Kapitel 28 - Karma

Skàdi war angepisst. Ihr Haus war voller Idioten, die nicht nur ihre Einrichtung zerstörten, sondern ihr alle auch noch maßlos auf den Sack gingen. Sie wurden angegriffen und keiner konnte ihnen sagen warum. Tamo schien eine wesentliche Rolle zu spielen und auch hier wusste keiner warum.

Nur eins wusste sie jetzt mit absoluter Sicherheit. Nobody, so nannten sie ihn, denn er war es nicht wert einen Namen zu tragen, steckte dahinter und das konnte nur bedeuten, dass es eigentlich um Skàdi ging. Er würde nicht so weit gehen und einen Deal brechen, der sie beide am Leben hielt, wenn er nicht einen Vorteil daraus ziehen konnte.

Und Tamo, seine Berührung gerade eben, hatte etwas in ihr ausgelöst und das, was sie gespürt hatte, war nicht gut. Gar nicht gut.

Sie war mittlerweile in ihrem Schlafzimmer angekommen und warf sich in eine Jeans und einen schwarzen Pulli. Es gab nur eine Person, die ihr helfen konnte, und das war Duke. Sie musste ihn finden und das schnell. Denn jetzt ergab es auch Sinn, dass er nicht zu dem Treffen erschienen war. Er verkroch sich wie eine Ratte und das aus gutem Grund. Langsam vergaß sie nämlich, warum sie ihn am Leben gelassen hatte.

Nachdem sie sich angezogen hatte, stieg sie die Treppe nach unten. Milano, Alice und Silas saßen auf der Terrasse. Skàdi ignorierte sie und verließ das Haus über die Haustür und steuerte auf den Stall der Pferde zu.

Aska und Hel kamen sofort auf sie zu gelaufen und auch wenn Skàdi nicht wirklich etwas spürte, ließ sie dieser Anblick lächeln.

Sie stand an dem Zaun, welcher die Koppel abgrenzte und legte beiden jeweils eine Hand auf die weichen, warmen Nüstern.

»Na ... Euch geht es gut, was?«

Ein Räuspern hinter ihr ließ Skàdi herumfahren, doch sofort schlug ihre Laune um, als sie Silas hinter sich vernahm.

»Verpiss dich«, motzte sie ihn an.

Silas ging aber weiter auf sie zu und stellte sich neben sie. Hel warf den Kopf nach oben und ging einen Schritt zur Seite, sodass Silas ihm über den Kopf streicheln konnte. Silas sah zu Skàdi, die ihren Blick zu Aska gerichtet hatte.

»Können wir bitte reden? Ich will das so nicht mehr«, flehte er verzweifelt.

Skàdi schnaubte.

»Wann habt ihr eigentlich angefangen, mich zu ignorieren? Ich sagte, verpiss dich.«

Silas stöhnte, blieb aber einfach stehen und redete weiter.

»Ich habe dich noch nie ignoriert. Ich habe ...«, doch schon funkelte Skàdi ihn böse an und unterbrach ihn.

»Du hast mir nicht geglaubt und mich verraten. Ich wüsste nicht, worüber wir noch zu sprechen hätten!«

Sie duckte sich und wollte gerade unter dem Zaun durchkriechen, als Silas sie am Arm packte und festhielt. Die Kälte, die ihm sofort überkam, ignorierte er, ebenso so wie die Angst, die er zu spüren begann.

»Skàdi, es tut mir leid, aber er war immerhin mein Bruder und nach allem, was die letzten Tage passiert ist. Sollten wir dann nicht als Front arbeiten? Gemeinsam? Ich habe Angst, dass uns wichtige Zeit verloren geht durch dieses Gestreite und fehlendes Vertrauen hat uns schon mal das Genick gebrochen.«

Skàdi lachte kalt auf.

»Falsch, es hat mein Genick gebrochen, weil ich dir vertraut habe«, raunte sie und riss sich aus seinem Griff.

Hel schüttelte den Kopf und trat neben sie, sodass sie in seine Mähne greifen konnte, und schon saß sie auf seinem Rücken.

Silas sah sie an, sein Blick war mit Selbsthass gefüllt und seine Körperhaltung zeigte Reue. Er seufzte, drehte sich ab und lief in Richtung des Hauses zurück, als Skàdis Stimme ihn zusammenschrecken ließ. Sie sah ihm nach. Er tat ihr nicht leid, aber er hatte recht. Zu ihrem Leidwesen.

»Wenn du reden willst, dann komm mit«, rief sie ihm nach.

Silas drehte sich wieder zu ihr, doch sie und Hel hatten sich schon in Bewegung gesetzt. Aska stand immer noch am Zaun und sah zu Silas. Er überlegte nicht lange, sondern rannte los, stieg auf den Zaun und ließ sich auf Aska gleiten.

»Gutes Mädchen«, flüsterte er und klopfte ihr an den Hals.

Aska wieherte auf und schüttelte unzufrieden den Kopf.

»Sorry, ich vergesse immer, dass ihr genauso eigen seid, wie eure Chefin. Könnten wir dieser jetzt bitte folgen?«, fragte er mir einem Lachen im Gesicht.

Aska zog eine Nüster nach oben, schniefte und lief los.

»Danke«, murmelte er.

Aska trat an und binnen von Sekunden, hatte sie zu Skàdi und Hel aufgeholt. Silas krallte sich tief in ihre weiße, lange Mähne und als er zu Skàdi sah, schüttelte diese den Kopf.

»Reiß ihr nicht die Haare aus. Sie ist eh schon angepisst.«

Silas lockerte sofort seinen Griff und schnaubte.

»Ich habe das Gefühl, hier ist jeder, ständig angepisst.«

Skàdi zuckte mit den Schultern und schwieg. Silas musterte sie und wollte gerade anfangen zu sprechen, als Skàdi ihm zuvorkam.

»Lass es. Ich habe nicht vor dir zu verzeihen oder über die Vergangenheit zu reden, aber du hast recht. Wir müssen wohl oder übel zusammenhalten. Ich habe es nämlich langsam satt, euch aus der Scheiße zu ziehen, zumal ich nicht weiß, wie lange ich dazu noch in der Lage bin.«

Silas nahm es hin. Auch wenn ihr Angebot den Funken Hoffnung in ihm geweckt hatte, wusste er, dass es nie wieder so werden würde, wie es einmal war. Doch ihre Worte zeigten ihm wieder, wie ungewiss ihr Leben eigentlich war. Es gab so unendlich viele Fragen, auf die auch Skàdi keine Antwort hatte. Über die Jahre war ihr bewusst geworden, dass sie immer ein Stück ihrer Seele aufgab, wenn sie jemanden rettet. Tja, aber wie oft konnte man eine Seele teilen? Wie lange konnte sie noch Leben retten? Sie wusste es nicht und sie hatte die Hoffnung auf Antworten mittlerweile aufgegeben.

Silas sah sie traurig an.

»Es tut mir trotzdem leid«, wiederholte er sich.

»Das sagtest du bereits, nur dass es nichts ändert«, und damit drückte Skàdi ihre Schenkel an Hel, der sofort reagierte und in einen schnellen Galopp überging.

»Wäre nett, wenn du mich nicht abwirfst«, sagte er stöhnend zu Aska und tat es Skàdi gleich.

Aska schüttelte den Kopf und schon schoss sie Hel nach. Sie rasten von dem Grundstück über ein weiteres Tor direkt in den dunklen Wald. Das Donnern ihre Hufe ließ den harten Waldboden erbeben.

Skàdi hatte die Augen geschlossen und genoss die kalte Luft des Abends. Die Sonne war bereits am Untergehen und in dem Wald, war es längst stockfinster. Die Pferde kannten den Weg und benötigten keine Anweisungen und während Silas krampfhaft versuchte nicht abzustürzen, legte Skàdi ihre Hände sanft auf Hels Hals und genoss seine Bewegungen.

Ohne Probleme wichen Hel und Aska jedem Hindernis aus und so brachten sie immer mehr Abstand zwischen das Haus und sich. Der Boden unter ihren Hufen wurde langsam weicher und so sanken sie leicht ein. Ihre schweren Körper schwebten dennoch leicht wie Federn durch den Wald. Sie bestimmten ihr Tempo selbst und immer wenn sie die Möglichkeit hatten, legten sie etwas an Geschwindigkeit zu. Skàdis lange Haare wehten durch den Wind, ebenso wie die Mähne von Aska und Hel.

Erst als sie auf einer kleinen Lichtung mitten im Wald ankamen, wurden sie wieder langsamer und kamen letztlich an einer kleinen Quelle zum Stehen. Hel und Aska senkten die Köpfe und begannen zu saufen, während Skàdi den Blick schweifen ließ.

Das Mondlicht erleuchtet die kleine Lichtung und alles lag in völliger Stille.

Die frische Luft legte sich um sie und der schwere erdige Geruch, beruhigte Skàdi und ließ ihren Frust schrumpfen.

Silas sah sich um, er kannte diese Lichtung. Skàdi kam oft hierher, wenn sie Ruhe und Einsamkeit brauchte. Und diese brauchte sie oft. Er vermisste die lebensfrohe Skàdi von früher und es war schwer zu akzeptieren, dass er diese niemals wieder zurückbekommen würde.

Dennoch änderte das nichts an seinen Gefühlen. Er liebte sie noch immer. So wie schon damals, auch wenn er wusste, dass sie diese Liebe niemals erwidern würde oder mittlerweile, nicht mehr erwidern konnte. Alice hatte ihn immer auf dem Laufenden gehalten, wie es um Skàdi stand und so wusste er auch, dass ihre Seele wohl nur noch ein Fetzen ihrer selbst war. Er würde sein Leben dafür geben, um daran etwas zu ändern, um dafür zu sorgen, dass sie nicht zu dieser gefühllosen Hülle mutierte.

Aber die Chance dafür hatte er vertan und das würde er sich niemals verzeihen, so wie auch Skàdi ihm nicht verzeihen würde.

Er versank in seinen Gedanken an die Vergangenheit, als Skàdi und Hel plötzlich aufsahen. Sie starrten in die Dunkelheit vor sich. Silas versuchte etwas zu erkennen, aber mehr als Schatten und Bäume konnte er nicht erspähen.

»Was ist?«, fragte er leise.

»Hörst du das?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen.

Silas hielt die Luft an, um besser hören zu können. Doch gerade als er mit dem Kopf schütteln wollte, hörte er es. Ein leises Wimmern.

»Da ist jemand«, flüsterte er.

Skàdi nickte und schon setzte sie sich in Bewegung.

»Bleibt hinter mir«, sagte sie, jedoch nicht zu Silas.

Aska trat sofort hinter Hel.

Wenigstens setzten die beiden noch Befehle ohne zu meckern um, dachte sich Skàdi.

Sie verließen die Lichtung und ritten tiefer in den Wald und kamen in den Bereich, den Skàdi durch ihre Druckwelle, nennen wir es, umgestaltet hatte.

Das blanke Chaos lag um sie herum, doch sie kamen dem Wimmern näher, denn es wurde langsam lauter und immer deutlicher. Skàdi sah sich suchend um und plötzlich stockte sie. Ein breites, kaltes Grinsen legte sich in ihr Gesicht, als sie die Quelle des Jammerns sah. Vor ihnen tauchte eine Person auf, welche an der Schulter von einem Ast durchbohrt war. Sie war an einen der Bäume gepinnt. Blut sickerte aus der Wunde und hatte das helle Shirt völlig durchweicht.

Silas schluckte und ein Schauer durchlief ihn, als er erkannte, wer da hing.

Skàdi ließ Hel etwas näher an die Person treten und lachte kalt auf.

»Ist das dieses Karma, von dem immer alle reden?«, fragte sie dunkel in die Stille des Waldes.

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