerkt. Ich wollte dich für mich allein. Ich war eifersüchtig auf Jimin und darauf wie du ihn angesehen hast. Das… war echt heftig und danach habe ich versucht, mir das auszureden. Ich habe mir gesagt, dass das nur ‘ne Phase ist und irgendwann wieder vorbei geht.“
Yoongis Gedanken überschlagen sich, sodass er nichts weiter herausbekommt als diese eine lächerliche Frage.
„Warum hast du nicht schon vorher etwas gesagt?“
„Und was bitte? Dass du mich so berühren sollst, wie du Jimin berührt hast? Dass du ihn rauswerfen sollst und stattdessen mit mir Zeit verbringen sollst? Weißt du eigentlich, wie schwer das alles ist? Ich bin nicht schwul. Ich hatte Freundinnen, verdammt. Ich wollte mich nicht in dich verlieben, versteh das doch!“
Jungkook leidet und Yoongi versteht auch wieso. Er selbst hat damals ebenfalls damit zu kämpfen gehabt.
„Ich versteh das“, antwortet er daher leise, „Aber Jungkook? Eine Sache will ich dir trotzdem sagen.“
„W-was denn?“, hakt der Jüngere nach, während der andere nach den passenden Worten sucht.
Er will nicht, dass Jungkook denkt, er würde nicht das nötige Verständnis aufbringen oder als wolle er das alles herunterspielen. Aber das Thema kommt zu plötzlich und er hofft, dass er wenigstens annähernd das ausgesagt kriegt, was er will.
„Man kann sich nicht für oder gegen Gefühle entscheiden. Das passiert einfach. Und das ist auch okay. Man sollte nicht versuchen sich dagegen zu wehren, sondern es akzeptieren, verstehst du? Selbst wenn es für dich total befremdlich ist. Es ist kein Verbrechen, sich auch zum gleichen Geschlecht hingezogen zu fühlen.“
Jungkook sieht ihm einige Sekunden direkt in die Augen, bis er den Blick schwer seufzend wieder abwendet. Er macht einen völlig erschöpften Eindruck, aber das muss auch alles sehr zermürbend für ihn sein. Seit Wochen muss er sich damit erfolglos auseinandergesetzt haben und wenn er Yoongi doch nicht verabscheut, dann können auch ihre Streitereien nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sein. Wer weiß, wie viele Nächte er deswegen wach gelegen hat. Jetzt ist er an einem Punkt angekommen, an dem er nicht mehr kann.
Am liebsten würde Yoongi noch etwas hinzufügen, weil er auf Jungkooks Geständnis nicht eindeutig geantwortet hat, doch er weiß auch nicht, was genau er jetzt sagen soll, ohne ihn dabei zu verletzen. So kraftlos, wie der andere wirkt, scheint die bessere Idee die zu sein, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Wenn sie sich erstmal einige Stunden Raum lassen, um darüber nachzudenken, würden sie sich eventuell klarer sein und gemeinsam eine Lösung finden, ohne dass es in Chaos endet.
„TAEHYUNG?“, brüllt Jungkook plötzlich gegen die Tür, “BITTE! MACH DIE TÜR AUF!“
In seiner Stimme liegt keine Wut, nur Verzweiflung. Es versetzt Yoongi einen weiteren Stich, den jungen Sportler so am Ende zu sehen. Wie gerne würde er ihn in seine Arme schließen und sagen, dass alles wieder gut wird. Aber was, wenn er sich dadurch Hoffnungen macht? Yoongi ist sich unsicher, ob er sich etwas Ernsteres mit ihm vorstellen könnte. Man soll niemals nie sagen, aber jetzt gerade ist er einfach überfordert und kann nichts ordnen. Weder Gedanken noch Gefühle. Und Jungkook muss es noch viel schlimmer damit gehen.
„HABT IHR DENN SCHON GEREDET?“, schallt eine Stimme von draußen.
Das reicht. Yoongi kann es sich nicht länger mit ansehen, Jungkook so zu sehen. Mit kräftigen Schritten geht er auf die Zimmertür zu und schlägt einmal mit voller Wucht dagegen.
„Taehyung, es reicht. Ehrlich. Mach die beschissene Tür auf, sonst trete ich sie ein und DU darfst zusehen, wo wir eine neue herbekommen!“
Kurze Zeit herrscht Stille, dann ertönt das Klick-Geräusch und Yoongi kommt es vor, als wäre es immens laut. Es hallt noch einige Male in seinem Kopf nach, ehe er realisiert, dass Taehyung die Tür aufgeschlossen hat.
Ein kurzer Blick zu Jungkook verrät ihm, dass dieser mit der Situation immer noch sehr zu kämpfen hat. Yoongi weiß, dass er mehr hätte sagen sollen, dass er ihm hätte eine klarere Antwort geben müssen, aber er weiß einfach nicht was. Lügen möchte er ungern, denn das macht alles nur noch schlimmer. Also beschließt er, Jungkook etwas Raum für sich zu geben.
„Es tut mir leid, aber ich kann gerade nicht viel mehr dazu sagen…“, beginnt Yoongi, um nochmal das Gespräch über Jungkooks Gefühle aufzugreifen, und es tut ihm weh, dass er nichts anderes erwidern kann, „aber du bist eindeutig überfordert. Und ich bin es auch. Lass uns reden, wenn wir beide ein wenig Zeit für uns hatten… Mehr kann ich dazu gerade leider nicht sagen. Es tut mir wirklich leid…“
Mit diesen Worten schließt Yoongi die Tür hinter sich und kann schwören, dass er ein leises Schluchzen hören kann. Es tut verdammt weh, dass es Jungkook so geht. Diese Verzweiflung und Zerrissenheit im Inneren. Yoongi erinnert sich an den Tag, an dem ihm klar wurde, dass er auf Männer steht. Ein absolut denkwürdiger Tag, den er auf alle Fälle niemals vergessen wird. Es war wirklich schwer, seinen Frieden damit zu schließen, wenn man von allen Seiten dafür missachtet wurde, als sei man Abschaum.
Yoongi versteht Jungkook mehr, als dieser sich es vermutlich vorstellen kann.
„Und?“ Taehyung steht am Ende des Flurs mit verschränkten Armen und guckt ihn mit großen Augen an. Yoongi funkelt den Künstler böse an und geht schnurstracks auf ihn zu. Verwirrt sieht der Künstler ihn an und löst seine Haltung, nur um im nächsten Moment von Yoongi am Kragen gepackt und gegen die Wand gedrückt zu werden.
„VERDAMMT!“, brüllt er ihn an, „Weißt du eigentlich, was du gemacht hast?!“
„Euch geholfen?“
„GEHOLFEN?!“
Yoongi lacht spöttisch und schaut kurz zur Seite, ehe er Taehyung wieder loslässt. Er hat die Kraft eben schon nicht gefunden, um eine Diskussion erneut zu beginnen, und jetzt findet er sie auch nicht.
Also lässt er Taehyung einfach stehen und geht in sein Zimmer, um sich eine Jacke und Schuhe überzuziehen. Yoongi muss hier raus. Einfach raus und einen klaren Kopf bekommen, denn das ist er Jungkook schuldig, damit er ihm eine vernünftige Antwort geben kann, nachdem er eben einfach aus dem Zimmer gelaufen ist.
Und hoffentlich würde er die richtige Antwort finden, denkt er sich, als er die Wohnungstür hinter sich zufallen lässt.
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