𝟛𝟞. 𝕄𝕚𝕤𝕤𝕚𝕠𝕟 - 𝟚. 𝕍𝕖𝕣𝕤𝕦𝕔𝕙

Am Mittwoch Abend nach der Arbeit begleiteten Michi und July mich nach Hause. Wir wollten einen Spieleabend zu dritt machen, da wir einfach zu wenig Zeit miteinander verbrachten.

Als wir ankamen, entdeckte ich Tara und Dad. Sie liefen händchenhaltend unsere Straße entlang. Ich stieg von meinem Moped und schlich mich zu ihnen.

»Auf der Arbeit ist einfach schrecklich viel los«, meinte Tara. »Mein Chef hat mich schon wieder gebeten, eine Nachtschicht zu machen. Ich hasse meinen Chef.«

»Ich mag ihn auch nicht besonders, wenn er dich so viel arbeiten lässt. Du brauchst auch mal Freizeit.«

Ich drehte ab. Sie sprachen nur über ihr langweiliges Berufsleben.

»Wir haben dein Moped in die Garage geschoben«, sagte Michi.

»Sind das dort vorne deine Eltern?«, fragte July.

»Ja. Ich habe sie belauscht.«

»Und was hast du herausbekommen?«, wollte Michi wissen.

»Sie haben nur über die Arbeit gesprochen.« Wir gingen rein. »Dass Tara immer so oft arbeiten muss, dass sie ihren Chef hasst und so weiter.«

»Gut, dass meine Eltern darüber nicht meckern. Sie sind bestimmt die glücklichsten Menschen mit ihrem Job«, meinte Michi.

»Jack regt sich eher über die Schüler als über seine Kollegen auf«, meinte July.

Wir setzten uns in die Küche.

»Was haltet ihr davon, wenn wir nachher eine Gemüsepizza bestellen?«

»Oh ja, gerne«, rief July.

»Ja, klar«, meinte Michi abwesend.

»Hey, Michi, was ist denn mit dir?«, fragte ich und stieß mit meiner Schulter gegen seinen Arm. »Vermisst du Toni schon?«

»Nein, ich muss nur kurz nachdenken. Kannst du noch mal sagen, was du von den beiden gehört hast?«

Ich nickte und gab das Gespräch wider.

»Kann es vielleicht sein, dass Tara mit ihrem Boss schläft?« Michi blickte mich plötzlich direkt an.

»Ähm -«

»Sie sagt doch immer, dass sie länger arbeiten muss und ihr Chef will, dass sie kommt. Und wenn sie sich wirklich bei der Arbeit treffen, fällt das nicht mal so sehr auf.«

»Du bist ein Genie, Michi. Das könnte wirklich sein.«

»Ich habe eine Idee, wie wir herausfinden, wo Tara hingeht, auch wenn wir sie aus den Augen verlieren.« July holte ihr Handy aus der Tasche. »Levi, opferst du dein Handy?«, fragte sie.

»Natürlich.«

Erwartungsvoll streckte sie ihre Hand aus und ich drückte ihr mein Handy in die Hand.

»Du schickst mir deinen Live-Standort und schaltest dein Internet an«, murmelte sie. »Und so können wir auf meinem Handy verfolgen, wo Tara hingeht und ihr anschließend nachgehen, wenn sie nicht bemerkt, dass wir da sind.«

»Und wie kriegt Tara mein Handy?«, wollte ich wissen.

»Darum kümmere ich mich«, versprach July.

Wir warteten darauf, dass Dad und Tara nach Hause kamen und lauschten, wie Tara im Bad verschwand, um sich fertig zu machen. Dad verkrümelte sich vor den Fernseher. Als Tara nach einiger Zeit wieder nach unten ging, quatschte July sie an und ließ dabei unauffällig mein Handy in Taras Handtasche gleiten.

»Erledigt«, meinte sie, als sie sich wieder zu uns setzte und ließ uns einklatschen. Wir beobachteten über Julys Handy, wohin Tara ging. Sie nahm den Bus und fuhr in die Stadt. Wenig später saßen wir auf den Mopeds und fuhren ebenfalls in die Stadt. Dort hielten wir an und July checkte den Standort.

»Dort arbeitet Tara«, sagte ich. »Leute, was ist, wenn sie Dad gar nicht betrügt? Wenn sie wirklich nur arbeitet?«

»Das glaubst du doch selbst nicht«, meinte Michi. »Keine Sorge, wir beweisen dir, dass wir im Recht sind und nicht deine Eltern.« Michi legte seine Hand auf meine Schulter.

»Danke.« Ich brachte ein unsicheres Lächeln zustande.

Wir fuhren weiter, bis wir vor dem Gebäude ankamen.

»Der Punkt bewegt sich«, sagte July. »Ich glaube, sie näherst sich dem Ausgang.«

Wenig später wurde die Glastür aufgemacht und eine Frau, die ich als Tara identifizierte und ein Mann, den ich schon einmal gesehen hatte, traten hinaus. Ich hatte Dad und Tara auf eine Weihnachtsfeier von ihrer Arbeit begleitet und sie hatte uns diesen Mann als ihren Chef vorgestellt.

»Was die beiden wohl machen«, überlegte July.

»Warten wir ab und folgen ihnen später«, beschloss Michi.

Wir kuschelten uns aneinander, um in der Kälte nicht zu sehr zu frieren und starrten den blauen Punkt an, der sich stetig fortbewegte, bis er in einem Haus stoppte.

»Hinterher«, kommandierte July und setzte sich wieder auf Michis Moped.

Als wir ankamen, schauten wir uns die Klingel genauer an.

»Andreas Görtler. Das ist wirklich ihr Chef«, meinte ich. »Dort oben ist das Licht an.« Ich zeigte auf die obere Etage.

»Hm, wie kommen wir jetzt da hoch? Ich wollte Beweisfotos machen.« July winkte mit ihrem Handy.

»Ich klettere da hoch«, sagte Michi voller Überzeugung.

»Nein, ich sollte gehen. Immerhin geht es um meinen Dad.«

»Nicht ohne mich«, meinte July.

»Wir werden alle gehen«, sagte Michi und marschierte los. »Irgendwo muss es ja etwas geben.«

Wir umrundeten das Haus und fanden im Garten eine Leiter, die wir benutzten. Nacheinander stiegen wir hinauf und zu dritt hockten wir auf der äußeren Fensterbank.

»Sie haben die Gardine zugezogen«, murmelte ich.

»Hier ist ein Spalt«, informierte Michi mich. »Und – uähh, die treiben es wirklich.«

»Lass mich durch. Ich muss die Beweisfotos schießen.«

Allein vom Gedanken, Tara mit irgendwem zu sehen, wurde mir schlecht, doch auch ich schaute durch den Spalt und zuckte angeekelt wieder zurück.

»Lasst uns gehen«, flüsterte July.

»Ja.«

Betrübt fuhren wir nach Hause.

»Ich muss mit Dad sprechen. Alleine.«

»Okay, wir gehen in dein Zimmer und wenn du uns brauchst, dann rufe uns«, sagte Michi.

»Wollt ihr nicht gehen? Nach Hause?«

»Wir lassen dich heute Nacht nicht alleine.« July gab mir eine flüchtige Umarmung und Michi schloss sich an.

»Wir dürfen doch hier übernachten, oder?«

»Na sicher.«

»Dein Dad verdient jemand Besseren als Tara«, flüsterte July.

»Ja, das denke ich auch«, murmelte ich und ging zum Wohnzimmer.

Wünsch mir Glück, Mom. Dad wird endlich die Wahrheit erfahren. Einen kurzen Moment dachte ich an die alten Zeiten mit Mom und vermisste sie plötzlich unglaublich.

»Dad, wir müssen reden«, sagte ich, als ich das Wohnzimmer betrat.

»Was gibt es?«

»Das wird dir nicht gefallen.«

»Ja?«

Ich setzte mich auf das Sofaende und schoss einfach los. Wenn ich die Wahrheit herauszögern würde, würde es das nicht besser machen.

»Tara betrügt dich mit ihrem Chef.«

»Was?«

»Ich weiß, du wolltest mir nicht glauben, aber mir hat das Ganze keine Ruhe gelassen. Ich wollte Tara vertrauen, aber mehr noch wollte ich die Wahrheit kennen, statt sie mir zurechtzubiegen. Michi und July haben mir geholfen.«

»Wir habt ihr das denn angestellt?«

Ich erzählte Dad die ganze Geschichte.

»Aber ich liebe Tara und möchte ihr einen Heiratsantrag machen.«

»Tu das nicht. Vertraust du deinem Sohn gar nicht mehr?«

»Wenn du verliebt bist, ist dir niemand wichtiger als die geliebte Person. Du wirst es verstehen, wenn du selbst einmal verliebt bist.«

»Aber July hat Beweisfotos gemacht!«, warf ich ein.

»Was?«

»Ja, willst du die sehen?«

»Ihr stalkt fremde Menschen?«

»Ist Tara eine Fremde?«

»Was ist mit mir?«, fragte eine Stimme. Tara war nach Hause gekommen.

Ich wollte gerade beginnen, als Dad dazwischenfuhr. »Nichts, Liebling. Was hast du bei der Arbeit gemacht?«

»Ach, nicht so viel. Nur ein bisschen Kleinkram. Es war fast schon unnötig, dass der Chef mich noch mal angefordert hat. Aber ich bin wohl seine am meisten arbeitende Angestellte.«

Bei ihm persönlich.

»Da wir ja alle hier sind, kann ich direkt etwas ansprechen. Was haltet ihr beiden davon, wenn wir das Büro von Levis Mutter ausräumen und ein Büro für mich einrichten? Ich würde mich auch um alles kümmern.« Tara grinste. Es war ein falsches Grinsen. Ich sprang auf.

»Auf keinen Fall! Das lasse ich nicht zu!«

»Wir haben doch noch ein anderes freies Zimmer. Das kannst du nutzen«, beschwichtigte Dad uns.

»Mich stört das Büro aber. Es ist so unordentlich«, meckerte Tara.

»Genau das macht es doch aus. Die Unordnung hat Mom so hinterlassen. Sie hätte nicht gewollt, dass wir bei ihr aufräumen«, verteidigte ich meine Mutter.

»Aber das ganze Zeug braucht doch niemand«, warf Tara ein.

»Na gut, dann werde ich alles wegräumen«, fauchte ich.

»Auf keinen Fall!«, schrie Tara.

»Warum nicht?«

»Weil – weil -« Tara begann, herumzustottern.

»Deswegen!«, rief July plötzlich. Sie hielt einen Stapel Papiere in der Hand.

Tara schreckte auf und rannte dann auf July zu.

»Gib die her!«, schrie sie. »Gib mir diese Zettel!«

»Niemals!« Michi stellte sich vor July und auch ich hastete zu ihr, um sie hinter mich zu schieben.

»Tara, was ist hier los?«, fragte Dad nun.

»Nichts, es ist alles in bester Ordnung!«, rief Tara.

»Warum schauen wir uns die Papiere dann nicht in Ruhe an?«, schlug Dad vor.

Tara hoffte immer noch auf Dads Vertrauen und hörte ihm deshalb zu. Ich nutzte den Moment der Unaufmerksamkeit und hielt sie fest. Michi krallte seine Finger ebenfalls in ihre Arme. Gemeinsam drückten wir sie gegen die Wand.

»Was steht auf den Papieren, Ljette?«, fragte ich.

»Das sind alte E-Mails zwischen deiner Mom und Tara. Sie waren früher befreundet und haben immer hin- und hergeschrieben. Irgendwann betrank Tara sich ständig und ging nicht mehr zur Arbeit. Sie stürzte ab und erzählte das alles deiner Mom. Außerdem schlug Tara vor, die Rollen zu tauschen. Die Leben. Tara wollte mit deinem Dad verheiratet sein und deine Mom sollte für Tara zur Arbeit gehen. Deine Mom hat Tara erzählt, dass ihr reich seid und dass ihr ein Kind habt. Irgendwann durchschaute deine Mom, dass Tara nur auf das Geld aus war und brach den Kontakt ab. Sie hat sich Notizen daneben gemacht. Darunter steht, dass Tara eine fiese und geldgierige Schlange ist.« July funkelte Tara angriffslustig an.

»Wir schließen daraus«, machte Michi weiter, »dass Tara sich bei deinem Dad eingeschleimt hat, mit ihm zusammengekommen ist, sein Geld nutzt und nun ihr Leben vergnüglich lebt, ohne irgendwelche Sorgen zu haben.«

»Du glaubst doch wohl nicht ein paar Trottelkindern und einer Verstorbenen mehr als mir, deiner baldigen Frau?« Tara machte einen filmreifen Augenaufschlag.

»Wir werden niemals heiraten. Ich vertraue meinem Sohn und vor allem meiner wahren Liebe, meiner richtigen Frau«, keifte Dad.

»Du gibst mich also auf?«

»Ich glaube, was die drei sagen, stimmt«, sagte Dad mit bedrohlich ruhiger Stimme.

»Wenigstens hatte ich Spaß. Ich hatte Geld, das ich ausgeben konnte und Sex. Ich habe wirklich mit meinem Chef geschlafen. Und soll ich dir etwas sagen? Er ist tausendmal besser im Bett als du!«, kreischte Tara.

»Dann heirate ihn«, meinte ich.

»Pack deine Sachen und verlass mein Haus. Und lass dich nie wieder blicken!« Könnten Blicke töten, wäre Tara jetzt tot umgefallen. Sie rauschte aus dem Wohnzimmer und griff nach all ihren Sachen. Wir warteten, bis sie das Haus verlassen hatte und setzten uns dann ins Wohnzimmer.

»Ich kann es nicht fassen. Wie konnte ich dir nicht glauben, mein Sohn?«

»Es ist alles gut, Dad.«

»Es tut mir so leid.«

»Wirklich. Alles gut.« Ich streichelte Dad sanft über seinen Arm. Dann wandte ich mich an meinen besten Freund. »Wir habt ihr beiden das denn herausgefunden?«

»Als ich vorhin dein Handy in Taras Tasche getan habe«, July fuchtelte mit meinem Handy in der Luft herum, »ist ein Zettel herausgefallen. Emilia Andree, zweite Schublade, rechts. So hieß deine Mutter, Levi. Ich habe mir erst nichts dabei gedacht, doch als ihr dann geredet habt und als Tara dann noch dazugekommen ist, habe ich einfach geraten. Michi hat im Schlafzimmer nachgeschaut und ich in dem alten Büro. Als ich dann Taras Namen bei diesen E-Mails entdeckt habe, haben Michi und ich uns die durchgelesen und so die ganze Wahrheit erfahren.«

»Es tut uns leid, dass wir ein bisschen herumgeschnüffelt haben«, sagte Michi sofort.

»Unter diesen Umständen war es bitter nötig. Normalerweise wäre ich am Boden zerstört, doch jetzt bin ich nur noch wütend auf Tara und froh, dass ihr herumspioniert habt. Ich wusste einfach, dass ich Emilia mehr vertraue als Tara. Und mit einem Mal wusste ich auch, dass ihr die Wahrheit sagt.«

»Ach Dad.« Ich fiel ihm um den Hals.

»Aus meinem kleinen Kind ist ein erwachsener Mann geworden, der auf mich aufpasst.« Dad lachte.

Ich wandte mich an July. »Wie bist du an mein Handy gekommen?«

»Ich habe es einfach wieder aus der Tasche genommen.«

»Was ist jetzt eigentlich mit einer großen, fetten Gemüsepizza? Wer ist dabei?«, fragte Michi und alle Hände gingen hoch.

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