Kapitel 91
Der Tag kam, an dem ihr Koffer gepackt und Zephyria in ihrem Käfig saß, den Kopf unter dem Flügel, als ginge sie das alles nichts an. Im Zug spielte sie mit den Zwillingen und Lee Zauberschnippschnapp. Oder, wie alle auf Hogwarts es nannten Snape explodiert, was ihr angesichts der kürzlichen Ereignisse eine seltsame Genugtuung gab.
Sie konnte Professor Snape einfach nicht verstehen. Verstand nicht, warum er so abweisend und gerade Professor Lupin und Sirius Black gegenüber so hasserfüllt war. Er konnte Menschen an sich irgendwie nicht leiden, insbesondere die Schülerinnen und Schüler schienen ihn unendlich zu nerven.
Warum er dann trotzdem als Professor auf Hogwarts angefangen hatte, war für sie vollkommen unverständlich. Aber du bist sehr froh darüber. Sie biss sich verlegen auf die Unterlippe und sah aus dem Fenster. Das stimmte. Sie mochte Professor Snape – trotz all dem, was gegen ihn sprach. Es war ihr wichtig, was er dachte und vor allem, wie er über sie dachte...
Seufzend schüttelte sie die Gedanken ab. Vermutlich war es nur so, weil er, wie Mister Malfoy, ein Jugenfreund ihres Vaters war.
„Was ist los, Silver?", fragte George und zuckte zusammen, als ein kleiner Knall die Karte in seiner Hand explodieren ließ. Alle lachten. „Ja, so traurig, die nächsten Wochen keine Schule mehr zu haben?", neckte Lee sie und sie streckte ihm die Zungenspitze raus.
Fred grinste. „Quatsch, sie ist nur traurig, uns so lange nicht zu sehen." Avessa rollte mit den Augen und erhob sich. „Na, dann übe ich schon mal ein wenig, ohne euch zu sein", feixte sie und zog die Abteiltür auf.
Auf dem Gang sah sie nach links und rechts und ging dann in Richtung Zugtür. Sie brauchte ein wenig frische Luft. Als sie draußen stand, wirbelten die weißblonden Haarsträhnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, um ihr Gesicht und sie schloss die Augen.
Die Zwillinge hatten recht. Sie würde sie vermissen. Ihre Lockerheit, ihre Wärme, ihr Lachen... Georges braune Augen tauchten vor ihrem inneren Auge auf und sie öffnete schnell die Lider. Erschrocken keuchte sie auf, denn direkt vor ihrer Nase flatterte eine winzige kleine Eule mit zwei – für ihre ‚Größe' – gewaltigen Briefen. Einen trug sie in den winzigen Krallen, den anderen im Schnabel und es musste schon echt mit Magie zugehen, dass sie nicht vom Fahrtwind einfach davongetrieben wurde.
Die Eule krächzte erschöpft und sie nahm ihr schnell den Brief aus den Krallen, woraufhin der winzige Federball sich auf ihrer Schulter niederließ und wenn auch durch den Brief im Schnabel gedämpft, doch zufrieden schuhute.
Avessa lächelte und sah auf den Brief. Wer würde ihr schreiben? Und das jetzt? Neugierig öffnete sie ihn.
„Liebe Avessa,
als erstes möchte ich dich bitten, die Eule daran zu erinnern, dass sie noch einen zweiten Brief auszuliefern hat. Nur für den Fall, dass du gerade nicht bei Harry bist und die Eule noch bei dir. Ich weiß nicht, wie zuverlässig sie ist."
Avessa blinzelte irritiert und ihre Augen suchten am Ende des Briefes nach einer Unterschrift. Verblüfft weiteten sich ihre Augen. Sirius! Kurz ließ sie den Brief sinken und versuchte zu ergründen, was sie gerade fühlte. Erstaunen, klar. Aber sie konnte ebenso aufkeimende Freude verspüren und ein Strahlen legte sich in ihre Augen, auch wenn das Lächeln verhalten war.
Warum schrieb Sirius ihr? Er kannte sie doch gar nicht und so wirklich etwas miteinander zu tun hatten sie ja auch nicht gehabt und... Vielleicht liest du einfach den Brief, dann wird es sicher klarer. Sie räusperte sich und sah dann zu der kleinen Eule, die, immer noch den Brief im Schnabel, aufgeplustert neben ihrem Gesicht saß.
„Ich glaube, du musst noch einen Brief austragen, Kleines", gurrte sie und die kleine Eule riss voller Tatendrang die Augen auf. Sie stieß ein helles Krächzen aus und stieß sich von ihrer Schulter ab, wurde vom Fahrtwind ergriffen und verschwand.
Avessa lehnte sich erschrocken schnell vor und sah den Zug entlang. Zum Glück konnte sie das graue Plüschtier erkennen, das vor einem Fenster auf und ab hüpfte und vom Wind immer wieder dagegen gepresst wurde, bis jemand von drinnen Erbarmen zeigte und sie aus der Luft fischte. Wenn der Brief an Harry ist, war sicher er es. Ganz der Sucher...
Schmunzelnd widmete sich Avessa dann aber wieder ihrem Brief und erneut ergriff eine Wärme sie, die sie lächeln ließ.
„Du fragst dich bestimmt, warum ich dir schreibe. Und falls es dich stört, schreib einfach nicht zurück, dann tu ich es nie wieder, versprochen."
Warum hatte sie gerade das Gefühl, er würde es mit einem ebenso schelmischen Funkeln in den Augen sagen, wie Fred und George es sooft taten? Sie kicherte leise und las weiter.
„Aber ich wollte dir einfach danken. Jetzt, wo Seidenschnabel und ich entkommen sind und alles etwas ruhiger wird, wollte ich dir für deine Worte danken, die mir viel Mut gegeben und mich sehr berührt haben."
Avessa errötete. Sie hatte doch gar nichts getan. Und wann hatte sie mit ihm...oh! Natürlich, sie hatte mit ihm als Hund gesprochen, aber...doch nur zweimal? Und das eine Mal hatte sie nur über sich gesprochen!
„Es tat gut zu hören, dass du an mich geglaubt hast, ohne einen Grund dafür zu haben. Aber das sagte ich dir ja schon. Meine Bemühungen, an Peter, der in Form von Rons Ratte in Hogwarts gelebt hat, zu kommen, waren allesamt fruchtlos und je öfter ich es versuchte, desto verzweifelter wurde ich, denn desto öfter hörten alle, wie gefährlich ich war – und ich gebe zu, dass meine Taten diesen Eindruck rechtfertigten.
Ich war nur so nah dran, verstehst du? Nun, dies säte immer mehr Zweifel und die Überlegungen, einfach aufzugeben. Und dann warst du da und hast so offen darüber geredet, dass du nicht an die Geschichten glaubst, die über mich erzählt werden, obwohl selbst einer meiner besten Freunde dich vor mir warnte.
Das ließ mich hoffen, dass auch mein Patensohn, Harry, mir vergeben würde."
Avessa spürte, wie sie immer breiter lächelte. Wie sie wusste, hatte Harry ihm vergeben. Er hatte sogar vorgehabt, bei Sirius einzuziehen, doch dies war nun, da sie Sirius' Namen nicht hatten reinwaschen können, in weite Ferne gerückt.
„Und das tat er. Ich nehme an, er hat dir ein wenig davon erzählt, scheint ihr ja Freunde zu sein, oder? Obwohl ich dich auch oft mit diesen zwei Rothaarigen gesehen habe. Ich nehme an, es sind Weasleys, wie Ron.
Vielleicht hast du ja Lust, mir zurückzuschreiben und, sobald sich die Lage verbessert, mich zu treffen. Deine Mom Helena und ich haben uns immer gut verstanden und es tut mir im Herzen weh, dass du nur so wenig Zeit mit ihr hattest.
Du bist ihr sehr ähnlich, Avessa und sie wäre stolz, wie großherzig und loyal du bist. Deine Worte Schniefelus gegenüber waren wirklich legendär! James, Harrys Vater, hätten sie auch gefallen. Er und Snape konnten sich ebenso wenig leiden, wie Snape und ich.
Da er aber dein Lehrer ist, bewundere ich den Mut und die Geradlinigkeit, die du aufgebracht hast, dich ihm derart in den Weg zu stellen. Das Herz einer Löwin, fürwahr. Auch wenn es nicht leicht ist, so aus ‚der Art' zu schlagen, wie ich selbst sehr gut weiß.
Avessa. Es würde mich sehr freuen, wenn wir in Kontakt blieben und denk bitte immer daran, dass du mir auch schreiben kannst, wenn du mich brauchst. Wie gesagt, waren deine Mom und ich Freunde – natürlich Familie, doch hatten wir uns in der Kindheit eher selten gesehen – und ich fühle mich ein wenig verantwortlich für dich."
Avessa zog die Augenbraue hoch und sondierte ihr Inneres, konnte aber keinen Widerspruch in sich spüren. Im Gegenteil gaben ihr die Worte ein Gefühl der Geborgenheit, welches zwar unerwartet, aber sicher nicht unwillkommen war. Ihre Augen lasen die letzten Zeilen.
„In der Hoffnung, bald von dir zu hören, Sirius (wobei wir das in den Briefen vielleicht dann ändern sollten, falls sie abgefangen werden. Ich will nicht, dass du Ärger bekommst)"
Ein Kichern entkam ihr. „Was ist denn da so komisch?" Mit einem leisen Schrei zuckte Avessa zusammen und verbarg den Brief automatisch in ihrem Umhang, bevor sie sich umdrehte. George stand an der offenen Zugtür und sah sie schmunzelnd an, das rote Haar wild um seinen Kopf wehend.
Sie lachte auf und deutete darauf. „Das ist auf jeden Fall komisch! Es sieht aus, als sei dein Haar lebendig!" Georges Augen verdrehten sich nach oben und er grinste. „Ist es. Sei auf der Hut, irgendwann krallt es sich dich und wickelt dich vollends ein." Sie erwiderte das Grinsen gutgelaunt. „Dazu muss es aber erstmal wachsen!"
Georges Augen blitzten auf. „Challenge accepted", sagte er und wurde dann zur Seite gedrängt. "Worum geht es?!" Freds Kopf erschien und auch seine feuerroten Haare begannen, wie verrückt um seinen Kopf zu tanzen. George schob sie sich mit einem Schnauben aus dem Gesicht. „Genau darum. Avessa meint, wir brauchen längere Haare."
Avessa hob abwehrend die Hände. „Hey, das habe ich so gar nicht gesagt!", protestierte sie, doch Fred grinste schon breit und nickte. „Okay, Deal. Mal sehen, wie lang sie sind, wenn wir uns wiedersehen. Steht uns bestimmt hervorragend, Georgie." Er strich in einer arroganten Geste über sein Haar und George strahlte ihn an. „Die Mädchen werden verrückt nach uns sein!"
Glücklich betrachtete Avessa das Rumgealbere ihrer Freunde und drehte sich dann wieder dem Abend und London entgegen, den Brief unter ihrem Umhang klein faltend. Irgendwie schien der Sommer gerade ein ganzes Stück besser geworden zu sein.
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