16 | Han Jisung
Ich fühlte mich so schlecht. Jede einzelne Bewegung kostete mir so viel Kraft und zu hören, das würde wahrscheinlich für immer so bleiben, war schrecklich. Jeongin und Minho hatten mir Hoffnung geschenkt, dass ich vielleicht irgendwann wieder alles tun konnte, was ich wollte. Ich hatte die Motivation dazu, das zu erarbeiten, was ich gestern noch als selbstverständlich sah. Ich wusste mittlerweile, dass es eben nicht selbstverständlich war, wenn man laufen konnte, auch wenn die meisten Menschen in dieser Gesellschaft es konnten. Ich wusste jetzt, warum viele Menschen die nicht laufen konnten, Probleme hatten. Sie fühlten sich benachteiligt, da alles auf die Mehrheit aufgebaut wurde. Jetzt verstand ich es. Sie wurden nicht in die Gesellschaft miteinbezogen. Ich wusste das ich Chancen hatte, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können, aber ich würde diese Erkenntnis sicher im Hinterkopf behalten. Das ich dafür erst von Brian vergiftet werden musste, zeigt, wie selbstverständlich das alles für mich war. Man konnte wirklich von einem auf den anderen Tag aus seinen Gewohnheiten gerissen werden.
,,Worüber denkst du nach?" fragte mich Minho, der neben meinem Bett saß und meine Hand hielt. Mit einem besorgten Blick musterte er mich, wahrscheinlich weil ich überhaupt nicht gut aussah. Ich fühlte mich auch genauso wie ich wahrscheinlich aussah.
,,Ich hab darüber nachgedacht wie Leute sich fühlen, wenn sie nicht laufen können. Mir ist klar geworden, dass es nicht selbstverständlich ist, zu laufen." sprach ich meine Gedanken aus und Minho's Blick wurde gleich besorgter. Er legte eine Hand an meine Wange und streichle mit seinem Daumen leicht über meine Wange.
,,Denkst du du kannst nie wieder laufen?" fragte er dann worauf ich den Kopf schüttelte. Ich wusste dass ich ein paar Wochen wahrscheinlich nicht laufen kann, aber die Ärzte meinten, dass ich wieder auf meinen eigenen Beinen stehen kann. Und das was Jeongin vorhin sagte, gab mir sehr viel Motivation, so dass ich vielleicht auch wieder in die Schule kann und meinen Abschluss machen kann. Geistig fühlte ich mich sogar richtig fit. Die Ärzte meinten, mir würden Alltägliche Dinge, Lernen und all das richtig schwer fallen, aber so wie es mir gerade ging, würde ich den Ärzten keinen Glauben schenken.
,,Ich werde wieder laufen können und was die Ärzte sagen ist Bullshit. Ich kann bald wieder in die Schule gehen und ich kann meinen Abschluss machen. Vielleicht bin ich körperlich noch nicht bereit, aber geistig funktioniert alles. Mir geht es gut. Warum sagen die Ärzte, dass ich nicht mehr in die Schule kann? Das ist doch alles Blödsinn. Die können von mir aus alle ihren Job kündigen." meinte ich nur und Minho wirkte überrascht, schien erstmal verarbeiten zu müssen, was ich sagte. Ich werde den Ärzten schon zeigen, was ich kann und was ich nicht kann. Wenn ich dieses Krankenhaus fit wieder verlasse, sehen die von mir nur einen Mittelfinger.
,,Ich weiß, dass du das schaffst. Ich glaub an dich." Minho klang so traurig oder eher besorgt, als er das sagte. Warum klang er so?
,,Warum klingst du so?" fragte ich ihn dann, denn ich wollte wissen was in seinem Kopf vorging. Er rutschte mit seinem Stuhl ein wenig mehr zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
,,Ich mache mir nur Sorgen um dich, Ji. Das ist alles." meinte er nur und lächelte mich an. Ich wusste das Minho ehrlich war. Er würde mir immer sagen, was in seinem Kopf vorging, vor allem wenn ich danach fragte. Er hatte mich auch noch nie angelogen, auch wenn dieses „das ist alles" schon ein wenig merkwürdig klang. Aber ich wollte nicht nachfragen. Vielleicht wollte er mir einfach nur versichern, dass es wirklich alles war, was in seinem Kopf vorging.
Eine Weile verbrachten wir alleine in diesem hässlichen Raum, ehe Jeongin reinkam und dabei ein wenig vorsichtig wirkte. Er sah des Öfteren zurück zur Tür und schien ein wenig verunsichert zu sein.
,,Was ist los?" fragte Minho, denn er schien Jeongins unruhige Art auch zu bemerken. War ja eigentlich auch kaum zu übersehen. Die Ärzte haben zwar gesagt dass hier jeder nur einzeln in den Raum darf, damit ich mich nicht überfordert fühlte, aber das fühlte ich nicht. Ich fühlte mich nicht überfordert wenn meine Freunde hier waren. Ich war sogar froh dass sie da waren, es machte mich eben glücklich sie zu sehen, auch wenn ich wusste, sie konnten mit meinem Zustand nicht umgehen.
,,Ich muss schnell sein, aber es ist wichtig. Ich fass mich kurz. Brian hat damals Yeji vergewaltigt und sie sagt, dass sie gesehen wurden. Wir glauben es war Felix. Wir wollen deinem Bruder keinen Mord unterstellen, aber das Brian Yeji vergewaltigt hat solltest du nicht wissen. Du warst doch der beste Freund von Felix oder?" fragte Jeongin zum ende hin und ich musste erstmal verarbeiten, was er mir gerade erzählt hatte. Ich nickte ein wenig perplex auf Jeongins frage, da es sogar ziemlich wahrscheinlich sein könnte. Immerhin wollte er mich vergiften weil ich das nicht rausfinden sollte. Jetzt ergab alles ein wenig mehr Sinn. Obwohl ich sowas von meinem eigenen Bruder nicht erwarten würde. Die anderen sagten zwar, es sei nur eine Vermutung, aber wer wusste das schon? Vielleicht hatte jemand anderes Felix ermordet und er war nicht der, der Yeji und Brian gesehen hatte. Natürlich glaubte ich daran, was Jeongin sagte. Wenn Yeji selbst sagte, dass es Brian war, glaubte ich ihr. Immerhin wusste sie es ja am besten, wer sie vergewaltigt hatte. Vielleicht war es ja wirklich Felix, der die beiden gesehen hatte, aber nichts sagen wollte, um Yeji nicht noch mehr zu verletzen. Ich kannte Felix. Er hätte niemals etwas getan was andere Leute vielleicht schaden könnte. Aber Abwegig klang die Vermutung nicht. Nur die Frage war: Mit wem hatte Brian telefoniert? Wenn wir wüssten um welche Person es sich handelte, dann könnte man die Person ausfragen. Vielleicht würde sie ja zugeben, dass es Brian war, der Felix ermordet hatte, denn immerhin müsste die Person es dann wissen. Sie sprachen ja von etwas, was ich nicht wissen sollte. Es kann halt auch sein, dass es nicht Brian war, sondern die Person am Telefon? Und Brian wusste davon? Ich stellte mir gerade eindeutig zu viele Fragen. Ich muss aber sagen, dass Brian sich schon vor Felixs Tod sehr komisch verhalten hatte. Jeongin hatte nicht gesagt, wie lange die Vergewaltigung her war, aber wenn es mit Felixs Tod was zu tun haben sollte, dann würde die Vergewaltigung auch nicht allzu lange her sein.
Ich war so sehr in meinen Gedanken, dass ich gar nicht bemerkte, dass Jeongin schon längst aus dem Zimmer verschwunden war. Minho war zum Glück noch hier und hielt auch weiterhin meine Hand, wie er es schon die ganze Zeit tat.
,,Das was Jeongin erzählt hat, macht schon irgendwie Sinn, oder?" fragte ich Minho der daraufhin nickte. Er schien wohl auch ein wenig in seinen Gedanken zu schwirren, denn er sah die ganze Zeit auf einen bestimmten Punkt in diesem Zimmer und wollte mir wohl nicht richtig antworten. Er musste dazu nichts sagen. Es war ja nur eine gestellte Frage und wenn er mir nur die Bestätigung gab, reichte mir das auch.
,,Denk nicht so viel darüber nach. Ich will nicht das sich dein Zustand verschlechtert. Sag nichts, ich weiß ich bin ein wenig übervorsichtig." meinte er plötzlich und fuhr sich mit seiner freien Hand durch die Haare. Es war nicht schlimm, dass er sorgen machte und eben ein wenig vorsichtiger war. Es war süß wie er sich um mich kümmern wollte und wie er mich behandelte. Klar, etwas übervorsichtig war er schon, aber ich fand es nicht schlimm.
,,Es ist Okay. Ich find das süß und ich bin froh das du hier bist und mir beistehst." schwach lächelte ich ihn an und legte meine Hand auf seine, denn er sollte wissen, dass ich es wirklich nicht schlimm fand. Wenn es mir zu viel wurde, würde ich ihm das natürlich sagen. Er war eben mein Freund und ich liebe ihn über alles. Er war mir sehr wichtig und auch wenn er ein wenig übervorsichtig war, wusste ich dass er mir damit zeigen wollte, dass er mich liebte und für mich da war. Das schätzte ich wirklich sehr an ihm. Mit Minho an meiner Seite würde ich das schaffen und vielleicht in ein paar Wochen schon wieder komplett Fit sein. Dann könnte ich wieder in die Schule gehen und mein Leben weiterleben.
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