Kapitel 55 - Weihrauch

Tamo kam ihren, nennen wir es, Wunsch nach und verschwand. Es würde keinen Sinn ergeben, bei ihr zu bleiben, denn sie war eindeutig wieder die alte Skàdi, und die Zeit der Nettigkeit war mit der Feuerwand verschwunden. Er lief zurück zu den anderen, während Skàdi sich wieder auf den Steg niederließ.

Seine Gedanken kreisten und auch wenn es wieder damit geendet hatte, dass Skàdi zum Arschloch mutiert war, er hatte ihre andere Seite gesehen und etwas in ihm hatte sich verändert. Es waren nicht die Fähigkeiten, die ihn nun Angst durch den Körper jagten, es war er selbst. Skàdi hatte ihm mehr als deutlich gemacht, dass man diese beeinflussen konnte und dass es an einem selbst lag, welche Art von Macht sie annahmen. Der Mensch dahinter beeinflusste sie und nicht andersherum.

Dennoch war er unzufrieden. Unzufrieden damit, wie es zwischen den beiden ablief. Seit er ihr näher gekommen war und sich klar an die Begegnung im Pub erinnern konnte, arbeitete etwas in ihm. Er konnte er nicht definieren und auch nicht wirklich klar erfassen, aber ihre abweisende Art, kotzte ihn buchstäblich an. Unruhe machte sich in ihm breit und er wusste nicht warum.

Er kam an der Feuerstelle an und Silas, wie auch Milano schnarchten immer noch zufrieden vor sich hin. Nur Alices Augen ruhten auf ihm, als er sich langsam auf den Boden setzte.

»Na, den Moment der friedlichen Skàdi genossen?«, fragte sie mit einem Grinsen im Gesicht.

Tamo schnaubte und schüttelte genervt den Kopf.

»Halt doch die Klappe«, raunte er Alice an und legte sich auf den Rücken und starrte in den Himmel.

»Ihr seid euch ähnlicher, als ihr denkt«, gab sie giftig zurück und drehte sich auf die andere Seite.

»Was willst du mir denn damit sagen?«

Doch mehr als einen gestreckten Mittelfinger erhielt er nicht als Antwort.

Wieder schüttelte er den Kopf. Die haben sie doch nicht mehr alle, dachte er sich und beließ es dabei.

Irgendwann überrannte ihn die Müdigkeit und als es ihm gerade die Augen zuzog, sah er im letzten Moment noch Skàdi, wie sie sich wieder in die Runde setzte.

Und natürlich wurde er am nächsten Morgen nicht von der Wärme auf seiner Haut geweckt, sondern dem Gezicke von Alice und Skàdi.

»Sag mal, läufst du noch rund? Hast du mich gerade getreten?«, fauchte Alice.

Tamo seufzte und öffnete langsam die Augen. Scheinbar zeitgleich mit Milano, der sich gerade aufrichtet und kopfschüttelnd Tamo ansah. Er ließ seinen Blick zu Alice schweifen, die noch auf dem Boden lag und neben ihr stand Skàdi.

»Nicht getreten, angestupst. Also steh auf jetzt«, raunte diese und sah auf Alice.

Alice schnaubte und rieb sich über die Augen.

»Nein, verdammt«, sagte Alice.

»Kaffee, entweder ihr kommt mit oder du hast die Verantwortung über diese Idioten da«, sagte Skàdi gelangweilt und zeigte auf Tamo und Silas, der immer noch friedlich schlief.

Alice knurrte, richtete sich auf und trat Silas gegen die Schulter. Der schreckte sofort hoch.

»Was?«, gab er völlig verpeilt von sich.

Alice stand langsam auf und gähnte.

»Aufstehen. Jetzt!«, raunte sie und folgte Skàdi, die schon auf dem Weg zu Kloster war.

Milano und Tamo standen schon, nur Silas schien noch nicht ganz zu wissen, was los war.

»Los, bevor die beiden noch miesere Laune bekommen«, sagte Milano und reichte Silas die Hand, um ihm aufzuhelfen.

Silas streckte sich und ergriff dann die Hand.

»Können die noch schlechtere Laune bekommen?«, fragte Tamo eher scherzhaft.

Milano sah ihn an und nickte.

»Schon mal von einem Wirbelsturm des Hasses geweckt worden?«, fragte er ziemlich ernst.

Tamo schüttelte den Kopf und wusste, worauf er hinaus wollte.

»Nein und ja, ich habe verstanden«, gab er zurück und lief los.

Silas und Milano schlossen hinter ihm auf und so machte sich die Gruppe schweigend zurück zu dem Kloster.

Die Sonne kämpfte sich gerade über die Gipfel der Berge und so lag das Kloster noch im Schatten des beginnenden Tages. Es wirkte noch völlig still und scheinbar war hier der Tag noch nicht angebrochen worden. Was Milano zum Stocken brachte.

»Sagt mal, ist es nicht eigenartig, dass dort noch keiner wach ist?«, fragte er in die Runde.

Alice und Skàdi, die einige Meter vor ihm waren, blieben stehen und sahen sich an.

»Es ist noch verdammt früh«, sagte Alice und sah über ihre Schulter zu ihm zurück.

Milano nickte.

»Das weiß ich selbst, aber das sind Nonnen. Sollten die nicht schon wach sein und beten, oder so?«, fragte er.

»Warst du schon mal in einem Kloster?«, fragte sie.

Milano schüttelte mit dem Kopf.

»Also, dann ...«, sagte sie und lief weiter.

Tamo sah skeptisch zu Milano.

»Ich finde es auch komisch«, sagte er, aber Milano winkte ab.

Scheinbar hatte er aufgegeben und nahm es einfach so hin. Vielleicht sollte man einfach das Wissen, welches man glaubte zu haben, bei Seite lassen. Konnten ja auch Nonnen sein, die halt nicht schon vor dem Morgengrauen durch die Gänge huschten.

Und genauso schien es zu sein. Als sie das Kloster betraten, herrschte tatsächlich völlige Stille und niemand war zu sehen. Die einzigen, die Lärm verbreiteten, waren die fünf, denn ihre Schritte hallten in den langen Gängen von den Wänden zurück. Plötzlich stoppte Skàdi und sah sich um. Die anderen taten es ihr gleich und sahen erst sich und dann Skàdi an. Die atmete ganz ruhig und ließ ihren Blick schweifen. Alice wollte gerade etwas sagen, als Skàdi das Wort ergriff.

»Sagt mal. Riecht ihr irgendwas?«, fragte sie.

Milano und Alice sahen sich an und wussten, was sie meinte. Alle drei hatten bessere Sinne, aber jetzt, wo sie darüber nachdachten, nein. Skàdi sah über ihre Schulter und wartete auf eine Antwort. Milano schüttelte den Kopf.

»Nein, abgesehen von Weihrauch«, sagte er und Alice nickte zustimmend.

Skàdi legte die Stirn in Falten.

»Geht mir ähnlich«, erwiderte sie und schon stieg ihr wieder der Geruch von Weihrauch in die Nase.

Er roch frisch und intensiv. Also war wohl doch schon jemand wach. Und als sie auf den Gang traten und sich vor ihnen die Grünfläche mit den bunten Fliederbäumen auftat, sahen sie Elisabeth. Sie saß auf der Wiese, auf einer Decke und hatte die Augen geschlossen. Um sie, kleine Schalen, aus denen weißer Rauch aufstieg. Daher also der Geruch.

»Was macht sie da?«, fragte Silas.

»Sieht nach Meditation aus«, gab Tamo zurück.

»In einem Kloster?«, fragte Milano ungläubig.

Alice und Skàdi rollten synchron die Augen. Wie konnte man nach dem Wachwerden so viel reden? Alice holte gerade Luft, aber Elisabeth war schneller.

»Ich hatte es zumindest vor«, und mit diesen Worten öffnete sie die Augen und sah auf die fünf.

»Ich dachte, ihr seid abgereist«, sagte sie kühl.

»Nein, wir brauchten nur mal frische Luft«, erwiderte Alice.

Elisabeth nickte nur und stand langsam auf.

»Und jetzt sicher einen Kaffee?«, fragte sie und alle nickten nur.

Sie trat langsam von der Wiese.

»Dann kommt mit.«

Die fünf sahen sich an, doch nachdem Skàdi mit den Schultern zuckte und einfach loslief, war die Entscheidung wohl schon getroffen. Doch Elisabeth lief nicht in Richtung der Küche, sondern nahm einen Gang, der genau in die andere Richtung führte. Ein komisches Gefühl durchfuhr Tamo und ein Kälteschauer legte sich auf ihn, als sie an einer Treppe vorbeikamen, die nach oben führte. Sie wirkte dunkel. Bedrohlich. Er sah sofort zu Skàdi, denn er kannte diese Art von Kälte nur von ihr. Doch die schien völlig entspannt für ihre Verhältnisse zu sein. Er sah noch mal zu der Treppe, aber das Gefühl war verschwunden.

Sie folgten Elisabeth und als sie aus dem Gang traten, erstreckte sich eine Terrasse vor ihnen. Sie bestand aus terrakottafarbenen Steinen, in der Mitte stand eine große Tafel, welche mit jeder Menge Essen bestückt war und der Geruch von frischem Kaffee stieg ihnen sofort in die Nase.

»Du hast wohl gewusst, dass wir nicht abreisen«, sagte Alice.

Elisabeth sah sie an und schenkte ihr ein Lächeln.

»Gehofft trifft es eher«, sagte sie und zeigte auf die Tafel.

»Setzt euch, ihr müsst Hunger haben.«

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen, denn ja, den hatten sie tatsächlich.

Und so setzten sich alle an den Tisch. Alle außer Skàdi. Sie lief auf die Steinmauer zu, welche die Terrasse abgrenzte und ließ ihren Blick schweifen. Sie hatte den perfekten Blick zu dem See.

Gehofft am Arsch, dachte sie sich und sah zu Elisabeth.

Doch die hatte sich bereits mit an den Tisch gesetzt und reichte Alice gerade die Kanne mit Kaffee. Skàdi gefiel das hier alles nicht. Sie lief um den Tisch. Elisabeth saß an der Stirnseite der Tafel und Skàdi setzte sich neben Tamo.

Dieser hob kurz den Blick, doch sie beachtete ihn gar nicht, sondern griff nach der Kanne mit Kaffee. Während sich alle an dem reichen Buffet satt aßen, herrschte Schweigen und erst, als der letzte sich satt zurücklehnte, sah Milano zu Elisabeth.

»Wo sind eigentlich die ganzen Nonnen?«, fragte er aus der kalten.

Elisabeth sah ihn an und versuchte zu lächeln.

»Sie verstecken sich vor euch«, sagte sie.

Milano zog die Brauen nach oben.

»Warum?«

»Sie haben Angst vor uns«, raunte Silas, während er sich die letzten Brotkrümel aus dem Bart strich.

Elisabeth stimmte schweigend zu.

Skàdi beschlich ein ungutes Gefühl. Irgendwas hatte sich in der Nacht geändert.

»Na dann, lasst uns schnell die letzten Fragen klären, dann sind wir verschwunden und jeder kann sein Leben weiter leben«, raunte sie und fixierte Elisabeth.

»Dann fang doch bitte an«, sagte diese und irgendwie schwang Sarkasmus in ihrer Stimme.

Ein Zucken legte sich um Skàdis Mundwinkel. Sie mochten Elisabeths Ton nicht. Gar nicht.

»Warum sind wir hier?«

Elisabeth nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, bevor sie antwortete.

»Weil ich wissen wollte, ob Travis mir die Wahrheit gesagt hat und wenn ja, um euch zu helfen«, gab sie trocken zurück.

»Gut. Du weißt jetzt, dass es scheinbar die Wahrheit war. Du denkst, dass Samuel eine zweite Person erschaffen will, mit meinen Kräften. Gehen wir davon aus, dass das Tamo ist. Wie hilft uns das alles weiter?«, fragte Skàdi.

Elisabeth stellte ihre Tasse beiseite.

»Na ihr wisst jetzt schon mal, warum Tamo. Und ansonsten, dachte ich, wir können vielleicht gemeinsam nach einer Lösung suchen.«

Sie setzte sich aufrecht an den Tisch und verschränkte ihre Hände vor sich.

»Wisst ihr, welche Fähigkeiten mein Sohn hat?«, fragte sie.

Skàdi schüttelte den Kopf. Tamos Blick ging nach oben und traf auf den von Alice. Die schüttelte nur leicht mir den Kopf und so schwieg und beobachtete er.

Elisabeth seufzte.

»Was habt ihr für Fähigkeiten?«, fragte sie als Nächstes.

Alle sahen sich untereinander komisch an. Doch Skàdis Gesicht blieb ausdruckslos.

»Meine hast du gesehen. Alice kann heilen und ist extrem schnell. Milano kann mit Tieren und Elementen spielen«, erklärte Skàdi und zeigte dann auf Silas.

»Seine besondere Fähigkeit ist es, ein Arschloch zu sein und er kann das Wetter beeinflussen«, sagte Skàdi und sah wieder zu Elisabeth.

Silas nahm schnell einen Schluck seines Kaffees und lächelte verlegen.

Milano und Alice warfen sich einen unauffälligen Blick zu, bevor sich Elisabeth räusperte.

»Okay«, sagte sie und schien nachzudenken.

Sie saß eine Weile schweigend an dem Tisch, bis sich Elisabeth schließlich räusperte und zu Milano sah.

»Du hast seine Forschung völlig zerstört?«, fragte sie nach.

Milano nickte.

»Habe ich«, gab er zurück.

»Auch das Blut, welches er von seiner Schwester genommen hatte?«, fragte sie mit einem komischen Unterton.

Milano hielt ihren Blick stand und nickte.

»Ich habe jede Blutkonserve, jedes Stück Papier, jede beschissene Notiz zunichtegemacht«, sagte er mit fester Stimme.

Verzweiflung legte sich in Elisabeths Gesicht, was Skàdi stutzen ließ.

»Warum? Was hat es mit dem Blut auf sich?«, fragte sie.

Elisabeth sah sie an.

»Ich weiß nicht, aber etwas sagt mir, dass das die Lösung eures Problems gewesen wäre. Ich meine, ihre Fähigkeiten konnten ihm immer beruhigen. Vielleicht hätte euch das ja jetzt auch geholfen«, gab sie leise von sich und starrte Skàdi dabei an.

Die legte den Kopf schief und knurrte leise.

»Tja, diese Lösung steht wohl nicht mehr zur Verfügung.«

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