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Betrübt ließ Jungkook das heiße Wasser schon seit einiger Zeit auf seinen Körper nieder prasseln.
Er hatte in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugetan. Immer zu musste er an Leid und Elend denken. Immer wieder richteten sich seine Gedanken an die Menschen, die in den Zügen durch die Reihen liefen, ihre Geschichte in kurzen Sätzen erklärten, dass sie nun auf der Straße lebten und zum Schluss um etwas Geld bettelten.
Auch die Menschen, die den ganzen lieben Tag mit Zeitungen durch die Gegen liefen, taten ihm leid. Was musste ihnen passiert sein, dass sie nichts hatten. Sie hatten keinen Ort, den sie wie andere als ein Zuhause betiteln konnten. Sie konnten sich nicht den ganzen lieben Tag lang, an dem sie in den kalten, herbstlichen Temperaturen draußen standen, darüber freuen, später in ein warmes, gemütliches Bett zu krabbeln und der Kälte, die sie den Tag über erschöpft hatte, zu entfliehen.
Nein, all das war nicht möglich.
Diese Menschen hatten streng genommen nichts. Ihnen fehlte die Grundlage für alles. Die grundlegenden Bedürfnisse waren nicht ansatzweise gestillt und so konnte er sich gar nicht vorstellen, wie schlecht es den Menschen mental gehen müsste.
Sie hofften bei jedem, dass sie vielleicht etwas Kleingeld bekommen würden und zerbrachen sich den Kopf darüber, wann sie eine Mahlzeit bekommen könnten.
Dem entgegen standen die reichen Menschen, die sich vermutlich nur darüber Gedanken machten, welches kulinarische Festmahl sie heute probieren wollten.
Die Menschheit lebt schon lange in einem Ungleichgewicht, in welchem die Reichen immer mehr an Geld bekamen und die Armen immer mehr verloren.
Und Jungkook selbst war etwas dazwischen.
Er war nicht reich. Nein, überhaupt nicht. Er musste selbst rechnen und zählen, jeden Cent zweimal umdrehen und die Mahlzeiten genau planen. Schließlich war er Student und als ein solcher hatte er kaum die Chance, sich gut über Wasser zu halten. Doch am Ende des Monats kam er über die Runden. Essen konnte er in der Cafeteria, wo das Essen zwar kein Sternemenu war, aber ausreichte und für die paar Euro mengenmäßig sehr viel war. Meist konnte er sich auch noch etwas in eine Tupperdose abfüllen, sodass das Mittag auch sein Abendessen werden konnte.
Jimin, der kleine pinke Flummi, kümmerte sich zusätzlich liebevoll um den Rothaarigen. Jungkook gehörte praktisch zur Familie, und sobald es ihm schlecht ging, boten die Parks ihm immer Unterstützung an. Schließlich hatte er außer ihnen niemanden mehr. Er war auf sich allein gestellt und so gesehen meisterte er sein Leben mit Bravour. Zumindest sah er selbst es so.
Seine Noten stimmten, er hatte eine Wohnung, konnte studieren und hatte einen besten Freund, der für ihn schon fast ein Bruder war und dessen Familie ihn vermutlich am liebsten adoptieren würden, wenn der 23-Jährige nicht schon längst volljährig wäre.
Der schlagartige Wasserdruckabfall machte den jungen Mann letztendlich darauf aufmerksam, dass er eventuelle seine Dusche beenden sollte, wenn er nicht die Heizkostenrechnung sprengen wollte, was letztendlich dazu führte, dass der Student kurzerhand das Wasser ganz abstellte und triefend nass in das mit Dampf beschlagene, kleine Badezimmer trat. Der Spiegel gegenüber der Dusche konnte seiner Funktion schon gar nicht mehr gerecht werden und war nur noch in der Lage, eine milchige Oberfläche zu präsentieren, wo man mit Mühe die Figur eines rothaarigen, zu groß geratenen Pumuckl sehen konnte.
Seufzend, als ihm wieder mal die Wassertropfen, die von der hohen Luftfeuchtigkeit an den Fliesen saßen, auffielen, schnappte er sich seinen ebenfalls blutroten Frottee-Bademantel, den er sich um die schmale Taille band und daraufhin das Fenster öffnete.
Fast sofort viel die kalte Herbstluft ihm entgegen, wodurch ihm kurz die Luft wegblieb, bevor er sich seine nun feuchten Anziehsachen schnappte und die Flucht aus dem Badezimmer antrat. Die Tür, die er dabei so schnell wie möglich hinter sich zuschmiss, wackelte gefährlich und ließ dem 23-Jährigen das Herz in die Hose rutschen.
Eine kaputte Badezimmertür war nicht das, was er sich im Moment leisten konnte. Denn dem zur Folge konnte er nicht mehr wirklich lüften, was auf lange Sicht zu Schimmel führte und dann würden es vermutlich Kosten regnen, die dem Studenten das Genick brechen würden.
Doch zu seiner Erleichterung blieb die Tür, wo sie war, machte dabei den Job vom Schließen ausgezeichnet, sodass er seinen Weg ins gegenüberliegende Schlafzimmer fortsetzen konnte.
Die eigentlich geplante Kleidung, die durch den Wasserdampf feucht wurde, hing der Rothaarige über eine provisorisch aufgespannte Plastikleine zum Trockenen auf. Noch mal würde er sie deswegen nämlich nicht waschen.
Zufrieden, dass die Leine alles aushielt, schlurfte er anschließend rüber zum Kleiderschrank, aus welchem er einen schwarzen Pullover, eine zerrissene Jeans sowie Socken und Unterhose zog. In Gedanken bei der Farbwahl hörte er Jimin schon wieder meckern, dass er ja aussah, als wenn er auf eine Beerdigung wolle und sich bei einer solchen Stimmungslage eventuell selbst therapieren sollte.
Kopfschüttelnd, da ihm wieder mal bewusstwurde, wie sehr sein bester Freund doch schon in seinen Gedanken vorkam, beendete er nach einigen kritischen Blicken in den Spiegel sein Anziehen, sodass er sich endlich der ersten Mahlzeit des heutigen Tages widmen konnte.
Dafür zog er aus dem Gefrierfach eine Scheibe Toast, welches er dort immer lagerte, sodass es nicht zu schnell schimmelte und schob es anschließend in den uralten Toaster, der ihm manchmal nicht ganz geheuer war.
Als Getränk musste ein Instand-Kaffee herhalten, der zwar echt schlecht schmeckte, doch seinen Job tat. Denn er konnte sich definitiv etwas Besseres vorstellen, als vor dem Professor einzuschlafen. Diese Demütigung, wenn er sie denn verhindern konnte, sollte ihm dann doch erspart bleiben.
Gerade als Jungkook konzentriert damit beschäftigt war, das nicht schmeckende Pulver des Kaffees aufzugießen, riss ein schriller, ja fast schon blecherner Ton ihn aus der Ruhe, wodurch der Behälter gefährlich ins Wanken geriet und anschließend mit Schwung den Inhalt auf der Arbeitsplatte, wie auch dem Boden der kleinen Einbauküche verteilte.
„Vielen Dank, Jimin." – mit den Zähnen knirschend stand der Rothaarige bedröppelt in seiner Küche.
Das Klingeln, was nur Jimin ausgelöst haben konnte, ertönte abermals, doch motivierte es den jungen Mann nicht im Geringsten die Tür zu öffnen. Nein, viel mehr war ihm gerade danach gar nicht mehr das Haus zu verlassen, denn mit ziemlicher Sicherheit würde heute alles schiefgehen, was auch immer er versuchen würde.
Als das Klingeln nach dem siebten Mal noch immer nicht abgeebbt war, verdrehte der Student genervt die Augen. Genau deswegen hatte er die Klingel versteckt und zum Teil zugemauert, da sie sich erstens schrecklich anhörte und zweitens Mitbewohner des Wohnblocks gerne Klingelstreiche machten. Dass sein bester Freund klein genügende Hände hatte, um in den Spalt zu greifen, hatte der Jüngere nicht bedacht und somit gab es genau eine einzige Person in diesem Universum, die ihn mit seiner albtraumhaften Klingel terrorisieren konnte.
„KOOKIE, ICH SEHE, DASS DU DA BIST!" – das darauffolgende Hämmern ließ die Füße des Studenten sich endlich in Bewegung setzte, sodass er der nicht gerade dicken Tür immer näherkam.
Gerade in dem Moment, wo der Pinkhaarige erneut zum Klopfen ausholte und ansetzte, öffnete der durch das fehlende Koffein noch viel zu müde Jungkook die Tür. Im nächsten Moment konnte sich dieser ein schmerzhaftes Aufzischen nicht mehr verkneifen.
„Omo Kookie." – das erschrockene Japsend des Älteren ließ den gerade Geschlagenen nur leicht mit den Mundwinkeln zucken. Immerhin hatte der Kleinere nun Schuldgefühle und würde es mit Keksen wieder gut machen. Auch wenn Jimin ihn gerade nicht so stark getroffen hatte, dass er noch lange böse sein würde.
„Ich wollte klopfen und dich nicht schlagen. Das musst du mir glauben." – mit einem besorgten Ausdruck drückte der Pinkhaarige seinen besten Freund in die Wohnung, schlug mit dem Fuß die Tür zu, bevor er mit vor Sorge verzogenem Gesicht den Größeren begutachtete. – „Die Nase ist noch gerade, also so schlimm kann es nicht gewesen sein."
Schnaubend, als Jimin sich etwas entspannte, schüttelte der Rothaarige den Kopf. – „Du machst es echt davon abhängig, wie es mir geht, ob meine Nase gebrochen oder ganz ist?"
„Naja, eine Nasen-OP ist teuer, zumindest, wenn wir es für Schönheitszwecke machen und da mache ich mir natürlich Sorgen. Ich mein, du könntest mich verklagen und ich will auch nicht schuld sein, wenn du eine hässliche Nase hast. Am Ende stirbst du mir noch allein, weil dich keiner mehr Daten will." – mit verschränkten Armen und aufgeplusterten Wangen machte der Kleinere seinem Standpunkt klar, bevor er etwas angewidert seine eigene Nase verzog. – „Aber apropos Nase. Was hast du gekocht? Es riecht nicht mehr so, als wenn man das essen sollte."
„Ich habe nichts gekocht, aber danke für dein Vertrauen." – gespielt genervt verdrehte der Größere die Augen, zuerst nicht verstehend, was sein bester Freund denn jetzt schon wieder zu jammern hatte, bis selbst ihm der angekokelte, ja fast schon verbrannte Geruch in der Luft auffiel. Für einen Moment war der Student verwirrt. Sein Kaffee schmeckte zwar scheiße, aber war er sich sicher, dass er noch nie angebrannt gerochen hatte.
„MEIN TOAST!"
Panisch in die Küche rennend, stieß sich der Rothaarige an einem herumstehenden Beistelltisch, was im Moment aber irrelevanter nicht hätte sein können, und sah anschließend kurz darauf die dunklen Rauchschwaden aus dem kleinen, sehr demoliert wirkenden Gerät kommen.
„Zieh den Stecker!" – Jimin, der ihm hinter gerannt war, wobei es sich nur um wenige Schritte bis zur Küche handelten, stieß in den breiten Rücken seines Vordermanns, der zum Glück aller Beteiligte auch direkt den Stecker rausriss und den Toaster an dem Kabel baumelnd in die Luft hielt.
Durch das hin- und herschwanken kam ihnen neben den verkohlten Toast ein kleiner Schwall an heißem Wasser mit Instand-Kaffeepulver entgegen, was anschließend den Boden einsaute.
Frustriert und enttäuscht seufzend schüttelte Jungkook den Kopf, bevor er das immer noch dampfende Gerät ins Waschbecken stellte, wo es verhältnismäßig wenig Schaden anrichten konnte. Die anschließende Stille wurde zum Glück recht schnell vom Pinkhaarigen unterbrochen, mit einer Frage, die definitiv nur von ihm hätte kommen können.
„Heißt das jetzt, dass du nicht in die Uni gehst?" – mit einem viel zu hoffnungsvollen Blick beobachtete der Ältere seinen besten Freund, der daraufhin leise zu lachen begann und zu Jimins Erleichterung bestätigend nickte.
.....(°^°).....
Tut mir leid, ich war im vergangenen Kapitel bei Shuffle vielleicht etwas zu gemein.
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