𝟐𝟒│𝑪𝒐𝒍𝒊𝒏
¡Info! Ab der Hälfte dieses Kapitels ist der wörtliche Teil Colins Rede kursiv unterlegt zur besseren Erkennung. Viel Spaß!💗
Colin
»Hallo erstmal an alle!« Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade tue. Das ist so abgefuckt. Ich will das hier nicht. Ich will nur Alkohol, eine heiße Braut und meine Ruhe. Schon allein wenn ich daran denke, dass William im Publikum sitzt und mir zu schaut, verkrampft sich mein Magen. Ich war vorher schon ziemlich schlecht auf ihn zu sprechen, aber seit er sich bei Kiera einschleimen wollte, ist er endgültig unten durch. Dieser Mann verdient es nicht mal mehr, dass ich in seine Richtung starre. Und trotzdem muss ich es tun, weil er ja den 'Ehrenplatz' als Vater neben dem Bräutigam hat. Aber das hindert mich nicht daran, ihn trotzdem zu ignorieren.
Ignoranz, das was ich bei ihm seit Jahren machen und auch in Zukunft machen werden. Schon allein, wenn ich sehe, wie sie neben ihm Platz genommen hat und denkt, sie könnte meine Mom ersetzen, steigt Galle in mir hoch. Niemand kann sie je ersetzen. Niemand.
Dafür visiere ich Josh und die Furie an. Beide sitzen nebeneinander, die Hände glücklich zu einem Ganzen verwoben. Der Ring am Finger von Joshs frischgebackener Ehefrau glitzert verdächtig, während ihre grünen Augen mich tückisch anstarren.
Wehe, du vergeigst es, warnt sie mich.
Ich straffe meine Schultern, versuche gelassen zu lächeln. Ich tue das alles nur für Josh, erinnere ich mich. Nur für Josh.
Am Ende der langen Tafel sitzt Shakira und mich schlägt der Blitz als ich sehe, wie er den Kopf in die Hände gestützt hat. Seine Lippen sind leicht geöffnet, seine Augen dagegen sind fest verschlossen.
Der Typ pennt einfach!
Und niemanden bockt es!
Ich glaube es ja nicht! Er verschläft die fucking Hochzeit seiner Schwester und gleich auch noch meine grandiose Rede!
Eins steht fest: Nie wieder Alkohol für dich, Finnley. Nie wieder.
Mein Blick gleitet über die Menge von bekannten Gesichtern wie das von Tante Tessie, die mir einen Luftkuss zu wirft (würg) über Stressicas Gesicht (doppeltes würg), deren kitschige Trauzeugenrede ich leider, leider heute Nachmittag verpasst habe. Was für ein Pech, dass ich ausgerechnet da auf Toilette musste...
Froschauges grüne Augen springen mir sofort entgegen und ich wende eilig den Blick ab, bevor ich mich wirklich noch übergeben muss.
Mein Blick fällt auf meinen Tisch, an dem diese alte Labertasche mit ihrem Mann sitzt, ein schräger Typ, der während des Essens die Bohnen nach Größe und Dicke geordnet hat, Amy, die an ihrem Wein nippt und schließlich Kiera.
Sie sieht mich gespannt an. Alle tun das. Alle warten nur darauf, dass ich loslege und mich blamiere. Noch nicht einmal Kiera glaubt an mich und Josh versucht es zwar, aber eigentlich bereut er es doch, dass er mich als seinen Trauzeugen ausgewählt hat.
Woah, Mut für eine großen Rede zu sprechen klappt eindeutig perfekt, Colin!
Okay, tief durchatmen.
Du bist der geilste.
Du bist der coolste.
Du bist der heißeste.
Du bist der beste, spreche ich wie ein Mantra vor mich hin und schließlich:
Du wirst diese Rede rocken.
Innerlich lasse ich gerade einen Kampfschrei los, hämmere wild wie ein Gorilla mit beiden Händen gegen meine Brust. Äußerlich klammere ich das Mikrophon in meiner Hand stärker und versuche meinen Puls wieder annähernd unter die 100 Grenze zu bekommen.
Dann auf in den Kampf!
»Lieber Josh, liebe Katri- ähh Kaitlyn, liebe Hochzeitsgäste!«, begrüße ich die Gesellschaft nochmals vor mir. Habe ich mir einen Plan zurechtgelegt? Nein, absolut nein. Ich bin ein spontaner Mensch. Ich improvisiere einfach.
Mir wird schon was einfallen. Irgendwie.
»Mein Gesicht kennen Sie vielleicht, naja hoffentlich, denn ich war nicht nur der Mann, der heute, wie Sie alle, fast genauso gespannt neben dem Bräutigam auf die Braut gewartet hat, sondern ich bin auch sein guttausehender und charmanter Bruder Colin. An diese Stelle merke ich meinen Insta-Account an. Am besten ihr folgt mir jetzt, bevor ihr es euch nach meiner Rede noch anders überlegt...« Ich räuspere mich. Katrins erster tödlicher Pfeil ist bereits abgeschossen. Weitere folgen im Sekundentakt.
»Jedenfalls bin ich unfassbar glücklich, heute hier sein zu können und mit euch euren Tag zu erleben. Eigentlich bin ich kein Typ für Reden, also lacht zwischendurch mal laut, als hätte ich etwas Lustiges gesagt und schaut mich nett an, weil ich mir ansonsten gleich in die Hose mache.« Ich lächle nervös und das Publikum gluckst. Natürlich mache ich mir gerade nicht wirklich in die Hose. Ich bin COOLin, schon vergessen? Und Gott der Poesie, was mir bei meinen nächsten Worten zum Verhängnis wird.
Oh Mann, ich kann nicht glauben, dass ich das jetzt sage. Es war ein Fehler, dass ich mir beim Friseur immer heimlich die Klatschzeitungen schnappe und lese, wenn keiner hinschaut. Kiera wird mich auslachen. Ich weiß es jetzt schon.
»Jemand hat mal gesagt: Ich liebe dich zu sagen, dauert Sekunden. Es zu erklären, Stunden. Und es zu beweisen, ein Leben lang.« Kiera lacht mich nicht aus. Sie sitzt einfach nur da und lauscht. Ist das jetzt gut? »Herzlichen Glückwunsch ihr beiden, Phase 3 beginnt heute. Ich kann euch garantieren, dass es nicht immer einfach sein wird, dass ihr euch manchmal einfach nur die Köpfe einschlagen wollt und alles hinschmeißen möchtet. Es wird Momente geben, da werdet ihr euch hassen und wünschen, ihr hättet euch nie so einen dämlichen Ring an den Finger gesteckt. Das wird vorkommen. Das ist das Leben. Aber wisst ihr, was ich euch auch garantieren kann?«
Dass Kiera und ich uns morgen trennen werden? Dass das die einzige Hochzeit für mich bleibt für die nächsten 10, was sage ich 20 Jahre?
»Ich kann euch garantieren, dass ihr immer euch zwei haben werdet und seit Sekunde eins weiß ich, dass das zwischen euch Beiden etwas ganz Besonderes ist.«
Ist es das? Ich glaube nicht an die wahre Liebe oder an den ganzen die-Liebe-auf-den-ersten-Blick-Scheiß. Und ich glaube auch nicht an eine ewig währende Liebe zwischen zwei Personen. Was zum Teufel mache ich hier oben überhaupt?
»So besonders, dass jeder künftige Streit, jede Träne, all die Wut in Zukunft wert sein wird.«
Scheiße, ich bin so ein Poet.
»Josh« Ich wende mich an meinen Bruder, dessen grüne Augen mich aufmerksam fixieren.
»Du bist so ne beschissene Pappnase, stehst 5 Uhr morgens schon vor meiner Tür, um mit mir joggen zu gehen. Dabei ist mein Body doch schon ein Traum!« Vom hinteren Ende des Saals wird etwas reingerufen. Ich denke, dass es Terrice ist, der irgendein abfälligen Kommentar rausgehauen hat. Cool wie ich bin, winke ich nur ab und sage: »Jaja schon gut, keine Komplimente.«
Das Publikum johlt begeistert. Ich grinse und visiere Josh wieder vor mir an.
»Früher hast du mich immer damit aufgezogen, dass du der Ältere bist. Ich bin ein Jahr älter als Colin bla bla bla, hast du immer gesagt und damit rumgeprahlt. Ich war immer neidisch auf dich. Ich wollte der Ältere von uns beiden sein. Doch jetzt habe ich gemerkt, wie dumm dieser Gedanke doch ist. Ich hätte nicht mal ansatzweise so einen fantastisch großen Bruder abgegeben wie du. Du bist immer für mich da gewesen, hast mich stockbesoffen von jeder Party zu jeder Zeit abgeholt, du hast den Seepferdchenkurs zweimal gemacht, weil ich nicht allein hingehen wollte und hast die ganze Nachbarschaft angerufen, sie sollen ja ihre Autos reinstellen, als ich meine Fahrprüfung hatte. Ich habe dir nie gesagt, dass ich heimlich ein paar Knäulchen über deinen Namen laufen lassen habe, dass ich es war, der dein Hot-Wheel Auto geschrottet hat und nicht Mrs. Bengleys Hund, dass ich heimlich in deine Cola gespuckt habe, weil du dich geweigert hast, meinen Chemie Aufsatz zu schreiben...«
Josh sieht mich mit großen Augen an und ich kann nicht anders als entschuldigend die Arme in die Luft zu heben.
»Tja, jetzt ist es raus. Das mit dem 'ins Glas spucken' habe ich übrigens noch einmal gemacht, als du eine Schramme in mein Auto reingefahren hast. Keine Sorge, heute ist der Schampus frei von meiner heiligen Spucke. Ah ne, du trinkst Bier. Eventuell habe ich vorher in das Fass unten gepinkelt.«
Im Publikum sehe ich die angesäuerten Gesichter der Biertrinker, die so gar nicht über meinen Witz lachen können. Ich winke schnell lachend ab.
»Nur Spaß, Leute, nur Spaß...das war der Rotwein.«
Josh lacht und Katrin lacht mit, aber ich denke mehr, um den Schein zu wahren als das sie es lustig findet. Immerhin trinkt sie Wein. Muhahah.
»Ich weiß, dass ich nicht immer einfach bin, aber...egal wie beschissen ich mich benommen habe oder egal, was für eine Kacke ich gebaut habe, ich wusste immer, dass ich damit zu dir kommen konnte. Du warst da, als ich es am meisten gebraucht habe, als Mum... « Ich stocke. Ein Kloß hat sich in meinen Hals gebildet und diverse Bilder jagen wieder in meinen Kopf herum, die ich schleunigst versuche beiseite zu schieben. Ich kann jetzt nicht schwach werden. Nicht hier vor allen.
Colin Walker zeigt keine Schwäche. Niemals.
»...als es mir schlecht ging. Dafür bin ich die unglaublich dankbar, auch wenn ich das vielleicht manchmal nicht so zeigen kann.«
Josh nickt mir aufmunternd zu und klopft sich zweimal gegen die Brust. Irre ich mich oder sind seine Augen leicht wässrig?
»Was ich eigentlich sagen will ist...Josh...Ich bin froh dich zu haben, Mann. Pass gut auf ihn auf, Kaitlyn!«
Es folgt kräftiger Applaus und anders als erwartet, bereue ich keines meiner Worte. Kein einziges. Josh und Kaitlyn erheben sich und kommen auf mich zugelaufen, als ich meinen kolossalen Abgang von der Bühne absolviere. Nacheinander werde ich von ihnen in eine Umarmung gezogen. Die von Josh ist ehrlich und warm. Auf die der Furie hätte ich getrost verzichten können, aber für die Menge spiele ich ausnahmsweise Mal mit. Ihre Krallen greifen nach mir, ziehen mich zu sich herunter. Ein herber Duft von irgendwelchen Blumen steigt in meine Nase und kurz ertappe ich mich dabei, wie ich mir ausmale, dass es ein anderer Duft wäre. Nach Vanille und süßem Gebäck. Doch den Gedanken schiebe ich schnell beiseite. Das ist unsinnig.
Ich will mir von ihr lösen, weil diese Umarmung für meinen Geschmack schon viel zu lange andauert, da spüre ich plötzlich ihre Lippen an meinem Ohr und höre sie bedrohlich raunen: »Wenn du Kiera das Herz brichst, dann mache ich aus dir Hackfleisch, so schnell kannst du nicht mal »Katrin« sagen. Haha.«
Dann entlässt sie mich mit einem Engelslächeln aus ihren Fängen und kopfschüttelnd beobachte ich, wie sie sich anschließend an Joshs Arm schmeißt und mich zuckersüß anlächelt, als wäre nichts gewesen. Hexe.
Ich mache mich wieder auf den Weg zu meinem Tisch, werde auf dem Weg dorthin etliche Male auf die Schulter geklopft und für meine herausragende Rede gelobt.
Oh ja, das hört mein Ego nur allzu gern.
Mit dicker Brust stolziere ich somit durch die Gegend, bis mein Blick auf Kiera fällt, die gerade in einer Umarmung zu ersticken droht, wobei ihre braunen Augen stumm nach Hilfe flehen. Ich brauche die Frau noch nicht einmal von vorne zu sehen, um zu wissen, wer Kiera da nach Herzensliebe abknutscht und wie wild Küsschen auf ihren Wangen verteilt.
Wuchtige Gestalt.
Breiter Hintern.
Enges, gerafftes, apricot Kleid, das bei ihr eindeutiges Presswurst-Potenzial aufweist.
Eine braune, Hochsteckfrisur, als hätte man ihr ein Eichhörnchen auf den Kopf gesetzt und das Fell hochtoupiert.
Keine Frage, Tante Tessie hat soeben Tisch 3 in Beschlag genommen. Jetzt heißt es: Rette sich, wer kann! Doch da visieren ihre tiefbraunen Augen auch schon mich an und ein gekräuseltes Lächeln erscheint auf ihren dunkelrot geschminkten Lippen.
»COLIN ANGUS WALKER! KOMM HER UND GIB DEINER TANTE TESSIE EINEN BUSSI!«
Im Leben nicht. Wo war noch gleich der Ausgang?
TANTE TESSIE IS IN THE HOUSE🎉🎉
...und Colin freut sich...nicht.
Wer hätte außerdem gedacht, dass Colin doch zu einer ganz passablen Rede in der Lage ist und es Kiera nicht heimzahlt?😄😃
Ich bin ja schon ein kleines bisschen stolz auf ihn😅
Ob Colin allerdings Kiera Tante Tessies Knutschmund überlässt und die Fliege macht, erfahren wir im nächsten Kapitel-dann auch wieder aus COLINS SICHT🎉😉
Bye,bye👋🏻
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