Kapitel 16 - Thomas Mertens
Marian betrat die Terrasse und fixierte sofort Caleb. Der stöhnte, zündete sich eine Zigarette und sah über den verschneiten Garten.
„Was willst du hier?", fragte Marian garstig.
Caleb drehte sich zu ihm und sah ihn an.
„Angst?"
Marian spannte seinen Kiefer an und ein leises Brummen war zu hören.
„Wovor? Dir? Sicher nicht."
Caleb lachte kalt auf.
„Solltest du aber", erwiderte er aus dem Bauch heraus.
Er wusste, dass man Marian nicht drohte, dennoch war diese ihm über die Lippen gekommen. Er hasste ihn. Er hatte ihn fünf Jahre seines Lebens gekostet und über die zehn weiteren wollte Caleb gar nicht nachdenken. Doch er brauchte ihn, anderenfalls hätte er ihm sicher schon mehr als eine vor die Fresse gehauen. Marian trat näher an Caleb heran und baute sich vor ihm auf, was wirklich witzlos war, denn Caleb war doppelt so breit wie er. Er lehnte sich näher zu ihm.
„Pass lieber auf, was du von dir gibst, Caleb", zischte er ihm zu, als die Terrassentür ein weiteres Mal aufflog.
Susi lehnte sich nach draußen.
„Die Mertens warten auf euch", gab sie von sich und sah die beiden an.
Marian ließ auf der Stelle seine Zornesfalte verschwinden, drehte sich und klopfte Caleb auf die Schultern.
„Lass uns gehen, Kumpel", raunte er.
Caleb knirschte mit den Zähnen, nickte aber und folgte ihm. Sie gingen zurück durch die Küche, passierten den Flur und traten in einen Saal, denn Wohnzimmer konnte man diesen Raum nicht nennen. Auch wenn die Couch am Ende des Raumes, auf der Maren allein saß, wohl ebendiesen Eindruck erwecken sollte.
Calebs Blick wanderte von ihr zu dem riesigen Weihnachtsbaum. Er hatte locker fünf Meter und war golden eingeschmückt. Caleb schüttelte den Kopf. Er liebte Weihnachten, aber langsam verstand er, woher Marens Abneigung dafür kam. Sein Blick wanderte zu der reichlich gedeckten Tafel, auf der Essen stand, welches locker noch drei weitere Familien sattbekommen hatte. Marian lief direkt zu seiner Frau, welche gemeinsam mit den Kindern schon am Tisch saß. Die Mertens selbst standen am Kopfende des Tisches und schienen nur darauf zu warten, ihre Klauen in Maren versenken zu können. Zumindest zeigten das ihre bösen Blicke in ihre Richtung. Gerade als Caleb einen neuen Versuch wagen wollte, Maren näherzukommen, fiel ihm ein gemaltes Porträt ins Auge. Es zeigte eindeutig die Mertens. Einige Jahre Jünger. Auch Marian erkannte Caleb sofort, ebenso wie die noch ziemlich klein wirkende Maren. Doch neben ihr stand ein weiterer Junger. Wesentlich älter als Maren und auch als Marian. Sie lächelten alle und hatten sich vor dem riesigen Weihnachtsbaum gestellt, der also auch schon vor Jahren in goldenen Farben glänzte.
„Caleb", kommen Sie zu uns an den Tisch, raunte Marens Vater.
Caleb sah zu Maren, aber da sie keinerlei Reaktion zeigte, fügte sich dieser Bitte und lief auf die Tafel zu.
„Maren", raunte es im fordernden Ton durch den Raum.
Doch diese schüttelte nur den Kopf.
„Keinen Hunger", raunte sie und kippte den letzten Rest Whiskey in sich.
Ein verächtliches Schnauben hallte durch den Raum, was Caleb direkt wieder den Magen zusammenziehen ließ.
„Na dann", raunte der Vater und griff nach seinem Champagnerglas.
„Lasst uns anstoßen. Auf die Familie und unsere Gäste."
Caleb konnte nicht glauben, was er da hörte. Wie wenig Herz konnten Menschen eigentlich besitzen. Aus purem Trotz ließ er das Glas unberührt vor sich stehen und suchte schon nach den passenden Worten, als Marens Stimme durch den Raum hallte.
„Auf Thomas, der diese Scharade hier genauso abartig finden würde, wie ich."
Sie grinste breit und hob das plötzlich wieder volle Whiskeyglas in die Luft.
Ihre Worte hatten die Zeit zum Stillstand gebracht. Marens Mutter war erstarrt und krallte sich an ihrem Glas fest, während ihrem Vater der Zorn ins Gesicht geschrieben stand. Marian hingegen schien belustigt zu sein.
„Wir erwähnen diesen Namen in diesem Haus nicht mehr", zischte ihr Vater.
Maren lachte und stand auf. Schon fast taumelnd, lief sie auf die Tafel zu. Tja, sie hatte die letzte halbe Stunde wohl sinnvoll genutzt und sich schon einen hinter die Binde gekippt.
„Ach stimmt. Ich hatte fast vergessen, dass alles, was nicht glänzt und schimmert, unter die Decke gekehrt wird", warf sie ihnen entgegen.
Ihr Vater schluckte. Marians Frau sah Hilfe suchend zu ihrem Mann, aber der ignorierte sie und drehte sich langsam zu Maren.
„Es reicht jetzt", fauchte er ihr entgegen.
Doch Maren hatte scheinbar noch nicht mal richtig angefangen. Ein hinterhältiges Grinsen legte sich in ihr Gesicht und wanderte durch die Runde.
„Wird langsam Zeit für einen größeren Teppich, oder? Wird langsam voll da drunter. Ich meine. Mutter ... solltest du da nicht längst auch drunter liegen? Ich denke, Tablettensucht ist jetzt auch nicht sonderlich glanzvoll."
Ihre Mutter keuchte auf und sah zu ihrem Mann.
„Tu etwas!", forderte diese und schon trat er vor Maren, doch die war schneller und zeigte auf ihren Vater.
„Oder bist du zu beschäftigt damit, deine Assistentin zu vögeln. Im Übrigen, sag ihr, dass sie ruhig mal eine andere Farbe für diese beschissene Einladung für ein Essen, wo mich eigentlich niemand haben will, aussuchen soll. Rot ... seit 17 verdammten Jahren rot. Weißt du, ich bekomm schon das Kotzen, wenn ich es nur sehe."
„Es reicht", knurrte Marian und packte Maren grob am Arm, was Caleb sofort ein Brummen entweichen ließ.
Doch Maren lachte hysterisch auf und funkelte ihren Bruder an.
„Stimmt. Eigentlich gehört nur einer endlich weggekehrt. Du und deine beschissene Art, Bruder."
Marian spannte sich an und man sah die Wut in seinen Augen toben. Er schluckte und packte Maren noch etwas fester am Arm.
„Dass du es dir überhaupt wagst. Du kommst hierher, in diesem Aufzug und dann wagst du es auch noch, seinen Namen in den Mund zu nehmen? Ernsthaft?", zischte Marian.
Maren schluckte, doch der Alkohol hatte ihr jegliche Zurückhaltung genommen.
„Fick dich!", warf die ihm entgegen und ansah deutlich, wie sich etwas in Marian veränderte.
Ein widerliches Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Er hob den Blick und sah zu seinen Eltern.
„Mum, Dad. Ihr solltet da vielleicht noch was wissen. Ich hätte es vielleicht viel eher kundtun sollen, aber Maren ist der Grund, dass Thomas gestorben ist. Sie allein ist schuld daran."
Stille breitete sich aus. Alle schienen erstarrt zu sein, selbst Maren sah ihn fassungslos an. Marian funkelte sie an und lehnte sich zu ihr.
„Wir sind quitt, würde ich sagen", dann ließ er ihren Arm los und stieß sie zurück, bevor er zu Caleb sah und ihm eigenartig anlächelte.
Caleb konnte nicht fassen, was er da gerade gehört hatte, und war schon auf dem Weg zu Maren, doch ihr Vater war schneller. Ohne etwas zu sagen, holte er aus und verpasste Maren eine Ohrfeige, deren Klatschen durch den Raum halte. Caleb packte sofort die Wut und er wusste, dass wenn er nicht gleich hier verschwand, würde es böse enden. Er packte Maren, gerade als ihr Vater begann durch das Wohnzimmer zu brüllen.
„Verschwinde hier und komm nie wieder. Ich habe keine Tochter mehr. Hast du verstanden?"
Maren, die von Caleb am Arm aus dem Wohnzimmer gezogen wurde, drehte sich, holte aus und warf das Whiskeyglas knapp an dem Kopf ihres Vaters vorbei. Es schlug in die Wand hinter ihm ein und zersprang in tausend Teile.
„Trifft sich prima, denn ich habe seit 17 Jahren schon keine Familie mehr", feuerte sie noch nach und schon riss Caleb die Haustür auf und schob sie nach draußen.
„Was für Arschlöcher", entfuhr es Caleb und ließ Maren los.
Doch die drehte sich sofort zu ihm und funkelte ihn böse an.
„Wie viel hat Marian dir für diese Scheiße gezahlt?"
Caleb sah sie verständnislos an.
„Was? Nichts! Ich dachte, ich kann dir etwas gutes tun!", erwiderte er.
Maren kniff die Augen zusammen und ging einen weiteren Schritt auf ihn zu.
„Wenn es nicht mein Bruder war, woher wusstest du dann von dem hier?", fragte sie und zeigte zurück auf ihr Elternhaus.
Caleb rieb sich verzweifelt übers Gesicht.
„Ich habe die Karte gelesen. Du sahst so traurig aus, als du sie gesehen hast und ich ...", weiter kam er nicht, denn diesmal war es Marens Hand, die in deiner Wange einschlug.
Verachtung lag in ihrem Blick und sie schüttelte den Kopf, bevor sie sich abwandte und von dem Grundstück ihrer Eltern verschwand.
Caleb seufzte und sah ihr nach. Er wusste, dass er scheiße gebaut hatte, aber ihr nachlaufen, würde wohl nichts bringen. Er stieg in sein Auto und fuhr ihr nach. Mit ausreichend Abstand beobachtete er sie und erst als sie in ein Taxi stieg, seufzte er, schaltete sein Navi wieder ein und machte sich auf den Heimweg.
Maren ließ sich auf den Rücksitz des Taxis fallen und seufzte.
„Wo darf es hingehen, junge Dame?", fragte der Taxifahrer und beobachtete Maren über den Rückspiegel.
„Hexham. Rockbar, bitte."
Er nickte, startete den Wagen und fuhr davon.
Caleb kam zwei Stunden später zu Hause an. Die Hoffnung, dass Maren bereits hier war, zerschlug sich, sowie er die Wohnungstür aufschloss und ihm Erna und Bernd entgegenkamen.
„Ich habs verbockt, ihr zwei. Aber so richtig", murmelte er und sah sie traurig an.
Sie gaben ein leises Fiepen von sich und verschwanden dann wieder ins Wohnzimmer. Caleb folgte ihnen und ließ sich auf die Couch fallen.
Wie zur Hölle konnte er nur so dämlich sein? Er war fest davon ausgegangen, dass Marian der Arsch der Familie war, aber doch nicht, dass die ganze Familie der Hölle persönlich entsprungen war. Tja und dann war da noch dieser Thomas. Maren sollte an seinem Tod schuld sein? Und warum wussten ihre Eltern es nicht?
Caleb qualmte der Kopf und es sollte nicht besser werden, denn die Stunden vergingen. Langsam legte sich die Dunkelheit über Hexham, doch von Maren fehlte jede Spur und langsam mischte sich Sorge unter all seinen Selbsthass.
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