𝟛𝟘. 𝕊𝕔𝕙𝕝𝕚𝕥𝕥𝕖𝕟𝕗𝕒𝕙𝕣𝕥

Mom und Dad vereinbarten ein Treffen mit den Turners. Vor allem Dad und Maike sträubten sich gegen dieses Treffen. Ich nahm es einfach hin. Ich traf den Idioten sowieso und lief ihm ständig über den Weg. Warum dann nicht gleich einen ganzen Tag mit ihm und seiner Familie verbringen?

Nach dem Mittagessen brachen wir auf.

»Ich liebe das Wandern ja so sehr«, sagte Maike grimmig.

Wir watschelten dem Rest hinterher, bis sie anfingen, zu streiten.

»Damals habt ihr die Pizza versalzen!«

»Nein, ihr habt sie damals versüßt!«

»Die Lasagne war damals doch versüßt.«

»Nein, die Lasagne wurde damals versalzen!«

»Damals, damals. Das ist schon Ewigkeiten her. Wir sollten uns auf den heutigen Tag konzentrieren.«

»Ja, heute hat jemand einen Schneeball durch das Küchenfenster geworfen. Die halbe Küche war nass, als er zur Hälfte geschmolzen war!«

»Verdammt«, murmelte ich. »Das war ich. Da hab ich mir einen kleinen Scherz erlaubt.« Ich bückte mich, um meinen Schnürsenkel zu binden. Maike blieb stehen.

»Michi, was machst du denn da?«, fragte sie.

»Ich binde meinen Schnürsenkel. Das sieht man doch.«

»Dein Schnürsenkel ist schon gebunden.«

»Weil ich jetzt fertig bin.«

»Dann komm wieder hoch.« Maike zog an meinem Arm, doch ich schnappte mir ihre Schnürsenkel und löste die Schleife.

»Hey, lass das!«

»Jetzt müssen wir leider warten, bis du deinen Schnürsenkel gebunden hast. Übrigens, jetzt sind sie so weit weg, dass wir sie nicht mehr hören und in Ruhe spazieren gehen können.«

»Braucht ihr ein wenig Gesellschaft?«, fragte Toni. Er hatte sich umgedreht und war zu uns gelaufen. »Ich ziehe eure Gesellschaft die der älteren Generation vor.«

»Meinetwegen«, grummelte ich.

Auf den Weg sprachen wir nur über Schule, während ich ab und zu Maike auf unserem Schlitten mitzog.

Als wir auf der Spitze des Hügels angelangt waren, stritten unsere Eltern immer noch, vor allem Dad und Bernd. Bei näherem Hinhören stellte sich heraus, dass Mom und Rachel darüber sprachen, einen gemeinsamen Garten anzulegen.

Wir störten unsere Eltern nicht, nahmen uns die Schlitten und fuhren den Abhang hinunter.

Das wiederholten wir mehrere Male, bis unsere Eltern aufhörten und auch rodelten.

Irgendwann fuhr jeder mal mit jedem eine Runde. Nun waren Toni und ich dran.

»Ich sitze vorne«, bestimmte Toni.

»Okay.«

Toni setzte sich, ich schob an und sprang dann auf den Schlitten. Was sollte ich mit meinen Händen anfangen? Ich musste sie um Tonis Taille legen, wenn ich nicht vom Schlitten rutschen wollte. Oder ich musste mich am Schlitten selbst festhalten.

Als unser Schlitten über eine unebene Stelle fuhr, ging ein Ruck durch uns und ich rutschte nach hinten. Blitzschnell schossen meine Arme nach vorne und schlangen sich um Tonis Hüfte.

»Da ist aber jemand gierig.« Toni schmunzelte. Dieser verdammte Idiot. Wenigstens bekam er den ganzen Schnee und Wind ab.

Ich lenkte uns, obwohl wir eigentlich eine freie Bahn hatten. Plötzlich lehnte sich Toni zurück und schubste mich so vom Schlitten. Da ich meine Arme immer noch fest um Toni umschlungen hatte, zog ich ihn mit mir. Wir rollten den restlichen Hügel nach unten. Dabei rieben unsere Körper aneinander und mir wurde ganz warm. Meine Wangen färbten sich rot.

Schließlich knallten wir gegen unseren Schlitten, der auf dem Weg nach unten umgekippt war. Schnell senkte ich meinen Kopf und stieß mein Gesicht in den Schnee, damit Toni nicht auffiel, dass ich rot geworden war.

»Das war mal eine Fahrt«, kommentierte Toni.

»Wir sind eher runtergerutscht, als runtergefahren«, erwiderte ich.

»Wie dem auch sei. Du ziehst den Schlitten wieder nach oben!«

Toni grinste mich an und rannte dann los.

Ich nahm das Seil, das an dem Schlitten befestigt war und hastete ihm hinterher, bis ich ihn einholte. Dann ließ ich die Schnur los und rannte davon.

»Du ziehst den Schlitten nach oben!«, rief ich.

Als es dunkler wurde, gingen wir nach Hause.

Rachel und Bernd bestanden darauf, dass Toni noch bei uns blieb, da wir uns ja so gut verstanden.

Maike und ich warfen uns einen Blick zu und stöhnten beide innerlich.

Wir aßen Abendessen, wobei Mom und Dad Toni ausfragten, was er nach der Schule machen wollte.

»Du willst also Grafikdesign studieren?«, hakte Dad nach, weshalb ich aufhorchte. Ich hatte mich in meinen Gedanken verloren.

»Genau.«

»Brauchst du dafür nicht so eine Mappe?«, wollte Mom wissen.

»Ja, an meiner Mappe arbeite ich gerade.«

»Spezialisierst du dich auf ein bestimmtes Thema?«, fragte Maike neugierig.

»Um ehrlich zu sein, ich hatte schon mehrere Ideen, aber ich habe mich schon mehrmals umentschieden. Somit habe ich quasi mehrere Mappen zu verschiedenen Themen angefangen«, antwortete Toni.

»Michi und ich würden gerne mal ein paar deiner Bilder sehen«, sagte Maike.

»Was?« Ich warf ihr einen verwunderten Blick zu.

»Siehst du, er hat Ja gesagt.«

»Ja, kommt einfach mal rüber und ich zeige euch ein paar Sachen«, meinte Toni und wurde rot.

»Ach Anton, du musst dich doch nicht schämen. Du kannst stolz sein auf das, was du geschafft und kreiert hast.« Mom hatte bemerkt, dass Toni das Blut in die Wangen geschossen war und tätschelte seine Schulter.

Toni brachte ein gezwungenes Lächeln zustande.

Nach dem Abendessen stahlen wir uns davon.

»Ich habe das Gefühl, dass wir nur dank unser lieben Eltern so viel Zeit zu dritt verbringen«, meinte ich. Wir hatten uns in meinem Zimmer eingenistet. »Sag mal, Toni, stalkst du Maike und mich eigentlich abends?«

»Warum? Habt ihr etwas zu verbergen?«

»Weil du mir zufälligerweise ein Märchenbuch geschenkt hast.«

»Natürlich stalke ich euch. Ich habe übrigens gesehen, dass du dich auch vor der Spinne erschreckt hast. Nicht nur July schreit herum, wenn sie Spinnen sieht. Du machst das auch!«

Ich erinnerte mich an unser Gespräch, dass wir mal geführt hatten.

»Hast du die Spinne nur reingemalt, um zu schauen, ob ich mich erschrecke?«, fragte ich.

»Möglicherweise.«Toni presste die Lippen aufeinander, um sein Grinsen zu unterdrücken.

»Ich habe mich erschreckt, ja. Das heißt aber nicht, dass ich Angst vor Spinnen habe.«

»Das ist doch gerade egal, oder? Ich hole mir Kakao und ihr beendet in der Zeit eure Diskussion. Toni, willst du was trinken?«

»Ja, Tee bitte.«

Maike beeilte sich, uns Getränke zuzubereiten, und setzte sich danach neben Toni.

»Was wollen wir machen?«, fragte ich. »Wir könnten Karten spielen oder -«

»Ihr lest um diese Zeit oft Märchen, oder nicht?«

»Ja.«

»Dann solltet ihr das auch jetzt tun.«

»Nicht in deiner Anwesenheit«, sagte ich.

»Ich kann euch ein Märchen erzählen«, schlug Toni vor.

Ich warf Maike einen fragenden Blick zu, die zuckte nur mit den Schultern.

»Na gut, dann leg los.«

»Es waren einmal zwei männliche Drachen. Beide wollten ihre große Liebe finden. Jedes Mal, wenn eine Drachin vorbeiflog, schauten sie ihr hinterher und seufzten. Sie hatten wieder eine Chance verpasst. Gemeinsam gingen sie auf die Suche und verbrachten viel Zeit miteinander. Sie begegneten einer Hexe. Sie fragte, ob sie nicht erkennen würden, was offensichtlich wäre. Die beiden Drachen schauten sich an. Was meinte die Hexe? Sie seufzte und sagte dann, dass die beiden ineinander verliebt wären. Sie konnten es erst nicht glauben, doch je länger sie darüber nachdachten, desto schlüssiger wurde die Aussage. Sie mochten sich sehr. Das einzige Problem, das bestand, war, dass sie beide Drachen waren. Die Hexe bot ihnen einen Verwandlungstrank an, den einer der beiden annahm. Binnen kürzester Zeit verwandelte er sich in eine Drachin und sie konnten zusammen sein. Doch die Drachin fühlte sich nicht wohl. Sie war nicht sie selbst. Also bat sie um einen Rückverwandlungstrank und wurde wieder zum Drachen. Die Liebe zwischen den beiden war noch nicht verraucht, also beschlossen sie, als zwei Drachen zu heiraten. So fanden sie ein glückliches Ende.«

»Das ist ein schönes Märchen. Woher kennst du es?«, fragte Maike.

»Hat mir irgendjemand erzählt, als ich klein war. Entweder mein Opa oder Dad, vielleicht war es auch meine Mom.«

»Regt zum Nachdenken an«, meinte ich.

»Ich finde es auch gut«, sagte Toni. Wenig später verließ er mein Zimmer und unser Haus.

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