ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 19 - ɴᴇᴜᴇ ʟᴀsᴛ

Aaron kochte förmlich. Was war nur verkehrt mit dieser Frau? Wie konnte man nur von der Freundlichkeit in Person zu so einem Arschloch mutieren? Und diesmal war er sich sicher, dass er nichts falsch gemacht hatte. Er war nicht unfreundlich, er hatte definitiv keine Grenze überschritten und die ganze Scheiße war von ihr aus gegangen. Er wollte ihre Hilfe nicht und doch war er dankbar dafür.

Denn jetzt, wo er darüber nachdachte, wurde ihm erst bewusst, dass die Schmerzen, welche ihm vor wenigen Stunden noch an den Rand des Wahnsinns treiben wollten, fast vollständig verschwunden waren. Abgesehen, von seinem Arm, der noch leicht pulsierte, fühlte er sich fast, wie neu geboren. Was auch immer in diesem Glas war, es musste vom Teufel persönlich stammen, denn gesund konnte es auf keinen Fall sein. Er würde sie ja glatt noch einmal fragen, was es war, aber er war sich ziemlich sicher, dass dieser Zug abgefahren war. Sie war ihm schon viel zu nahegekommen. Näher als es jemals hätte passieren können und das, obwohl er seinen Arsch darauf verwettet hätte, dass sie mindestens genauso viel Abstand zu ihm wollte, wie er zu ihr. Warum? Warum gerade jetzt? Natürlich konnte er sich weiter dumm stellen und sich einreden, dass sie ihm völlig egal war, aber bitte. Das glaubte er sich ja selbst nicht mehr. Ihr Verhalten traf ihn und das würde nicht passieren, wenn sie ihm wirklich so scheißegal wäre, wie er behauptete. Dennoch war es keine Option überhaupt weitere Lebenszeit an sie zu verschwenden, denn selbst wenn die Sterne besser stehen würden und sein Leben nicht der reinste Schutthaufen wäre, würde es nicht passen. Sie war anders, um nicht zu sagen, völlig irre und wenn er eins verstanden hatte in seinem Leben, dann, dass man zu eben solchen Menschen Abstand hielt. Egal, was ihm so zu ihr hinzog, es musste enden und das am besten direkt. Er seufzte leise und dehnte seinen Nacken, bevor er weiter mit leerem Blick die Straße entlanglief.

Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis die dunkeln Gemäuer seiner Heimat vor ihm auftauchten. Versteckt hinter alten Bäumen stach die heruntergekommene Villa ihm monströs ins Auge. Bei den Göttern wie sehr hasste er dieses Haus. Einfach alles daran ließ ihn den Magen zu einem festen Knoten werden. Er trat durch das schwere Eisentor und sofort legte sich ein dunkler Schatten auf sein Gemüt. Es war nicht so, dass er diesen jemals vollständig loswurde, aber außerhalb dieser Mauern war er lange nicht so präsent. Es fühlte sich jedes Mal aufs Neue an, als würde schlagartig sein Leben über ihm zusammenbrechen. Nur tat es das nicht, auch wenn er sich dies mittlerweile wünschte. Doch die Realität sah anders aus. Jeden verdammten Morgen wachte er auf und musste feststellen, dass sich nichts, aber auch wirklich gar nichts geändert hatte und so kämpfte er sich nun schon seit fünf Jahren durch.

Er war so in seinen verschobenen Gedanken gefangen, dass er seine Umgebung nicht für wahre Münze nahm und so übersah er auch den großen schwarzen Jeep, der unmittelbar neben der Eingangstür geparkt war.

Mit einem lauten Krachen warf er die Tür hinter sich zu und ein schwerer, staubiger Geruch kroch ihm in die Nase.

»Mist Bude«, maulte er, während er sich über die Nase rieb, um das Kitzeln darin loszuwerden.

Er lief durch die große Eingangshalle, denn Flur konnte man dieses überschwängliche Gebilde auf keinen Fall nennen. Aarons Magen knurrte und sein Blick richtete sich unwillkürlich zu der Tür rechts neben ihm. Ein bitterer Geschmack bildete sich auf seiner Zunge, denn er wusste, dass der Weg zum Kühlschrank vergebens sein würde. Nichts als Leere würde ihm beim Öffnen erwarten. Leere. Tja, passte zum Rest hier.

Er ignorierte das Flackern des riesigen Kronleuchters, der, mit gedämpftem Licht, den einst weißen Marmorboden erhellte. Das laute Knarren der alten Holzstufen hörte er ebenfalls seit Jahren schon nicht mehr und auch die dicke Staubschicht auf dem verschlungenen Geländer ging ihm wortwörtlich am Arsch vorbei. Ein leises Stöhnen verließ seine Lippen, nachdem er die unzähligen Stufen nach oben gestiegen war und spätestens jetzt wurde ihm klar, dass er alles, aber nicht fit war.

Doch er hatte keine Zeit sich weitere Gedanken, um seinen Zustand zu machen, denn als er um die Ecke bog, um sich auf den Weg in sein Zimmer zu machen, tauchte plötzlich ein dunkler Schatten vor ihm auf. Ohne Vorwarnung und viel zu schnell, um noch in irgendeiner Art zu reagieren, spürte Aaron den brennenden Schmerz auf seiner rechten Wange. Der Schlag kam mit so viel Schwung, dass er das Gleichgewicht verlor und in die gegenüberliegende Wand einschlug. Gemeinsam mit seinem Rucksack sank er zu Boden und zog scharf die Luft ein. Für einen Augenblick drehte sich alles und vor seinen Augen tanzten kleine Lichtpunkte.

»Du kommst spät«, zerschnitt eine zornige Stimme die dicke Luft.

Ein Schauer legte sich über Aaron und ließ den Knoten in seinen Magen auf das doppelte Anwachsen.

Er durfte nicht hier sein. Nicht heute. Aaron zog reflexartig die Knie schützend vor seine Brust, was ihm nur ein dumpfes Auflachen seines Gegenübers einbrachte.

»Du bist so armselig.«

Aaron brauchte noch einen Moment, bis er zumindest ansatzweise wieder mit sich und seinem Leben klarkam. Die brennenden Blicke auf seinem Körper zeigten ihm aber deutlich, dass das Schlimmste des Tages wohl noch nicht hinter ihm lag. Er schluckte, schob sich langsam wieder nach oben und angelte nach seinem Rucksack.

»Bist du nicht mal mehr in der Lage mich anzusehen?«

Die Worte schickten Aaron einen Schmerzimpuls durch den Körper und am liebsten hätte er sich seinen Frust von der Seele geschrien, doch er wusste, was die Konsequenz darauf sein würde. Also schloss er für einen Moment die Augen, sammelte sich und richtete dann den Blick auf die Person vor sich. Markante, raue Gesichtszüge, aus denen ihm gefühllose, eisblaue Augen entgegen stachen, ließen die letzten Zweifel verschwinden. Ja, der Tag sollte also erst noch so richtig beschissen werden. Der Teufel in Person hatte sich die Ehre erwiesen und trug dafür scheinbar auch noch seinen besten Anzug.

»Killian«, knurrte Aaron ihm entgegen und noch, ehe der Name seine Lippen verlassen hatte, schlug die Rückhand dessen erneut in Aarons Gesicht ein.

Diesmal war jener aber vorbereitet und hielt dem Ganzen stand. Sein Blick blieb fest auf dem Teufel gerichtet und Aaron gab keine Regung von sich.

»Ich denke, du hast vergessen, wie du mich zu nennen hast?«

Ein verachtendes Schnaufen von Aaron ging durch den leeren Raum.

»Und ich sagte dir mehr als einmal, dass ich dich niemals als Vater bezeichnen werde.«

Aaron rechnete fest mit dem nächsten Schlag, doch lautes Gepolter, welches aus der Eingangshalle trat und das Zuschlagen der Eingangstür hielten Killian zurück. Schritte hallten durch die Stille und wenige Augenblicke später traten zwei Gestalten hinter Aaron.

»Derek. Maik. Schön dass ihr es einrichten konntet, zu spät zu kommen«, warf ihnen Kilian kalt entgegen.

Die zwei senkten sofort die Blicke und murmelten eine leise Entschuldigung, welche Aaron erneut zum Schnauben brachte. Arschkriecher, schoss es Aaron durch den Sinn, schwieg aber zum Wohle seiner Gesundheit.

»In mein Büro!«, knurrte Killian und sofort setzten die beiden sich in Bewegung.

Aaron wollte die Gunst der Situation nutzen und sich in sein Zimmer bewegen, als Killian ihn grob am Kragen packte und ihn ebenfalls in Richtung seines Büros stieß.

»Du auch!«

Kreidebleich betrat Aaron sein Zimmer. In seinen Ohren rauschte das Blut und sein Herz schien kurz davor zu sein den Kampf zu verlieren. Es stolperte durch seine Brust und schien vergessen zu haben, wie es in einen gleichmäßigen Takt arbeiten sollte. Seine Hände zitterten und nachdem er die Zimmertür hinter sich ins Schloss gedrückt hatte, sackte er an dieser zusammen. Ein schmerzendes Kribbeln zog sich durch seine Nase und kündigte Tränen an. Erneut zog er seine Knie an die Brust und vergrub sein Gesicht tief in seinen Händen. Er spürte, wie die Flut an Tränen über seine Wangen floss und als sie an seine frisch aufgeplatzte Lippe trafen, breitete sich ein brennender Schmerz aus. Aus Reflex leckte er sich über seine geschundenen Lippen und der salzige Geschmack vermischte sich mit dem frischen Blut. Doch das alles war egal. Nichts war mehr von Bedeutung. Die letzten Minuten hatte er alles getan. Die Schläge ertragen. Sich das erste Mal nach fünf Jahren wirklich gewehrt, um am Ende doch einen Pakt mit dem Teufel schließen zu müssen. Verrat. Er hatte sich selbst verraten. Niemals wieder würde er auch nur im Ansatz mit sich leben können und dabei spielte es auch keine Rolle, dass er das alles nur tat, um sie zu schützen. 

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